Afghanistan: Merkels halbe Wahrheiten

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Guten Morgen,

die gestrige Regierungserklärung der Kanzlerin war ein Hochamt der politischen Camouflage. Angela Merkel spricht, ohne viel zu sagen. Sie beschönigt, ohne zu lügen. Sie beichtet, ohne die Zone persönlicher Schuld je zu betreten. Hätte der Bundespräsident in seinem antiken Schreibtisch nicht nur Verdienstkreuze, sondern für gekonnte Flunkerei auch einen Pinocchio-Award, dann hätte Merkel ein Exemplar in Gold verdient.

Angela Merkel bei der Regierungserklärung © dpa

Zum besseren Verständnis liefere ich Ihnen heute Morgen eine Übersetzung vom Parteichinesisch ins Hochdeutsche.

Merkel sagt:

Wir alle haben die Geschwindigkeit der Entwicklung offensichtlich unterschätzt. Das gilt auch für Deutschland.

Heiko Maas © dpa

Was sie in Wahrheit sagen will: Die Amerikaner haben es vergeigt, und wir sind ihnen dabei gefolgt. Ihren SPD-Außenminister Heiko Maas, der erst im Juni im Bundestag seine Ahnungslosigkeit zu Protokoll gegeben hatte („...dass in wenigen Wochen die Taliban in Afghanistan das Zepter in der Hand haben, ist nicht die Grundlage meiner Annahmen.“) paukt sie durch Nichterwähnung raus.

Grund 1: Sie will auf den letzten Metern keinen Koalitionskrieg riskieren.

Grund 2: Wer weiß, wofür ihre CDU die SPD nach der Wahl noch braucht.

Wir haben das Ziel erreicht, das 2001 am Anfang des Einsatzes stand. Von Afghanistan aus sind seitdem keine internationalen Terroranschläge mehr ausgegangen.

Joe Biden © imago

Vorsicht Wählertäuschung: Mit „wir“ sind hier die Amerikaner gemeint, die den Terroristen Osama bin Laden durch einen gezielten Kopfschuss in den frühen Morgenstunden des 2. Mai 2011 aus dem Verkehr zogen. Damit wäre der Afghanistan-Feldzug eigentlich beendet gewesen.

Doch danach rückte ein neues Kriegsziel ins Zentrum: das „Nation-Building“. Schätzungsweise zwei Billionen Euro kostete der Versuch des Westens, ein Drogenemirat in eine liberale Demokratie zu verwandeln. Der Aufbau-Ost inklusive Transferzahlungen war dagegen mit 1,5 Billionen ein Schnäppchen.

Unser Ziel muss es sein, dass so viel wie möglich von dem, was wir in den letzten 20 Jahren in Afghanistan an Veränderungen erreicht haben, bewahrt wird.

Die bittere Wahrheit: In Afghanistan wird von den westlichen Werten nichts bewahrt werden. In den Verabredungen, die US-Präsident Donald Trump in Doha im Februar 2020 mit den Taliban getroffen hatte und die sein Nachfolger Biden als Grundlage für sich akzeptierte, wurden keinerlei Bedingungen für den Abzug der Amerikaner verabredet.

Trump-Sonderbeauftragter Zalmay Khalilzad (links) besiegelt im Februar 2020 den Vertrag mit den Taliban. © diplomatist.com

Plötzlich ging es nicht mehr um Frauenrechte, Pressefreiheit und Rechtsstaat, sondern nur noch um freies Geleit für die Soldaten des Westens. Amerika hat den Taliban de facto die Haustürschlüssel überreicht.

Kabul © imago

Noch vor Monatsende werden die letzten Maschinen der Amerikaner den Kabuler Flughafen verlassen. Das „Nation-Building“ übernehmen dann andere.

Taliban-Kämpfer im Präsidentenpalast © dpa
Flughafen Kabul nach der Übernahme der Stadt durch die Taliban © dpa

Die außenpolitische Lage bleibt komplex. Sie bedarf der kompetenten Einordnung. Fragen von fürwahr historischer Bedeutung sind aufgeworfen:

  • Wer ist der Verursacher dieser politischen Niederlage in Afghanistan?

