Bayern vorn! Ein Bayer vorn?

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Guten Morgen,

politischer Erfolg lässt sich messen, auch in ökonomischen Kategorien. Auf dem Armaturenbrett der deutschen Volkswirtschaft schlägt die Nadel in keinem Bundesland so heftig aus wie in Bayern. Alle Aggregate drehen im grünen Bereich.

► Der von der HypoVereinsbank gestern veröffentlichte Bayerische Aktienindex (Baix) steht in den vergangenen zehn Jahren mit einem Plus von mehr als 200 Prozent deutlich besser da als der Dax, der im selben Zeitraum nur um 120 Prozent stieg.

Eine Infografik mit dem Titel: Bayern auf dem Vormarsch

Simulierte Entwicklung des BAIX gegenüber dem DAX, indexiert in Prozent

Die bayerischen Schwergewichte sind: die von Oliver Bäte geführte Allianz ...

Eine Infografik mit dem Titel: Allianz: Das stete Wachstum

Aktienkurs der Allianz seit 2010, in Euro

... und der Sportartikelhersteller Adidas unter Führung von Kasper Rorsted.

Eine Infografik mit dem Titel: Adidas: Der Hochsprung

Aktienkurs von Adidas seit 2010, in Euro

► Eines der erfolgreichsten Unternehmen Bayerns, die Linde AG, ist seit der Fusion mit Praxair offiziell in Irland ansässig und daher nicht mehr Teil des Baix. Die Börsenwertsteigerung der alten Linde AG: plus 230 Prozent seit der Jahrtausendwende. Allein seit der vom heutigen Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle vorangetriebenen Fusion schoss der Kurs noch einmal um 18 Prozent nach oben. Als einziges deutsches Unternehmen ist Linde heute gleichzeitig im S&P 500, im Dow Jones Sustainability Indices, im EuroStoxx 50 und im Dax gelistet.

Eine Infografik mit dem Titel: Linde: Aufstieg nach Fusion fortgesetzt

Aktienkurs von Linde seit der Übernahme von Praxair, in Euro

► In Bayern hat sich ein Zentrum der Luft- und Raumfahrtindustrie gebildet, rund um Airbus in Ottobrunn. Insgesamt beschäftigt diese Branche im Freistaat rund 60.000 Menschen.

► Das Bildungssystem in dem Bundesland ist laut Bildungsmonitor 2019 Spitze: Nirgendwo verlassen weniger Schüler ihre Schule ohne Abschluss.

► In Bayern wird geforscht und erfunden wie nirgendwo sonst in Deutschland. 2018 haben die Bayern rund 32 Prozent aller deutschen Patente angemeldet.

Politisch sind diese Erfolge eng mit der wirtschaftsfreundlichen Politik der Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber und heute Markus Söder verbunden. Doch das einzige, was den Bayern nie gelang, ist die Transformation von ökonomischem Erfolg in bundespolitische Macht.

Eine Infografik mit dem Titel: Bayern: Wirtschaftliche Stärke

Bruttoinlandsprodukt, indexiert in Prozent

In jedem Großkonzern würde der Bereichsleiter der erfolgreichsten Sparte früher oder später zum Konzernchef aufsteigen. Doch die Versuche der Kanzlerkandidaten Strauß und Stoiber scheiterten. CSU-Chef Söder weiß, dass er nur dann eine Chance hat, wenn er a) bundesweit demütig auftritt, b) die Anschlussfähigkeit zu den Grünen herstellt und c) sich seine Ambition innerhalb der Union nicht anmerken lässt. Der dritte Anlauf eines Bayern wird am effektivsten dadurch vorbereitet, dass er nicht vorbereitet wird. Die wichtigste Tugend, die ein bayerischer Bewerber mitbringen muss, ist strategische Geduld.

Eine Infografik mit dem Titel: Wagniskapital: USA mit Abstand vorn

Venture Capital Investitionen nach Regionen, in Milliarden Dollar

Dabei könnte Deutschland eine ökonomisch versierte Regierung gut gebrauchen. Die alten Industrien schwächeln und der Aufbau eines modernen Technologiesektors kommt nur mühsam voran.

Derweil in den USA jährlich rund 131 Milliarden US-Dollar in die dortigen Start-up-Unternehmen fließen, sind es in Deutschland nur rund fünf Milliarden Dollar (siehe Grafik oben). Aber warum ist das so? Ist der unternehmerische Nachwuchs ideenlos oder das alte Geld risikoscheu? Und welche Rolle spielt der Staat?

Im Morning Briefing Podcast spreche ich darüber mit Hendrik Brandis. Der 55-Jährige ist Gründer und Partner der Venture-Capital-Firma Earlybird, die mittlerweile ein Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro managt. Er erzählt, warum in Deutschland bis auf SAP keine zweite Softwarefirma in den Dax aufstieg. Seine Kernaussagen:

Die Finanzierungsinfrastruktur ist in Deutschland stark unterentwickelt. Unternehmen haben deshalb selten die gleichen Chancen, sich zu großen Unternehmen zu entwickeln, wie es in den USA der Fall ist.

Dass wir mit SAP so einen Konzern haben entwickeln können, ist systematisch nicht zu erwarten gewesen. Das war ein glücklicher Unfall.

In Deutschland, so Brandis' Analyse, gebe es zu wenig „geduldiges Kapital“, Finanzmittel also, die Anleger ohne feste oder erwartbare Rendite aus den Händen geben. Seine Analyse:

Dieses geduldige Kapital kommt in den USA zu mindestens zwei Dritteln von großen Pensionsfonds und Stiftungen. Das ist eine Kapitalquelle, die uns Europäern de facto nicht zur Verfügung steht.

Vor allem bei der Finanzierung reiferer Start-ups sei die hiesige Förderung unterentwickelt. Während mehrere Milliarden in die Forschung investiert würden, bliebe zu wenig Geld, um diese Entwicklungen bis zur Marktreife zu führen:

Die Pipeline ist so gut wie ihre engste Stelle.

 © ThePioneer

Fazit: Deutschland wird ohne eine politische Großstrategie die Lücke zu den USA nie schließen können. Die Erfahrungen der Bayern beim staatlich moderierten Transfer von der Agrar- zur Industriegesellschaft könnten also hilfreich sein. Siehe oben. Das deutsche Bürgertum aber müsste seine Eselsgeduld mit einem in vielfacher Hinsicht dysfunktionalen Staat beenden. In diesem Fall ist strategische Ungeduld gefragt.

 © dpa

15.000 Soldaten, 580 Panzer und 160 Kampfjets und Interkontinentalraketen: Gestern feierte die Volksrepublik China mit einer großen Militärparade auf dem Platz des Himmlischen Friedens ihr siebzigjähriges Bestehen.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Welt von Morgen

BIP von China, USA und Deutschland (kaufkraftbereinigt) in 2018 versus 2030 (Prognose)

Staatspräsident Xi Jinping demonstrierte das Selbstbewusstsein der mit rund 13 Billionen US-Dollar nominal zweitgrößten und mit rund 25 Billionen US-Dollar kaufkraftbereinigt sogar größten Volkswirtschaft der Welt. Laut Prognose wird sich deren Wirtschaftskraft bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln (siehe Grafik oben).

Keine Macht kann den Fortschritt des chinesischen Volkes und der Nation aufhalten.

Xi versprach den Chinesen in seiner Rede das, was alle Politiker versprechen: „mehr Wohlstand“. Der beispiellose Aufstieg der vergangenen Jahrzehnte soll weitergehen:

► Die Kommunistische Partei (KP) hat nach Schätzung der Weltbank seit der ökonomischen Öffnung des Landes 1978 mehr als 800 Millionen Menschen aus der Armut geholt.

► Allein seit 2008 hat sich das BIP pro Kopf um fast 280 Prozent auf derzeit 9600 US-Dollar nominal gesteigert.

► China expandiert mittlerweile auch außerhalb des Landes: Seit 2008 sind die weltweiten Direktinvestitionen um 834 Prozent auf 1,9 Billionen US-Dollar gestiegen.

