die deutsche Volkswirtschaft steht zu Beginn dieser Woche dreifach unter Stress. Der Grund ist die aggressive Industriepolitik der Chinesen:
► Stressfaktor 1: Der Botschafter der Volksrepublik China in Deutschland, Wu Ken, droht mit Vergeltungsmaßnahmen, sollte Huawei das 5G-Netz nicht bauen dürfen. „Wenn Deutschland die Entscheidung trifft, Huawei vom deutschen Markt auszuschließen, wird das Konsequenzen haben“, sagte Wu beim „Handelsblatt“-Industriegipfel.
► Stressfaktor 2: An den Südkoreanern wird gerade ein Exempel statuiert. Das Land hatte gegen den Willen Chinas ein neues US-Raketensystem stationiert und die gänzlich unbeteiligte koreanische Warenhauskette Lotte muss dafür nun büßen. Deren Läden werden durch staatliche Aufrufe boykottiert und „aus Sicherheitsgründen“ geschlossen. Die „New York Times“ meldet: Der Lotte-Rückzug aus China beginnt.
Eine Infografik mit dem Titel: Abhängig von China
Anteil des chinesischen Absatzmarktes am weltweiten Gesamtabsatz von Volkswagen, Daimler und BMW 2018, in Prozent
► Stressfaktor 3: Die Staatsregierung in Peking schlägt in der Mobilitätsentwicklung eine neue Richtung ein. 2020 läuft die Subventionierung der Elektromobilität aus. Die Regierung will künftig technologieoffen arbeiten. „China Daily“ berichtet von der neuen Vorliebe der KP für den Wasserstoff-Antrieb, was die deutschen Autobauer verunsichert. 40 % aller Volkswagen weltweit werden in China verkauft.
Fazit: Deutschland droht im geopolitischen Machtpoker zum Spielball fremder Interessen zu werden. Unser Land braucht eine eigene industriepolitische Vorstellung: Was sind die relevanten Zukunftstechnologien? Wer ist Partner und wer Rivale? Fest steht nur eines: Wer sich nicht entscheidet, für den wird entschieden.
Apropos: Die USA des Donald Trump haben ihre strategische Entscheidung getroffen: Man will China ökonomisch schwächen. Wobei sich die Härte auch gegen jene westlichen Partner richtet, die dabei nicht mitziehen: zum Beispiel Deutschland.
Ein leibhaftiger Staatssekretär im US-Außenministerium, und zwar der für Wirtschaftsbeziehungen zuständige Keith Krach, nutzte ein Interview mit dem in Hamburg erscheinenden „DUB Unternehmer-Magazin“, um deutsche Konzerne vor der weiteren Kapitalverflechtung mit China zu warnen. Der 62-jährige Trump-Gefolgsmann:
Chinas ökonomische Kriegskunst beruht auf Täuschung, parasitären Beziehungen und dem Entwenden geistigen Eigentums.
Sehr konkret nimmt er die Daimler AG ins Visier:
Die Beijing Autogroup hat im vergangenen Juli fünf Prozent der Anteile an Daimler erworben, wodurch sich der chinesische Anteil auf fast 15 Prozent erhöhte. Alles in allem könnte das chinesischen Akteuren einen Einblick in Daimlers strategisches Denken erlauben. Der Beginn einer parasitären Beziehung.
Krach ist für die deutschen Autobosse kein Unbekannter. Erst vor kurzem wählte die Harvard Business School den ehemaligen Vizepräsidenten von General Motors zum „Business Leader of the Year“. Trump selbst hatte seine Nominierung betrieben.
Deutsche Firmen hört die Signale. Für das neue Amerika gilt: Der Freund unseres Feindes ist unser Feind.
