dieser Wahlkampf ist eine dreifache Zumutung:
Zumutung 1: Die Demoskopen. Die Meinungsforscher haben es geschafft, sich ins Zentrum der Debatte zu schieben. Sie erheben nicht das Stimmungsbild, sondern sie erzeugen es. Und am Tag danach? Liegen sie oft granatenmäßig daneben. Die CDU wurde soeben bei der Kommunalwahl in Niedersachsen stärkste Partei, entgegen vieler Vorhersagen.
© dpaZumutung 2: Die Volksferne. Im wahren Leben klagen die Menschen über Preiserhöhungen an der Ladenkasse und Geldvernichtung auf dem Sparbuch. Aber alle Politiker fordern (im Namen des Klimas) eine weitere Verteuerung der Lebenshaltung. Im wahren Leben wollen die Menschen Chancen, im Wahlkampf bietet man ihnen Lohnersatzleistungen. Die Wirtschaft ruft Digitalisierung. Die Politik plant ein neues Ministerium. Die Eltern sehnen sich nach guter Bildung für ihre Kinder und die Politiker erklären ihnen seit Jahrzehnten die angeblichen Vorzüge des Föderalismus. So reden Volk und Volksvertreter munter aneinander vorbei.
© dpaZumutung 3: Armin Laschet. Wenn man die Performance des Unionskandidaten mit nur einem Wort beschreiben sollte, dann wäre es wohl dieses: ambitionslos. Er hat ein Raketenthema – das Zeitalter der Modernisierung – aber er entfaltet die Schubkraft eines Lastenfahrrads. Er müsste sprühen, aber er strampelt nur. Seine historische Mission ist es, der geistige Anti-Scholz zu sein, ohne deshalb den braven Sozialdemokraten gleich zu beleidigen. Laschet ist der Blitz, der in die bleiernen Verhältnisse fährt. Oder er ist gar nichts. Er wird Kanzler einer Reformregierung – oder er wird am Wahlsonntag verglühen. Eine Merkel in fröhlich braucht kein Mensch.
Die CDU spricht nach ihrem Wahlsieg bei den niedersächsischen Kommunalwahlen von einer Trendwende. Dort konnten die Konservativen mit 31,7 Prozent die SPD (30 Prozent) hinter sich lassen.
Doch hinter den Kulissen der Unions-Bundestagsfraktion bereitet man sich auf den Tag X vor, den Tag einer möglichen Niederlage. Und wieder droht ein Rangordnungskampf unter den Männern aus NRW.
Die CDU-Politiker Friedrich Merz, Jens Spahn und Ralph Brinkhaus sondieren in Gesprächen mit Parteifreunden ihre Chancen für den Fraktionsvorsitz, erfuhr unser Hauptstadt-Team.
Geht es nach ihnen, soll Laschet bei einem klaren Wahlverlust, selbst wenn danach noch um eine Jamaika-Koalition gepokert wird, den Weg zur Neuaufstellung frei machen. Als Fraktionschef jedenfalls wird ihn das Trio dann nicht akzeptieren.
© dpaDie CSU-Führung in München und auch die CSU-Landesgruppe ist in die Pläne für den Tag danach eingeweiht. Auf gar keinen Fall will man die gemeinsame Fraktion, die dann das Kraftzentrum für ein Comeback der Konservativen sein müßte, in die Hände von Friedrich Merz legen. CSU-Chef Söder hält den Wirtschaftsexperten, der bei der nächsten Bundestagswahl 69 Jahre alt wäre, als Erneuerer für ungeeignet.
© imagoWer hat die größten Chancen auf eine führende Rolle in der denkbaren Nach-Laschet-Ära? Wer ist Söders Mann, wenn nicht Merz? Das erfahren Pioneers im Hauptstadt-Newsletter, dem Politikteil unserer neuen Medienmarke.
Das rheinland-pfälzische Ludwigshafen beherbergt den größten Chemiestandort der Welt, der sich in der Hand einer Firma befindet. Diese Firma ist die BASF. Ihr Standort – den wir jetzt mit der PioneerOne besucht haben – verbraucht ungefähr sechs Terawattstunden Strom und ist für rund ein Prozent der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich.
Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen ist für den Vorstandsvorsitzenden der BASF, Martin Brudermüller, der politische Wille, die Energiebasis des Landes zu transformieren, kein Hobby, sondern Herausforderung. Zumal die Politik den Bürgern mehr verspricht – mehr Tempo, mehr Klimaschutz – als sich mit dem bisherigen Zubau alternativer Energien bewerkstelligen lässt. Brudermüllers Prognose:
© Anne HufnaglWir werden langfristig auf Energieimporte angewiesen sein.
Eine Industrieproduktion wie die der BASF braucht nicht nur Energie, sie braucht zum Betreiben ihrer Anlagen, allen voran der großen Steamcracker, eine stabile Energieversorgung:
Wir müssen Energie 24/7 zur Verfügung haben. Das heißt, wir brauchen eine Lösung, auch wenn es nicht windet und wenn es draußen dunkel ist.
Und das ganze zu Kosten, die wettbewerbsfähig sind:
In unserer Bilanz sind 15 bis 20 Prozent reine Energiekosten.
Aber was bedeuten die höheren Stromkosten der BASF und anderer Betriebe für die Bürger?
Wenn die Dekarbonisierung kommt und wir sie durchziehen, werden die Produkte teurer. Das ist die Wahrheit, die man dem Bürger und dem Konsumenten sagen muss.
Eine Infografik mit dem Titel: Steigender Strompreis
Durchschnittliche monatliche Stromrechnung eines Drei-Personen-Haushaltes in Deutschland bis 2021, in Euro pro Monat
Und wie sieht der künftige Energiebedarf der BASF aus, wenn der Konzern aus der Verbrennung fossiler Energie aussteigt und seine Produktion elektrifiziert?
In vier bis fünf Jahren wird sich unser Strombedarf auf 20 Terawattstunden allein am Standort Ludwigshafen erhöhen. Das wären ungefähr zehn Prozent der erneuerbaren Energie von ganz Deutschland. Wenn sie die gesamte Chemie elektrifizieren wollen, sind sie ziemlich nah am gesamten Strombedarf Deutschlands von heute.
Eine Infografik mit dem Titel: Stromkapazität, heute und morgen
Stromverbrauch in Deutschland nach Verbrauchergruppen 2020 und Prognose für 2030, in Terawattstunden
Aber lässt sich dieser Bedarf mit der heutigen Ausbaugeschwindigkeit der erneuerbaren Energien in absehbarer Zeit decken, so dass Deutschland seine politisch proklamierten Klimaziele für 2040 und 2050 erreichen kann?
„Nein“, sagt Brudermüller: „Davon sind wir meilenweit entfernt und wenn es so weitergeht wie jetzt, dann scheitern wir krachend bei der Dekarbonisierung.“
Fazit: Im Prinzip ist dieses Gespräch der Beipackzettel für die von den Politikern verkaufte Medizin. Hier erfahren Sie etwas über Risiken und Nebenwirkungen. Und Angaben zur bekömmlichen Dosierung der geplanten Energiewende erhalten Sie auch.
Es rührt sich was im Lande. Unmut nämlich. Über diesen Wahlkampf der Nebensächlichkeiten zum Beispiel. Oder auch über den öffentlich verbreiteten Kinderglauben, Vater Staat könne der Wirtschaft die Technologien vorschreiben.
Sechs starke Frauen haben sich zusammengefunden, um diesem Zeitgeist zu widerstehen: Mit dabei sind unter anderem Julia Jäkel, Ex-Chefin des Medienunternehmens Gruner + Jahr, Ann-Kristin Achleitner, Wirtschaftsprofessorin und gefragte Aufsichtsrätin, und Saori Dubourg, BASF-Vorständin. Die Überschrift ihrer überparteilichen Initiative lautet:
Für ein zukunftsfähiges Deutschland.
