Annalena Baerbock auf US-Trip

Biden/Scholz: Brüder im Geiste

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US-Präsident Joe Biden, Kanzler Olaf Scholz

Guten Morgen,

es ist ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer für die neue Außenministerin: Annalena Baerbock wird heute gegen 10:00 Uhr Ortszeit in Washington erstmals in dieser Funktion amerikanischen Boden betreten.

Bevor der von eifrigen Diplomaten voll gepackte Terminplan abgearbeitet werden muss, könnte sie den Landeanflug nutzen, um über die Ähnlichkeiten zwischen Joe Biden und Olaf Scholz nachzudenken. Denn davon gibt es mehr als den Berliner Ampel-Koalitionären recht sein dürfte:

Joe Biden © imago

1. Beide Politiker haben ihre Wahlen zwar gewonnen, aber sie haben nicht gesiegt. Der zuverlässigste Helfer war in beiden Fällen der Gegenkandidat. Trump hatte sich als Pandemiebekämpfer blamiert, während Laschet in den Fluten des Ahrtales absoff. Biden und Scholz sind de facto Krisengewinner.

2. Biden ist ein erfahrener Dealmaker, das hat er in seinen 36 Jahren als Senator bewiesen. Ein großer Führer aber war er nie, wie das „Wall Street Journal“ unlängst anmerkte. Seine höchste Medienpräsenz erzielte Biden als Beistellpferd von Präsident Obama.

3. Der Bundespolitiker Olaf Scholz hat eine sehr ähnliche Karriere als Schattenmann vorzuweisen, erst als Fanboy und Generalsekretär von SPD-Kanzler Schröder, dann als Follower und Finanzminister von CDU-Regentin Merkel. Sein Drehbuch für den Auftritt im großen Staatstheater muss erst noch geschrieben werden.

Eine Infografik mit dem Titel: Scholz und die vierte Welle

Sieben-Tage-Inzidenz pro Million Einwohner in Deutschland

4. Beide Regierungschefs lassen in der Pandemie-Politik die Zügel schleifen. Biden ignoriert den brutalen Anstieg der Inzidenzzahlen. Die Inzidenz in den USA ist doppelt so hoch wie unter Donald Trump. Eine Million Menschen haben sich gestern infiziert; die Zahl der Toten liegt mittlerweile bei 826.000.

Eine Infografik mit dem Titel: USA: Biden kämpft mit Omikron

Sieben-Tage-Inzidenz pro Million Einwohner in den USA

5. In Deutschland beobachten wir die gleiche Entwicklung und ein sehr ähnliches Führungsverhalten: Scholz laviert zwischen Befürwortern und Gegnern einer Impfpflicht. Er will sich dadurch aus der Affäre stehlen, dass er den Abgeordneten die freie Gewissensentscheidung zubilligt. Der Kanzler moderiert, aber er führt nicht.

Eine Infografik mit dem Titel: CDU holt auf

Umfragewerte der SPD und CDU seit der Bundestagswahl 2021, in Prozent

6. Beide Männer haben offenbar dieselbe Rhetorikschule besucht. Biden beklagt die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Scholz verspricht jedem „mehr Respekt“. Doch allein mit Worten lässt sich die aufgepeitschte pandemische Gesellschaft des Westens nicht beruhigen. Der Wutpegel in Amerika und Deutschland steigt und die Autoritätswerte von Kanzler und Präsident verfallen.

Eine Infografik mit dem Titel: Biden steigt ab

Durchschnittliche Umfragewerte zu Biden seit Amtsantritt, in Prozent

7. Beide Regierungschefs sind Juristen und unterschätzen die Tragweite ökonomischer Entwicklungen. Die in den USA und in der Bundesrepublik grassierende Inflation, die wie eine Sondersteuer auf Einkommen und Sparvermögen wirkt, wird nicht adäquat adressiert. Der Lebensstandard der kleinen Leute schmilzt dahin. Viele sozialdemokratische Kernwähler dürften das als respektlos empfinden.

8. Beide Regierungschefs sind Realpolitiker mit nur geringem visionären Gehalt. Das Ambitionsniveau des Demokraten und des Sozialdemokraten bewegt sich knapp oberhalb der Nulllinie, was man auch daran erkennt, dass Olaf Scholz den Koalitionsvertrag zwar mit der Zeile „Mehr Fortschritt wagen“ überschreiben lässt, um dann den Dienstvertrag des Genossen und Bundespräsidenten Steinmeier zu verlängern. Die Inspiration zu dieser Aktion stammt nicht von Brandt, sondern von Adenauer: keine Experimente.

Fazit: Vergleichen heißt nicht gleichsetzen. Der Amerikaner regiert bereits fast ein Jahr, Scholz erst 28 Tage. Aber früh übt sich, was kein zweiter Joe Biden werden will. Oder um es mit Voltaire zu sagen:

Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion.

Alle Jahre wieder dreht sich das diplomatische Karussell. Aktuell stehen zahlreiche Top-Botschaften zur Neubesetzung an. Und so wird zwischen Kanzleramt und Außenministerium und innerhalb der Ampel-Koalition gefeilscht, wer an welche Position rücken könnte.

In Washington, Peking, London, Brüssel (EU), Madrid, Rom, Tel Aviv, Mexiko City, Brasilia, Delhi, Warschau und womöglich auch Moskau wird oder könnte es Veränderungen geben.

Ehemalige Staatssekretäre, Top-Botschafter aus anderen Ländern und Abteilungsleiter bringen sich in Stellung, um bei der Rotation bedacht zu werden. Denn, wie eine kundige Stimme meinem Kollegen Gordon Repinski sagte, „danach sind die wichtigsten Posten für Jahre besetzt”.

Das Diplomaten-Karussell

Viele wichtige Botschafter-Posten wechseln bald. Die Verteilung läuft - wohl ohne einen FDP-Promi.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Frank-Walter Steinmeier  © dpa

Mehr Fortschritt wagen, das war das Versprechen der Ampel-Koalition. Doch nach wenigen Wochen hat sie der Wagemut offenbar schon verflüchtigt. Der Präsident der Großen Koalition, Frank-Walter Steinmeier, wird auch der Präsident der neuen Fortschritts-Koalition sein: rasender Stillstand.

Nun ist Steinmeier ein Präsident, dem ernsthaft nichts vorzuwerfen ist. Außer genau das: Er ist der Mann, der immer das Richtige sagt. Er blieb in all den Jahren ein Staatsoberhaupt der politisch korrekten Allgemeinplätze. Großer Auftritt, kleine Ambition. Viele Reden, keine Idee. Er war der perfekte Repräsentant für ein Land, dass an geistiger Bewegungsarmut litt.

Ohne Not wird dieser Zustand nun verlängert und Schloss Bellevue damit zum Konservatorium umgebaut. Die Regierungspolitiker haben dem Land eine geistige Quarantäne verordnet, die nach Lage der Dinge Corona überdauern dürfte. Der Fortschritt in Deutschland muss sich noch ein bisschen gedulden.

Marc Walder © imago

Ein in der Schweiz veröffentlichtes Video zeigt wie der CEO von Ringier Marc Walder in seinem Medienkonzern die Meinungsfreiheit suspendiert und die Journalisten auf eine regierungsfreundliche Linie festlegt. Auf einer Veranstaltung der Schweizerischen Management Gesellschaft wird er gefragt, was die Aufgabe der Medien in der Pandemie sei. Marc Walter antwortet:

Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt –, auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung.›

Die NZZ kommentiert heute Morgen zu Recht streng:

Was der CEO da zum Ausdruck bringt, ist eine journalistische Bankrotterklärung. Mildernde Umstände gibt es nicht, denn Walder scheint zu wissen, was er tut. Die Bitte um Vertraulichkeit deutet darauf hin, dass er sich bewusst ist, gerade die Werte seines eigenen Geschäfts zu verraten.

Fazit: Was Marc Walder da äußert, bedeutet einen schweren Tabubruch. Auch Corona rechtfertigt nicht diesen Anfall von Staatsgläubigkeit. Wir bleiben dabei: Die Meinungsfreiheit wird nur dadurch verteidigt, dass man von ihr Gebrauch macht.

Bijan Djir-Sarai  © Imago

Er genießt das Vertrauen von Christian Lindner: Bijan Djir-Sarai ist designierter Generalsekretär der FDP. Erstmals übernimmt jemand mit Migrationshintergrund diese Funktion in einer der führenden Parteien.

Bijan Djir-Sarai wurde in Teheran geboren. Seine Eltern gaben ihn, als er elf war, in die Obhut eines Onkels im Rheinland. Der 45-Jährige feiert an diesem Donnerstag beim virtuellen FDP-Dreikönigstreffen in Stuttgart – dem alljährlichen Hochamt der Liberalen – Premiere in seiner neuen Rolle.

