4 Präsidenten: 1 Irrtum

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Guten Morgen,

amerikanische Kommentatoren fordern gern ein parteiübergreifendes Vorgehen. Das klingt schön einfühlsam und politisch neutral. In der Afghanistanpolitik wurde ihr Wunsch in Washington erhört.

Vor uns stehen keine Republikaner und keine Demokraten, nur Versager. Das Missmanagement von Einmarsch und Rückzug verteilt sich auf vier Präsidenten:

Der Republikaner George W. Bush erklärte nach dem Terrorangriff von 9/11 einem ganzen Land den Krieg, obwohl eine Polizeiaktion gegen Osama bin Laden und al-Qaida der Lage angemessen gewesen wäre. Sein „War on Terror“ war eine strategische Fehlleistung, die den „Kampf der Kulturen“, vor dem der Soziologe Samuel Huntington gewarnt hatte, vom Hörsaal ins wahre Leben der Völker beförderte.

George W. Bush  © imago

Der Demokrat Barack Obama war es, der bin Laden schließlich in Pakistan aufspüren und von US-Soldaten zur Strecke bringen ließ. Der Krieg in Afghanistan lief weiter, obwohl das eigentliche Kriegsziel erreicht war.

Obama im Situation Room © imago

Der Republikaner Donald Trump schließlich verkündete auf die ihm eigene Weise – also laut und unabgestimmt mit den Partnern – den Rückzug der US-Armee. Die Taliban konnten ihr Glück kaum fassen. „Designed for Disaster“, wie die Amerikaner zu sagen pflegen.

Donald Trump mit US-Soldaten © dpa

Dem Demokraten und Unglücksraben Joe Biden wiederum blieb bei diesem Stafettenlauf nun das Grand Finale. „Es ist eine große Schande, dass es den Verbündeten nicht möglich war, einen sinnvoll koordinierten Rückzug zu organisieren“, schreiben Ex-Außenminister Sigmar Gabriel und der ehemalige israelische Botschafter in Berlin Shimon Stein sichtlich empört in einem Beitrag für den heutigen „Tagesspiegel“.

Xi Jinping © imago

Der lachende Dritte dieser parteiübergreifenden Fehlplanung sitzt in China. Peking wittert seine Chance, nach dem Abzug der westlichen Länder die Rohstoffe Afghanistans im Wert von mehreren Billionen US-Dollar zu bergen.

Das „Handelsblatt“ berichtet heute Morgen in kühler Diktion von einer strategischen Ungeheuerlichkeit:

Neben der größten unangetasteten Kupfermine der Welt hat sich China in Afghanistan auch das größte Ölfeld gesichert. Hinzu kommen rund eine Million metrische Tonnen an Seltenen Erden sowie Uran, die in der Provinz Helmand vermutet werden.

Die Ausbeutung der Rohstofflager sei möglich, weil Peking beste Kontakte zu den Taliban pflege.

Taliban-Kämpfer im Präsidentenpalast © dpa

Neben Kupfer und Öl verfügt das Land über weitere Bodenschätze wie Gold, Kohle und Lithium:

Die US-Geologiebehörde vermutet, dass in Afghanistans Böden etwa so viel Lithium lagert wie in Bolivien, dem bisherigen Hauptland für die Ausbeutung des wichtigen Metalls.

Fazit: Was vier Präsidenten angerichtet haben, wird auch den fünften Präsidenten noch beschäftigen. Probleme vererben sich – auch ohne Testament.

Annegret Kramp-Karrenbauer und Heiko Maas © dpa

Während in Kabul die ehemaligen Ortskräfte der Bundeswehr um ihr Leben bangen, beginnen in Berlin die Schuldzuschreibungen innerhalb einer Bundesregierung, die zunehmend in ihre Einzelteile zerfällt.

  • Da sind zum einen das Kanzleramt und der Bundesnachrichtendienst, die beide falsch lagen in der Einschätzung der Gefahren.

  • Da ist das Verteidigungsministerium zu nennen, das sich zu zögerlich mit den anderen Regierungsteilen abstimmte und zu lange darauf hoffte, die eigenen Ortskräfte würden schon irgendwie das Land verlassen können.

  • Nicht vergessen dürfen wir das Innenministerium, das sich noch bis in die letzte Woche gegen eine unbürokratische Bearbeitung von Visaanträgen sperrte.

Im Fokus aber steht SPD-Außenminister Heiko Maas, der noch am Wochenende glaubte, die Ortskräfte könnten mit Chartermaschinen aus Afghanistan ausgeflogen werden.

