China: Der Welteroberungsplan

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Guten Morgen,

Der große Sprung nach vorn“, lautete die Überschrift eines kühnen Industrialisierungsprogramms, mit dem Mao Zedong die westliche Welt überholen wollte. Der Bauernstaat China sollte Ende der 1950er-Jahre mit Brachialgewalt in das Industriezeitalter katapultiert werden:

► Derweil nun verstärkt Frauen in der Landwirtschaft eingesetzt wurden, ließ man die Männer in Abendkursen zu Stahlkochern umschulen.

► In der berühmten „Schlacht für Stahl“ entstanden überall im Land verstreut schließlich eine Million kleiner Hochöfen.

► In 15 Jahren wollte man Großbritannien einholen, so eine der damaligen Losungen. Das kommunistische China brauchte dringend Brücken, Fabriken, Kraftwerke, Lastwagenhersteller und eine eigene Chemieindustrie.

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Diese Kopfgeburt aus dem Zentralkomitee der kommunistischen Partei musste 1961 Hals über Kopf abgebrochen werden. Die Bauern waren überfordert, sie konnten die ihnen zugedachte Rolle als Industrialisierer nicht spielen. Und derweil sie es versuchten, geriet ihnen die Ernährungssituation außer Kontrolle. Die ursprünglich geplanten Getreidemengen halbierten sich.

Das Ergebnis: Mit rund 40 Millionen Hungertoten – so die aktuelle westliche Schätzung – trug sich Mao Zedong in das Geschichtsbuch der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Es war die größte von Menschenhand verursachte Hungerkatastrophe. Maos Politik erwies sich als großer Sprung zurück. Der Historiker Hans-Peter Schwarz sprach später vom „Monster Mao“.

 © Ullstein

Staatspräsident Xi Jinping will es 60 Jahre später besser machen. Es gibt diesmal keine großspurige Überschrift, aber dafür eine ausgefeilte Strategie des „China zuerst“, die aus drei Komponenten besteht:

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► China rüstet massiv auf. Wie der Volkskongress heute Morgen bekannt gab, soll der Rüstungsetat um knapp 7% steigen, derweil die gesamtstaatlichen Ausgaben leicht rückläufig sind.

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► Das chinesische Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“ besitzt mittlerweile ein Finanzvolumen in Höhe von rund 6,5 Billionen US-Dollar. Durch immer neue Vertragsabschlüsse, zuletzt mit der Türkei, wächst das Programm weiter an, ohne dass weitere chinesische Haushaltsmittel zum Einsatz kämen.

► Laut einer „Bloomberg“-Story von gestern Abend startet China zusätzlich zu allen bisherigen zivilen und militärischen Projekten nun ein Hightech-Programm mit einem Volumen von 1,4 Billionen US-Dollar. Es gehe darum, die Technologieführerschaft der Amerikaner zu brechen und sich selbst an die Spitze der internationalen Digitalwirtschaft zu setzen. „Dies ist Chinas Schachzug, um das globale Tech-Rennen zu gewinnen", wird Maria Kwok zitiert, Chief Operating Officer des Unternehmens Digital China Holdings.

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Die drei Kernelemente dieses neuen Plans, der offenbar vom heute gestarteten Volkskongress in Peking beraten und beschlossen werden soll:

► Die chinesischen Kommunen werden das 5G-Netz ausbauen und die Infrastruktur aus öffentlichen Kameras und Sensoren stärken. Damit setzt die KP zwei ihrer liebsten Vorhaben um: Sie schafft Voraussetzungen für das autonome Fahren und eine noch effektivere Überwachung ihrer Bürger: Orwell 4.0.

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► Die Anstrengungen im Bereich der „künstlichen Intelligenz“ will man spürbar steigern; es geht dabei vor allem um das „Internet of Things“, also die Kommunikation von Maschinen mit Maschinen.

► Auch die innerchinesische Infrastruktur soll beschleunigt ausgebaut werden: Hochspannungs- wie Hochgeschwindigkeitsstrecken für Züge sind geplant.