Entstanden ist ein Sechs-Punkte-Programm, das nicht zur Wahl von CDU, SPD oder einer anderen Partei aufruft, sondern zur Konzentration auf Inhalte. Die Managerinnen fordern nichts Geringeres als einen Politikwechsel.
Im heutigen Morning Briefing-Podcast liefert Julia Jäkel hilfreiche Erläuterungen, um den Geist und die Ambition dieser Reformer-Gruppe besser zu verstehen:
Wir werben für die offene und innovative Gesellschaft. Dazu gehört auch eine Mentalität des Ausprobierens, des Machens und der Technologieoffenheit.
Der Staat, der alles regelt und reglementiert, ist dabei nicht ihre Idealvorstellung:
„Wir müssen die Regelfixierung in diesem Land hinter uns lassen und ins Machen kommen“, sagt Julia Jäkel. Die Zeit drängt:
Wir glauben, dass der Zug in drei bis vier Jahren abgefahren ist.
Dazu passt: Das Vierer-Gespräch der Spitzenkandidaten von FDP, CSU, AfD und Linkspartei gestern Abend in der ARD diente vor allem der Selbstvergewisserung. Das war in Wahrheit kein Gespräch, sondern das waren vier Vorträge, die auf kafkaeske Weise miteinander verknäult wurden. Und die Moderatoren funktionierten als Verknäuler vom Dienst.
Schon nach kurzer Zeit waren die roten, gelben, schwarzen und blauen Schnüre derart ineinander verwickelt, dass der Zuschauer eine Katze sein musste, um daran Freude zu empfinden. Oder ein Entfesselungskünstler, um aus dieser Unübersichtlichkeit den Weg ins Freie zu finden.
© dpaJeder kluge Investor seiner eigenen Lebenszeit wird sich diesem Investment verweigern. Es tut einem leid für alle Beteiligten, das so deutlich sagen zu müssen: Aber diese Sendezeit verzinst sich nicht.
© dpaVerlässlicher als alle Blitzumfragen – die naturgemäß mit Kleinstgruppen von Wählern erstellt werden – ist die computergestützte Auswertung aller Kommentare in den Sozialen Medien und den klassischen Medien. Diese hat das Medienanalyse-Unternehmen Unicepta im Auftrag von ThePioneer vorgenommen. Demnach brachte das Triell vom Sonntagabend keine Kehrtwende für Armin Laschet, sondern verfestigte seine Positionierung am Ende des Feldes.
Eine Infografik mit dem Titel: Laschet im Rampenlicht
Positive wie negative Sichtbarkeit der Kanzlerkandidaten in den Tweets mit den höchsten Engagements nach dem Kanzler-Triell, in Prozent
Eine Infografik mit dem Titel: Baerbock erntet Lob
Tonalität in Bezug auf die drei Kanzlerkandidaten in den redaktionellen Medien nach dem Triell am 12. September 2021, in Prozent
Kostprobe aus den Kommentaren der Kolleginnen und Kollegen:
Klaus Stratmann im „Handelsblatt“:
© imagoLaschet hat das Ruder nicht herumreißen können. Ihn umgibt die Aura des Glücklosen. Wenn er nachkartet, dann wirkt das kleinlich. Wenn er auf Erfolge in dem von ihm regierten Bundesland verweist, überzeugt er nicht. Und den engagierten Klimaschützer nimmt man ihm nur widerwillig ab.
Christian Stöcker vom „Spiegel“:
Verlierer des Abends ist wieder Armin Laschet, denn ich habe nicht das Gefühl, dass er irgendwie gewinnen konnte, weder in Sachen Sympathie noch in Sachen Kompetenz.
Detlef Esslinger von der „Süddeutschen“:
Dass er mit Gemütlichkeit in diesem Wahlkampf nicht weiterkommt, hat er offensichtlich kapiert. Nun versucht er es mit Salve.
Influencer werden für die Wirtschaft immer wichtiger. Sie transportieren die Botschaften der Unternehmen oft glaubwürdiger und mit höherer Reichweite in die spezifischen Zielgruppen hinein.
Einen neuen Rekord stellte jetzt die italienische Mode-Influencerin Chiara Ferragni auf, die knapp 25 Millionen Follower bei Instagram hat. Diese Follower sind Menschen, die sie mögen, die ihre Modetipps schätzen und die – und da wird es für Firmen interessant – spürbar die Umsätze und auch die Aktienkurse ihrer Kooperationspartner steigern können.
Eine Infografik mit dem Titel: Kurssprung durch Influencerin
Kursverlauf der Aktie Safilo Group seit dem 9. September 2021, in Euro
Ein Vertrag zwischen Chiara Ferragni und dem Brillenhersteller Safilo Group sorgte jetzt für einen Kurssprung von zeitweise 14 Prozent – auf das höchste Kursniveau seit 2018. Ferragni wird demnach selbst eine Brillen-Edition designen und unter ihrem Namen vertreiben. Ab Januar 2022 gehen die Brillen in den Verkauf.
© InstagramWir gratulieren auf das Herzlichste dem Autoren und Humoristen Eckhard Henscheid zum 80. Geburtstag. Der gebürtige Oberpfälzer beherrscht einen subtilen Humor, der Menschen zu beglücken vermag. Er gehört gemeinsam mit Robert Gernhardt und anderen Künstlern zur „Neuen Frankfurter Schule“ um das Satiremagazin „Titanic“.
Die Unsterblichkeit hat sich Henscheid mit seiner „Trilogie des laufenden Schwachsinns“ erschrieben, wo sich das Geschehen im Wesentlichen in einem Teppichladen und einer Kneipe abspielt. Die Kneipe sei, schrieb ein Kritiker, „der heilige Versammlungsort“ des Eckhard Henscheid und seiner Helden.
Denn dort wird nicht nur getrunken, sondern gesoffen; die Protagonisten lieben sich nicht, sondern vögeln. Die Welt wird im Dunst der Obstler nicht einfach nur besprochen, sondern aus ihrer angeborenen Monstrosität befreit und ihrer Neigung zur Unverständlichkeit entkleidet: „Geht in Ordnung. Sowieso. Genau.“
So wurde Eckhard Henscheid zum Hausphilosophen der diversen diversen Umwelt-, Abrüstungs- und Anti-Atomkraftbewegungen. Er konnte nur überleben und wachsen, weil zu jener Zeit das Wort von der „politischen Korrektheit“ noch nicht erfunden war. Henscheid, der nahtlos von liebevoll zu bösartig und von bösartig zu gallig wechseln kann, zählt zu den lustvollen Ignoranten. Kritik und Polemik nach rechts renne fast immer offene Türen ein, sagte er einmal, „solche nach links (oder was immer sich dafür hält) hat dagegen mit Blindheit, Unverstand, Vorwürfen und dem Verrats-Verdikt zu rechnen.“
Henscheid konnte offenbar ohne Freunde gut auskommen, jedenfalls hat er alles, was im Literaturbetrieb Rang und Namen besitzt, beleidigt. Botho Strauß bezichtigte er der „tranigen Edelschickeriaprosa“, Günter Grass war für ihn ein „Wichtigkeitskasper“, Ingeborg Bachmann schien ihm eine Frau, „die letztlich nichts zu erzählen hatte“ und Marcel Reich-Ranicki beleidigte er mit den Worten „Literaturpapst? Kegelbruder!“, woraufhin sich der Kegelbruderpapst mit einem öffentlichen „Idiot“ zur Wehr setzte.
Insofern dürfte die Zahl der Gratulanten heute eher klein ausfallen, zumindest bei den Großen. Die 400.000 Käufer seiner Trilogie freilich werden still der vergnüglichen Lektürestunden gedenken und dem Wüterich heute Abend das wünschen, was seine Helden so reichlich in sich hineinkippten: einen Schnaps, am besten einen Sechsämtertropfen, jenes, so Henscheid, „süße und dummmacherische Zeug“.
Ich wünsche Ihnen einen beschwingten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr