Angst vor dem Crash

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Guten Morgen,

alles hat sich mittlerweile globalisiert, auch die Unvernunft. Zwischen 1999 und 2019 wuchs der globale Schuldenberg, das heißt, das kumulierte Gesamtdefizit von Firmen, Banken, Staaten und Privathaushalten, um 216 Prozent – auf rund 255 Billionen US-Dollar. Das entspricht mehr als dem Dreifachen der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Schuldenberg wächst

Globale Verbindlichkeiten bis Ende 2019, in Billionen US-Dollar

Die Notenbanken von China, Japan, USA und der Eurozone befeuern die Verschuldung, indem sie die Märkte weiter mit billigem Geld beschicken. Sie senken mit ihrer Zinspolitik den Preis des Geldes und sie treten selber als Aufkäufer von Aktien und Anleihen auf. Der Effekt ist: Das Risiko wandert immer weiter von der Privatwirtschaft zum Steuerzahler.

Eine Infografik mit dem Titel: Notenbanken: Die Geldschwemme

Angaben in US-Dollar

► Zusammengenommen sind die Bilanzsummen der großen vier Zentralbanken der USA, der EU, Japans und Chinas mit knapp 20 Billionen US-Dollar derzeit fast so groß wie die jährliche Wirtschaftsleistung der USA und fast anderthalbmal so groß wie das BIP von China (siehe Grafik).

Eine Infografik mit dem Titel: EZB-Anleihekaufprogramm: Die neue Dimension

Volumen der von der EZB gehaltenen Anleihen im Vergleich, in Euro

► Allein in der Bilanz der Europäischen Zentralbank schlummerten Ende Oktober Anleihen im Wert von mehr als 2,6 Billionen Euro. Das entspricht rund dem siebenfachen des deutschen Bundeshaushalts 2020 (siehe Grafik).

► Laut Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind heute 15 Prozent aller Firmen in Europa „Zombieunternehmen“, das heißt, sie werden nur durch das billige Geld der EZB am Leben gehalten.

► Hochverschuldete Länder wie Italien, die längst am Anleihemarkt Refinanzierungsschwierigkeiten hätten, werden durch die EZB-Politik ermuntert. Die Regierung in Rom legt immer neue Schuldscheine auf.

Die europäischen Sparer aber …

… bezahlen das Spiel mit einem Verlust ihrer Kaufkraft.

Die Mieter

... zahlen mit einer Verteuerung von Wohnraum.

Und die traditionellen Kreditinstitute

… zahlen mit einem Verfall ihrer Gewinnmarge.

Eine Infografik mit dem Titel: Börse vs. BIP: Die Entkopplung

Entwicklung des deutschen und amerikanischen Bruttoinlandsprodukts gegenüber Kursgewinnen von DAX und Dow Jones seit 2009

Die Investoren an den Finanzmärkten hingegen profitieren:

► Derweil die Realwirtschaft in Deutschland seit 2009 um knapp 37 Prozent gewachsen ist, schoss der DAX seither um 166 Prozent in die Höhe. In den USA das gleiche Bild: Während das BIP um 42 Prozent zulegte, kletterte der Dow Jones von Januar 2009 bis heute um 228 Prozent (siehe Grafik).

Oder anders formuliert: Realwirtschaft und Finanzindustrie haben sich entkoppelt. Der schwarze Schwan, das Wappentier eines sich ankündigenden Unheils, ist gelandet.

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In dieser Situation will Bayerns Ministerpräsident Markus Söder keine weitere Integration des europäischen Bankensektors, der immer auch ein weiteres Haftungsrisiko für deutsche Sparer bedeutet. Im heutigen „Handelsblatt“ sagt er:

Fakt ist, dass wir in vielen Euro-Ländern eine unterschiedliche Ausgangslage haben. Dort sitzen die Banken nach wie vor auf faulen Krediten. Diese Risiken können wir nicht per Blankoscheck übernehmen. Wenn es ums Geld geht, dürfen wir keine Fehler machen, sonst droht die nächste Finanz- und Euro-Krise.

Diese Sorge vor einer neuen Weltfinanzkrise teilt Söder mit vielen. Hyperverschuldung, Zombiefirmen und die eben geschilderte Entkoppelung bedeuten zwar nicht die Gewissheit, wohl aber die Gefahr, dass wir in den nächsten Jahren einen fulminanten Crash erleben könnten.

Die Autoren Marc Friedrich und Matthias Weik datieren diesen „größten Crash aller Zeiten“ (so auch ihr Buchtitel) spätestens auf das Jahr 2023.

Diese Krise wird Vermögen vernichten, Sparguthaben entwerten und auch den Euro in den Abgrund reißen, heißt es in dem Werk der bekennenden Apokalyptiker, das unverzüglich nach Erscheinen auf Platz 1 der „Spiegel“-Bestsellerliste schoss.

Mit Marc Friedrich spreche ich im Morning Briefing Podcast über die Ernsthaftigkeit seiner Prognose. Er sagt:

Bis spätestens 2023 ist der Drops gelutscht. Dann fällt der Vorhang.

Ich bin überzeugt, dass auch der Euro scheitern wird. Man wird noch mal rumreformieren, zum Beispiel den Nord-Euro probieren, aber im Endeffekt wird dieses Projekt ad acta gelegt werden.

Auch über die Aktienrückkäufe – die im letzten Jahr in den USA die Marke von einer Billion US-Dollar durchbrochen hatten – habe ich mit Marc Friedrich gesprochen. Er sagt:

Der S&P 500 wäre ohne die Aufkaufprogramme der Unternehmen und ohne die Steuerreform von Trump tatsächlich nur bei Plus 60 oder 70 Prozent gelandet, aber nicht bei einer Verdreifachung seit 2009.

Die US-amerikanischen Unternehmen haben seit 2009 5,3 Billionen US-Dollar in eigene Aktien gesteckt. Da wird nicht in Entwicklung und Innovation investiert, sondern in die eigenen Aktien. Das ist ein fragwürdiges Spiel, ein Perpetuum mobile der Finanzwirtschaft.

Die Kurse werden nach oben manipuliert. Auch diese Blase wird platzen.

Fazit: Die Crash-Prognose ist gewagt, aber die tiefe Analyse der Ungleichgewichte im Finanzmarkt trifft. Wenn Schönfärberei strafbar wäre, müssten Finanz- und Wirtschaftsminister noch heute in Untersuchungshaft.

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Dieser Grünen-Parteitag war keine Nabelschau, sondern eine gruppendynamische Übung zur Vorbereitung einer schwarz-grünen Bundesregierung. Die überragenden Ergebnisse für die beiden Vorsitzenden Annalena Baerbock (97,1 Prozent) und Robert Habeck (90,4 Prozent) zeigen: Dort, wo vor 20 Jahren Farbbeutel gegen Joschka Fischer flogen, demonstrierte die Ökopartei ihren Willen zur Macht.

Habeck sprach wie ein Minister im Wartestand:

Wir sind eine politische Kraft, die den Auftrag zur Gestaltung hat. Für diese Zeit sind wir gegründet worden, und jetzt lösen wir es ein.

Auch Baerbock ist auf Kurs in Richtung Regierungsübernahme:

Wir müssen nicht nur Ziele formulieren, wir müssen sie auch umsetzen.

Fraktionschef Anton Hofreiter sekundierte:

Wir wollen regieren, und wir müssen regieren.

Das eben ist das Schöne: Wenn der Zug erst rollt, will ihn niemand verpassen. Das kann man Opportunismus nennen. Oder schlichter noch: Politik.

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DU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Gesetze des asiatischen Kampfsports für sich entdeckt. Wann immer ein Rivale attackiert, nutzt sie die Wucht des Angriffs, um den Angreifer zu Boden zu bringen. Sie weiß ja: Die Partei hasst die interne Zwietracht mehr als den politischen Gegner.

AKK verweist ihre Parteifreunde gern auf die Gebote der Geschlossenheit. Der Name Merz muss gar nicht erwähnt werden, so wie bei einer Festveranstaltung der Karl-Arnold-Stiftung in Köln am Wochenende. AKK erinnerte an die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Arnold und Adenauer, um daraus wenige Tage vor dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig eine Mahnung an die Parteifreunde zu formulieren:

Es hat einen Grund, warum wir nie den Namen Partei getragen haben, sondern Union.

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Das Bundeskabinett traf sich gestern auf Schloss Meseberg. Im Mittelpunkt der Beratung stand ein alter Bekannter: das Funkloch.

Seit Jahr und Tag verspricht die Regierung, den Flickenteppich der Kommunikation zu einem engmaschigen Netz zu verbinden. Doch noch immer endet eine Vielzahl der Inlandsgespräche, selbst solche innerhalb einer Stadt, im Nirwana.

Das sind die Ergebnisse der bisherigen Digitalisierungspolitik:

► Im Koalitionsvertrag steht dem Branchenverband Bitkom zufolge 297 Mal das Wort „digital“. Trotzdem wirkt Deutschland noch immer wie ein analoger Inselstaat.

► Funklöcher gehören hierzulande zum Alltag. Rund 5000 dieser „weißen Flecken“ ohne Handy-Empfang gibt es – vor allem auf dem Land.

► Die Genehmigungsverfahren beim Ausbau der mobilen Infrastruktur dauern zu lange. Laut Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer stecken derzeit Verfahren für 1000 Standorte fest.

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Und das ist der gute Vorsatz von Meseberg:

► Bis zum Jahr 2024 will die Regierung 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um so gut wie alle Funklöcher in Deutschland zu schließen.

Fazit: Die Regierung bemüht sich mit routinierter Lässigkeit, den Wählern und Handynutzern zu gefallen. Zumindest verbal! Doch für richtig dringlich hält die Bundeskanzlerin das Thema nicht. Sie, die große Moderate, spürt keine Eilbedürftigkeit. Sie hält es mit Albert Einstein: „Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug.“

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Die Namen Marie, Sophie und Emma werden in Zukunft Konkurrenz bekommen. Greta Thunberg inspiriert viele Eltern. In einer aktuellen Umfrage im Auftrag der „Deutschen Welle“ gaben viele Paare an, ihr Kind – das in den kommenden Monaten auf die Welt kommen wird – Greta nennen zu wollen. Wir lernen: Die Freiheit wird am Hindukusch verteidigt – und das Klima im Kreißsaal.

Ich wünsche Ihnen einen herzhaften Start in diese neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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