Airbus-Chef im Interview: Diese Krise ist massiv

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Guten Morgen,

wir leben in einer Welt der zwei Geschwindigkeiten. Neben uns brechen Firmen zusammen, verlieren Menschen ihren Job, rasen ganze Branchen in die Nebelwand. Und im selben Land und der gleichen Stadt lassen andere die Krise hinter sich und brechen zu neuen Ufern auf.

Welt 2 erzählt von Revitalisierung und Aufbruch: Der Auftragseingang für das deutsche verarbeitende Gewerbe legte im August um 4,5 Prozent gegenüber dem Vormonat zu. Das ist der vierte Anstieg in Folge.

Welt 1 berichtet von einem Niedergang, der oft schon vor der Pandemie begann:

  • Der Öl-Konzern Shell baut wegen des drastischen Ölpreisverfalls 7000 bis 9000 Stellen ab. Shell-Vorstand Huibert Vigeveno sagt:

Langfristig nimmt die Bedeutung des Öl- und Gassektors weltweit ab; andere Energieformen werden sie ersetzen.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Ausverkauf

Verlauf der Royal-Dutch-Shell-Aktie seit dem 1. Januar 2010, in Euro

  • Die Krise beim größten deutschen Stahlhersteller ThyssenKrupp spitzt sich zu. Die IG Metall ruft nach dem Staat. IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner:

ThyssenKrupp wird es nicht alleine schaffen.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Abstieg

Verlauf der ThyssenKrupp-Aktie seit dem 1. Januar 2010, in Euro

Der Flugzeugbauer Airbus bewohnt das weite Niemandsland zwischen beiden Welten. Der Vorstand muss 15.000 Stellen streichen, weil der Flugverkehr in weiten Teilen der Erde zusammengebrochen ist. Zugleich plant der Vorstand, Milliarden in neue, umweltfreundliche Flugzeuge zu investieren, ohne die eine Re-Globalisierung der Welt nicht denkbar wäre.

Über das Navigieren im Niemandsland spreche ich im Morning Briefing Podcast mit dem Chef der Airbus Group Guillaume Faury, der, eskortiert von seinem Verwaltungsratschef René Obermann, aus Toulouse nach Berlin gekommen war. Über die aktuelle Situation der Luftfahrtbranche sagt der CEO:

Wir sehen eine zweite Welle der Pandemie in einer Reihe von Ländern. Deshalb wird der Flugverkehr zunächst recht gering bleiben. Das bedeutet die Fortsetzung der Produktion auf einem viel niedrigeren Niveau als zuvor.

Guillaume Faury © Credit: Anne HufnaglRené Obermann © Anne Hufnagl

Aber was, wollte ich von ihm wissen, bedeutet „niedriges Niveau“? Er sagt:

Niedrig bedeutet für uns in Bezug auf die Flugzeugauslieferungen ein Minus von 40 Prozent. Im Flugverkehr selbst liegen wir weltweit sogar bei durchschnittlich minus 50 Prozent. Das ist wirklich das, was ich massiv nennen würde.

Die Krise hat für viele Airbus-Angestellte negative Folgen. Der Vorstandsvorsitzende rechnet vor:

Der Rückgang von 40 Prozent bei den Auslieferungen würde bei 90.000 Mitarbeitern in der kommerziellen und zivilen Fertigung von Airbus rund 36.000 Arbeitsplätze entsprechen. Wir haben uns für minus 15.000 Jobs entschieden.

Eine Infografik mit dem Titel: Höhenflug mit Pausentaste

Verlauf der Airbus-Aktie seit dem 1. Januar 2010, in Euro

Seine Vorhersage für eine „neue Normalität” nach der Pandemie ist von Zuversicht geprägt:

Wir sollten diese Krise mit früheren Krisen vergleichen. Eine dieser früheren Krisen ist der Terroranschlag vom 11. September mit all seinen Folgen. Wir dachten, die Leute würden wahrscheinlich nie mehr so ​​fliegen wie zuvor. Tatsächlich waren die Menschen zwei, drei, vier Jahre später wieder zurück im Flugzeug.

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Die Erholung habe global bereits eingesetzt, sagt er. Und nennt Zahlen:

Vor dem Beginn der Pandemie waren 21.000 Verkehrsflugzeuge in der Luft. Daraus wurden schlagartig 14.000 geparkte Flugzeuge und nur noch 7000 Flugzeuge befanden sich in der Luft. Jetzt sind wir bei nur noch 6600 geparkten Maschinen.