  • Was bedeuten die Ereignisse für den Einfluss des Westens auf den Rest der Welt?

  • Ist damit das Instrument des „Interventionskrieges“ diskreditiert?

  • Und wie kann eine deutsche Reaktion aussehen, die sich nicht in Schadenfreude und Defätismus ergeht?

Norbert Röttgen © dpa

Darüber spreche ich heute Morgen im Morning Briefing-Podcast mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, dem CDU-Politiker Norbert Röttgen.

Sein Vorwurf an die westlichen Nationen:

Man hat sich auf das Gute verlassen und das Worst-Case-Szenario nicht vorbereitet. Das war das Versäumnis.

Röttgen sagt, was Merkel nicht sagen will:

Das ist ein moralisches und ein politisches Scheitern des Westens.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Dessen Folgen werde Europa noch lange spüren:

Man hat den Anspruch an das eigene politische Wirken, auch die moralische Basis des außenpolitischen und sicherheitspolitischen Handelns, schwer beschädigt.

Um aus der politischen Krise zu lernen, müsse man nun dringend die richtigen Fragen stellen:

Wer wollen wir eigentlich sein in dieser chaotischen Welt?

Fazit: Dieses Gespräch liefert Ideen für eine Außenpolitik nach dem Desaster. Vielleicht kann man ja auch aus Scherben ein Haus bauen, zum Beispiel das europäische.

Die aktuelle Lage am Morgen:

  • Der Bundestag hat der Evakuierungsmission der Bundeswehr die noch ausstehende nachträgliche Zustimmung erteilt. 539 Abgeordnete stimmten dem Antrag zu, neun stimmten dagegen und 90 enthielten sich.

  • Seit Beginn der Mission haben die bis zu 600 Soldaten der Bundeswehr rund 3.800 schutzbedürftige Menschen aus Afghanistan ausgeflogen.

  • Derweil steht fest, dass die Rettungsmission der Bundeswehr spätestens am 31. August enden wird. Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, sollen schon heute die letzten Bundeswehr-Maschinen den Flughafen von Kabul in Richtung Taschkent verlassen.

Evakuierungen durch die Bundeswehr © dpa
  • Trotzdem will die Bundesregierung über den kommenden Dienstag hinaus deutsche Staatsbürger und schutzbedürftige Afghanen in Sicherheit bringen. Dem Verhandlungsführer der Bundesregierung, Markus Potzel, haben die Taliban nun zugesagt, Afghanen mit gültigen Ausweisdokumenten auch nach dem 31. August mit zivilen Flügen ausreisen zu lassen.

Minimalkonsens mit Islamisten

In Doha trifft sich ein deutscher Krisendiplomat mit den Taliban. Was dort nun besprochen wird.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Christian Schweppe.

Artikel

Armin Laschet und Markus Söder © imago

Eine Umfrage des Civey-Meinungsforschungsinstituts für die Zeitung „Augsburger Allgemeine“ ergab, dass 70 Prozent der Unionswähler zu einem Wechsel des Kanzlerkandidaten raten würden. Doch Frage und Antwort muten surreal an. Die Briefwahl hat bereits begonnen und obwohl die Kanzler in Deutschland nicht direkt gewählt werden und daher auch nicht auf dem Wahlzettel stehen, sind sie Teil des politischen Angebots. Und ein Teil der Briefwähler hat dieses Angebot bereits angenommen.

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Agentur für Arbeit © dpa

5,4 Millionen Menschen in Deutschland leben aktuell von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch. Besser bekannt als Hartz IV. Nicht die Zahl der bedürftigen Menschen, wohl aber die Höhe der staatlichen Leistungen soll noch vor der Bundestagswahl steigen.

Die Große Koalition will zum krönenden Abschluss ihrer kreditfinanzierten Sozialpolitik eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze beschließen, wie unser Hauptstadt-Team herausgefunden hat.

Alleinstehende bekommen künftig 449 Euro monatlich, der Satz für Ehegatten und Partner steigt auf 404 Euro.