Der strategische Schwenk der Chinesen in der Mobilitätspolitik – weg von der reinen Elektromobilität, hin zu einer neuen Technologieoffenheit – ist heute Morgen das wichtigste Thema in der deutschen Automobilindustrie. Ist der Schwenk der Chinesen richtig oder falsch? Das wollte ich von Wolfgang Reitzle wissen, dem ehemaligen Topmanager von BMW und Ford und heutigem Aufsichtsratschef von Linde. Im Gespräch für den Morning Briefing Podcast sagt er:
Die Entscheidung ist absolut richtig. China hat im Gegensatz zu Europa erkannt, dass E-Mobilität nur dann einen positiven Beitrag fürs Klima leisten kann, wenn CO2-freier Strom zur Verfügung steht. China wird aber noch sehr lange Strom aus fossiler Energie herstellen. Also macht ein Elektroauto allenfalls Sinn, um die Emissionsbelastung in Großstädten zu verbessern, nicht aber zur globalen CO2-Reduzierung.
Niemand wird auf absehbare Zeit mit E-Autos Geld verdienen. Und dauerhafte Subventionen machen keinen Sinn.
© PrivatWir in Europa befinden uns in einer Art Einbahnstraßen-Tunnel. Die Politiker geben uns die Technologie vor, mit der sie glauben, uns beglücken zu müssen.
Aber wie schauen die Experten der grünen Partei auf diese Entwicklung? Darüber habe ich mit Alexander Müller für den Morning Briefing Podcast gesprochen, dem ehemaligen Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium und heutigem Geschäftspartner von Klaus Töpfer. Er sagt:
Der Antriebsstrang der Zukunft wird vielfältig sein. Auf kurze Distanzen batteriebetriebene Elektromobilität, auf längere Distanzen Wasserstoff. Es wird andere Antriebsformen geben, die aber eines gemeinsam haben: Sie werden sehr emissionsarm oder CO2-frei sein müssen.
Fazit: Der ehemalige Automanager Wolfgang Reitzle und der Grüne Alex Müller begrüßen die Technologieoffenheit der Chinesen - was eine neue Chance für die Brennstoffzelle bedeutet. Die einseitige Fixierung auf die batteriebetriebene Elektromobilität erscheint ihnen ein strategischer Fehler. Europa bitte aufwachen!
Abschiede fallen nie leicht. Deshalb will Joe Kaeser seinen am liebsten auch verschieben. Zum „Spiegel“-Gespräch tauchte er mit seinem Stellvertreter Roland Busch auf, aber nur um deutlich zu machen, wer Herr im Hause ist.
Es gibt zwei Stellen im Interview, die den schwierigen Übergang vom einen zum anderen Top-Manager illuminieren.
Szene 1: Der „Spiegel“ fragt:
Herr Kaeser, der Kanzlerin wird vorgeworfen, sie habe den optimalen Zeitpunkt für ihren Abschied verpasst und blockiere einen überfälligen Neuanfang in Berlin. Sie kennen sie gut, waren oft mit ihr unterwegs. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Kaeser:
Das fängt ja gut an. Es gibts nichts Schlimmeres als unerbetene Ratschläge. Deshalb halte ich mich hier mit Kanzlerratschlägen zurück.
„Spiegel“:
Sie selbst befinden sich ja in einer ähnlichen Situation.
Kaeser:
Ich habe die Anspielung durchaus verstanden.
„Spiegel“:
© dpaUmso besser.
In Szene 2 muss Roland Busch, dessen Gesprächsanteil in dem Interview derart klein ist, dass man denkt, er sei entschlummert oder habe das Büro verlassen, miterleben, wie Kaeser sich konsequent weigert, den Zeitpunkt seines Ausscheidens zu bestätigen. Der „Spiegel“:
Dann steht also fest, dass Sie Ende Januar 2021 die Führung abgeben? Es hieß zwischendurch ja, Sie würden gerne noch mal verlängern.
Kaeser:
Fest steht, dass der Aufsichtsrat im Sommer 2020 darüber entscheidet.
Fazit: Will Roland Busch nicht als Prinz Charles von Siemens enden, ist er auf die Mithilfe des Aufsichtsrates dringend angewiesen. Von allein gibt einer wie Kaeser das Chefbüro niemals frei. Michel de Montaigne hat es geahnt: „Beim Abschied wird die Zuneigung zu den Dingen, die uns lieb sind, immer noch ein wenig wärmer.“
PR-Wirbel um Greta Thunberg. Via Twitter verbreitete sie ein Bild, das sie mit ihren gepackten Taschen auf dem Boden zwischen den Waggons eines Zuges zeigt: das Leiden der jungen Greta. Ihr Zug sei „überfüllt“ gewesen, teilte sie ihren 3,6 Millionen Followern mit.
