die USA haben den diplomatischen Boykott der olympischen Winterspiele, die vom 04. bis 20. Februar kommenden Jahres in Peking stattfinden, mit dem fortdauernden „Genozid” in der autonomen Region Xinjiang begründet. Konkret geht es um die seit circa fünf Jahren währenden Menschenrechtsverletzungen am Volk der Uiguren.
© dpaIm November 2019 publizierte die New York Times die sogenannten China Cables – 403 Seiten, die die systematische Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang, einer autonomen Region im Nordwesten Chinas, belegen. Ans Licht gekommen ist dieses Beweismaterial durch ein Leak von geheimen Dokumenten der chinesischen Regierung.
Eine Infografik mit dem Titel: Wo leben die Uiguren?
China und das Gebiet der Uiguren in der Provinz Xinjiang
Sie stammen aus den Jahren 2017 bis 2018. Neben den Überwachungsmethoden wird in ihnen auf circa 160 Seiten auch eine detaillierte „Anleitung” zum Betrieb der dortigen Internierungslager gegeben. Mittlerweile liegen mehrere Berichte von Uiguren vor, die in der Provinz gelebt haben und in einem der Lager inhaftiert waren. Die Pioneer-Redaktion hat das Material gesichtet und ausgewertet. Diese Fakten sollte jeder kennen, der mitsprechen möchte.
Die Internierungslager dienen der sogenannten „Umerziehung.” Ziel sei es, die Menschen weg von der Religion, hin zum Kommunismus der chinesischen KP zu erziehen, sagt der deutsche Sozialwissenschaftler Adrian Zenz.
Dazu wendet das chinesische Regime brutale Methoden an. Frühere Lagerinsassen berichten gegenüber der NZZ und der BBC über den Alltag in den Lagern folgendes:
Bei der Ankunft haben sie mir den Kopf geschoren. Dabei sind für uns Uigurinnen die langen Haare sehr wichtig! Es gab nicht genügend Matratzen für alle, wir schliefen in Schichten. Alle drei Stunden wechselten wir uns ab.
(Zümret Dawut, NZZ)
Jeden Morgen verabreichten die Wärter uns eine Pille. Danach fassten sie uns mit Gummihandschuhen in den Mund und prüften, ob wir die Tablette auch wirklich geschluckt hatten.
(Zümret Dawut, NZZ)
Beim Unterricht mussten wir auf dem kalten Betonboden sitzen, während die Lehrerin sich in einer Art Käfig befand. Wir lernten jeden Tag mehrere Stunden Chinesisch. Außerdem erzählte man uns, wie schlecht unsere Religion sei. Sie sagten, der Islam sei nur etwas für Araber und passe nicht zu uns Uiguren. Ein anderes Mal sagten sie, der Islam sei wie ein Virus, von dem wir geheilt werden müssten. Deshalb habe man uns ins Lager gesteckt. Nach dem Unterricht fragten die Wärter oft, ob wir noch an Allah glaubten. Wer nicht schnell mit Nein antwortete, wurde geschlagen. Dann sagten sie: ‚Wo ist euer Allah jetzt? Seht ihr, er hilft euch nicht! Nur Xi Jinping kann euch helfen.’
(Zümret Dawut, NZZ)
© BBC
Die größten Grausamkeiten erfahren junge Frauen. Sie sind zusätzlich zur permanenten Überwachung, dem Nahrungsentzug und der Gehirnwäsche systematischer sexueller Misshandlung und Vergewaltigung ausgesetzt. Die frühere Insassin Tursunay Ziawudun, die neun Monate im Lager war, berichtet in der BBC:
Irgendwann nach Mitternacht kamen die chinesischen Polizisten in die Zellen, wählten die gewünschten Frauen aus und brachten sie den Korridor hinunter in einen ‚schwarzen Raum’, in dem es keine Überwachungskameras gab.
© NZZ
Dreimal, so Ziawudun, nahmen sie auch sie mit. Sie sei gefoltert und später von zwei oder drei maskierten Männern vergewaltigt worden.
Sie vergewaltigen nicht nur, sondern beißen dich am ganzen Körper, du weißt nicht, ob sie Menschen oder Tiere sind. Sie haben kein Körperteil verschont, sie haben überall zugebissen und schreckliche Spuren hinterlassen.
Einmal versuchte Ziawudun, sich zu wehren.
Eine Frau brachte mich dann in den Raum neben dem Zimmer. Sie hatten einen Elektrostab und er wurde in meinen Genitaltrakt gesteckt, um mich mit Elektroschocks zu quälen.
© Planet Labs
Dies sei die unvergesslichste Narbe, die sie habe. Eine frühere Lagerpolizistin bestätigt gegenüber der BBC Ziawuduns Schilderungen.
