die Katastrophe unseres noch jungen Jahrhunderts ist diese nervenzerfetzende Corona-Pandemie. Der bisherige Glücksfall des Jahrhunderts ist der Durchbruch in der Impfstoffforschung. Und die Sensationsfirma unserer Zeit heißt nicht Tesla, Apple oder Alphabet, sondern BioNTech.
Derweil Apple-Gründer Steve Jobs wie ein Gott auftrat und Tesla-Mann Elon Musk von den Medien wie ein Popstar behandelt wird, kann das Gründerpaar von BioNTech, die Forscherin Özlem Türeci und ihr Ehemann Uğur Şahin, weiter unerkannt durch die Fußgängerzone schlendern. Die internationale Welt von Politik und Wirtschaft weiß diese Ausnahmeforscher und Menschheitsretter zwar zu würdigen; aber wissen wir sie auch zu feiern?
Eine Infografik mit dem Titel: BioNTech: Die Kurs-Rallye
Kursverlauf der BioNTech-Aktie seit dem 2. August 2021, in US-Dollar
Schon der Blick in die Bilanz des Unternehmens zeigt, dass sich hier keine herkömmliche Existenzgründung ereignet hat, sondern ein irdisches Wunder. Was am Klondike River die sagenumwobene weiße Rinne, ein ausgetrockneter Seitenarm des Flusses mit schweren Goldablagerungen, ist in Mainz die „An der Goldgrube 12“ gelegene Kleinstfirma, die ein Krebsmedikament suchte und den Anti-Corona-Wirkstoff fand.
Der Nettogewinn betrug in den drei Monaten April, Mai und Juni rund 2,8 Milliarden Euro. Das ist etwa soviel Gewinn wie die Bayer AG, ein diversifizierter Pharma- und Life-Science-Konzern mit rund 130 Produkten, im ganzen ersten Halbjahr 2019 erwirtschaftete.
Vor allem die Umsatzrendite, also das Verhältnis von Ertrag zu Erlös ist atemberaubend. Diese Umsatzrendite beträgt im Einzelhandel rund drei Prozent, bei VW, wenn alles gut läuft, neun Prozent, bei BASF sechs Prozent und bei BioNTech im ersten Quartal 2021 märchenhafte 80 Prozent.
Der Gewinn pro Mitarbeiter sprengt jeden Vergleich. Bei einem normalen Autobauer erwirtschaftet ein Mitarbeiter pro Jahr rund 380.000 Euro Umsatz und 28.000 Euro Gewinn. Und die kleine Firma aus Mainz schafft pro Mitarbeiter in 2021 voraussichtlich einen Jahresumsatz von rund acht Millionen Euro.
Der Börsenwert von BioNTech übertrifft den der Deutschen Bank seit der gestrigen Anhebung aller Jahresziele um mehr als das Vierfache. Mit dem ausbezahlten Wert aller BioNTech-Aktien könnte man Bayer und BMW übernehmen.
Natürlich sind diese Börsenwerte auch spekulativ – und damit für jeden Kleinanleger hochriskant. Aber für die großen Investoren, diesen Eindruck vermittelt die Kursverdopplung der vergangenen dreieinhalb Wochen, hat das Spiel erst begonnen. Zumal immer deutlicher wird, dass BioNTech Teil eines industriellen Clusters ist, das man in Summe als Apotheke der Welt bezeichnen kann.
Der Investor und Buchautor Christian Röhl pflegt einen besonders optimistischen Blick auf die Branche und auf BioNTech. Gegenüber Business Insider prophezeite er einen Börsenwert in Höhe von 500 Milliarden Dollar, den die Firma innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre erreichen könnte. Seine Gründe:
Vielerorts wird bereits über eine dritte Impfung diskutiert. Auch eine regelmäßige Auffrischung könnte nötig werden, was Röhl als Chance für BioNTech sieht von einem de facto „Abo-Modell“ zu profitieren.
Die neue mRNA-Technologie besitzt das Potenzial, auch für andere Krankheiten segensreich zu wirken. BioNTech forscht an einer Malaria- und einer Krebs-Impfung. Für letztere sollen im kommenden Jahr bereits die ersten Zulassungsanträge eingereicht werden.
Wenn Röhl Recht behält, wäre BioNTech das vor dem Luxuskonzern LVMH wertvollste europäische Unternehmen.
Eine Infografik mit dem Titel: Der Beginn:
Marktkapitalisierung ausgewählter Dax-Unternehmen und BioNTech am 1. Januar 2021, in Milliarden US-Dollar
Eine Infografik mit dem Titel: Heute:
Marktkapitalisierung ausgewählter Dax-Unternehmen und BioNTech am 9. August 2021, in Milliarden US-Dollar
Eine Infografik mit dem Titel: Die Prognose:
Marktkapitalisierung von BioNTech in fünf bis zehn Jahren nach der Prognose von Christian Röhl, in Milliarden US-Dollar
Fazit: Nahezu unbemerkt wird mitten in Deutschland Weltwirtschaftsgeschichte geschrieben. Unser Steve Jobs und unser Elon Musk sind Özlem Türeci und Uğur Şahin.
„Unser Mut war gepaart mit Demut und unsere Professionalität mit Pragmatismus“, sagte Frau Dr. Türeci kürzlich bei einer Preisverleihung. Ihr Mann fügte einen Satz hinzu, der auch für uns Normalsterbliche als Wegweiser taugt:
Pragmatismus ist nicht das Gegenteil von Perfektionismus, sondern der Weg dorthin.
Heute tagt die Ministerpräsidentenkonferenz unter Beteiligung der Bundeskanzlerin; gemeinsam will man über die künftigen Corona-Maßnahmen entscheiden. Über die Aussichten für den kommenden Herbst, die Angst vor einem neuerlichen Lockdown und die politische Debatte, ob die Inzidenz weiterhin ein wichtiger Indikator für die Corona-Politik sein soll, hat ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker mit Prof. Lothar Wieler, dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts, gesprochen.
Sein Ziel für die Impfquote im Herbst?
Ich kann nur sagen: je mehr, desto besser.
Würde eine Impfpflicht hilfreich sein?
Das glaube ich nicht. Man muss den Impfstoff zu den Menschen bringen.
Die Infektionszahlen gehen nach oben. Aber deutlich weniger Infizierte landen auf der Intensivstation. Taugt der Inzidenz-Wert noch als Richtschnur für die Regierung?
Für mich ist klar, dass die Inzidenz nach wie vor eine große Aussagekraft hat. Sie zeigt die Infektions-Dynamik und das ist ein wichtiges Maß, weil es besagt, ob sich das Virus ausbreitet oder nicht.
Auf die Kritik, dass der Inzidenz-Wert alleine nicht mehr reichen würde, antwortet der RKI-Präsident:
Es ist selbstverständlich, dass wir einen Mix aus verschiedenen Indikatoren haben müssen. Wir vom Robert Koch-Institut haben nie gefordert, dass die Inzidenz der einzige und wichtigste Indikator sein soll.
Seine Prognose für den Herbst?
Die Mehrheit der Menschen kann das Schicksal in die eigene Hand nehmen. Ich bin insofern optimistisch.
Das gesamte Gespräch hören Sie am kommenden Samstag auf ThePioneer.de oder in unserer Podcast App im Google- oder im Apple-Store. Prädikat: erhellend. Pflichtprogramm für alle, die sich auf fachlich hohem Niveau an der Debatte über die Impfpflicht beteiligen wollen.
In Sachsen-Anhalt hat man sich geeinigt: Eine Koalition aus CDU, SPD und FDP soll das Bundesland regieren. Damit beschlossen die jeweiligen Spitzenkandidaten Reiner Haseloff, Katja Pähle und Lydia Hüskens die sogenannte „Schwarz-Rot-Gold”- oder „Deutschland-Koalition“.
Eine Infografik mit dem Titel: Deutschland-Koalition möglich
Aktuelle Umfrage zur Bundestagswahl, in Prozent
Das Spannende daran: Das gleiche Bild könnte sich auch in Berlin entwickeln, die aktuellen Umfragen lassen eine solche Koalition zumindest zu. Christian Lindner auf Twitter:
In Sachsen-Anhalt kommt die Deutschland-Koalition – eine gute Nachricht für Digitalisierung und Freiheit. Zugleich eine neue Variante einer Regierungsbildung, die man vielleicht öfter sehen wird.
Fazit: In der Tat bedient die Deutschland-Koalition sehr verschiedene Interessen. Laschet könnte sich die nervige Zusammenarbeit mit den Grünen sparen. Scholz dürfte in einer Großen Koalition plus FDP weiter regieren. Lindner wäre die Grünen als Modernisierungsrivalen los.
© dpaDer Ton gegenüber China wird rauer – nicht nur in den USA, auch in Deutschland. In mehreren Essays fordern CDU-Politiker, darunter auch Kanzlerkandidat Laschet und Verteidigungsministerin AKK, den wachsenden ökonomischen Einfluss Chinas nicht zu unterschätzen und enger mit den USA zu kooperieren.
Die Beiträge erscheinen kommende Woche im Rahmen der Festschrift „Den neuen Westen schmieden“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Beyer wird die Festschrift zum 40-jährigen Bestehen des Amtes des Transatlantik-Koordinators herausgeben; Beyer hat den Posten seit 2018 inne.
© dpaLaschet:
Transatlantisch teilen wir die Auffassung, dass China nicht nur Verhandlungspartner und Wettbewerber, sondern auch Systemrivale ist.
Seine Parteikollegin Kramp-Karrenbauer:
China mit seinem geopolitischen Ehrgeiz und seinem machtvollen Dominanzanspruch hat mit offener Gesellschaft, Menschenrechten und gelebter Demokratie nicht viel im Sinn.
Im Hinblick auf die USA, die unter Joe Biden Europa für ein weitreichendes Bündnis gegen China gewinnen möchten, schreibt sie:
Wir Europäer werden ohne die USA nicht frei und sicher bleiben können. Und die USA werden alleine, ohne den großen und einflussreichen Wirtschaftsblock der Europäischen Union, im Wettbewerb mit China nicht ohne Weiteres bestehen können.
Fazit: Trump ging, die Zeitenwende im westlich-chinesischen Verhältnis aber hat seine Amtszeit überdauert.
Dazu passt die Existenznot bei Huawei. „Unser Ziel ist es, zu überleben“, sagte Huaweis Vorsitzender Eric Xu bei der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen. Der Konzern mit Hauptsitz in Shenzhen, China, hat starke Umsatzeinbußen einstecken müssen. Grund dafür seien laut Xu „externe Faktoren“ – sprich: die von dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in Kraft gesetzten und von dem aktuell amtierenden Präsidenten Biden aufrechterhaltenen Sanktionen gegen die chinesische Firma.
Im gesamten ersten Halbjahr erwirtschaftete Huawei laut eigenen Angaben einen Umsatz von 42 Milliarden Euro. Damit fiel der Umsatz um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum:
Durch die US-Sanktionen kann Huawei keine Smartphones mit Google-Diensten (Play Store, Google Maps, etc.) mehr verkaufen, was den Einbruch der Verkaufszahlen außerhalb Chinas erklärt.
Auch der Zugang zu Mobilfunk-Netzwerken ist für Huawei derart erschwert, dass die Firma im Westen im Grunde so nicht überleben kann.
Auf Druck der Amerikaner ist Huawei in Ländern wie Frankreich, Schweden und Großbritannien vom 5G-Ausbau ausgeschlossen.
Auch innerhalb Chinas leidet die Firma. Durch die Sanktionen mangelt es Huawei an Halbleitern, die für die Produktion von 5G-Smartphones benötigt werden. Da die deutliche Mehrheit der Chinesen beim Smartphonekauf Modelle mit 5G-Mobilfunkverbindung wählt, bricht für Huawei auch der Heimatmarkt weg.
Fazit: Trump hat offenbar ganze Arbeit geleistet. Wer noch immer glaubt, Wirtschaftssanktionen würden nicht wirken, muss nur beim Chef von Huawei anrufen. Sein Unternehmen lebt noch, aber keiner weiß, wie lange.
Klimaschutz ist „en vogue“, wie die französischen Modeschöpfer zu sagen pflegen. Nun bestätigt auch das gleichnamige Modemagazin „Vogue“, dass sich mit Klimaschutz Auflage machen lässt. Zumindest ist es einen Versuch wert.
© Vogue/Twitter: @GretaThunbergAuf der Titelseite der skandinavischen Ausgabe posiert die „Fridays-For-Future“-Initiatorin Greta Thunberg umgeben von idyllischer Natur in einem übergroßen Trenchcoat. Am Fuße eines Baumstammes zärtlich ein Pferd streichelnd erinnert die mittlerweile 18-Jährige mehr an eine Waldfee. Die Alarmistin, die einst „Unser Haus brennt!“ rief, scheint Lichtjahre von diesem Setting entfernt.
Doch Greta Thunberg wäre nicht Greta Thunberg, wenn sie ihren Ausflug in die Mode- und Modellwelt nicht klimapolitisch begründen würde. Natürlich geht es nicht darum, ihre Markenbekanntheit zu steigern und ihr Markenimage zu bereichern, sondern um den Kampf ihres Lebens:
„Die Mode-Industrie trägt erheblich zum Klima- und Umweltnotfall bei“, schrieb sie auf Twitter.
Sie selbst will – obwohl sie der „Vogue“ hilft, ihre Anzeigen zu verkaufen – weiter als Vorbild wider den Konsumismus dienen:
© imagoDas letzte Mal, dass ich etwas Neues gekauft habe, war vor drei Jahren, und es war Secondhand.
Ich wünsche Ihnen einen unbeschwerten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr