Bundesrechnungshof überführt Bahn-Vorstand der Trickserei

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Guten Morgen,

Corona ist die Glücksgöttin aller Missmanager. Denn plötzlich sitzen jene Vorstände, deren Firmen schon vorher dysfunktional waren, im Schaumbad der Steuermilliarden. ThyssenKrupp und Tui freuen sich über den wärmenden Zulauf und auch bei der Deutschen Bahn AG ist die Wanne schön voll.

Zu voll, wie der Bundesrechnungshof jetzt in einem noch unveröffentlichten Sondergutachten herausfand. Gut sechs Milliarden Euro bekam die Deutsche Bahn zuletzt pro Jahr als Zuschuss vom Bund, ihrem Eigentümer. 2020 soll es fünf Milliarden Euro zusätzlich geben – die Corona-Injektion.

Fünf Milliarden Euro – das ist fast hundert Prozent mehr als zuvor und ungefähr ein Viertel des gesamten Investitionsetats des Verkehrsministers, Straßenbau inklusive.

Fünf Milliarden Euro ist exakt jener Geldbetrag, der nach monatelangem Gerangel in die Digitalisierung der Schulen investiert werden soll. Auf das dort die Kreidezeit endet.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutsche Bahn fährt in die falsche Richtung

Netto-Schulden und Anteil pünktlicher Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn

Der Bundesrechnungshof hält diese Corona-Injektion in die Kasse der Bahn AG für deutlich überdosiert. Der vom Bahnvorstand im Mai prognostizierte Umsatzeinbruch sei so nie eingetreten und ein Gegensteuern, wie es jedes normale Unternehmen in der Krise veranlasst, habe es bisher nicht gegeben: „Trotz der seit spätestens März 2020 bekannten Krise sind bislang keine relevanten Einsparungen bei den betrieblichen Kosten erkennbar“, heißt es in dem Bericht.

Vielmehr lagen die Kosten im ersten Halbjahr 2020 insgesamt über dem Vorjahreszeitraum.

Vorwurf Nr. 2 wiegt schwerer, weil er implizit einen Täuschungsverdacht beinhaltet. Die Bahn-Spitze bleibe im Wissen der geringer ausgefallenen Umsatzeinbußen bei ihrer Schadensschätzung auch deshalb, weil sie kurzerhand noch ein paar andere offene Rechnungen dazu gemischt hat. In der Sprache des Rechnungshofes klingt das so:

Ihre Berechnungen enthalten auch die Folgen nicht Corona-bedingter Verfehlungen ambitionierter Planungen.

Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn Richard Lutz © dpa

Die Rechnungsprüfer raten dem Finanzminister und dem Haushaltsausschuss die bereits zugesagten 5 Milliarden Euro auf keinen Fall in voller Höhe auszuzahlen:

Die vollständige Auszahlung der Eigenkapitaltitel würde zu einer Überkompensation des für das Jahr 2020 prognostizierten Corona bedingten Schadens führen und die Deutsche Bahn AG gegenüber der bisherigen Geschäftsplanung besserstellen.

Fazit: Der Bahnvorstand verwendet sein kaufmännisches Können offenbar darauf, Staat und Steuerzahler mit frisierten Zahlen zu täuschen. Das wiederum tut er, ausweislich des Rechnungshofberichts, mit systematischer Raffinesse. Oder wie der zu früh verstorbene Kabarettist Oliver Hassencamp zu sagen pflegte:

Wer lügt, hat die Wahrheit immerhin gedacht.

Anmerkung: Diese Exklusiv-Nachricht ist ein Ergebnis der Recherchen der Pioneer-Redaktion. Mehr Details gibt es deshalb dort, und zwar nur dort, bei ThePioneer.de.

 © dpa

Masse ohne Klasse: Der Dax soll nach dem Willen der Deutschen Börse künftig 40 statt 30 Werte enthalten. Eine entsprechende Befragung unter den Marktteilnehmern zur Reform des Index wurde gestern gestartet. Außerdem sollen Unternehmen in Zukunft nachweislich profitabel sein, um in die Königsklasse der Deutschland AG aufsteigen zu dürfen.

Eine Infografik mit dem Titel: Der DAX-Aufstieg

Verlauf seit dem 29. Dezember 2006, in Punkten

Die gute Nachricht: Mit den Neuerungen reagiert die Deutsche Börse auf die auch an dieser Stelle geäußerte Kritik an den Dax-Regularien. Das Unternehmen Delivery Hero, ein internationaler Pizza-Bestellservice, der noch nie Geld verdient hat und jede Umsatzsteigerung mit einer Ausweitung der Verlustzone erkauft, hätte nach diesem nun geplanten Reglement nicht in den Dax befördert werden dürfen.

Die schlechte Nachricht: Durch die Vergrößerung des Dax würden auch jene Unternehmen wieder aufsteigen, die durch ihre nur mittelprächtige Performance gerade herausgefallen sind. Gefallene Engel wie die Lufthansa würden womöglich ihre Wiederauferstehung feiern. Es gilt das Motto: Wenn die Lufthansa nicht zum Dax kommt, dann kommt der Dax eben zur Lufthansa.

Eine Infografik mit dem Titel: Die größten Konzerne im DAX

Gewichtung in Prozent

Fazit: Das genau kennzeichnet den Zustand unseres Landes. Es wird nichts Bahnbrechendes erfunden oder Neues gegründet, sondern die alte Ware immer neu verschnitten. Das große Vorbild ist nicht Steve Jobs, sondern der Illusionskünstler David Copperfield.

 © imago

Europas Währungshüter treiben die Arbeiten an einer digitalen Version des Euro voran. In den nächsten Wochen sollen interne Tests mit einer Digitalwährung beginnen, teilte die Europäische Zentralbank (EZB) mit. Gegen Mitte 2021 will die Zentralbank dann über den Start entscheiden. Die Markenrechte am „digitalen Euro“ sind laut „Bloomberg“ bereits gesichert. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagt:

Die Menschen in Europa bezahlen, sparen und investieren immer häufiger auf elektronischem Weg. Unsere Aufgabe ist es, das Vertrauen in unsere Währung zu sichern. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Euro für das digitale Zeitalter gerüstet ist.

Christine Lagarde © dpa

Was nach Fürsorglichkeit klingt, besitzt auch einen anderen Hintergrund: Die EZB will direkten Zugriff auf das Geldsystem gewinnen. Banken würden in ihrer bisherigen Funktion beschnitten. Der Zahlungsverkehr wäre transparent und der Zugriff auf das Geld der Sparer würde im Schlechten – Negativzins – wie im Positiven – Helikoptergeld – steuerbar.

 © imago

Über die Pläne der EZB spreche ich im Morning Briefing Podcast mit dem Ökonomen und Buchautor Marc Friedrich. Er sagt:

Die EZB möchte sich die Vorzüge der kompletten Transparenz zu eigen machen.

Der Euro wird definitiv auf der digitalen Ebene nicht limitiert sein, weil der Euro ein inflationäres Geldsystem ist. Die EZB wird das System weiter fluten.

Man wird nicht mehr anonym kaufen können. Wenn die EZB dieses Projekt durchzieht, dann wüsste jeder, wann man welche Produkte gekauft hat, und zwar noch in 50 oder 100 Jahren.

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Seine Prophezeiung:

Wenn man den Fuß in der Tür hat, wird die EZB auch das Bargeld limitieren - und zwar durch Abhebungsbegrenzungen oder sogar durch eine komplette Abschaffung.

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Monate nach Gastronomie und Einzelhandel führt der Bundestag heute Morgen das Abstandsgebot und eine verbindliche Maskenpflicht ein. Nur die Sprecher am Rednerpult dürfen ohne Maske auftreten.

Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte lange gezögert, auch um der widerspenstigen AfD-Fraktion keinen Märtyrer-Status einzuräumen. Nachdem Berlin-Mitte aber als Corona-Risikogebiet eingestuft wurde, hatte Schäuble keine andere Wahl. Masken-Muffel können mit bis zu 25.000 Euro bestraft und – im Fall vorsätzlicher Uneinsichtigkeit – des Hauses verwiesen werden.

Die Details gibt es in unserem kostenpflichtigen Hauptstadt-Newsletter unter thepioneer.de/hauptstadt.

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Erstens. Um 10:40 tritt die Kanzlerin ans Rednerpult des vom BDI veranstalteten „Tag der Industrie“. Für BDI-Chef Dieter Kempf wird ihr Auftritt zur Mutprobe. Denn: Die Kanzlerin erwartet Dankbarkeit für ihre Corona-Politik. Die BDI-Präsidiumsmitglieder aber erwarten von ihrem Präsidenten, dass er im Angesicht der Macht Klartext spricht – auch zu 15 Jahren Kurzarbeit auf der Reformbaustelle Deutschland.

Zweitens. Daimler Chef Ola Källenius will heute die internationalen Investoren von sich überzeugen. Nach dem Verzicht von Vorgänger Dieter Zetsche, der nach Hinweisen aus dem Eigentümerkreis nicht mehr in den Aufsichtsrat einziehen wird, muss dessen Ziehsohn beweisen, dass er mit Disruption umgehen kann. Die bisherigen Ideen zur Straffung der Modellpalette werden von den Analysten eher als ein Not- denn als ein Zukunftsprogramm empfunden.

Drittens. Olaf Scholz muss heute den virtuell tagenden Ecofin-Rat leiten. Diese Schaltung der EU-Finanzminister befasst sich mit dem 750-Milliarden-Euro Corona-Fonds, der vor allem die in Schieflage geratenen Haushalte der Südeuropäer retten soll. Das Problem für Scholz: Der Grundsatzbeschluss der Staats- und Regierungschefs steht, aber alle Details sind offen.

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Heute vor genau 75 Jahren, am 6. Oktober 1945, erschien in München erstmals die „Süddeutsche Zeitung“. Acht Seiten dünn, Kostenpunkt 20 Pfennig. Die Druckmaschine hatte die Bombardements der Stadt im Zweiten Weltkrieg wie durch ein Wunder überstanden. In den ersten Jahren fiel die ein oder andere Ausgabe noch wegen Papiermangels aus, aber seit 1949 erscheint die SZ täglich.

Die Herausforderungen der Traditionsverlage gehen auch an der „Süddeutschen Zeitung“ nicht vorbei. Die Printauflage sinkt, die Anzeigenerlöse schrumpfen. Erst kürzlich hat man den Abbau von 50 Redakteursstellen angekündigt.

Peter Gauweiler © dpa

Die Geburtstagsgrüße überbringt im Morning Briefing Podcast Peter Gauweiler, der als Minister, CSU-Vize, Bundestagsabgeordneter und Kläger vor dem Verfassungsgericht regelmäßig selbst Gegenstand der Berichterstattung war:

„Alles Gute zum Geburtstag; ein Glück ohne Ende.

Es ist ganz klar: In Bayern haben die Schwarzen die Macht und die Roten die Süddeutsche Zeitung. Aber wir arbeiten wechselseitig an uns.

Ärgern beim Lesen und immer wieder wütend werden, ist auch eine Form des Interesses. Und wenn man schon ein bisschen älter ist, kann man sagen, dass die Süddeutsche einen ein Leben lang interessiert hat.

Natürlich wir dürfen es auch beim Geburtstag nicht leugnen: Das Thema der SZ, unserer SZ, ist immer wieder die Durchsetzung der politischen Korrektheit. Und dieses Thema betreibt sie in einer Weise, die bei ihr und uns oft die wildesten Gedanken hervorgerufen hat und immer wieder neu hervorruft: Jäger und Gejagte.

Wir wurden dabei wechselseitig immer wieder auch etwas grob.

„Der Fisch ist doch mein Freund.“ Das sagt im Jahrhundertroman „Der alte Mann und das Meer“ der Fischer Santiago auf die Frage, warum er immer wieder aufs Meer hinausfährt, um ihn zu töten. Damit ist nicht nur das Doppelgesichtige des Fischens und des Jagens bewiesen, sondern auch des Journalismus.

Ich bin froh, noch einmal Santiago, dass wir nicht versuchen müssen, die Sterne zu töten und immer wieder aufstehen. Schwimmen wir weiter. Oder anders gesagt: Der SZ zum Geburtstag einen roten Teppich. Herzliche Grüße vom Schwarzen Peter.“

 © Valerio Mezzanotti for The New York Times

Das modische Accessoire unserer Zeit ist nicht Krawatte, Seidenschal oder Manschettenknopf, sondern die Atemschutzmaske. Der amerikanische Designer Richard ‘Rick’ Saturnino Owens, der 1994 die Modemarke „Rick Owens“ gründete, zeigt nun, wie man das ungeliebte Stück spielerisch in das eigene Erscheinungsbild integrieren kann.

 © Valerio Mezzanotti for The New York Times

Der Designer ist ambitioniert. Er will uns nicht nur ein Stück Stoff, sondern das verloren gegangene Selbstbewusstsein zurückgeben:

Wir dürfen nicht dem Selbstmitleid verfallen. Wir sollten aufstehen und etwas aus uns machen.

Ich wünsche Ihnen schwungvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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