Biden/Harris: Die blaue Welle

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Guten Morgen,

mit der Amtseinführung des neuen demokratischen Präsidenten hat sich die Stimmung in der amerikanischen Volkswirtschaft spürbar verbessert. Analysten und Ökonomen erwarten eine „blaue Welle“ an den Aktienmärkten. Blau ist die Farbe der Demokraten.

Vor allem die politisch präferierten Industrien wie grüne Energieanbieter, Infrastrukturkonzerne, Gesundheitsfirmen und die Hersteller von Elektrofahrzeugen dürften profitieren. Während nur mit einer leichten Erhöhung der Unternehmenssteuern gerechnet wird, vorgenommen in einer eher symbolischen Dosis, um die linke Parteibasis zu beruhigen, dürften die geplanten Ausgabenprogramme für einen spürbaren Wachstumsschub sorgen.

Die Research Firma Moodys prognostiziert in einer Modellrechnung, dass in der nun beginnenden Amtszeit von Joe Biden rund sieben Millionen Jobs entstehen und eine auf vier Prozent abgesenkte Arbeitslosigkeit die soziale Spaltung des Landes nicht beseitigen, aber mildern werde.

 © dpa

Die Analysefirma Oxford Economics erwartet für 2021 ein Wirtschaftswachstum von 5,8 Prozent unter Biden, im Vergleich zu den vorher veranschlagten 3,7 Prozent unter Trump. Die gesteigerte Erwartung gründet auch in ihrer Projektion auf dem 1,9 Billionen Dollar schweren Konjunkturpaket, das Biden angekündigt hat:

  • Vorgesehen sind unter anderem Direktzahlungen an alle steuerpflichtigen Amerikaner in Höhe von 1400 Dollar pro Person und weitere Hilfen für kleine Betriebe.

  • Biden schlägt vor, die Arbeitslosenhilfe von 300 auf 400 Dollar pro Woche zu erhöhen und die Bezugsdauer bis zum September dieses Jahres zu verlängern.

  • Außerdem will er die Impfungen im Land vorantreiben und mehr Corona-Tests ermöglichen, was der Lebensfähigkeit von Mensch und Wirtschaft guttut.

  • Der Staatschef in spe pocht auf eine neue Krankengeldregelung, damit Menschen nicht trotz Covid-Symptomen zur Arbeit erscheinen. Maximal zwei Wochen lang sollen in Quarantäne befindliche Arbeitnehmer mit bis zu 1400 Dollar Wochengehalt unterstützt werden.

  • Und: Biden plädiert für eine Anhebung des Mindestlohnes von derzeit 7,25 auf 15 Dollar, was die Konsumnachfrage treiben dürfte.

Auch an den Finanzmärkten lebt man in freudiger Erwartung:

  • So dürften in der Gesundheitsbranche Konzerne wie der Pharmahändler McKesson, der Atemmaskenhersteller Honeywell oder das Medizin-Logistik-Unternehmen Owens & Minor profitieren.

  • Auch Geldinstitute wie die Bank of America, Wells Fargo und Citigroup können aufatmen: Die Direktzahlungen an die Bürger und die Kredite an Firmen dürften das Risiko für ausbleibende Zahlen erheblich senken. Auch die Investmentbank J.P. Morgan fuhr ihre Risikovorsorge herunter.

Eine Infografik mit dem Titel: J.P. Morgan: Vorfreude auf Biden

Aktienverlauf seit dem 4. Januar, in US-Dollar

  • Unmittelbar nach seiner Amtseinführung will Biden die USA wieder ins Pariser Klimaabkommen zurückführen. In den kommenden zehn Jahren will die neue Regierung zusätzlich 1,7 Billionen Dollar in eine „moderne klimaresistente Infrastruktur“ investieren. Jubeln dürfen Solar- und Windenergie-Unternehmen sowie durch den erwarteten Schub für E-Autos auch Autohersteller wie Tesla, GM und Volkswagen.

Eine Infografik mit dem Titel: Tesla rast ins neue Jahr

Aktienverlauf seit dem 4. Januar, in US-Dollar

Fazit: „Sleepy Joe“, wie Trump seinen Nebenbuhler einst nannte, präsentiert sich erstaunlich vital. Schon vor Amtsantritt wirkt er auf die Finanzmärkte wie ein Aufputschmittel: Seit dem 3. November konnten sowohl der Dow Jones als auch der S&P500-Index um rund 15 Prozent zulegen.

Eine Infografik mit dem Titel: Biden-Pläne erfreuen Investoren

Entwicklung des Dow-Jones und des S&P-500-Index seit der Präsidentschaftswahl am 3. November 2020, in Prozent

Sigmar Gabriel © Anne Hufnagl

Der ehemalige Außenminister und Vorsitzende der Atlantik-Brücke Sigmar Gabriel blickt heute Morgen mit einer Mischung aus Zuversicht und Skepsis in die Vereinigten Staaten. Was bedeutet die Regierung Biden/Harris für die transatlantische Beziehung? Was hält er von der Idee seines Parteifreundes Gerhard Schröder, die Nato in ihrer „bestehenden Form” aufzulösen? Wie blickt er auf Russland und was genau bedeutet für ihn der Begriff des Westens?

Wenn Joe Biden heute als Präsident vereidigt wird, glaubt Gabriel nicht, dass damit eine dritte Amtszeit Barack Obama eingeläutet wird. Denn während Obama ein Einzelspieler gewesen sei, setze Biden auf ein erfahrenes Regierungsteam:

Biden weiß, dass mit einer einzelnen Person diese schwierigen Aufgaben, die er im Land und in der Welt vor sich hat, nicht zu leisten sind. Deswegen hat er sich ein ziemlich starkes Team zusammengeholt.

Gerhard Schröder sagte im Interview mit dem „Spiegel“, dass das transatlantische Verhältnis, wie wir es kennen, vorbei sei. Gabriel sagt dazu:

Es wird jedenfalls kein Zurück in die angeblich guten alten Zeiten geben.

Neubeginn in Amerika

Sigmar Gabriel über seine Erwartungen an die neue Regierung der USA

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Veröffentlicht in The Pioneer Briefing Business Class Edition von Gabor Steingart.

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Doch der Vorsitzende der Atlantik-Brücke glaubt gleichwohl an eine Rückkehr zur regelbasierten Außenpolitik, in der Interessen und nicht Emotionen dominieren:

Es bedeutet eine Chance, wieder einen Präsidenten im Amt zu haben, der weiß, dass dieses Spiel ‚Jeder gegen Jeden’ nicht im nationalen Interesse der USA ist.

Über den Begriff des Westens hat Gabriel ebenfalls gesprochen, auch in Abgrenzung zu Gerhard Schröder:

Gerd Schröder benutzt den Begriff ‚Westen’ geografisch, mit Blick auf die NATO als Militärbündnis. Ich fand dagegen immer den Ansatz von Heinrich August Winkler richtig, der in dem Begriff „der Westen“ einen normativen Begriff gesehen hat, der eben keine geographische Bezeichnung war, sondern die Idee von Freiheit, von Rechtsstaatlichkeit, von Demokratie und von Menschenrechten.

Nach der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols bot Außenminister Heiko Maas der Regierung unter Biden an, der USA mit einem „Marshallplan für die Demokratie“ zu helfen – und kassierte dafür von allen Seiten heftige Kritik. Über Maas’ Vorschlag sagt Gabriel:

Deutschland muss vorsichtig sein, wenn es einer 250 Jahre alten Demokratie erklären will, wie man ein demokratisches Land bleibt. Das finde ich vollmundig.

Fazit: Sigmar Gabriel spannt den Bogen von der französischen Revolution über die Düsternis des Zweiten Weltkrieges bis zur heutigen Inauguration. Sein Fixstern: Der Westen. Er liefert Navigationshilfe in einer politischen Landschaft, die nebelig geworden ist.

Sigmar Gabriel © dpa
Der CDU-Politiker Friedrich Merz in Berlin. © Anne Hufnagl

Friedrich Merz weiß, wie man für Irritation sorgt, gern auch im Plural. In einem Brief an alle CDU-Mitglieder entschuldigte er sich, dass er nach seiner Niederlage auf dem Parteitag die Kanzlerin implizit zur Kabinettsumbildung aufgefordert hatte:

Ich bedaure sehr, dass in diesem Zusammenhang am Wochenende Irritationen zu meiner Person entstanden sind.

