Conti-AR-Chef Wolfgang Reitzle im Interview

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Guten Morgen,

wenn die Automobilindustrie hustet, bekommt Deutschland Fieber. Deshalb ist es durchaus von politischer Brisanz, was sich derzeit in unseren Autofabriken und deren Zulieferfirmen tut. Die deutsche Schlüsselindustrie erlebt eine multiple Krise, weil sie Digitalisierung und Elektrifizierung unter den Bedingungen einer weltweiten Pandemie vorantreiben muss. Die Manager löschen das Haus, derweil sie es neu bauen.

Alle Großen der Branche warten in diesen Tagen mit schwierigen Zahlen auf:

  • Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller sagt:

Wir erleben einen massiven Einbruch, der deutlich größer ist als in der Finanzkrise.

  • Der Volkswagen-Konzern war im ersten Halbjahr tief in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich stand ein Verlust von etwas mehr als einer Milliarde Euro. Im Vorjahreszeitraum konnte man einen Gewinn von rund 9,6 Milliarden erzielen.

  • Daimler fuhr im zweiten Quartal einen Verlust vor Zinsen und Steuern von 1,68 Milliarden Euro ein. Der Vorstand wird in den kommenden Jahren bis zu 20.000 Stellen streichen.

 © dpa
  • Ein Blick auf die weltweiten Verkaufszahlen von Mercedes-Benz und anderen großen deutschen Autobauern in den Jahren 2019 und 2020 zeigt die Misere einer ganzen Branche:

Eine Infografik mit dem Titel: Der Corona-Schock

Weltweiter PKW-Absatz von Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes-Benz in den Jahren 2019 und 2020*, in Millionen

  • Zum ersten Mal seit elf Jahren schreibt BMW wieder rote Zahlen. Unter dem Strich stand im zweiten Quartal ein Verlust von 212 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr erwartet BMW einen Autoabsatz und einen Vorsteuergewinn deutlich unter Vorjahr.

  • Am Beispiel der amerikanischen Ford Motor Company kann man studieren, dass die Probleme schon vor Corona begonnen haben.

Eine Infografik mit dem Titel: Ford in der Krise

Nettoeinkommen der Ford-Motor-Company in ausgewählten Jahren, in Millionen US-Dollar

Auch bei der Continental AG läuft es nicht rund. Der Autozulieferer gab gestern nach seiner Aufsichtsratssitzung umfassende Schließungspläne bekannt.

  • Das Reifenwerk in Aachen wird Ende 2021 aufgegeben, der Standort für Automobilelektronik im hessischen Karben bis Ende 2024.

  • Die Werksschließungen sind Teil eines verschärften Sparkurses. Unter dem Druck des Strukturwandels in der Autoindustrie und der Corona-Absatzkrise will Conti insgesamt weltweit 30.000 Stellen abbauen, davon 13.000 in Deutschland.

Die Gewerkschaft tobt, auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ist auf der Palme. Er spricht von einem „kalten Kapitalismus“. An die Adresse der Verantwortlichen sagt er:

Ist es wirklich euer Ernst, alle eure Gesprächspartner so zu brüskieren und einfach ein Werk zu schließen?

Wolfgang Reitzle © imago

Was also sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Reitzle zu den gestern unter seiner Führung gefassten Beschlüssen? Um das herauszufinden, habe ich ihn für den Morning Briefing Podcast angerufen. Reitzle zeigt einmal mehr: Er beherrscht das Offensivspiel - und weist den Politikern eine nicht unerhebliche Mitverantwortung am Zustand der Automobilindustrie zu:

Man zerstört politisch die Autoindustrie, die noch immer 99 Prozent ihrer Wertschöpfung durch Autos mit Verbrennungsmotor generiert. Man treibt Hersteller und Kunden zu früh in die noch nicht wirklich marktreife E-Mobilität. Ergebnis: Wir müssen Fabriken schließen und Arbeitsplätze abbauen.

Die Gründe dafür erklärt er folgendermaßen:

Grund Nummer eins:

Wir hatten zehn Jahre Boom. Mitte 2018 ging es schon leicht bergab, 2019 kam dann die starke Rezession der Weltautoindustrie. Wir kommen von 95 Millionen Einheiten und werden dieses Jahr bei 70 Millionen landen. Das sind knapp 30 Prozent weniger, das kann kein Industrieunternehmen ohne Kostenanpassung verkraften.