Die Profiteure des Aufbauprogramms heißen Huawei, Alibaba, Tencent, China Mobile oder das KI-Unternehmen Sensetime. Sie sollen Cisco, IBM, Amazon oder Facebook in die Schranken verweisen. Bloomberg spricht vom „Technologie-Nationalismus“.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Aufholjagd

Marktkapitalisierung ausgewählter chinesischer Konzerne gegenüber internationalen Konkurrenten, in Milliarden US-Dollar

Fazit: Die Träger der revolutionären Ideen sind diesmal nicht ahnungslose Bauern, sondern gewiefte Gründer und Geschäftsleute wie Jack Ma von Alibaba, Ren Zhengfei bei Huawei und Ma Huateng von Tencent. Mit 60 Jahren Zeitverzögerung könnte der große Sprung diesmal gelingen. Xi Jinping ist zwar – wie Mao – ein chinesischer Nationalist. Aber er ist ein Nationalist mit Sieben-Meilen-Stiefeln.

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Die Rettung der Lufthansa, die pro Woche 200 Millionen Cash-Bedarf hat, aber zur Zeit kein Geschäftsmodell besitzt, steht unmittelbar bevor. Bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Ausgestaltung der Staatshilfen ist ein Durchbruch erzielt worden:

Eine Infografik mit dem Titel: Lufthansa in Not

Aktienkurs seit Jahresbeginn, in Euro

► Das vereinbarte Konzept sieht Stabilisierungsmaßnahmen im Umfang von bis zu neun Milliarden Euro vor – davon drei Milliarden als Darlehen über die Staatsbank KfW.

► Vorgesehen ist eine staatliche Beteiligung in Höhe von 20 Prozent im Zuge einer Kapitalerhöhung und über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes.

► Der Bund plant außerdem eine „Wandelschuldverschreibung“ im Wert von fünf Prozent plus einer Aktie. Diese kann in Stammaktien und damit Anteile umgewandelt werden. Der Bund hätte dann eine Sperrminorität. Die Regierung will diese Möglichkeit zur Politisierung nur dann nutzen, sagt sie, um die Airline im Notfall vor einer feindlichen Übernahme zu schützen.

► Zwei Sitze im Aufsichtsrat sollen in Abstimmung mit der Regierung besetzt werden. Diese will keine Politiker entsenden, sondern – wie bei Airbus – Wirtschaftsmanager.

Die Wirtschaftsmedien sind nicht überzeugt. Im „Handelsblatt urteilt Luftfahrt-Experte Jens Koenen streng:

Lufthansa war in den letzten Tagen vor allem für zwei Investorengruppen interessant: Für Hedgefonds und jene, die auf fallende Kurse setzen. Das Pokerspiel aller Beteiligten verdient nur noch das Attribut erbärmlich.

In der „Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentiert Timo Kotowski in vergleichbarer Tonlage:

Das Geschacher war erschütternd. Man konnte den Eindruck gewinnen, es gehe weniger um die Rettung von Konzern und Arbeitsplätzen als vielmehr um politischen Einfluss.

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Die gesetzlichen Regelungen, dass Unternehmen, die sich mit Finanzmitteln des Staates gegen die Wirtschaftskrise stemmen, weder Dividenden ausschütten noch Boni zahlen dürfen, gehen nicht weit genug. Denn: Die Boni-Maßnahmen betreffen nach Aussage von Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn (SPD) lediglich das laufende Geschäftsjahr:

Die Selbstverpflichtung der Geschäftsführer und leitenden Angestellten zum Verzicht auf beziehungsweise zur substanziellen Reduzierung der Bonuszahlungen gilt nur für das Geschäftsjahr 2020.

Oppositionspolitiker bemängeln, dass die staatlichen Kredite, wie sie beispielsweise Adidas oder Tui beanspruchen, aber bis ins kommende Jahr hinein dauern und auch verlängert werden können. Sie fordern die Regierung auf, die Regeln für den Verzicht auf Boni und Dividenden ebenfalls zu verlängern.

Fazit: Das ist für die Betroffenen hart, aber aus Sicht des Steuerzahlers gerecht. Eigentlich hätte die Regierung von alleine drauf kommen können, dass sich Hilfsbedürftigkeit und interne Großzügigkeit nicht vertragen.

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Dorothee Bär moderiert am heutigen Freitag den ersten Digitalparteitag der CSU. Mit der Staatsministerin im Kanzleramt und Beauftragten der Bundesregierung für Digitalisierung spricht „Welt“-Vize Robin Alexander im Morning Briefing Podcast nicht nur über diese Corona-bedingte Premiere, sondern auch über das vielleicht wichtigste Digitalprojekt der Regierung: die Corona-App, die immer noch nicht zur Verfügung steht. Zur Kritik an der zu langen Entwicklungszeit sagt sie:

Ich hätte mir auch gewünscht, dass es schneller gegangen wäre. Wir können jetzt aber erst an der Schnittstelle programmieren.

Ich will jetzt nicht zu viel versprechen, aber es könnte möglich sein, wenn unsere App im Juni auf den Markt kommt, dass sie europaweit die erste ist, die stabil auf Android und iOS läuft.

Lob für die Corona-Politik der Bundesregierung kommt am heutigen Morgen vom Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes Reiner Hoffmann. Nach einem Besuch auf der Pioneer One sagt er im Morning Briefing Podcast :

Ich finde, viele Maßnahmen, die die Bundesregierung in kürzester Zeit verabschiedet hat, richtig. Ich gehe davon aus, dass wir mit diesem beherzten Vorgehen auch die wirtschaftlichen Kollateralschäden halbwegs in den Griff bekommen können.

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Eine Entwicklung wie in den USA, wo mittlerweile knapp 40 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet sind, befürchtet er für Deutschland nicht:

Ich sehe keine Entwicklung, die uns Richtung massenhafter Arbeitslosigkeit führen wird.

Die Themen im Hauptstadt - Das Briefing dürften sie interessieren:

► Die CSU wird sich auf dem heutigen Parteitag mit den Konsequenzen aus der Pandemie beschäftigen. Der Leitantrag, dessen Entwurf meinen Kollegen vorliegt, fordert „gemeinsame Notfallreserven für unser Land“, zum Beispiel „eine nationale Intensivbettenreserve“.

► Am 3. Juni, also gleich nach Pfingsten, wollen Union und SPD das geplante Konjunkturpaket festzurren. Das Volumen soll 50 Milliarden Euro betragen und aus einem Mix von Investitionsanreizen und Steuerrabatten bestehen. Die Union favorisiert eine erhebliche Erhöhung des Kindergeldes, wogegen sich die SPD unmöglich stemmen kann.

► Alle reden über das neue deutsch-französische Tandem Merkel und Macron. Derweil darf die deutsch-polnische Beziehung als lädiert betrachtet werden. Viel Streit. Keine Leidenschaft. Ein neuer deutscher Botschafter in Warschau soll nun für Abhilfe schaffen.

Plus: Nun endlich können alle Pioneers die Grafiken aus dem Morning Briefing für sich nutzen – ohne mit dem Urheberrecht in Konflikt zu geraten. Über 1300 Grafiken – täglich werden es mehr – stehen auf unserer Plattform thepioneer.de bereit. Kinderleicht können Sie eine grafische Themensuche starten und „Ihre“ Grafiken archivieren oder in Ihre Präsentation einbauen.

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Vor Gericht sind VW-Chef Herbert Diess und der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch davongekommen. In den Medien nicht.

Die Tatsache, dass ihr Strafverfahren wegen möglicher Marktmanipulation in geheimen Besprechungen mit der Justiz und vor Prozessbeginn per Geldauflage beendet wurde, stößt einhellig auf Empörung. Neun Millionen Euro – 4,5 Millionen pro Person – hat Volkswagen an das Land Niedersachsen überwiesen. Besonders pikant: Das Bundesland, mit 20 Prozent der Stimmrechte an Volkswagen beteiligt und mit Ministerpräsident Stephan Weil sowie Wirtschaftsminister Bernd Althusmann im Aufsichtsrat vertreten, hat sich damit selbst aus der Firmenkasse alimentiert.

Für die „Welt” kommentiert Olaf Preuß:

Es könnte sein, dass dieser Fall – einer der größten deutschen Industrieskandale – nie völlig aufgeklärt wird.

Wenn bei Dieselgate aber am Ende nicht maximale Transparenz und Aufklärung steht, bleibt das Stigma für immer an Volkswagen haften – und damit auch an ,Made in Germany‘ insgesamt.

„Der Deal ist eine Niederlage für den Rechtsstaat“, schreibt Volker Votsmeier im „Handelsblatt:

Hier mussten die Angeklagten nicht einmal selbst das Geld aufbringen, mit dem sie sich freikauften. Zahlmeister war Volkswagen – derselbe Konzern, der gerade um Staatshilfen bettelt.

Die „Spiegel“-Redakteure Simon Hage und Martin Hesse fassen zusammen :

Wer nun wen schützt, wird ungeklärt bleiben, der Gewinner heißt VW.

Und Aufsichtsratchef Pötsch. Denn während Herbert Diess zu Recht auf die Tatsache verweisen kann, dass er bei den fraglichen Vorgängen erst wenige Tage im Unternehmen arbeitete, war der damalige Finanzvorstand seinerzeit die rechte Hand von CEO Martin Winterkorn. Beide wussten, was die Ermittlungen der Amerikaner für den Aktienkurs bedeuten würden.

Der heute von Pötsch geführte Aufsichtsrat hat den damaligen Finanzvorstand Pötsch für 4,5 Millionen freigekauft. Das nennt man ein Insichgeschäft oder die vollzogene Selbstkontraktion. Risiko und Verantwortung wurden zugunsten des Mannes an der Spitze entkoppelt: Filz auf der Chefetage.

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Auf ihrer virtuellen Hauptversammlung haben Vorstand und Aufsichtsratschef der Deutschen Bank demonstrativ Rückendeckung für den Konzernumbau erhalten. 98,86  Prozent der vertretenen Aktionäre stimmten der Entlastung von Vorstandschef Christian Sewing zu. Im vergangenen Jahr waren es nur 75,23  Prozent der Stimmen.

Auch Aufsichtsratschef Paul Achleitner, der im Vorjahr mit 71,63 Prozent abgestraft wurde, erhielt nun 92,99  Prozent Ja-Stimmen. Als Volltreffer erwies sich auch die schon vorab durchgesetzte Berufung des SPD-Politikers Sigmar Gabriel in das Kontrollgremium: 98,05  Prozent der Aktionäre votierten für ihn. Einen derart hohen Zustimmungswert hat Gabriel in seiner SPD-Karriere nie erzielen können. Wenn Deutschlands älteste Partei noch halbwegs bei Troste ist, wird sie ihren alten Parteichef heute Morgen vermissen, zumindest heimlich.

Sie möchten unser Redaktionsschiff besser kennenlernen? Zeit für ein Onboarding.

Die Podcast-Gastgeberin und Projektleiterin des Redaktionsschiffs, Chelsea Spieker, stellt Ihnen immer freitags in kurzen Videos die Technik und die Menschen hinter und auf der Pioneer One vor. In der neuen Folge nimmt uns Chelsea mit in den Maschinenraum – und zeigt uns den Elektromotor.

Das Video finden Sie auf YouTube und unseren Social-Media-Kanälen (Facebook, Twitter, Instagram, LinkedIn). Besser als nichts, dachten wir. Wenn der Corona-Wahnsinn vorbei ist, dann sehen wir uns nicht im Video, sondern in wirklich.

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in das Wochenende. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Gründer & Herausgeber The Pioneer
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