Christian Lindner und Bijan Djir-Sarai © imago

Vorher war Djir-Sarai bei uns auf der PioneerOne. Im Gespräch mit meinem Kollegen Rasmus Buchsteiner beschreibt er sein Rollenverständnis: Vor allem will er kein zusätzlicher Regierungssprecher sein.

FDP pur ist die zentrale Aufgabe des Generalsekretärs.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Beim Thema Corona verteidigt Djir-Sarai den von der Ampel-Koalition gewählten Weg, im Bundestag ohne Fraktionsdisziplin über eine Impfpflicht entscheiden zu lassen.

Ich bin davon überzeugt, dass es eine Sternstunde des Deutschen Bundestages werden wird.

Omikron – Warum wir die Gefahren neu justieren müssen

Überall wurden die Quarantäne-Regelungen angepasst. Das muss jetzt auch in Deutschland passieren. Ein Kommentar von Vize-Chefredakteur Gordon Repinski.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Gordon Repinski .

Video mit der Laufzeit von

 © smb
  • Eine neue Corona-Variante mit dem Namen B.1640.2. konnte in Südfrankreich nachgewiesen werden. Französische Forscher sprechen von 23 Mutationen – sieben weniger als bei Omikron.

  • Die USA meldeten gestern einen neuen Negativ-Rekord: Über eine Million Neuinfektionen an einem Tag.

Oktoberfest in München © imago

  • Die Stadt München prüft eine Vorverlegung des Oktoberfests in den Sommer, um eine dritte Absage in Folge zu verhindern. Mit sechs Millionen Besuchern und fast einer Milliarde Euro Umsatz sind die „Wiesn“ ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt.

  • Heute beraten die Gesundheitsminister in einer kurzfristig einberufenen Bund-Länder-Runde über eine Verkürzung der Quarantäne-Regeln. Am Freitag diskutieren die Ressortchefs dann mit Ministerpräsidenten und Kanzler Scholz über das weitere Vorgehen.

Die Psychologie der Pandemie

Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck über irrationales Verhalten in der Corona-Pandemie.

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Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Henning Beck.

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BASF Firmengelände © dpa

Die BASF hat sich für dieses Jahr anscheinend vorgenommen, ihren Aktionären etwas Gutes zu tun: Basierend auf einem erfolgreichen Geschäftsverlauf im vergangenen Jahr und dem Eingang von Erlösen aus dem Verkauf des Pigment- und Bauchemiegeschäfts in 2021 hat das weltweit größte Chemieunternehmen gestern ein umfassendes Aktienrückkaufprogramm in Höhe von drei Milliarden Euro bis Ende 2023 angekündigt.

Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender der BASF © Anne Hufnagl

Die Maßnahme mit einem Volumen von fünf Prozent der Marktkapitalisierung hatten Analysten beispielsweise von Goldman Sachs und Barclays im Vorfeld nicht erwartet. In Kombination mit dem Versprechen, trotzdem das Rating bei A zu halten (derzeit „A/A-1/Ausblick stabil“ bei S&P und „A3/P-2/Ausblick stabil“ bei Moody’s), sehen es die Analysten als Zeichen von Stärke und Selbstvertrauen im Hinblick auf eine positive Geschäftsentwicklung und den Free Cash Flow.

Zugleich interpretieren die Finanzexperten die Maßnahme auch als Absage an größere Akquisitionen und sehen im Gegenzug einen Fokus auf das organische Wachstum. Die Fortsetzung einer Strategie, die ohne große und riskante Zukäufe auskommt, wird durch das Unternehmen bestätigt.

Für die BASF ist es das erste Aktienrückkaufprogramm seit mehr als zehn Jahren. Das letzte Programm lief von 1999 bis 2008 und umfasste zehn Milliarden Euro oder 29 Prozent der ausstehenden Aktien. Eine Rückkehr zu solch großen Rückkaufvolumina und entsprechend langen Zeiträumen hierfür wird jedoch von Analysten nicht erwartet.

Investoren dürfte der heutige Kurssprung um mehr als vier Prozent freuen, nachdem die Aktie mehrere Jahre schlechter abgeschnitten hat als der DAX.

