Artensterben: Politik mit Lieferproblem

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Guten Morgen,

von allen Vertretern sind die Volksvertreter die windigsten. Der Hauptunterschied zwischen ihnen und den anderen Berufsgruppen liegt in den permanenten Lieferschwierigkeiten. Wenn Volkswagen dem Kunden einen blauen Golf verspricht, wird ein blauer und kein roter Golf geliefert. Wer das Musical „Cats“ besucht, sieht Katzen über die Bühne springen und nicht Cinderella. Wer mit einem Fertighaushersteller ins Geschäft kommt, findet wenig später auf seinem Grundstück einen Bungalow mit Wintergarten und keine Kläranlage.

Womit wir bei den Politikern wären. Von Berufs wegen versprechen sie den Schutz des Klimas und preisen sich bei ihren Verkaufsveranstaltungen, die in ihrem Fall Wahlkampf heißen, als Garanten der Artenvielfalt. Doch geliefert wird oft das Gegenteil: Das Klima heizt sich weiter auf, die Ereignisse mit Extremwetter nehmen zu und nicht ab und die Vielfalt der Arten dezimiert sich fortlaufend. Man kann dem Bergmolch und der Honigbiene regelrecht beim Sterben zuschauen.

Honigbiene © dpa

Irgendwo in der Lieferkette des Politikers geht immer etwas schief. Wenn man die Regierungspolitiker für ihre nicht gehaltenen Produktversprechen in Regress nehmen könnte, wären die Parteien, denen sie entsprungen sind, zahlungsunfähig.

Beispiel Klimawandel: Am 12. Dezember 2015 beschlossen 195 Staaten im Klimaabkommen von Paris feierlich, die ungebremste Erderwärmung wenn schon nicht zu stoppen, so doch zu verlangsamen. In dem Schlussdokument heißt es:

Die Staaten einigten sich auf das Ziel, den Anstieg auf 1,5° C zu begrenzen, da dies die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde.

Die ehemalige deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks unterzeichnet das Pariser Klimaabkommen © imago

Doch die Wirklichkeit spielt den Politikern nicht in die Karten. Die Internationale Energieagentur IEA berichtet in ihrem gestern veröffentlichten World Energy Outlook, wie sich die versprochene Weltrettung in Wahrheit gestaltet:

  • Wenn die Staaten so weitermachen wie bisher, würde sich die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um 2,6 Grad erwärmen – und danach zügig weiter steigen.

Eine Infografik mit dem Titel: Ausstoß geht weiter

Weltweite CO2-Emissionen nach einzelnen Szenarien zur Bekämpfung des Klimawandels, in Gigatonnen Kohlenstoffdioxid

  • Selbst bei Einhaltung der angekündigten Reformen würden sich bis 2030 nur 20 Prozent der weltweiten Emissionen einsparen lassen, die es braucht, um bis 2050 klimaneutral zu sein.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Lücke

Energiegewinnung aus Solar- und Windkraft nach einzelnen Szenarien zur Bekämpfung des Klimawandels, in Terawattstunden

  • Die Ausbaugeschwindigkeit der erneuerbaren Energien ist zu gering. Was derzeit abhebt, sind die fossilen Brennstoffe. Vor allem aus diesem Grund wird es in diesem Jahr den zweitgrößten jährlichen Anstieg der CO2-Emissionen in der Geschichte geben.

Eine Infografik mit dem Titel: Stetiger Strom

Weltweite Gas-Nachfrage nach einzelnen Szenarien zur Bekämpfung des Klimawandels, in Milliarden Kubikmeter

Eine Infografik mit dem Titel: Das Öl fließt weiter

Weltweite Ölnachfrage nach einzelnen Szenarien zur Bekämpfung des Klimawandels, in Millionen Barrel am Tag

Beispiel Artenvielfalt. Auf der zur Zeit laufenden UN-Artenschutzkonferenz im chinesischen Kunming wurde das große Versprechen abgegeben, das schon die Vorgängerkonferenz in Ägypten dominierte: Die Beendigung des Verlustes an Biodiversität und der Schutz von Ökosystemen.

Doch der jüngste Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) verdeutlicht, dass die Menschheit von der Zielerreichung Lichtjahre entfernt ist. Auch Katrin Böhning-Gaese, soeben von Präsident Steinmeier mit dem höchsten Umweltpreis des Landes ausgezeichnet, urteilt knapp und hart:

Wir sind auf ganzer Linie gescheitert.

Wiedehopf © dpa
  • Eine Million von rund acht Millionen Tier- und Pflanzenarten ist vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Dazu zählt der südafrikanische Palmfarn und die Schokoladen-Kosmee, aber auch der kleine Wasserfrosch, die Rotbauchunke und der Wiedehopf.

  • Das Tempo des Artensterbens schreitet heute mindestens zehn- bis hundertmal so schnell voran, wie im Durchschnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre.

  • 75 Prozent der Landoberfläche und 66 Prozent der Meeresfläche sind durch menschlichen Einfluss verändert. Dadurch ist die Hälfte der lebenden Korallen seit 1870 verschwunden.

  • Über 85 Prozent der Feuchtgebiete sind in den letzten 300 Jahren verloren gegangen.

Fazit: Diese Art Politik, wo Versprechen und Wirklichkeit außer Sichtweite geraten sind, ist nicht nachhaltig. Der demokratische Politiker, der in der Regel nicht mit Goldbarren, sondern mit Vertrauen bezahlt wird, muss begreifen, dass dieses Geschäftsmodell auf Dauer für ihn nicht funktionieren kann. Oder wie der ehemalige Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen einmal formulierte:

Das Vertrauen kommt zu Fuß. Aber es flieht zu Pferde.

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Katrin Böhning-Gaese © imago

Im heutigen Morning Briefing-Podcast spreche ich über die schrumpfende Artenvielfalt und ihre Gründe mit Katrin Böhning-Gaese. Die Biologin ist Professorin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Vizepräsidentin der Leibniz-Gemeinschaft und hat erst kürzlich aus der Hand des Bundespräsidenten den Deutschen Umweltpreis erhalten. Sie sagt:

All diese Arten stellen gemeinsam die biologische Vielfalt dar, die für uns Menschen die Lebensgrundlage bildet. Wenn wir dort einzelne Arten verlieren, dann nehmen wir praktisch Maschen aus einem Netz der biologischen Vielfalt und verlieren damit Haltbarkeit und Sicherheit, was unsere eigene Existenzgrundlage betrifft.

Dass sich das Artensterben immer weiter beschleunige, sei bedrohlich. Auch weil man nicht genau wisse, woher die Gefahr drohe:

Wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wissen nicht, welche Arten wirklich essenziell für das Ökosystem sind. Wir schneiden momentan Maschen aus dem Netz und lassen uns dann überraschen, welche Folgen das für die Tragfähigkeit dieses Netzes hat.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Vor allem der weltweite Fleischkonsum wirke sich negativ auf die Artenvielfalt aus:

Für die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch wird 40-mal soviel Fläche wie für ein Kilogramm Kartoffeln benötigt.

Eine Lösung für das Artensterben dürfe dennoch nicht von oben verordnet werden.

Natürlich darf es keine Diktatur der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sein. Wir müssen Lösungen im demokratischen Diskurs erarbeiten.

Prädikat: Beängstigend und erhellend. Wir sind Teilnehmer eines Krimis, über dessen Ende wir selber entscheiden.

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Podcast mit der Laufzeit von

Angela Merkel in der „BILD“

„BILD“ macht heute Front gegen Angela Merkel. Der Grund: Die amtierende Kanzlerin nimmt steigende Inflationsraten und steigende Energiepreise mit einer Gleichgültigkeit zur Kenntnis, die vor allem die „kleinen Leute“ nur als provokant erleben können. Denn der Staat in seiner Funktion als Steuersetzer und Steuereintreiber ist nicht der Notar dieser Entwicklung, sondern ihr Schöpfer.

Diese Nonchalance ist beides: ökonomisch fragwürdig und politisch unklug. „BILD“ hat diesmal nicht übertrieben, nur reportiert.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig © dpa

Rot-rote Bündnisse werden in Deutschland salonfähig. Nach Berlin und Thüringen will nun auch Manuela Schwesig mit der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Die Ministerpräsidentin hatte die Wahl mit 39,6 Prozent klar gewonnen und kann sich deshalb ihren Koalitionspartner aussuchen.

Fazit: Die Hemmschwelle in Richtung der Linkspartei bewegt sich mittlerweile auf der Höhe des Wattenmeeres.

Der teure Abschied vom Bundestag 

Das Übergangsgeld für Ex-MdB steigt nach dieser Bundestagswahl auf Rekordhöhe.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Olaf Scholz © dpa

Die Freigabe von Cannabis steht auf der Tagesordnung der neuen Koalitionspartner. Viele Experten sind befremdet, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung rebelliert. Aber im Grunde ist das Ansinnen nur konsequent.

Die Droge der Arbeiterpartei SPD, das Bier, ist ja auch legal. Nicht nur in München steht ein Hofbräuhaus. Warum sollte die Droge des grünen Milieus, das Haschisch, nicht ebenfalls den Weg aus der Verbotszone finden? Peter Tosh: Legalize it. Als Nächstes ist die Droge der Anwälte und Investmentbanker dran. Die Partei der Besserhalluzinierenden muss jetzt beweisen, was in ihr steckt. Die Erwartungen der Kokaindealer sind hoch.

Bob Marley © imago
Christian Klein © dpa

Mit Verzögerung rechtfertigt der SAP-Chef Christian Klein seine Berufung: Nach Kommunikationswirrwarr mit angeschlossenem Kurssturz in seiner Anfangszeit sehen die vorläufigen Zahlen für das dritte Quartal, die der Softwarekonzern nun vorlegte, günstiger aus. Sie übertrafen die Erwartungen der Analysten und veranlassten den Konzern, seine Ziele zum dritten Mal in diesem Jahr anzuheben.

Eine Infografik mit dem Titel: Steigender Umsatz

Geschäftszahlen von SAP im dritten Quartal 2020 und 2021

Grund für den um knapp fünf Prozent auf 6,84 Milliarden Euro gestiegenen Umsatz ist die hohe Nachfrage nach Cloud-Produkten. Das Bedürfnis, auf digitale Unterlagen auch aus der Ferne zugreifen zu können, ist in Zeiten der Pandemie besonders groß, weshalb entsprechende Cloud-Dienste bei Kunden immer begehrter werden. „Kunden setzen für ihre Unternehmenstransformation in der Cloud auf die SAP. Wir erleben eine Rekordnachfrage nach unseren Anwendungen und unserer Plattform“, erklärte Konzernchef Klein nicht ohne Stolz.

Die vorläufigen Zahlen darf Klein durchaus als Bestätigung des Strategieschwenks werten, den das Management vor rund einem Jahr eingeschlagen hat. Damit sind die Quartalszahlen nicht nur für die Börse, sondern auch für ihn eine Ermutigung. Mit Blick auf das Vorjahr und den Wettbewerber Microsoft kann man allerdings nur sagen:

Alles ist relativ. Fünf Haare auf dem Kopf sind relativ wenig. Fünf Haare in der Suppe relativ viel.

Eine Infografik mit dem Titel: SAP: Chancenlos gegen Microsoft

Nettogewinn von Microsoft und SAP im Vergleich, in Milliarden Euro

Christian Sewing © imago

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, hat in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken Stellung zur Inflation und dem geldpolitischen Kurs der EZB genommen:

Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Inflationsrate in den nächsten zwölf bis 18 Monaten erhöht bleibt.

Aus diesem Grund forderte er die EZB auf, über ihre geldpolitischen Maßnahmen zu reflektieren und mahnte zum Handeln:

Es ist der Zeitpunkt gekommen, über eine Ausstiegsperspektive aus dem geldpolitischen Krisenmodus zu sprechen.

Er wies auch darauf hin, dass seit Beginn der Pandemie die Überschussliquidität, für die die Banken Negativzinsen zahlen müssen, von 950 Milliarden Euro auf gut 3,4 Billionen Euro angestiegen sei. Berücksichtigt sei dabei bereits der Freibetrag von aktuell rund 900 Milliarden Euro. Sewing sagt:

Für den gesamten Euroraum und auf ein Jahr hochgerechnet belaufen sich die aktuellen Negativzinszahlungen damit auf mehr als 17 Milliarden Euro.

Fazit: Derartige Summen der Notenbank zuzuführen und sie damit der eigenen Bilanz zu entziehen, tut weh – nicht nur den Banken, sondern auch der Volkswirtschaft als Ganzes.

Spielen wir bei der Genforschung Gott? Die Nobelpreisträgerinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier entwickelten gemeinsam eine Technologie, die unsere DNA verändern kann. Die CRISPR-Gen-Schere wird Medizin und Pflanzenzüchtung für immer verändern. Im Tech Briefing erklären Christoph Keese und Lena Waltle, wie Krebs, Erbkrankheiten oder HIV in Zukunft durch den Einsatz der Gen-Schere geheilt werden können. Aber auch, welche ethischen Fragen der Eingriff in unser Erbgut aufwirft. Hier im Tech Briefing-Podcast hören oder das Briefing kostenlos hier abonnieren:

Gentechnik: Aufstieg der CRISPR-Technologie

Im Gespräch: Prof. Oliver Pott über sein Buch „Raus aus dem Stundenlohn“

Podcast hören

Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Christoph KeeseLena Waltle.

Podcast mit der Laufzeit von

JP Morgan © dpa

An der Wall Street hat JP Morgan in der Berichtssaison zum dritten Quartal den Anfang gemacht. 11,7 Milliarden Dollar Nettogewinn fuhr Amerikas größte Bank im vergangenen Quartal ein, fast ein Viertel mehr als noch ein Jahr zuvor.

Die Helden der Bank sind mittlerweile nicht mehr die Trader, sondern die Architekten von Fusionen und Übernahmen (M&A). Der Bereich konnte sein stärkstes Quartal aller Zeiten verbuchen und den Umsatz auf 1,2 Milliarden Dollar verdreifachen.

Aber: Die guten Quartalszahlen wurden nicht allein im operativen Geschäft verdient. 2,1 Milliarden Dollar und damit 18 Prozent des Ergebnisses stammen aus dem Abbau jener Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle bei Privat- und Geschäftskunden, die die Bank in der Pandemie aufgebaut hatte.

Die Nachbildung von Michelangelos David auf der Dubai Expo © dpa

In Dubai zeigen die Italiener, wie man mit kulturellen Differenzen auf humorvolle Art umgehen kann. Die in den Vereinigten Arabischen Emiraten herrschenden Ölscheichs, die Monarchie der Familie Maktum, weigerten sich, die im „Italien-Pavillon“ der nachgeholten Expo 2020 ausgestellte Kopie des David von Michelangelo in seiner Nacktheit von den Besuchern betrachten zu lassen. Dagegen spricht das Gesetz des Islams, hieß es. Ein Mitarbeiter des Pavillons sagt dazu:

Wir haben zu spät erkannt, dass es ein Fehler war, die Statue eines nackten Mannes in die Emirate zu bringen.

Aber: Die Italiener wollten sich nicht kampflos vom Gott der Renaissance verabschieden. Also wurden Ausweichhandlungen überlegt. Der in Rom erscheinenden Zeitung „La Repubblica“ sagte der Expo-Mitarbeiter:

Wir dachten sogar daran, dem David Unterwäsche anzuziehen, aber da war es schon zu spät.

Schließlich entschied man sich für die Zweiteilung des Kunstwerkes. Im oberen Teil ist der Oberkörper des David zu sehen. Der durch eine Steinplatte getrennte Unterleib zeigt dann – erlebbar nur für Besitzer eines VIP-Tickets – das Prachtstück des biblischen Kämpfers. Nie wurde das Wort Zensur geschmeidiger umschrieben als mit dem Wort VIP-Ticket.

Die David-Statue in der Galleria dell’Accademia in Florenz © dpa

Die ganze Aktion war mit Sicherheit nicht im Sinne des Künstlers Michelangelo, der bereits in seiner Zeit ein großer Freigeist war und sich für die Nacktheit seiner Statue die Kritik von Papst Pius IV. zuzog. Doch Michelangelo bestand darauf, dass sein David in seiner unberührten Schönheit nicht sein Werk, sondern Gottes Schöpfung sei:

David war immer schon da, ich musste ihn nur erkennen und freilegen.

Die Genitalien des David © imago

Ich wünsche Ihnen einen gut gelaunten Start in diesen neuerlichen Herbsttag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Gründer & Herausgeber The Pioneer
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