Heiko Maas © dpa

Bis zum Samstagmorgen wollte Maas auch seiner militärskeptischen SPD ein neues Bundeswehrmandat ersparen – erst eine Telefonschalte mit Kanzlerin und Verteidigungsministerin brachte ihn zum Umdenken.

Dabei waren seine eigenen Mitarbeiter unterdessen in Kabul in größte Gefahr geraten: Selbst die Evakuierung der Deutschen Botschaft gelang nur mit Hilfe der US-Amerikaner und ihrer Chinook-Hubschrauber. Der Außenminister hatte seine eigenen Leute hängen gelassen.

„Ein Totalversagen der Bundesregierung“, sagt ein ehemaliges SPD-Regierungsmitglied gegenüber meinen Kollegen aus dem Hauptstadt-Team. Sein Fazit: „Es ist für mich unvorstellbar, dass Heiko Maas im Amt bleiben kann.“

Die Schuldfrage

Das Desaster in Afghanistan bringt die Minister Maas und Kramp-Karrenbauer in Schwierigkeiten.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

So erlebte ein Augenzeuge die Einlass-Situation am Flughafen Kabul Dienstagmorgen. © The Pioneer / AKE

In Kabul machte sich am Dienstag unter den ehemaligen Ortskräften der Bundeswehr die Verzweiflung breit. Um den Flughafen der afghanischen Hauptstadt zog sich der Kontrollring der Taliban zu, kein afghanischer Staatsbürger konnte passieren. Und wer es doch schaffte, scheiterte vor den Schleusen des Flughafens an kompromisslosen US-Soldaten.

Am Northgate hatten, immerhin, deutsche Bundeswehrkräfte an einem einzelnen Sammelpunkt das Sagen. Sie ließen die wenigen Afghanen passieren, die nachweisen konnten, dass sie mehr als andere vom neuen Terror-Regime bedroht seien.

Es waren, so berichteten Augenzeugen unseren Reportern Gordon Repinski und Christian Schweppe, zum Teil grauenhafte Gewaltszenen, die sich vor den Toren des Flughafens abspielten. Messer wurden gezückt, Schüsse fielen.

Am späten Dienstagnachmittag wurde das Tor zunächst geschlossen. Die einzige, letzte Fluchtmöglichkeit für die ehemaligen Helfer der Bundeswehr fiel zu.

Die Chronik des Versagens und die dramatische Lage vor Ort beschreiben meine Kollegen in der aktuellen Ausgabe des Security Briefings, das alle zwei Wochen und an diesem Mittwoch bei ThePioneer erscheint.

Flughafen in Kabul © dpa

Wer derzeit das Fernsehgerät einschaltet, hört lauter Blinde, die von der Farbe sprechen. Der Außenminister. Die Verteidigungsministerin. Die aus Indien zugeschalteten Korrespondenten von ARD und ZDF. Hier führt offenbar der kleine Bruder von Franz Kafka die Regie.

Was in Kabul wirklich los ist, erzählt uns im Morning Briefing-Podcast der in Afghanistan geborene Asib Malekzada, der mit zehn Jahren nach Deutschland zog und derzeit wieder in Kabul ist. Der heute 33-jährige Projektmanager aus Kassel reiste vor zwei Wochen in die afghanische Hauptstadt, um seine Verlobte nach Deutschland zu holen. Der Termin für die Trauung auf dem Standesamt in Kassel ist für Ende Oktober festgesetzt.

Klick auf Bild führt zur Podcast-Page

Nun hängt Asib in Kabul fest, ihm und seiner Verlobten fehlen die nötigen Ausreisepapiere. Er berichtet aus einer Geisterstadt:

In allen Stadtbezirken haben die Taliban ihre Checkpoints aufgestellt. Seit vorgestern herrscht Stille. Die Straßen sind leergefegt. Die Geschäfte, die Schulen und die Behörden sind zu. Kaum einer traut sich nach draußen.

Er erklärt, wieso die Afghanen ihre neuen Herrscher in Kabul winkend am Straßenrand empfangen haben:

Man kann gegen die Taliban keinen Widerstand zeigen. Man macht mit, weil man mitmachen muss.

Die Nachricht vom Sieg der radikalislamischen Krieger hat in seiner Familie für Bestürzung gesorgt:

An dem Tag, als die Taliban Kabul erobert haben, sind alle hier bei uns im Haus in Weinen ausgebrochen. Jetzt sind wir einfach nur traurig und sprachlos. Man fühlt sich von der Weltgemeinschaft im Stich gelassen.