Martin Brudermüller und Gabor Steingart ©  Anne Hufnagl

Ein Blick auf den Vergleich mit dem Kursverlauf der Bayer-Aktie in den zurückliegenden zehn Jahren zeigt, dass die Aktionäre in dieser Zeit nur wenig Freude an ihren BASF-Aktien hatten: Das Papier notiert heute nahezu auf dem gleichen Stand wie 2011 und schneidet auch gegenüber Bayer nur wenig besser ab, wie Daniel Eckert von der Welt auf LinkedIn analysiert:

Nur dank guter Dividenden kommen BASF-Aktionäre auf eine rechnerische Gesamtrendite von 5,4 Prozent im Jahr. Bei Bayer sind es 3,8 Prozent im Jahr.

Eine Infografik mit dem Titel: Bayer vs. BASF

Aktienkurse von BASF und Bayer seit Dezember 2011, indexiert in Prozent

Pieter Nota, Mitglied des Vorstands der BMW AG © imago

BMW trotzt dem Halbleitermangel: Im vergangenen Jahr hat der Konzern erstmals mehr als 2,2 Millionen Autos der Stammmarke BMW verkauft. Vertriebsvorstand Pieter Nota verkündete gestern stolz:

Damit sind wir mit der Marke BMW auch auf Platz eins im globalen Premiumsegment – und zwar mit deutlichem Abstand.

Vor allem die Elektro-Sparte wuchs rasant: Mit 100.000 vollelektrischen Auslieferungen habe man alle angekündigten Ziele erreicht, sagte Nota. Die vollständigen Absatzzahlen will BMW in einer Woche vorlegen.

Produktion Daimler © dpa

Bei den Konkurrenten aus Baden-Württemberg sind die Nachrichten weniger erfreulich: Daimler muss wegen technischer Probleme wahrscheinlich mehr als 800.000 verkaufte Autos zurückrufen.

Das schuldige Bauteil sei laut der Daimler-Tochter Mercedes eine undichte Kühlmittelpumpe, die in Fahrzeugen mit vier- und sechszylindrigen Dieselmotoren verbaut ist. Da es aktuell jedoch an Ersatzteilen fehlt, hatte Mercedes die betroffenen Kunden in den vergangenen Tagen gewarnt und ihnen empfohlen, wegen möglicher Brandgefahr das Auto am besten gleich stehen zu lassen. Der erste Schwung an Reparaturen sei für Mitte/Ende Januar geplant.

Dwight D. Eisenhower © imago

Heute vor genau 65 Jahren erließ der frühere General und damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower die nach ihm benannte Eisenhower-Doktrin. Kern der Ermächtigung zur Finanzierung und militärischen Unterstützung aller anti-kommunistischen Bewegungen war seine Befürchtung, der Kommunismus könnte sich weltweit ausbreiten.

Insbesondere sein Parteikollege Joseph McCarthy befeuerte diese Ängste. Er befürchtete eine Unterwanderung der amerikanischen Gesellschaft und insbesondere des amerikanischen Regierungsapparates durch Kommunisten. Deshalb legitimierte Eisenhower in der nach ihm benannten Doktrin auch den Einsatz von Atomwaffen.

Völlig unbegründet war die Angst vor der roten Gefahr nicht:

  • Auslöser für Eisenhowers Doktrin war die Suezkrise 1956.

Gamal Abdel Nasser  © imago
  • Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser ließ den Kanal, der damals die wichtigste Handelsroute für US-Unternehmen war, verstaatlichen, was kurz darauf zum Krieg führte.

  • Die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien sowie das Nachbarland Israel marschierten kurzerhand in Ägypten ein. Erst als die Sowjetunion mit dem Einsatz von Atomwaffen drohte, verließen die feindlichen Truppen das Land.

Doch der Überraschungssieger der Eisenhower-Doktrin war ausgerechnet die Sowjetunion. Der Antiamerikanismus verstärkte sich – auch im mittleren Osten. Nur zwei Jahre nach der Einführung musste Eisenhower seine Doktrin wieder kassieren. Beim Besuch des sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Sergejewitsch Chruschtschow in den USA im September 1959 verkündeten beide den Kurs der friedlichen Koexistenz.

Bald schon setzte sich John F. Kennedy mit seiner nicht naiven, wohl aber intelligenteren Sichtweise durch:

Vergib deinen Feinden, aber vergiss niemals ihre Namen.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den neuen Tag. Bleiben Sie mir gewogen.

Es grüßt Sie auf das Herzlichste,

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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