Das war die Wahrheit, aber nur die halbe. Wenig später saß die Klimaaktivistin – umrahmt von ihrem Team – auf einem für sie reservierten Sitzplatz in der 1. Klasse. Diese Bilder allerdings sah ihr Publikum nie.
Verantwortlich für beide Wahrheiten – die der Chaos-Bahn, die wir hassen, und die der Komfort-Beförderung, die wir lieben – ist Vorstandsmitglied Ronald Pofalla. Der ehemalige Kanzleramtsminister hat gute Chancen, bald Vorstandschef der Deutschen Bahn AG zu werden. Schon heute ist er für deren Herzstück verantwortlich, das 33.400 Kilometer lange Schienennetz, über das täglich rund 500.000 Reisende transportiert werden.
Im Morning Briefing Podcast hat mein Kollege Michael Bröcker ihn nach allen Regeln der Kunst befragt, zum Beispiel nach seinen Ambitionen auf den Konzernvorsitz:
Die Frage stellt sich nicht. Richard Lutz ist und bleibt Bahnchef.
Auch über den Materialverschleiß der letzten Jahre und wie er behoben werden soll, haben die beiden gesprochen. Pofalla sagt:
Im kommenden Jahrzehnt machen wir die größte Investitionsoffensive, die die Schiene jemals in ihrer 180-jährigen Geschichte gesehen hat. Wir werden 170 Milliarden Euro bis 2030 in das Netz investieren, um es moderner, widerstandsfähiger und digitaler zu machen.
Den Handy-Telefonierern, die immer wieder ins Funkloch plumpsen, verspricht er die Linderung ihres Leidens:
Wir wollen bis Ende 2023 kein Funkloch mehr in einem Fernverkehrszug. Die Telekommunikationsunternehmen sind verpflichtet, die Versorgung von der technischen Seite sicherzustellen.
Wenn es mal nicht so läuft, weiß Pofalla warum:
Wir fahren an eineinhalb Tagen mehr Menschen im gesamten Schienenverkehr als im gesamten Flugverkehr an 365 Tagen im Jahr unterwegs sind. Dieses System ist extrem komplex.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat demnächst einen Gastauftritt beim „Tatort“. Er spielt sich der Einfachheit halber selbst. In der Szene – der brutalen NRW-Gegenwart abgelauscht – hält Laschet eine Ansprache an eine Gruppe von Kommissaren, die eine Mordserie in Nordrhein-Westfalen aufklären sollen. Die Folge „Das Team“ wird am 1. Januar 2020 ausgestrahlt.
Der Christdemokrat ist zwar nur rund zweieinhalb Minuten in Aktion. Doch Laschet weiß die TV-Präsenz zu schätzen: jede Sekunde ein politisches Himmelreich. Im Schnitt schalten beim beliebtesten Tatort, dem aus Münster, rund 12 Millionen Zuschauer ein. Diese Zahlen erreichen im Regelbetrieb die Talkshow-Königinnen Anne Will und Maybrit Illner, sowie die männlichen Matadore Frank Plasberg und Markus Lanz zwar auch, aber gemeinsam.
© dpaSchon Gerhard Schröder und Guido Westerwelle setzten auf die Reichweite der TV-Unterhaltung. Ministerpräsident Schröder trat 1998 in der RTL-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ auf, FDP-Generalsekretär Westerwelle 2000 im Reality-TV-Format „Big Brother“.
Der Sozialdemokrat wurde wenige Wochen später Bundeskanzler, Westerwelle rückte ein Jahr danach an die Spitze seiner Partei, die ihn schließlich zum Vize-Kanzler und Außenminister beförderte. Damit liegt die Latte für Laschet da, wo sie hingehört: hoch.
Ich wünsche ihm und Ihnen einen heiteren Start in diese vorweihnachtliche Woche. Lassen Sie sich nicht stressen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr