ARD/ZDF: Geist statt Geld

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Guten Morgen,

im Zuge der Debatte über die Erhöhung der Rundfunkgebühr für ARD und ZDF fällt der Scheinwerfer nun auch dorthin, wo er hingehört: Auf das Programm und dessen abnehmende Akzeptanz bei den Zuschauerinnen und Zuschauern. In der Nahaufnahme fällt der Befund für die öffentlich-rechtlichen Sender wenig schmeichelhaft aus. Es sind genau genommen sieben Befunde, die gerade auch die Verfechter der Grundidee eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstören müssten.

Befund 1: Die Sender wollen 400 Millionen Euro zusätzlich einnehmen, gehen aber in Wahrheit mit dem Entgelt der Bürger - das auch von Nicht-Zuschauern aufgebracht werden muss - mehr als großzügig um. Ein nennenswerter Teil der Gebühren wird nicht für politisch-kulturelle Formate, sondern für die Übertragungsrechte von Fußballspielen ausgegeben. Der Gebührenzahler trägt mit jährlich dreistelligen Millionensummen zur Finanzierung der Wahnsinnsgehälter im Profifußball bei.

Befund 2: Die Sender sind die Fortsetzung der Seniorenresidenz mit terrestrischen Mitteln. Die wichtigste Zielgruppe der aktuellen TV-Formate ist die Gruppe der Pensionisten. Nirgendwo erzielen die Sender höhere Reichweiten als bei den Über-70- Jährigen.

Eine Infografik mit dem Titel: ProSieben kaum zu schlagen

Welche TV-Sender waren 2019 bei den 12 bis 19-Jährigen am beliebtesten? Angaben in Prozent (Auswahl)

Befund 3: ARD und ZDF senden an Menschen jüngeren Alters systematisch vorbei. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei rund 44 Jahren, das der durchschnittlichen Zuschauer von ARD und ZDF bei 62. In der Altersklasse der 14- bis 49-Jährigen erzielt das ZDF 2019 einen TV-Marktanteil von 5,6 Prozent. Die öffentlich-rechtliche Apathie der Jugend und der Vormarsch der Streamingdienste Netflix, Amazon Prime, Disney plus, Apple TV, Joyn und Sky Ticket sind die zwei Seiten der einen Medaille.

Eine Infografik mit dem Titel: Junge Zuschauer

Netflix-Nutzer in Deutschland nach Altersverteilung in Relation zur Gesamtbevölkerung im Jahr 2019, in Prozent

Befund 4: Die innere Pressevielfalt, also der Binnenpluralismus der Sender, hat spürbar abgenommen. Zu den gefragtesten Talkgästen zählen Annalena Baerbock und Robert Habeck, derweil die Vertreter der größten Oppositionspartei im Bundestag, der AfD, nur noch selten eingeladen werden. Das mag subjektiv verständlich sein, ist aber durch die im Staatsvertrag festgelegte parteipolitische Neutralität nicht gedeckt. Im Rundfunkstaatsvertrag heißt es:

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.

Standen in den 70er und 80er Jahren die publizistischen Leuchttürme der Sender noch für die Spannbreite der Positionen - links warteten Franz Alt, Klaus Bednarz und Ulrich Kienzle auf ihre Kundschaft; rechts davon positionierten sich Gerhard Löwenthal, Sigmund Gottlieb und Bodo Hauser - ist diese Balance mittlerweile verloren gegangen. In der Gegenwart dominiert - mit den Ausnahmen der ZDF-Kollegen Claus Kleber und Marietta Slomka - die organisierte Harmlosigkeit. Es gibt keinen namhaften ARD-Meinungsbildner der rechts von Angela Merkel kommentiert.

 © dpa

Befund 5: Konzerne wie Amazon, VW, Bayer, Aldi und Deutsche Bank werden im deutschen Fernsehen in der Regel als Lohndrücker, Abzocker, Umweltsünder und Erzeuger von Spekulationsblasen portraitiert, was sie alles auch sind, aber eben nicht nur. Der deutsche Mittelstand, um den Deutschland in aller Welt beneidet wird, tritt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur in einer Statistenrolle auf. Wer lediglich ARD und ZDF schaut, besitzt keine Vorstellung davon, warum „Made in Germany“ auf allen Exportmärkten der Welt ein Verkaufsschlager ist.

Befund 6: Die Wagenburg-Mentalität verstärkt sich. Die Anstalten empfinden jedwede Kritik als Angriff und schotten sich immer weiter ab. Innerhalb der Programme kommen Kritiker der Anstalten praktisch kaum noch zu Wort. Die Cancel-Kultur erlebt hier ihren trostlosen Höhepunkt.

 © dpa

Befund 7: Der Nachwuchs der ARD ist linker als der linke Flügel der Jungsozialisten. Erst kürzlich offenbarte eine Befragung von Volontären die Fragwürdigkeit der Nachwuchsförderung, die eben nicht zu kulturell-politischer Binnenpluralität führt, sondern zur Verengung der schon vorher Verengten. Alle 150 Volontärinnen und Volontäre, die bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gerade in Ausbildung sind, wurden intern nach ihrer politischen Haltung befragt. 86 von 150 haben die Frage beantwortet. Das Ergebnis: 57,1 Prozent der intern Befragten votieren für die Grünen, 23,4 Prozent für die Linkspartei, 11,7 Prozent für die SPD, die wichtigsten Regierungsparteien CDU und CSU landeten bei drei, die FDP bei 1,3 Prozent.

Fazit: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird nicht durch seine Kritiker gefährdet, sondern durch jene, die sich der Kritik verweigern. Dringlicher als eine Gebührenerhöhung bedürfen ARD und ZDF der Reform. Deren Überschrift könnte lauten: Geist statt Geld.

Der Skandal ist nicht das Verhalten der CDU in Sachsen-Anhalt. Der Skandal ist die devote Grundhaltung der anderen Landtage, die im vollen Bewusstsein der Fragwürdigkeit und aus Furcht vor politisch-publizistischen Konsequenzen den öffentlichen-rechtlichen Anstalten diesen Schluck aus der Pulle genehmigt haben.

Justus Haucap © dpa

Professor Justus Haucap ist von Hause aus Ökonom und als solcher Experte für Wettbewerbstheorie. Der frühere Chef der Monopolkommission und Gründungsdirektor des Düsseldorfer Instituts for Competitive Economics rät der Politik nicht zur Beseitigung, wohl aber zur Reform der öffentlich-rechtlichen Sender.

Im Morning Briefing Podcast macht er konkrete Vorschläge:

  • Er regt an, den Prozess wettbewerblich zu organisieren und statt Sendern Programme zu fördern.

  • Das Geld sollte direkt an Produktionsgesellschaften und eventuell auch an Amazon Prime und Netflix fließen können, da insbesondere Netflix ein Publikum erreicht, das ARD und ZDF immer weniger erreichen.

  • Er plädiert dafür, dass zehn bis zwanzig Prozent der rund acht Milliarden, die ARD und ZDF durch die Rundfunkgebühr einnehmen, abgezweigt werden und sich jeder Bürger und jede Produktionsgesellschaft mit Konzepten um diese Gelder bewerben kann, auch die öffentlich-rechtlichen Sender.

In einigen Wochen könnten die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus in Deutschland eintreffen. Die beim Robert Koch-Institut angesiedelte zuständige Kommission (Stiko) hat gestern in einem Entwurf präzise Vorschläge für eine Reihenfolge der Corona-Impfungen vorgelegt. Folgende Personengruppen sind zu unterscheiden:

Die erste Gruppe mit „sehr hoher“ Priorität umfasst rund 8,6 Millionen Menschen. Dazu gehören:

  • Personengruppen, die mit besonders hohem Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe leben. Und Gruppen, die beruflich besonders engen Kontakt zu diesen Risikogruppen haben.

  • Konkret nennt die Empfehlung Bewohner von Senioren- und Altenpflegeheimen und Menschen über 80 Jahren.

 © imago
  • Aufgeführt wird auch das Personal in medizinischen Einrichtungen wie Notaufnahmen und in der Betreuung von Corona-Patienten sowie Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu Risikogruppen, etwa in der Transplantationsmedizin.

  • Auch das Pflegepersonal in der ambulanten und stationären Altenpflege sowie andere Beschäftigte in Senioren- und Pflegeheimen gelten als bevorzugte Gruppierungen.

Gruppe 2: Das sind Menschen mit „hoher“ Priorität, wozu ungefähr 6,7 Millionen Menschen zählen. Darunter befinden sich Senioren zwischen 75 und 80 Jahre sowie Menschen mit Demenz oder einer geistigen Behinderung in Einrichtungen sowie dort tätiges Personal.

Gruppe 3 sind dann ungefähr 5,5 Millionen Menschen mit „moderater“ Priorität: Dazu zählen beispielsweise Ältere zwischen 70 und 75, Vorerkrankte mit erhöhtem Risiko und ihre engsten Kontaktpersonen, Menschen in Asylbewerber- und Obdachlosenunterkünften sowie das Personal in Gesundheitsämtern.

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Als Gruppe 4 sind rund 6,9 Millionen Menschen mit „erhöhter“ Priorität an der Reihe, darunter Menschen zwischen 65 und 70, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie Menschen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen wie Saisonarbeiter, Beschäftigte in Verteilzentren oder in der fleischverarbeitenden Industrie.

Erst in der darauf folgenden Stufe ist Gruppe 5 am Zuge. Hier handelt es sich um 9 Millionen Menschen mit „gering erhöhter“ Priorität, etwa Menschen zwischen 60 und 65 Jahren, Personal in „Schlüsselpositionen“ einer Landes- oder der Bundesregierung, Beschäftigte im Einzelhandel sowie in der „kritischen Infrastruktur“ wie Feuerwehr, Bundeswehr und Polizei.

„Niedrige“ Impf-Priorität genießen demnach alle übrigen Menschen unter 65 Jahre, die keine signifikante Krankenakte vorweisen können, was in etwa 45 Millionen Menschen entspricht.

Gerald Gaß © imago

Dr. Gerald Gaß, Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, schlägt Alarm. Als Interessenvertreter der Beschäftigten von Krankenhäusern und Kliniken besitzt er den Überblick über die mentale Verfasstheit der dort Beschäftigten und verfügt über präzise Zahlen zur Auslastung der Intensivmedizin. Im Morning Briefing Podcast sagt er:

Wir blicken mit Sorge auf die kommenden Wochen. Wenn die Dynamik anhält und jetzt auch die Zahlen der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen wieder steigen, dann haben wir eine dauerhaft hohe Belastung in den Krankenhäusern, die irgendwann zu kippen droht.

Den nur mäßigen Erfolg des zweiten Mini-Lockdowns seit November erklärt er folgendermaßen:

Der erste Lockdown war härter als der, den wir aktuell erleben. Da waren weitgehend die Geschäfte geschlossen, da konnte man noch in den Lebensmittelhandel und in den Baumarkt, ansonsten war da nicht mehr viel.

Jetzt dagegen werde mit Appellen gearbeitet, die erkennbar ihre Wirkung verfehlten:

Man suggeriert den Leuten: ,Ganz so schlimm ist es nicht. Passt ein bisschen auf, aber es wird schon.’

Er beschreibt die Situation in den Krankenhäusern, wo derzeit 4180 Intensivbetten von Covid-Patienten belegt werden, so:

Die jetzige Belegung der Intensivbetten ist 40 Prozent über der Spitzenbelegung im Frühjahr.

Von den Lockerungen über Weihnachten und Silvester hält er nicht viel:

Meine Forderung ist, dass der Beschluss, den Menschen über die Weihnachtstage und über Silvester mehr Freiraum zu lassen, so nicht funktioniert.

Fazit: Hier spricht kein Politiker, sondern ein Experte. Er spricht nicht politisch korrekt, sondern wahrhaftig. Wir sollten ihm zu hören.

Der Landesvorsitzende der CDU in Bremen, Carsten Meyer-Heder, hat gestern die Pioneer One besucht und einen ungewöhnlichen Vorschlag im Machtkampf um die Führung der Bundespartei mitgebracht.

Der Softwareentwickler und IT-Unternehmer, der 2018 als Seiteneinsteiger in die CDU kam und die notorisch schwachen Bremer Christdemokraten zur stärksten Fraktion in der Bürgerschaft aufsteigen ließ, schlägt ein Tandem vor:

Wenn ich es mir aussuchen könnte: Norbert Röttgen macht den Parteichef und Jens Spahn wird Kanzlerkandidat.

Röttgen absolviere einen guten Job und öffne die Tür für eine Trennung von Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur. Jens Spahn habe in der Pandemie gezeigt, dass er durchsetzungs- und lernfähig sei.

 © ThePioneer

Friedrich Merz sei für eine schwarz-grüne Konstellation der falsche Kandidat, meint Meyer-Heder. Die grüne Basis würde im Zweifel ein Bündnis mit der CDU torpedieren und so eine linke Mehrheit herbeiführen. So hat es der CDU-Mann 2019 in Bremen erlebt, als die Jamaika-Verhandlungen gestoppt wurden und seither Rot-Rot-Grün regiert. Er ist überzeugt:

Friedrich Merz wäre ein Beschleuniger für Rot-Rot-Grün.

Einen Ausschnitt dieses bemerkenswerten Dokuments der parteiinternen Willensbildung hören Sie im Morning Briefing Podcast. Das gesamte Interview gibt es nur auf Deutschlands neuer Plattform für unabhängigen Journalismus: thepioneer.de.

Ein unerwartet starker Exportsprung gibt Chinas Wirtschaft nach der Corona-Krise zusätzlichen Schwung. Hier die gestern verkündeten Zahlen:

  • Die Ausfuhren legten im November um 21,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu und übertrafen alle Vorhersagen.

  • Die Importe hingegen blieben hinter den Erwartungen zurück und kletterten nur um 4,5 Prozent – etwas weniger als noch im Vormonat mit 4,7 Prozent.

  • Der Handelsüberschuss verdoppelte sich auf 75 Milliarden US-Dollar.

Eine Infografik mit dem Titel: Erholung nach Corona

BIP-Wachstum in China gegenüber dem Vorjahresquartal, in Prozent

  • Mit einem Zuwachs um 13,6 Prozent trägt der Außenhandel stärker als erwartet zur Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft bei.

Fazit: Während der Rest der Welt in der Rezession steckt, hat China die Sieben-Meilen-Stiefel angezogen. Die neue Wirtschaftsweltmacht wird nach der Pandemie stärker, selbstbewusster und womöglich auch aggressiver sein.

 © imago

Über Jahrzehnte gehörte der Ikea-Katalog mit Produkten wie dem Bücherregal Billy und dem Sessel Poäng zur Pflichtlektüre von Generationen. Unternehmensgründer Ingvar Kamprad hatte den ersten Katalog des Möbelhauses 1951 selbst zusammengestellt und damit einen Klassiker geschaffen. Im auflagenstärksten Jahr wurden weltweit 200 Millionen Exemplare in 32 Sprachen gedruckt. Gestern nun wurde die Einstellung des Katalogs verkündet. Zur Wehmut besteht kein Anlass: Eine Ära geht zu Ende und eine neue beginnt.

Eine Infografik mit dem Titel: Digitale Shoppinglust

E-Commerce-Umsätze von Ikea in Deutschland, in Millionen Euro

In den vergangenen Monaten wurden wir oft gefragt, ob man die Morning Briefing Tasse auch käuflich erwerben kann. Die Antwort ab heute Morgen lautet: Man kann.

Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft eröffnet der Pioneer-Shop sein Türchen. Vom Frühstücks-Set bis zur Regenjacke haben wir ein Überlebenspaket für Pioniere zusammengestellt, das zwar nicht die Pandemie, wohl aber die uns umgebende Verzagtheit bekämpfen hilft. Schauen Sie gern vorbei und unterstützen Sie sich - und einen politisch unabhängigen und werbefreien Journalismus: Be a Pioneer.

Ich wünsche Ihnen einen kämpferischen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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