In einer zusätzlichen Mail, diesmal nur gerichtet an einen kleineren Kreis von CDU-Mitgliedern, vornehmlich Delegierte, versichert er den Empfängern seine Wertschätzung für Armin Laschet und die CDU und liefert, gewissermaßen als Höhepunkt seines Loyalitätsbeweises, folgenden Satz:

Und trotz aller Angebote und Aufforderungen, jetzt einen unserer politischen Mitbewerber zu unterstützen oder gar dort einzutreten: Ich bleibe in der CDU.

Die Frage, welches Angebot von welchem Mitbewerber, blieb unbeantwortet. Merz möchte sich dazu nicht äußern. Damit war die Irritation nach der Irritation perfekt.

So kam ich ins Spiel. Im Morning Briefing habe ich, nach einem entsprechenden Hinweis aus CDU-Kreisen, geschrieben, dass es das Team Christian Lindner war, das dem gescheiterten CDU-Bewerber Merz sowohl ein Parteibuch als auch einen führenden Posten in der FDP angeboten habe. Doch Merz habe „fürs Erste abgelehnt”.

Das allerdings war für Friedrich Merz nun die eine Irritation zu viel. Er will zwar weiterhin nicht sagen, wer ihm welches Angebot gemacht hat, aber Lindner sei es nicht gewesen. Zusammen mit dem FDP-Chef schickte er mir den Medienanwalt Christian Schertz aufs Dach. Dem habe ich wunschgemäß versichert, dass ich nie wieder über ein Angebot von Lindner an Merz berichten werde, es sei denn, es wird angenommen.

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Allerdings: Was nicht knallhart belegt werden kann, wird im Journalismus widerrufen. Ehrensache! Also: Ich widerrufe die oben gemachte Behauptung als unwahr. Zu keinem Zeitpunkt haben die FDP oder das Team Christian Lindner Herrn Merz ein entsprechendes Angebot unterbreitet. Herr Merz hat daher auch ein solches Angebot nicht abgelehnt.

Fazit: Damit sind bis auf Weiteres alle Irritationen beseitigt. Oder um es mit Altkanzler Gerhard Schröder zu sagen:

Wenn Fehler gemacht wurden, ist Besserung möglich.

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Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten haben gestern bei ihrer Sitzung eine Verlängerung des Lockdowns bis 14. Februar beschlossen. Außerdem wird die Maskenpflicht ausgeweitet, der Einzelhandel, Schulen und Kitas bleiben weitgehend dicht.

  • Der Druck der Politik auf die Arbeitgeber steigt. Unternehmen sollen überall dort, wo es möglich ist, den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice ermöglichen, heißt es im Beschluss der Bund-Länder-Runde. Die entsprechende Verordnung des Arbeitsministers sieht vor, dass Unternehmen alles „technische und organisatorische“ möglich machen müssen, um die Kontakte im Betrieb zu reduzieren.

 © dpa
  • Wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe dagegen sprechen, muss der Arbeitgeber einem Büro-Arbeitnehmer Home-Office ermöglichen. Notfalls entscheiden Arbeitsgerichte.

  • Ist die gleichzeitige Nutzung eines Raumes von mehreren Personen erforderlich, muss jeder Person eine Fläche von 10 Quadratmetern zur Verfügung stehen.

  • Dort, wo weiterhin vor Ort gearbeitet werden muss und kein 1,5-Meter Abstand eingehalten werden kann, wird das Tragen von FFP2-Masken verpflichtend.

  • Unternehmen sollen Arbeitszeiten flexibel gestalten, damit der öffentliche Personennahverkehr entlastet wird.

Wahlkampf ums Virus

Lange haben Bundesregierung und Länder Parteipolitik aus Corona-Gesprächen rausgehalten - bis jetzt.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

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Was bei der virtuellen Sitzung atmosphärisch zwischen Union und SPD los war, beschreiben unsere Hauptstadt-Pioniere in ihrem Newsletter.

Nur soviel vorab: Es ging um die angebliche Herzlosigkeit der Kanzlerin gegenüber Kindern und Arbeitnehmern. Die SPD hatte in Gestalt von Minister Hubertus Heil die Regierungschefin wegen ihrer vermeintlichen Nähe zu den Arbeitgebern ins Visier genommen. Es wurde laut. So sehr, dass Ministerpräsidentin Malu Dreyer alle Beteiligten zur Besonnenheit aufrufen musste.