Wird er Staatshilfen beantragen?

Wir glauben, dass wir sie heute nicht brauchen. Aber sage niemals nie.

Fazit: Die Airbus Gruppe hat nach den Boomjahren von Autopilot auf Instrumentenflug umgeschaltet. Die gute Nachricht: Das Unternehmen besitzt Zukunft. Die schlechte: Noch weiß keiner genau, wie diese aussieht. Vielen wird derzeit vieles abverlangt. Oder um es mit George Bernard Shaw zu sagen: „Tapferkeit wird dadurch nicht schlechter, dass sie so schwerfällt.

Angela Merkel © dpa

Das Verhältnis der Bundeskanzlerin zu den Größen der deutschen Wirtschaft darf man mit Fug und Recht als unterkühlt bezeichnen. Am „Tag der Industrie“, einer Art Familientreffen der Industriefürsten, konnte man die abgesenkte Temperatur nicht messen, aber spüren; sie liegt derzeit knapp oberhalb des Gefrierpunktes.

Nach Bankenkrise, Diesel-Betrugsaffäre und Wirecard-Pleite, angesichts der von ihr als zu schlapp empfundenen Anstrengungen in Sachen Frauenförderung und Klimapolitik, und eingedenk der objektiv zu spät in Angriff genommen Elektrifizierung und Digitalisierung der Autoindustrie sind die Helden der Wirtschaft für sie keine Helden mehr. Die Herren der Schöpfung – im 57-köpfigen BDI-Präsidium sind zu 90 Prozent Männer vertreten – hat die Regierungschefin für sich erkennbar herunter gestuft – auf den Status von Lebensabschnittsgefährten.

Dieter Kempf © dpa

Körperlich war sie gestern gar nicht erst erschienen, nur für zwei Minuten per Videobotschaft hatte sie ihren Auftritt. Die Worte fade, der Ton lieblos, Frau hat schließlich Wichtigeres zu tun. So sehen in der Welt der Politik Demütigungen aus.

Giuseppe Conte © imago

Italien plant eine Neuverschuldung, die rekordverdächtig ist. Der bereits vom Kabinett verabschiedete erste Entwurf für den Haushalt 2021 sieht zusätzliche Ausgaben in Höhe von über 40 Milliarden Euro vor. Vorgesehen sind Steuersenkungen für Jahreseinkommen unter 40.000 Euro sowie Steuererleichterungen für Süditalien.

Für 2021 erwartet die Regierung ein Defizit von 7 Prozent. Damit steigt die gesamte Verschuldung von 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im vergangenen Jahr auf 158 Prozent in diesem Jahr.

Eine Infografik mit dem Titel: Wachsendes Defizit

Staatsverschuldung Italiens von 2007 bis 2020 in Relation zum BIP, in Prozent

Hinsichtlich der Finanzierung rechnet Rom damit, dass die Zusatzausgaben etwa zur Hälfte durch Mittel aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm finanziert werden können. Hier dürften Italien über mehrere Jahre rund 80 Milliarden Euro zufließen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Hauptfinanzier dieser milden Gabe ist die Bundesrepublik, die in letzter Instanz für die geplante Verschuldung der EU bürgt.

Fazit: Die von Olaf Scholz gewollte und auch von Friedrich Merz in Betracht gezogene Steuererhöhung in Deutschland und die Steuersenkung in Italien sind die zwei Seiten der einen Medaille. Oder wie die Briten sagen würden: There is no free lunch.

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Ist Deutschland Industriemuseum und Freizeitpark oder eine Aufstiegsgesellschaft? In dem neuen Buch „Aufstieg“ unterbreiten Abgeordnete, Unternehmer und Wissenschaftler 16 Vorschläge für eine Zukunft, die Wohlstand für alle verspricht. Drei der Autoren haben wir heute ab 13 Uhr an Bord. Sie können ab 13:30 Uhr live dabei sein.

 © dpa

In Frankfurt hört man die Nachtigall trapsen: Deutsche Bank-Chef Christian Sewing äußert sich in einem Bloomberg-Interview über mögliche Fusionen und Übernahmen im nächsten Jahr, derweil ein Großinvestor bei der Commerzbank, einem möglichen Partner, seine Anteile aufstockt.

Die Capital Group, die zugleich ein Anteilseigner der Deutschen Bank ist, hat ihre Commerzbank-Anteile von 4,82 Prozent auf 5,31 Prozent erhöht. Die Investmentgesellschaft aus Los Angeles gehört zu den drei größten Aktionären der Commerzbank: Der Bund hält 15,6 Prozent an dem Institut, der US-Finanzinvestor Cerberus hatte zuletzt eine Beteiligung von 5,01 Prozent gemeldet.

Wie Cerberus ist auch die Capital Group bei beiden deutschen Großbanken investiert. An der Deutschen Bank halten die Kalifornier 3,74 Prozent.

Über eine Fusion der Deutschen Bank mit der Commerzbank wird seit langem spekuliert. Sie ist zwar nicht sinnvoll, aber wahrscheinlich. Schon Sewings Festlegung („Es ist wichtig, dass wir nicht der Juniorpartner sind“) lässt angesichts der geschrumpften Marktkapitalisierung der Deutschen Bank wenig andere Paarungen zu. Die UBS des Axel Weber ist derzeit an der Börse fast dreifach so viel Wert. Auch Spaniens Santander und die Pariser BNP Paribas werden von der Börse höher bewertet als die Deutsche Bank. So wird die Braut aus der Nachbarschaft immer hübscher.

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  • Ärger in der Unionsfraktion. Mehrere Abgeordnete fordern die Kanzlerin und die Fraktionsführung zu mehr Profil und Durchsetzungsstärke gegen teure SPD-Sozialprojekte auf.

  • Der Wirtschaftsminister soll sich endlich mehr um die Wirtschaftlichkeit seiner Förderprojekte kümmern. Das sagt der Bundesrechnungshof und kritisiert mehrere Projekte von Peter Altmaier in einem Sondergutachten.

  • In der Berliner Lobbyagentur WMP Eurocom fliegen die Fetzen. Jetzt hat der geschasste Ex-Porsche Chef Wendelin Wiedeking Hausverbot bekommen.

Frische Informationen zu diesen und anderen für die Hauptstadt relevanten Themen finden Sie hier: http://thepioneer.de/hauptstadt

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Das Recherchezentrum Correctiv hat Tausende Instagram-Accounts analysiert und zeigt, wie die rechte Szene auf der vermeintlich unpolitischen Plattform junge Menschen verführt. Sie benutzen die Ästhetik und die Schwachstellen des Algorithmus von Instagram, um junge Menschen in rechtsextreme Kreise zu ziehen.

Heute erscheint Teil eins der vierteiligen Serie „Kein Filter für Rechts.“ Mehr Infos finden Sie hier.

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Beim Börsenstart der abgespaltenen Siemens-Sparte Energy ist die Rechnung von Joe Kaeser aufgegangen. Der Aktienkurs des Mutterkonzerns hat kaum gelitten, obwohl der Konzern massiv an Substanz verlor. Am Tag des Börsengangs von Siemens Energy betrug der Kurs 109,26 Euro, aktuell kostet das Papier 108,58 Euro.

Die ausgegliederte Siemens-Sparte erreicht bei einem Kurs von 21,10 Euro (Ausgabepreis 22,01 Euro) eine Marktkapitalisierung von rund 16,29 Milliarden Euro. Zählt man diese zum Wert einer Siemens-Aktie – dem Verteilungsschlüssel der neuen Papiere 2:1 entsprechend – hinzu, ergibt sich rechnerisch ein stattliches Plus von über zehn Euro.

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Eine neue KPMG-Studie zeigt, dass sich solche Carve-Out genannten Ausgliederungen von Unternehmensteilen auszahlen. Die Prüfungsgesellschaft hat weltweit 45 Ausgliederungen in den vergangenen fünf Jahren untersucht. Die Ergebnisse laut „Börsen-Zeitung“:

Bei einer IPO-Ausgliederung (über einen Börsengang mit zusätzlicher Kapitalaufnahme) stiegen die Aktienkurse nach zwölf Monaten im Schnitt um 16  Prozent, nach zwei Jahren waren es 26  Prozent und nach drei Jahren bereits 57  Prozent.

Fazit: Der Kapitalismus ist nur so gut, wie die, die ihn durchschauen. Die deutsche Übersetzung für Carve-Out heißt „der große Bluff“.

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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