ich wünsche Ihnen ein frohes, gesundes und friedliches neues Jahr.
Sie sind, so hoffe ich, doch gut ins neue Jahr gestartet?
Ich bin ganz ehrlich: Ich hatte keine großen Erwartungen an dieses neue Jahr. Nur eine: dass es ein kleines bisschen besser werden würde als das vergangene.
Stellt sich heraus: Auch diese Erwartung war zu hoch gegriffen.
Deswegen möchte ich in diesem Newsletter ausnahmsweise nicht auf ein Podcast-Gespräch verweisen, sondern versuchen, mit Ihnen diese seltsame erste Woche 2023 zu verarbeiten.
Gehen wir doch mal rein.
Mein Gefühl ist: Diese erste Woche des neuen Jahres, das sich schon so alt anfühlt wie das vergangene, sie ist eine einzige große Stilfrage.
Mit einem Kater wachte ich am Neujahrsmorgen auf und im Laufe der nächsten Tage verstetigte er sich. Leider.
Es ist nicht neu: An Silvester wurde geböllert, es wurde übertrieben, Feuerwehr und Polizisten wurden angegriffen.
Doch etwas muss in diesem Jahr anders gewesen sein. Irgendwas scheint sich da aufgestaut zu haben.
Wie sonst sollte man Böllerattacken, zielgerichtete Angriffe auf Polizisten, Feuerbarrikaden, Hinterhalte, Feuerlöscher als Wurfwaffe und Schreckschusspistolen erklären, mit denen Pyro in Polizeiwagen gefeuert wurde?
Irgendwann stellte sich sodann die Frage, ob es sich hier nicht weniger um ein Böller-Problem, denn um ein Integrations-Problem handle.
Lesen Sie, wenn Sie mögen, meinen Kommentar zu den Debatten, die sich an diese hässliche Silvesternacht anschlossen.
Ich möchte an diese Stelle zu diesen Diskussionen nur noch Folgendes sagen:
Dass der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries dieses hier twittert, ist ein Skandal:
© Screenshot: Christoph de Vries auf TwitterDass er später meinte, es sei ein ironischer Seitenhieb auf den diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch des LKA Berlin gewesen, macht es nicht besser, eher schlimmer.
Jeder sollte sich seiner Position bewusst sein.
Wenn man kein Polizist ist, wenn es nicht um eine Personenbeschreibung im Einsatz, eine Fahndung oder ähnliches geht, wenn man stattdessen ein Politiker ist und sich zu einer völlig freidrehenden Integrations-/Migrations-/Gewalt-/kultureller Hintergrund-Diskussion äußern möchte, dann tut man es so, dass es nicht zwei Schritte vor "Die Täter hatten keinen Ariernachweis" ist.
Ebenso behauptet man als viel gehörter Experte wie Ahmad Mansour nicht, dass Aufschriften wie "ACAB" – Abkürzung für "All Cops are bastards" – Rassismus seien.
© Screenshot: Ahmad Mansour auf TwitterSie sind beleidigend, sie sind ehrverletzend, sie sind unangebracht. Rassistisch sind sie nicht.
Und das sage ich auch als die Tochter eines Vaters, der Polizist war.
Hier die weiteren Stillosigkeiten dieser Woche:
In höchstem Maße unanständig ist es, sich zu denken:
Wo wir doch schon mal so nett über die Integrationsverweigerung gewalttätiger Migranten sprechen, könnten wir auch mal wieder über die Kinder der Zugezogenen sprechen:
"Wir haben ein Integrationsproblem in Deutschland", sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der Bild-Zeitung.
Deswegen – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – hat er sich für Quoten für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen ausgesprochen.
Lesen Sie, wenn Sie mögen, hier meinen Kommentar zu diesem Totalausfall, der nicht nur völlig daneben, sondern auch faktisch nicht umsetzbar ist.
Und sonst? Nun:
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat sich in Sachen Stil – erneut – völlig danieder gelegt.
Ich bekomme die wenigen Sätze, die man trotz der Böllerei im Hintergrund verstehen konnte, nicht mehr aus dem Kopf.
"Was war das für ein Jahr, dieses Jahr 2022?"
Tja, man fragt es sich tatsächlich.
Aus der Kategorie "Wollte ich alles nie wissen" liefert Prinz Harry weiterhin zuverlässig.
Sein Bruder William habe ihn tätlich angegriffen, ließ er wissen.
Nun kann man sich fragen, ob das nicht in den besten Familien vorkommt, dass sich zwei halbstarke Brüder mal irgendwann im Laufe ihres Lebens kloppen.
Aber vielleicht denke ich das auch nur, weil ich zum "Phänotypus: westasiatisch, dunklerer Hauttyp" gehöre.
Fifa-Präsident Gianni Infantino hat auf der Trauerfeier Pelés ein Selfie am Sarg des Verstorbenen gemacht. Falls Sie also gedacht hatten, dass Niveau, es kann nicht weiter sinken – nun, es kann.
Und Trauerfeier II: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat Folgendes zur Trauerfeier von Papst Benedikt XVI. getwittert:
Ich denke, er wollte zwischen den Zeilen durchblicken lassen, dass der Papst aus Bayern kam.
Wenn Sie sich fragen, was Markus Söder sonst so antreibt, empfehle ich Ihnen unsere aktuelle Coverstory meines Kollegen Rasmus Buchsteiner.
"Das Jahr 2023 könnte das Jahr von Markus Söder werden", meint unser Chefredakteur Michael Bröcker.
Die Bewertung, ob das jetzt eine gute oder schlechte Nachricht ist, überlasse ich Ihnen.
Ich für meinen Teil habe meine Erwartungen an dieses Jahr revidiert und nach unten korrigiert.
Ich hoffe nur noch, dass 2023 nicht schlechter wird als 2022.
We can do this!
Ach und eins noch:
Falls Sie zu den vom Leben noch nicht völlig Gezeichneten gehören und so etwas wie Vorsätze haben, helfen vielleicht diese Achter Tag-Gespräche:
Sie wollen fasten?
Sie wollen kündigen?
Sie wollen anders lieben?
Sie wollen Männer ernster nehmen?
Sie wollen resilienter sein?
Sie wollen weniger müde sein?
Sie wollen Rassismus verstehen?
Und überhaupt: Sie wollen endlich mal ein guter Mensch sein?
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und freue mich, wenn wir uns im nächsten Achten Tag wieder begegnen.
Bis dahin – auf sehr, sehr bald.
Herzlichst
Ihre