Die aktuelle Lage im Überblick:

  • In der Nacht zum Dienstag landete die erste Bundeswehrmaschine vom Typ A400M in Kabul. Sieben Personen – Platz hat der Transporter für 114 – wurden nach Taschkent evakuiert.

  • Ein späterer Flieger gleichen Typs setzte die Evakuierungsarbeiten am gestrigen Mittag fort. 125 Personen fanden diesmal Platz. „Die Luftbrücke ist angelaufen und wird intensiv fortgesetzt“, teilte Außenminister Maas mit wichtigtuerischer Miene mit.

  • In der Nacht startete eine weitere Maschine, diesmal mit 135 Menschen an Bord, vom Flughafen in Kabul.

Bundeswehr fliegt deutsche Staatsangehörige und Ortskräfte aus © Twitter @BMVg_Bundeswehr
  • Für die Sicherheit an Kabuls Flughafen ist weiterhin das US-Militär zuständig. Inzwischen sind dort 4.000 Soldaten im Einsatz. Ziel sei es, dass ein Flug pro Stunde durchgeführt werden kann.

  • Gleichzeitig haben die Taliban Berichten der deutschen Sicherheitskräfte zufolge den Zugang zu Kabuls Flughafen für afghanische Staatsbürger abgeriegelt. Nur Ausländer dürfen noch das Gelände begehen.

Kabul © imago
  • Eine Führungskraft von Facebook Inc. sagte, dass das Unternehmen „proaktiv“ Inhalte entferne, die für die Taliban werben. Die Taliban stehen auf der Liste der gefährlichen Organisationen des Unternehmens. Daher seien alle Inhalte, die die Gruppe fördern oder repräsentieren, verboten, sagte Adam Mosseri, Leiter der Facebook-Foto-Sharing-App Instagram, auf Bloomberg-TV.

  • Die Bundeskanzlerin setzt im Falle einer größeren Fluchtbewegung auf die Nachbarländer Afghanistans:

Bevor man über Kontingente spricht, muss man erst mal über sichere Möglichkeiten für Flüchtlinge in der Nachbarschaft von Afghanistan reden.

  • Die Bundesregierung will das Gespräch mit den Taliban suchen und sich um Ausreisemöglichkeiten für die einheimischen Ortskräfte bemühen. Der deutsche Botschafter in Kabul, Markus Potzel, sei am gestrigen Abend nach Doha gereist, wo US-Vertreter und Taliban-Repräsentanten bereits Gespräche führten, wie Außenminister Maas mitteilte.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker .

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Carsten Spohr, CEO von Lufthansa © dpa

Die Investmentbanker in London und New York unterscheiden drei Sorten von Konzernstrategien: Die Flucht. Die Anpassung. Den Kampf.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr kennt alle drei Phasen. In kürzester Zeit hat er sie durchlaufen müssen:

Nach dem Ausbruch der Pandemie, die sein Geschäftsmodell zerstörte, war er auf der Flucht. Der Staat, der ihm als Kreditgeber und Mitgesellschafter zur Seite sprang, sicherte ihm und seiner Fluggesellschaft das Weiterleben.

Danach war eine enorme Anpassungsleistung erforderlich, um die Todeszone wieder verlassen zu können: Personalabbau. Teilverkauf. Verzicht auf Dividenden und Boni. Das Gebot der Stunde: Downsizing.

In Phase drei will sich Spohr in der Königsdisziplin des Kampfes beweisen. Die Staatsbeteiligung soll zurückgeführt werden; noch immer schuldet der CEO dem Finanzminister rund 2,5 Milliarden Euro. Dafür plant die Lufthansa eine Kapitalerhöhung in ungefähr dieser Höhe, um die Dividenden- und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.

Doch der Kampf wäre kein Kampf, wenn der Ausgang gesichert wäre. Das ist er nicht. Spohr muss vier Hindernisse überwinden:

1. Gelingt es ihm, die Investoren tatsächlich zu einer Milliardenzahlung zu bewegen? Das, was die Wall Street „Event Risk“ nennt, bleibt für alle Fluggesellschaften hoch. Jede Horrormeldung von der Coronafront ist geschäftsschädigend.

2. Spohr braucht als Mitkämpfer die Familie des verstorbenen Unternehmers Heinz Hermann Thiele. Die sitzt noch immer auf knapp fünf Prozent der Lufthansa-Aktien. Wenn sie diese Anteile jetzt mit Verlust auf den Markt wirft, sinkt der Aktienkurs – was er ohnehin derzeit tut – und vermasselt Spohr die Kapitalerhöhung.

Heinz Hermann Thiele © dpa

3. Der Vorstandschef befindet sich im Würgegriff von US-Präsident Joe Biden, der die USA noch immer für den europäisch-amerikanischen Flugverkehr geschlossen hält. Ohne US-Geschäft keine Rückkehr zur Profitabilität.

4. Alles hängt davon ab, ob nach den Urlaubspassagieren auch die deutschen Geschäftsreisenden wieder in die Flugzeuge strömen. Oder ist Zoom der neue HON Circle? Mit einer leeren Business Lounge jedenfalls lässt sich Spohrs Kampf nicht gewinnen.

Fazit: Flucht. Anpassung. Kampf. Nicht Netflix, sondern das wahre Leben schreibt die besten Drehbücher. Ob Carsten Spohr der Sieger oder der tragische Held dieser Geschichte ist, klärt sich erst im Finale. Was wir im Moment sehen können, ist das folgende: Er kämpft.

Jeff Bezos © dpa

Mit Klagen gegen Vergabeverfahren von US-Behörden kennt sich Amazon-Gründer Jeff Bezos aus. Erst im Juli dieses Jahres hat der Online-Versandhändler erfolgreich gegen die Vergabe eines milliardenschweren Staatsauftrages an Microsoft geklagt. Der Vertrag wurde annulliert – an der Neuausschreibung des Verteidigungsministeriums, bei dem es um Cloud-Dienste geht, dürfen sich nun wieder beide Konkurrenten beteiligen.

In einer weiteren Klage Bezos’ geht es nun um die Entwicklung einer Mondlandefähre im Auftrag der Nasa. Diese soll bis 2023 den Mond umrunden und bis spätestens 2024 mit Astronauten an Bord auf dem Erdtrabanten landen. Im April hat die Nasa einen entsprechenden Auftrag in Höhe von 2,9 Milliarden Dollar an Elon Musks Firma SpaceX vergeben – ganz zum Entsetzen von Bezos und seinem eigenen Raumfahrtunternehmen Blue Origin.

Jeff Bezos © dpa

Seit der Vergabe hat Blue Origin jeden zur Verfügung stehenden Hebel betätigt – Lobbyarbeit, einen PR-Krieg und einen offenen Brief von Bezos an Nasa-Administrator Bill Nelson –, um eine Neuausschreibung zu erreichen. Mit einer Klage will Blue Origin nun nach eigenen Angaben „Fehler“ im Vergabeverfahren der Nasa beheben, um „Fairness wiederherzustellen, für Wettbewerb zu sorgen und eine sichere Rückkehr zum Mond für Amerika zu gewährleisten“.

Die Nasa erklärte, sie sei über die Klage informiert und prüfe den Fall. Über Bezos kann man vieles sagen, aber nicht, dass der Reichtum ihn träge gemacht hat.

Robert Redford © imago

Vor 85 Jahren wurde der Hollywoodstar geboren, der nie für seine Filme, dafür für sein Lebenswerk den Oscar bekam: Robert Redford.

Der 1936 geborene Kalifornier besuchte Kunstakademien in Paris und Florenz, bevor es ihn in die amerikanische Filmwelt verschlug. 1967 machte sein Kinoerfolg „Barfuß im Park“ den damals 31-Jährigen an der Seite von Jane Fonda zum Weltstar.

„Barfuß im Park“ © imago

Er spielte in den kommenden Jahren in „Zwei Banditen“ zusammen mit Paul Newman. Mit Newman drehte er auch „Der Clou“, der einer der beliebtesten Filme der siebziger Jahre wurde.

Robert Redford in „Der Clou“ © imago

2020 wurde er vom „People Magazine“ neben Brad Pitt zum „Sexiest Man Alive“ gekürt. Spät. Zu spät, wie Robert Redford befand:

Früher fielen die Frauen bei meinem Anblick fast in Ohnmacht. Heute sagen sie eher: Ach, den gibt es auch noch?

Wir gratulieren einem der Großen im Filmgeschäft. Der Körper verblüht, der Respekt vor der außergewöhnlichen Leistung dieses Schauspielers bleibt. Oscar Wilde:

Das Durchschnittliche gibt der Welt ihren Bestand, das Außergewöhnliche ihren Wert.

Ich wünschen Ihnen einen fulminanten Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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