Im Bundestag wurde es diese Woche laut. Begleitet von Buhrufen von Abgeordneten von die Linke, SPD und Grünen wurde am Mittwoch ein Antrag der Unionsfraktion zum Thema Migration beschlossen - mithilfe von Stimmen der AfD. Am Freitag geht CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nun sogar noch einen Schritt weiter. Dann stimmt der Bundestag nicht nur über einen unverbindlichen Antrag, sondern über ein Gesetz ab – das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz. Doch worum geht es darin überhaupt? Was sagen die Parteien? Und hat das Gesetz eine Chance?
Das steht im Gesetzesantrag: Dem Bundestag liegt formal ein „Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland” – oder eben Zustrombegrenzungsgesetz – vor. Darin fordert die Unionsfraktion vier zentrale Punkte:
Änderung des Aufenthaltsgesetzes: Seit die Ampelparteien im November 2023 das Aufenthaltsgesetz geändert haben, heißt es darin: „Das Gesetz dient der Steuerung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.” Das geht der Union nicht weit genug. Sie meint: Dort muss wieder ausdrücklich von „Begrenzung” die Rede sein.
Familiennachzug: Subsidiär Schutzberechtigte, also Menschen ohne Asyl- oder Flüchtlingsstatus, denen aber in ihrem Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, sollen ihre Familien nicht nach Deutschland holen dürfen.
Konsequenter abschieben: Menschen ohne Schutzstatus abzuschieben, spielt laut dem Gesetzentwurf der Union eine „zentrale Rolle” in der Regulierung von Migration.
Die Bundespolizei einschalten: Zwar ist die Bundespolizei als Grenzbehörde tätig, Kompetenzen für die Aufenthaltsbeendigung hat sie aber nicht. Das übernimmt die Landespolizei. Sollten Bundespolizisten also beispielsweise am Bahnhof, ihrem Zuständigkeitsbereich, jemanden aufgreifen, dessen „Abschiebung entweder unmittelbar vollziehbar oder mittels einer Duldung ausgesetzt ist”, können sie nur die Landespolizei einschalten. Das soll sich ändern: Auch die Bundespolizei soll die Person in Abschiebehaft nehmen können.
Die Meinungen der Fraktionen:
Die AfD sagt Ja: Das Gesetz sei „natürlich klar auf unserer Linie”, sagte Bernd Baumann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion am Dienstag. „Natürlich stimmen wir dem zu”, meint er weiter.
Ja auch von der FDP: Auch die FDP-Fraktion hat ihre Zustimmung bereits angekündigt.
Unsicherheit beim BSW: Noch am Dienstag sicherte Parteichefin Sahra Wagenknecht ihre Zustimmung zu. Bei der Abstimmung zu dem Entschließungsantrag der Union am Mittwoch enthielten sich die BSW-Abgeordneten allerdings..
Empörung bei Rot-Grün: Sowohl Grüne, als auch SPD und die Linke haben ihre Ablehnung gegenüber den Unionsanträgen in dieser Woche laut kundgetan.
Zünglein an der Waage: Im Bundestag sitzen auch sieben fraktionslose Abgeordnete – sechs von ihnen sind ehemalige AfD-Fraktionsmitglieder. Mit ihren Stimmen kämen Union, FDP und AfD auch ohne das BSW auf eine Mehrheit.
Die Chancen auf Durchsetzung:
Im Bundestag könnte eine Mehrheit für das Zustrombegrenzungsgesetz stimmen. Aber: Im Bundesrat sieht es schwieriger aus. Das liegt vor allem an den für die Union ungünstigen Kräfteverhältnisse, aber auch formalen Gründen, sagt Verfassungsrechtler Christian Pestalozza unserem Kollegen Jan Schroeder.
Zustimmung ist Pflicht: Die Forderungen im Gesetz würden in das Hoheitsrecht der Länder eingreifen. Deshalb muss der Bundesrat zustimmen.
Mögliche Begründung: „Sollte das Gesetz im Bundestag mit den Stimmen der AfD zustande kommen, wäre diese ‚falsche Mehrheit‘ womöglich Grund genug für den Bundesrat, nicht zuzustimmen“, sagt Pestalozza. Die Mehrheitsverhältnisse sprechen für sich:
Sieben SPD-geführte Länder haben bereits in einem offenen Brief die anderen Bundesratsmitglieder aufgefordert, sich gegen das Gesetz zu engagieren.
In NRW, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg regiert die CDU mit den Grünen. Diese Länder werden sich voraussichtlich enthalten – im Bundesrat müssen die Länder einheitlich abstimmen.
Ausnahme: Bayern. Nur dort regiert die CSU ohne SPD und Grüne. Sollten die beiden Parteien bei ihrer derzeitigen Haltung bleiben, wird wohl nur ein Bundesland im Bundesrat für das Gesetz stimmen.
Letzte Instanz: Der Bundespräsident. Sollte das Gesetz doch den Bundesrat passieren, könnte Frank-Walter Steinmeier von seiner Prüfungskompetenz Gebrauch machen. Wenn er verfassungsrechtliche Bedenken hat, kann er sein Veto einsetzen und die Ausfertigung des Gesetzes verweigern.