Im Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) tobt kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg der erste Richtungsstreit. Nach der Generaldebatte im Bundestag vergangenen Mittwoch schockierte Sahra Wagenknecht eigene Mitglieder und Unterstützer mit ihrer Forderung zur Migrationspolitik.
Menschen, die aus sicheren Drittstaaten einreisen, sollten „generell kein Asylverfahren mehr bekommen“, sagte Wagenknecht gegenüber der Welt TV. So würde die Zahl der illegalen Migranten „rapide sinken“.
Für das Hamburger BSW-Mitglied Dejan Lazić sind die Aussagen „reiner Populismus“. Uns sagt er:
Beim Thema Migration hört der Einsatz für Vernunft und Gerechtigkeit bei Wagenknecht plötzlich auf.
Wagenknechts Forderung würde faktisch ein Ende des individuellen Rechts auf Asyl und der Genfer Flüchtlingskonvention bedeuten, da eine rechtsstaatliche Prüfung wegfallen würde, so Lazić. Damit überhole die Parteichefin sogar die CDU von rechts.
Lazić, der als Jurist und Sozialökonom tätig ist, ist mit seiner Kritik nicht alleine. Er spreche für viele Mitglieder, die sich eher als „links“ denn als „konservativ“ verorten.
Am Montag kritisierten linke Mitglieder des Unterstützerkreises des BSW in einem offenen Brief die BSW-Führung auf ähnliche Weise. Wie Lazić wollen sie statt einer restriktiven Migrationspolitik die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen. Das entspricht der Programmatik der Linkspartei. Diese Haltung hat auch die Co-Vorsitzende des BSW, Amira Mohamed Ali, bis zur Gründung des BSW in Reden im Bundestag vertreten.
© imago„Diskussionen unerwünscht“
Gerne hätte Lazić das im BSW selbst diskutiert. Doch weil „man innerhalb des BSW gegen eine Betonwand“ laufe und eine Diskussion unerwünscht sei, wendet er sich an The Pioneer.
Eines der prominenteren Mitglieder des BSW, der ehemalige Vizepräsident der Handelskammer und persönliche Referent des Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi, Torsten Teichert, ist wegen zu viel Top-Down bereits wieder aus der neuen Partei ausgetreten. Uns gegenüber spricht Teichert von einem „Führerkult“. Das BSW sei eine „Kaderpartei“, die intern extrem undemokratisch aufgebaut sei.
An Richtungsentscheidungen seien die BSW-Mitglieder nicht beteiligt, sondern würden davon erst durch Aussagen von Wagenknecht in Talkshows, Interviews oder auf X erfahren, sagen Parteimitglieder.
© dpaWeder in der Migrationspolitik noch in der Frage der Koalition mit der CDU in Sachsen und Thüringen sei die Mehrheit der Parteimitglieder auf der Linie von Wagenknecht und dem Bundesvorstand, so Lazić.
Fazit: Das BSW steht vor einer Grundsatzentscheidung. Entweder die Partei wird zu einer Linken 2.0 oder die vielen linken Mitglieder finden sich mit dem von oben verordneten Rechtskurs ihrer Parteiführung ab.