Die Vergewaltigung ist zu einer Kultur geworden. Es sind Gruppenvergewaltigungen und die chinesische Polizei vergewaltigt sie nicht nur, sondern versetzt ihnen auch Stromschläge. Sie werden auf grausame Weise gefoltert. Es gibt vier Arten von Elektroschocks – den Stuhl, den Handschuh, den Helm und die anale Vergewaltigung mit einem Stab.
Zudem sind Zwangssterilisationen von Uiguren in Xinjiang weit verbreitet, wie eine Untersuchung der Associated Press ergab.
Fazit: Erstmals beleuchten westliche Medien und amerikanische Politiker die Schattenseiten der chinesischen KP Diktatur. Was in Nazideutschland galt, gilt auch hier: Wer schweigt, stimmt zu. Die deutsche China-Politik, die sich bisher vor allem als Exportförderung begreift, ist begründungspflichtig geworden.
© Planet Labs
An der Grenze zwischen Russland und der Ukraine spitzt sich die Lage erneut zu. Im Zeichen einer großangelegten russischen Aufrüstung trafen US-Präsident Joe Biden und Wladimir Putin gestern auf einem bilateralen Video-Gipfel aufeinander. „Ich grüße Sie, Herr Präsident!“, rief Putin seinem US-Kollegen aus der Herrlichkeit seiner Residenz in Sochi am Schwarzen Meer zu.
Was bis jetzt geschah:
2014 beanspruchte Russland die ukrainische Halbinsel Krim für sich, nachdem diese 23 Jahre lang zu einer unabhängigen Ukraine zählte. Die Annexion wird bis heute von den Vereinten Nationen nicht anerkannt.
Gleichzeitig begannen separatistische Gruppierungen in der Region Donbass im Osten des Landes Proteste, die, erheblich von Russland unterstützt, in einem Krieg mündeten. Dieser dauert bis heute an. In den selbsternannten Volksrepubliken sind inzwischen schon etwa 600.000 Menschen mit russischen Pässen ausgestattet worden.
Eine Infografik mit dem Titel: Konflikt in der Ostukraine
Von den Separatisten und der ukrainischen Regierung kontrollierte Gebiete an der ukrainisch-russischen Grenze
Laut Berichten der US-Geheimdienste hat Russland in den vergangenen Wochen die Militärpräsenz an der Grenze zur Ukraine erheblich erhöht und einen Plan entwickelt, bis zu 175.000 Truppen über die Grenze zu bringen. Darunter auch Panzer aus Sibirien, Artilleriegeschütze, Kurzstreckenraketen und neben den Landstreitkräften auch die Luftwaffe.
Moskau hingegen weist den Vorwurf der Aggression zurück und beschuldigt im Gegenzug die Ukraine, mehr als 120.000 Soldaten an die Linie zu den ostukrainischen Separatistenregionen Donezk und Luhansk verlegt zu haben.
Die USA und Europa drohten Russland im Falle einer Eskalation mit schwerwiegenden ökonomischen Konsequenzen. Wie Bloomberg berichtet würde man im Weißen Haus erwägen, Russland vom internationalen Finanzsystem auszuschließen.
Nach dem knapp zweistündigen Video-Gespräch wollte Biden sich mit der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi beraten, wie das Weiße Haus mitteilte. Über die Inhalte des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.
Die chinesische Führung freut sich schon. In Peking gilt das Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Nirgends stecken sich derzeit mehr Menschen mit dem Coronavirus an als dort, wo die Impfquote besonders niedrig ist. So beispielsweise in Thüringen: Dort sind nur 63,2 Prozent der Menschen doppelt gegen das Coronavirus geimpft. Die 7-Tage Inzidenz in Thüringen liegt derzeit bei 1.023.
Eine Infografik mit dem Titel: Im Osten nichts Neues
Covid-19-Fälle der vergangenen sieben Tage je 100.000 Einwohner nach Landkreisen
Doch welche Auswirkungen hat eine hohe Inzidenz wirklich auf die Belegung von Intensivbetten? Darüber spreche ich im heutigen Morning-Briefing Podcast mit Dr. Caterina Reuchsel. Sie ist die Leiterin der Intensivstation in der Waldklinik Gera. Bei ihr liegen die COVID Patienten. Derzeit ausschließlich Ungeimpfte. Über diese sagt Frau Dr. Reuchsel:
Keiner der Patienten hat damit gerechnet, dass er bei uns landet. Alle sind überrascht.
Viele verlangten dann auf der Intensivstation nach der Impfung; zu spät. Dem infizierten Körper wird grundsätzliche keine Impfung mehr verabreicht.