Außerdem: Aufruhr in der Start-up-Branche. Der Gesetzentwurf von Finanzminister Olaf Scholz für steuerliche Erleichterungen bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung stößt bei den Digitalunternehmen auf Widerstand. Johannes Reck, Gründer und CEO des Reiseportals GetyourGuide sagt:

Mitarbeiter in London, San Francisco oder Tel Aviv zahlen Kapitalertragssteuer auf ihre Unternehmensanteile, während sie in Deutschland doppelt so hoch besteuert werden. Der Finanzminister denkt, dass man hoch qualifizierte Fachkräfte mit einem jährlichen Steuerfreibetrag von 720 Euro nach Deutschland locken kann. Das zeigt wie realitätsfern und klein die Regierung denkt.

Alle Details dazu im Newsletter „Hauptstadt. Das Briefing“ unter thepioneer.de/hauptstadt.

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Die Zahlen der US-Bank Goldman Sachs für das vierte Quartal können sich sehen lassen: Der Bank gelang es, ihren Gewinn mehr als zu verdoppeln. Sie schnitt damit deutlich besser ab als von Analysten prognostiziert.

Der Nettogewinn betrug 4,51 Milliarden Dollar und stieg damit um 137 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1,9 Milliarden Dollar). Die Einnahmen legten um beachtliche 18 Prozent auf 11,74 Milliarden Dollar zu. Grund dafür ist vor allem das starke Investmentbanking.

Eine Infografik mit dem Titel: Starke Performance

Kursentwicklung der Goldman-Sachs-Aktie in den vergangenen sechs Monaten, in US-Dollar

Wir lernen: Die Pandemie nervt alle gleichermaßen. Aber sie schadet nicht allen in gleicher Weise.

#122 - Jana Welch: Wie Corona unser Liebesleben verändert

Auswirkungen der Pandemie auf Liebesbeziehungen und Intimität

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

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"Nicht alles, was Influencer machen, ist Werbung"

Die Regierung plant Regeln für Influencer. Vreni Frost weiß gut, warum sie nötig sind.

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Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

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Das Bundeskabinett bringt ein Gesetz auf den Weg, das Rechtssicherheit für Influencer schaffen soll. Es geht um die Grenzen zwischen kommerzieller Kommunikation und redaktionellem Inhalt. Darüber hat mein Kollege Rasmus Buchsteiner mit der früheren Mode-Influencerin Vreni Frost gesprochen.

Michal Kosinski von der Stanford Universität, Experte für Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data, stellt eine kühne Behauptung auf: Er sagt, dass eine von ihm entwickelte KI dazu in der Lage sei, die politische Gesinnung am Gesicht zu erkennen. Der Algorithmus lese in Furchen, Falten und Mundwinkeln, ob wir eher links oder eher rechts gesinnt sind. Sein Experiment beschreibt er in der Fachzeitschrift „Nature”.

Er habe ein Bildanalyse-Tool mit Internet-Fotos von über einer Million Menschen aus den USA, Kanada und Großbritannien erstellt und sie mit Informationen über die politische Einstellung der Gezeigten ergänzt. Kosinski ist der Überzeugung, dass seine KI mit einer Wahrscheinlichkeit von 73 Prozent die politische Grundeinstellung vorhersagen könne. Eine seiner Behauptungen:

Liberale neigen dazu, direkter in die Kamera zu schauen, drücken eher Überraschung und seltener Abscheu aus.

Wir staunen und zweifeln: Nicht alles, was sich Fortschritt nennt, trägt diesen Namen zu Recht. Für die Kategorisierung seiner Mitmenschen bedurfte es früher nicht der künstlichen, nur der natürlichen Intelligenz. Wer Kurzhaarfrisur trug und deutsche Volkslieder sang, galt als rechts. Lange Haare und Rollkragenpullover dagegen zählten zum Traditionsbestand der Linken und irgendwo dazwischen tauchten die Popper auf. Früher war eben doch vieles einfacher – auch das Klischee.

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Ich wünsche Ihnen einen humorvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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