CDU will Scholz demontieren lassen

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Olaf Scholz, Angela Merkel © imago

Guten Morgen,

in der Kulisse der Berliner Republik werden bereits die Rollen für das Wahljahr 2021 verteilt. Vor allem die Drehbuchautoren der CDU gehen kreativ zu Werke.

Auf der Hauptbühne sieht das Publikum noch das von Gabriel García Márquez inspirierte Stück „Liebe in Zeiten der Pandemie“, das von herzlicher Harmonie zwischen Kanzlerin und Vizekanzler erzählt. Händchenhaltend treten Angela, die Große, und Olaf, der Treue, vor das Publikum, um sich wechselseitig Geschlossenheit und Großartigkeit zu versichern.

Nur des Nachts beschleicht den braven Sozialdemokraten, der in der Berliner Aufführung die Rolle der Femina spielt, das Gefühl seiner Unterlegenheit:

 © dpa

Sie hatte stets das Gefühl, ein vom Ehemann geliehenes Leben zu leben.

Doch die fintenreiche Kanzlerin wusste bisher noch immer zu verhindern, dass der inneren Lossagung der SPD eine äußere durch ihren Olaf folgte:

Und so lebten sie dahin wie zwei alte, durchs Leben klug gewordene Eheleute, jenseits der Fallen der Leidenschaft, jenseits des grausamen Hohns der Hoffnungen und der Trugbilder der Enttäuschungen: jenseits der Liebe.

 © SPD.de/ Thomas Imo, Photothek

Doch der CDU-Hofstaat fürchtet, dass ein SPD-Kanzlerkandidat Scholz bald schon selbst nach der Herrschaft greifen dürfte. Hier nun weicht das Berliner Drehbuch entscheidend von dem des Lateinamerikaners ab: Man gibt den Vizekanzler zum Abschuss frei, wobei es ein Abschuss ohne Schuss sein soll.

Der Möchtegern-Kanzlerkandidat der SPD soll – auch um die Wahlkampfchancen für die Zeit nach Angela Merkel zu erhöhen – über seine eigenen Füße stolpern. Die Affäre um den implodierten Finanzdienstleister Wirecard bietet sich als Fallgrube an.

Peter Altmaier, der Knappe von Merkel und Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer fordert denn in schönster Harmlosigkeit, die Wirecard-Affäre nur ja gründlich aufzuarbeiten:

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) © dpa

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Vorgänge um Wirecard aufgeklärt werden.

Der CDU-Politiker Matthias Hauer sekundiert:

Bislang hat sich Finanzminister Olaf Scholz weggeduckt.

Und der CSU-Politiker Hans Michelbach, Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss, stellt klar:

Es wird ja im Moment eine Art Schwarzer-Peter-Spiel vorgenommen, indem man sagt, es war eigentlich keiner richtig zuständig und im Grunde genommen waren es die Wirtschaftsprüfer. Ja, die waren es vielleicht auch, aber Tatsache ist, dass die Gesamtverantwortung beim Bundesfinanzministerium und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht liegt.

 © dpa

Es sei dringend notwendig, „im Geschäftsbereich des Finanzministeriums aufzuräumen“, heißt es in der Unionsfraktion. Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, der seitens der Union den Kampfauftrag hätte, den SPD-Mann zu beschädigen, wird heimlich unterstützt. So fehlt im Grunde nur noch die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Zustimmung des Bundestagspräsidenten. Doch auch die sollte kein Problem sein.

Wolfgang Schäuble war von 2009 bis 2017 selbst Finanzminister. Sein parlamentarischer Staatssekretär hieß damals Jens Spahn. Beide wollen, was CDU und CSU auch wollen: Scholz nicht im Kanzleramt, sondern auf der Anklagebank sehen. Der Sozialdemokrat soll von der Kanzlerin weiter beschmust und vorm Finanzausschuss gegrillt werden.

Scholz möge, so will es das neue Regiebuch der CDU, im Affärenstrudel untergehen. Möglichst lächelnd. Getreu den Tapferkeitsempfehlungen des großen Dramaturgen Márquez:

Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es so schön war.

 © dpa

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist bekannt als Gegner der Vergemeinschaftung von Schulden in der Europäischen Union. Dass er die Beschlüsse des EU-Gipfels kritisiert, ist also nicht verwunderlich. Auffällig ist, wie mild seine Kritik ausfällt.

 © dpa

Weidmann lehnt die Kreditaufnahme durch die EU – eine Premiere in der Geschichte Europas – nicht ab, sondern hält sie „für bedenklich“ und regt – tastend – einen Kontrollmechanismus an, „der die sinnvolle und effiziente Verwendung der gemeinsam aufgenommenen Schulden gewährleistet“. Er hoffe, sagt er der Funke-Mediengruppe, auf eine zeitliche Begrenzung der Corona-Hilfen:

Dann laufen sie im weiteren Verlauf automatisch aus, und die Staatsfinanzen stabilisieren sich wieder.

 © dpa

Fazit: Deutschland hat bisher zwei Arten von Notenbankern hervorgebracht. Die einen, die für ihre Überzeugungen zurücktraten, so wie Karl Otto Pöhl, Axel Weber und später dann als EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark. Und die anderen, die wie Helmut Schlesinger und Hans Tietmeyer für ihre stabilitätspolitischen Vorstellungen bereit waren zu kämpfen, aber nicht zu sterben.

Jens Weidmann begründet eine dritte Spezies, die des zärtlichen, des mitfühlenden Kritikers. Er merkt an, aber er nervt nicht. Er benennt das Argument, aber macht keinen Punkt. Er rettet seinen Posten, aber verliert seine Reputation. Er taktiert und finassiert, verzichtet auch da, wo sie geboten wäre, auf ordnungspolitische Haltung. Oder deutlicher noch ausgedrückt: Ein großes Talent verschwendet sich selbst.

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Der Höhenflug des Elektropioniers Tesla an der Börse verläuft steil – womöglich zu steil. Bewertete die Börse Tesla im Januar 2018 noch mit 59 Milliarden Dollar sind es heute bereits 260 Milliarden Dollar. Ein Plus von 340 Prozent in zweieinhalb Jahren. Tesla wird damit höher bewertet als BMW (39 Milliarden Euro), Daimler (44 Milliarden Euro), General Motors (32 Milliarden Euro), Fiat Chrysler (14 Milliarden Euro) und VW (74 Milliarden Euro) zusammen.

Bei aller Faszination für den Pionier Elon Musk, der nebst der Elektrifizierung des Automobils auch die Erschließung des Weltraums vorantreibt, gibt es drei handfeste Gründe, die dafür sprechen, dass Tesla diesen Hype fundamental nicht rechtfertigen kann.

Eine Infografik mit dem Titel: Rasanter Aufstieg

Kursentwicklung der Tesla-Aktie seit Börsengang, in US-Dollar

1. Im eigentlich Kerngeschäft, dem Entwickeln, Bauen und Vertreiben von Autos, ist das Unternehmen aus Palo Alto noch immer nicht rentabel. Zwar wird pro Aktie mittlerweile ein Gewinn von 2,18 Dollar ausgewiesen, aber diesen Gewinn verdankt das Unternehmen der Politik, nicht dem Automarkt. Die Regierungen vergeben sogenannte CO2-Zertifikate, die Tesla gewinnbringend an Wettbewerber weiterverkauft. Allein im letzten Quartal brachte dieser Weiterverkauf 428 Millionen Dollar ein.

2. Tesla hat im abgelaufenen Quartal rückläufige Verkaufszahlen hinzunehmen. Es wurden rund 90.000 Autos ausgeliefert. 5 Prozent weniger als in 2019, was in Corona-Zeiten beachtlich, aber nicht sensationell ist. Zum Vergleich: Toyota lieferte im gleichen Zeitraum 398.029 Fahrzeuge aus. VW hat zwar Umsatz verloren, aber Marktanteile in China gewonnen.

3. Viele Analysten sind mittlerweile skeptisch geworden, ob die hohe Börsenbewertung für Tesla wirklich gerechtfertigt ist. Goldman Sachs hat Tesla von „Buy“ auf „Neutral“ zurück gestuft. Auch Analyst Ryan Brinkman von JP Morgan gibt eine eingeschränkte Verkaufsempfehlung („Underweight“) und mahnt:

Trotz des geringfügig besseren 2. Quartals sind die Tesla-Aktien immer noch stark überbewertet, wie Vergleiche mit den Branchenführern Toyota und VW zeigen, die zusammen weniger wert sind als Tesla.

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Noch drastischer drückt es John Murphy von der Bank of America aus:

Wir sind der Ansicht, dass die Aufwärtsspirale bei Tesla eher von der Aktie selbst als von den Fundamentaldaten angetrieben wird. Je höher die Aktie steigt, desto billiger wird die Finanzierung dieses überdimensionierten Wachstums, das dann von den Investoren wiederum in Form eines höheren Aktienkurses belohnt wird. Der aktuelle Aktienkurs ist von den Fundamentaldaten losgelöst.

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Fazit: An der Börse wird die Zukunft verkauft. Und manchmal auch schon die Zeit danach.

Mit dem Leiter für globale Automobilwirtschaft bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman, Fabian Brandt, spreche ich im Morning Briefing Podcast über den Höhenflug von Tesla. Rational oder spekulativ? Wo endet die heiße Luft und wo beginnt die Substanz?

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Der VW-Konzern wurde ausspioniert. Das Onlineportal „Business Insider“ berichtet, dass vertrauliche Sitzungen einer Sonderprojektgruppe unter Vorsitz des heutigen VW-Markenchefs Ralf Brandstätter über einen längeren Zeitraum abgehört wurden. In der Projektgruppe – und da wird die Sache für VW doppelt unangenehm – hat man beraten, wie man einen widerspenstigen Mittelständler, die bosnische Prevent-Gruppe, loswerden könne.

Nach etwa 40 Jahren wollte sich der VW-Vorstand von dem Sitzbezüge- und Getriebeteile-Zulieferer trennen, der die Wolfsburger Preisdiktate abgelehnt hatte und im Streit um die Konditionen 2017 zeitweise den Betrieb bei VW lahmlegte. Beides zusammen war zu viel der Widerborstigkeit.

Die 50 Stunden Tonmaterial zeigen, wie VW sich im Streit mit dem Zulieferer hart am Rande der guten Sitten bewegt, und zuweilen auch jenseits.

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Fazit 1: Der VW-Werkschutz hat versagt. Es handelt sich offenbar um eine Tochterfirma der Bafin.

Fazit 2: Eine Firma, die das Wort Volk im Namen führt, darf so mit dem Mittelstand nicht umgehen.

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Wir erleben einen Sommer der Inszenierungen. Der ergrünte Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz im Partnerlook mit der Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock: Ein modisches Statement mit politischem Gehalt.

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Auch Markus Söder, der gelernte Fernsehjournalist, weiß um die Kraft der Bilder. Nach dem Vorbild des französischen Präsidenten und des benachbarten österreichischen Bundeskanzlers Kurz lud er die Bundeskanzlerin nach Schloss Herrenchiemsee ein – seine Zukunft im Blick, die Nostalgie der barocken Baukunst im Rücken.

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Das legendäre Treffen von Lafontaine und Schröder mit Gattinnen, seinerzeit medial wirksam an der Saarschleife inszeniert, ermuntert ebenfalls zur Kopie. In zeitgemäßer Paarformation trafen sich die einstigen Gegenspieler und jetzigen Teampartner Laschet und Spahn am Bodensee. Das Signal ähnelt dem historischen Vorbild: Seht her, wir sind politisch und privat eng beeinander.

Wir lernen: Politik lebt, wie die sommerliche Programmgestaltung von ARD und ZDF, von der Wiederholung. Das soll hier nicht kritisiert, sondern belobigt werden: Die eingesparte Kreativität könnte dann ja vielleicht in bessere Politik investiert werden.

Ich wünsche Ihnen einen gut gelaunten und damit schon kraftvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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