Viele schwören darauf, dass sie sich impfen lassen würden, wenn sie die Intensivstation lebend verlassen.
Die Ärztin schildert, was sich vor ihren Augen jeden Tag abspielt:
Die Patienten merken, wenn es am Ende nicht mehr reicht. Es ist, als wenn einer die Luft abdreht. Das ist eine der grausamsten Arten zu sterben. Man erstickt.
Fazit: Es gibt über Corona viele Meinungen. Aber es gibt auch Fakten.
© imago
Der ehemalige Springer-Vorstand Andreas Wiele soll der neue Aufsichtsratschef beim Medienkonzern ProSiebenSat.1 werden. Der bisherige Amtsinhaber Werner Brandt wird nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren und macht damit für Wiele den Weg frei. Bei der Hauptversammlung am 5. Mai 2022 soll er als Leiter des Kontrollgremiums gewählt werden.
Andreas Wiele bringt nicht nur Medienerfahrung mit – fast 20 Jahre lang war er im Vorstand von Axel Springer – sondern hat die vergangenen zwei Jahre beim US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) auch die Kapitalseite kennengelernt.
© imagoZusammen mit der Ernennung Wieles soll auch der Vertrag von Vorstandssprecher Rainer Beaujean verlängert werden; dieser steigt erstmals zum Vorstandsvorsitzenden auf. Vor wenigen Wochen hatte Silvio Berlusconi, ehemaliger italienischer Ministerpräsident und mit fast 24 Prozent der Anteile einziger Großaktionär von ProSiebenSat.1, angekündigt, den Vertrag von Beaujean auslaufen lassen zu wollen. Auch der damalige Aufsichtsratsvorsitzende, der sich hinter seinen Vorstandssprecher stellte, geriet ins Fadenkreuz der Berlusconi-Manager.
Mit der schnellen Neubesetzung der Aufsichtsratsspitze, die nicht von Berlusconi, sondern von Brandt ausgelöst und organisiert wurde, versucht man in München, den Begehrlichkeiten des italienischen Medien-Zampanos zuvor zu kommen. ProSieben soll nicht in rechtspopulistische Hände fallen. Wiele ist demnach nicht Berlusconis Mann, sondern dessen Gegenspieler. Für einen Rechtsruck ist er nicht zu haben.
Hildegard Müller liefert einen frischen Blick auf die heute vereidigte neue Regierung. Sie war Staatsministerin im Kanzleramt von Angela Merkel und die bislang einzige weibliche Vorsitzende der Jungen Union. Als Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) begleitet sie nun die Abschaffung des Verbrennungsmotors.
Im Gespräch mit ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker ermuntert sie die deutsche Autoindustrie zur Transformation:
Wir möchten Innovationsweltmeister werden.
Dafür, dass sich die Elektromobilität flächendeckend durchsetzt, müsse der Besitzer eines E-Autos jedoch zu jeder Zeit und an jedem Ort und mit Ökostrom laden können. Dafür erwartet sie Antworten von der neuen Bundesregierung:
Die kommende Bundesregierung muß bei diesem, wie auch bei anderen Themen sagen, wie die einzelnen Schritte aussehen sollen.
Die damit zusammenhängende Transformation im Fahrzeugbau sei eine große Herausforderung. Über den Erhalt der Arbeitsplätze sagt sie:
Ich bin da nicht pessimistisch. Ich glaube, wir werden auch die Wertschöpfung im Auto verbessern. Die Digitalisierung bietet wirklich große Chancen und es geht dabei nicht nur um den Softwarespezialisten.
Prädikat hörenswert!
In dem an raffinierten Wendungen schon bisher reichen Machtkampf um die Führung von VW bahnt sich eine neue Veränderung der Konstellationen an, von der diesmal der Vorstandsvorsitzende profitieren dürfte. Denn die Eigentümerfamilie Porsche/Piëch kann sich den Abgang von Herbert Diess offenbar gar nicht leisten. Bis zu 15 Prozent würde der Kurs der Volkswagen Aktie laut Berechnungen der Familie nach unten stürzen wenn der energiegeladene Vorstandschef jetzt ausgewechselt würde. Das bedeutet ein Bewertungsminus in zweistelliger Milliardenhöhe.
Über derartige Kalkulationen berichtet das in VW-Internas für gewöhnlich gut unterrichtete Handelsblatt unter der Überschrift „Porsche will Porsche”. Der Hintergund: Eine Demission von Diess, wie sie von SPD und IG Metall nach allerlei Eskapaden des Reformers gewünscht wird, käme dem Porsche-Clan derzeit ungelegen. Denn: Der Clan prüft einen Teilverkauf seiner Volkswagen-Beteiligung. Dadurch würde die Familie womöglich die Mehrheit an der Volkswagen AG verlieren, bliebe jedoch größter Einzelaktionär. So könnten bis zu 15 Milliarden Euro eingenommen werden.