Nur eines wuchs in diesen Jahrzehnten nicht: die individuelle Freiheit der Chinesen. Millionen leiden stumm, in Hongkong, der ehemaligen Kronkolonie, die wieder zum Reich der KP gehört (wenn auch mit Sonderstatus), protestierten gestern Tausende.

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China hat vor den Toren der Stadt inzwischen mehr als 12.000 Soldaten zusammengezogen. Im Inneren greift die Polizei hemmungslos durch. Erstmals seit dem Beginn der Proteste wurde gestern ein 18-Jähriger von der Polizei mit einer scharfen Waffe angeschossen. Er befindet sich in kritischem Zustand.

China driftet – und keiner weiß derzeit wohin. Doch noch Demokratie oder auf ewig Diktatur? Weiter Schweigen oder die eigenen Werte auch im Einzugsgebiet des anderen verteidigen? Deutschland wird sich entscheiden müssen.

Eine Infografik mit dem Titel: Banken bunkern Bares

Bargeldreserven in den Tresoren deutscher Banken, in Milliarden Euro

Immer mehr deutsche Banken und Versicherungen horten wegen des negativen Einlagezinses der Europäischen Zentralbank von 0,5 Prozent das Bargeld der Kundschaft im eigenen Safe. Laut Bundesbank waren das im Juli 37,9 Milliarden Euro, doppelt so viel wie im Vorjahr. Wir lernen: Das Kopfkissen der Finanzinstitute ist der Tresor.

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Der US-Senator und Präsidentschaftsbewerber der Demokraten Bernie Sanders erlebt eine Renaissance. Laut Informationen seines Wahlkampfbüros sammelte Sanders allein im vergangenen Quartal 25,3 Millionen US-Dollar an Spenden, mehr als alle demokratischen Kontrahenten, die bisher Zahlen meldeten.

Und das, obwohl Sanders ausdrücklich auf Großspender verzichtet. Der durchschnittliche Geldgeber seiner Kampagne gibt demnach rund 18 US-Dollar, ist Lehrer oder arbeitet als einfacher Angestellter bei Starbucks, Amazon oder Walmart. Insgesamt hat Sanders nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur im Februar damit schon 61,5 Millionen US-Dollar eingesammelt. Zusätzlich transferierte er noch 12,7 Millionen US-Dollar aus seiner Senatskampagne aus dem Jahr 2018.

Derweil die anderen Kandidaten bereits kräftig Mittel in die Werbung stecken, spart Sanders sein Geld für einen möglichen Showdown gegen Präsident Donald Trump. Denn seine „burn rate“, sie markiert, wie viel des eingesammelten Geldes bisher schon ausgegeben ist, lag im zweiten Quartal bei unter 55 Prozent. Andere Kandidaten – wie der Texaner Beto O’Rouke, der schon fast 150 Prozent seines Geldes verbrannte – haben sich bereits jetzt mit ihrer Kandidatur verschuldet. Im schlimmsten Fall sind sie abschließend nicht mächtig, sondern arm.

Post-Chef Frank Appel hat den Mund womöglich zu voll genommen. Mit seiner „Strategie 2025“ stellt er Investitionen in Höhe von zwei Milliarden Euro und eine Steigerung der Profitabilität auf einen Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) bis 2020 auf fünf Milliarden Euro in Aussicht. Die internationalen Investoren hörten die Botschaft, doch ihnen fehlt der Glaube. Im Moment verdient die Post knapp 3,2 Milliarden Euro. Die Umsetzung der Ankündigung würde eine Steigerung des Ebit um mehr als 1,8 Milliarden Euro bedeuten. Der Kurs gab gestern um knapp vier Prozent nach.

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Manfred Güllner, Gründer und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, hat eine Analyse der AfD und ihrer Wähler erstellt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Er räumt auf mit dem Mythos der „Volkspartei AfD“. Den Forsa-Realitätscheck schicke ich Ihnen im Laufe des Vormittags als Sonderausgabe des Morning Briefing.

Und künftig, wenn Sie mögen, kann ich Ihnen als neuen Service häufiger unveröffentlichte Forsa-Depeschen von Manfred Güllner zukommen lassen. Bitte sagen Sie mir, was Sie von der Idee halten: media-pioneer@gaborsteingart.com

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in diesen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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