Für Volljährige, die noch nicht in einem eigenen Haushalt leben, sind dann 360 Euro vorgesehen, für Kinder bis fünf Jahre steigt der Hartz-IV-Satz um zwei Euro auf 285 Euro. Für Sechs- bis 13-Jährige soll es 311 Euro pro Monat geben, für 14- bis 17-Jährige steigt der Satz um drei Euro auf 376 Euro pro Monat.

Den Bund kostet die Anpassung 180 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich. Unser Kollege Rasmus Buchsteiner hat hier die Hintergründe aufgeschrieben.

VW-Produktion © dpa

Der Halbleitermangel in der Automobilwirtschaft hält an. Erneute Corona-Ausbrüche in Asien, die die dortige Fertigung zum Erliegen bringen, zwingen den VW-Konzern, die Kurzarbeit in Wolfsburg bis zum 5. September zu verlängern. Auch die Standorte Dresden und Zwickau sind von Kurzarbeit betroffen.

Dies beeinträchtigt unter anderem die Produktion der SUV-Modelle VW Tiguan und Seat Tarraco, sowie den Bau von vollelektrischen Fahrzeugen. Wie viele Mitarbeiter genau die Arbeit niederlegen müssen, ist noch unklar.

Fest steht: Diese Knappheiten werden sich im Preisniveau der Industrie und dann auch in den Verkaufsräumen niederschlagen. Wer jetzt noch von weiter steigenden Inflationsraten überrascht wird, ist selbst schuld.

Hoffnungsträger mRNA: Epochale Chancen für die Medizin

Außerdem im Interview: Flaschenpost-CEO Stephen Weich über Routing Algorithmen des Lieferdiensts

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Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Christoph KeeseLena Waltle.

Podcast mit der Laufzeit von

Tim Cook © dpa

„Tod eines Weltverbesserers“, so titelte der „Spiegel“, als Steve Jobs am 5. Oktober 2011 starb. Große Schuhe, die für seinen Nachfolger nicht zu füllen seien, so damals die allgemeine Einschätzung der Medien.

Doch Tim Cook hat die Erwartungen in ihn, die in Wahrheit Befürchtungen waren, übererfüllt. Seit genau zehn Jahren führt er nun das Unternehmen. Etwas wirklich Neues ist ihm nicht eingefallen. Aber das Feuer des Gründers erzeugt eine Wärme, die in alle Himmelsrichtungen strahlt.

Eine Infografik mit dem Titel: Tim Cook: Der Star-CEO

Kursverlauf der Apple-Aktie seit dem Amtsantritt von Tim Cook am 24. August 2011, in US-Dollar

Tim Cook und Steve Jobs (2007) © dpa

Cook entkoppelte sich von seinem früheren Chef und besteht auf seiner eigenen Manager-Persönlichkeit:

Stellen Sie niemals die Frage ‚Was würde Steve jetzt tun?‘, sondern tun Sie einfach, was richtig ist.

Eine Infografik mit dem Titel: Dax vs. Apple

Marktkapitalisierung in Milliarden US-Dollar

Die Optimierung der Optimierung ist das Programm des Tim Cook. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: In seiner Amtszeit verwandelte er den damals mit 365 Milliarden Dollar bewerteten Tech-Hersteller in das wertvollste Unternehmen der Welt – inzwischen fast siebenmal so viel wert wie noch vor einem Jahrzehnt. Mit dem Börsenwert von Apple lässt sich der deutsche Dax, also das Kronjuwel der Deutschland AG, 1,3-mal kaufen.

Diese Leistung müssen wir nicht beklatschen, aber anerkennen. Sie sollte uns nicht Angst machen, sondern Ansporn sein. Und vielleicht sollten wir aufhören, Tim Cook lediglich als Testamentsvollstrecker von Steve Jobs zu sehen. Oder wie der kolumbianische Aphoristiker Nicolás Gómez Dávila zu sagen pflegte:

Der legitime Besitzer einer Idee ist derjenige, der ihr die perfekte Form verleiht.

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in den neuen Tag. Herzlichst grüßt Sie

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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