Dieses Geld plane man dann wiederum in die VW-Sportwagentochter Porsche zu stecken, deren Börsengang VW bereits vorbereitet. Damit bekäme die Familie Porsche das Kronjuwel des Konzerns und den Stolz der Familie noch immer nicht in die eigene Verfügungsgewalt. Aber der Einfluss würde deutlich wachsen. Weniger VW, mehr Porsche, bilanziert das Handelsblatt den Plan, dessen Umsetzung freilich noch nicht beschlossen wurde.
Für Herbert Diess allerdings wirkt der Plan schon als Plan schmerzlindernd. Denn eine solche Geldbeschaffungsaktion verträgt sich nicht mit Eruptionen auf der Chefetage, die naturgemäß mit Unsicherheit und damit einem Kursabschlag bezahlt würden. Zusammengefasst könnte man auch so formulieren: Diess gewinnt, weil die anderen den Verlust fürchten. Wäre Herbert Diess nicht der CEO des Unternehmens, sondern eine Aktie, müsste man heute morgen nachkaufen.
Wer unter der Überschrift „Der Abbau der verkehrten Welt. Satire und politische Wirklichkeit im Werk von Karl Kraus“ promoviert, der ist kein Akademiker der akademischen Sorte, sondern ein Freigeist mit Hang zur Exzentrik. Was auch immer Michael Naumann über das Thema geschrieben hat. Viel stärker beschreibt das Thema ihn selbst.
„Bildung ist das, was die meisten empfangen, viele weitergeben und wenige haben.“ Hat Karl Kraus gesagt. Michael Naumann ist einer, der sich davon nicht angesprochen fühlen muss. Zumal seine Universität das Leben war, das publizistische, das geistige und das politische.
Diese drei Fakultäten sind in Deutschland nur in den seltensten Fällen unter einem Dach angesiedelt. Naumanns Dachstube freilich war und ist geräumig genug. Er lebte drei Leben in einem.
So wie vor ihm Klaus Bölling und Günter Gaus war er ein Wanderer zwischen den Welten, auch wenn er sich auf dieser Wanderung so manche Verletzung zuzog. Seine Polemik gegen das Berliner Holocaust-Mahnmal war schroff, sein Rücktritt als SPD-Kulturstaatsminister überraschend, die Niederlage als Spitzenkandidat der Hamburger SPD fiel deutlich aus.
Und dennoch: Niederlagen haben diesen Michael Naumann eben nicht niedergestreckt, sondern beflügelt. Er wurde dadurch nicht erledigt, sondern nur interessanter. Diese Tatsache verdankte er auch seinem jungenhaften Charme. Er war eben kein ideologischer Beton-, sondern immer auch ein verschmitzter Brausekopf.
© dpaAls Chefredakteur und Herausgeber der „Zeit“, als Geschäftsführer des Rowohlt-Verlages, so wie zuvor als Auslandschef des Spiegel setzte er Punkte und Kontrapunkte in den öffentlichen Diskursen seiner Zeit. Alle die ihn näher kennen – Gerhard Schröder, Josef Joffe, Dieter von Holtzbrinck – sprechen in einem weichen Ton von ihm, der von Respekt und Bewunderung kündet.
Claudius Seidl, der ehemalige Spiegel Kollege und heutige FAZ-Feuilletonist, spottet gern. Aber nicht über Naumann. Sein Text in der heutigen FAZ geriet Seidl zur Hommage:
Dieser Michael Naumann traut sich nicht nur immer wieder, das Große und das Ganze auf den Begriff zu bringen. Er hat auch die nötige Bildung und Erfahrung im Gepäck. Und falls er sich irrt: Umso besser, dann gibt es schöne neue Kämpfe.
Und weiter:
Heute wird Naumann achtzig Jahre alt. Grund genug, ihm Unruhe zu wünschen und all die Meinungsverschiedenheiten, ohne die kein gutes Leben denkbar ist.
Wir schließen uns den guten Wünschen zum Geburtstag an. Mögen sich die nachwachsenden Generationen an diesem Mann, der sich Sozialdemokrat nennt und in Wahrheit ein großer Liberaler ist, orientieren. Damit würden sie nicht ihn, sondern sich selbst beschenken.
Ich wünsche ihm und Ihnen einen selbstbewussten Start in den neuen Tag.
Es grüßt Sie auf das Herzlichste,
Ihr