Grund Nummer zwei:

Ab März kam Corona dazu, und dann haben wir die Abgasgesetzgebung, die erzwingt geradezu einen Break. Und dann kommen die Politiker und diffamieren noch obendrauf den Verbrenner unnötig früh, sodass uns einfach die Anpassungszeit fehlt.

Die Aufregung, auch die des Landesvaters, kann er verstehen. Die Werksschließung, insbesondere die im Laschet-Wahlkreis Aachen, kam für Außenstehende zu abrupt. Reitzle sagt:

Da hat Conti nicht gut kommuniziert. Das haben wir so überraschend verkündet, dass daraus resultierend viele Emotionen kamen. Den Schuh ziehen wir uns an.

Die Frage, ob es eine Zukunftsvision für Continental gibt, beantwortet er mit Ja:

Wir müssen diese bitteren Entscheidungen treffen, denn wir haben ein großes Offensiv-Programm in der Pipeline. Um dieses finanzieren zu können, können wir uns nicht den Ballast von Kosten leisten, die unnötig mitgeschleppt werden. Wir müssen diese Kapazitätsanpassungen vornehmen, um danach ein Offensivspiel betreiben zu können.

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Fazit: Dieses Klartext-Interview liefert die Fakten zu einer unbequemen Entscheidung. Die davon betroffenen Arbeitnehmer und Politiker müssen die Argumente nicht teilen, aber sie sollten sie kennen.

Christian Sewing © dpa

Kontraktion und Fusion sind siamesische Zwillinge: Wenn die Geschäftsmodelle einer Branche im hinteren Drittel ihres Lebenszyklus angelangt sind, rücken Kosteneffizienz, Synergieeffekte und schließlich auch die Verschmelzung mit bisherigen Konkurrenten ins Zentrum des Geschehens.

Überall in Europa wird hinter den Kulissen analysiert und kalkuliert, was der Zusammenschluss mit wem an Kostenersparnis und Marktanteil bringen würde. So denkt auch Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing über eine Fusion nach – wenn auch erst mit Blick auf das übernächste Jahr. Bei einer Strategie-Sitzung des Aufsichtsrats sagte Sewing, eine Großfusion mit einem Wettbewerber sei vor 2022 kein Thema für seinen Konzern. Im kommenden Jahr werde das Geldinstitut noch mit seinem Umbau beschäftigt sein.

Manfred Knof © imago

Der neue CEO der kriselnden Commerzbank, Manfred Knof, kommt von der Deutschen Bank. Sein Ziel ist klar: Sparen, um das Unternehmen fit zu machen. Auch fit für eine deutsche Fusionslösung, die von Bankenaufsicht und Politik durchaus gewollt wird.

Fazit: Der Tag X rückt näher. Das vor Jahren noch Undenkbare beginnt damit, dass es einer denkt. Wenn zwei es denken, ist es bis zum Vollzug nicht mehr weit.

Donald Trump und Joe Biden © dpa

Das erste TV-Duell von US-Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden bleibt als die chaotischste Debatte aller Zeiten in Erinnerung. Auch bei den Wählern kam die verbale Wirtshausschlägerei nicht gut an: 69 Prozent sagten in einer Blitzumfrage des Senders CBS, das Streitgespräch habe sie vor allem genervt.

Eine Infografik mit dem Titel: Genervte Zuschauer

Umfrage über Zuschauerreaktionen auf die erste Trump-Biden-Debatte, in Prozent

Insgesamt sagten 48 Prozent der Befragten, dass Biden das TV-Duell gewonnen habe. 41 Prozent sahen Trump vorn:

Eine Infografik mit dem Titel: Biden schlägt Trump

Umfrage über Ausgang der ersten Trump-Biden-Debatte, in Prozent

Trump erklärte sich nach der Debatte zum Sieger:

Wir haben die Debatte gestern Abend nach jedem Maßstab mühelos gewonnen. Ich denke, dass er sehr schwach war. Er sah schwach aus, er jammerte.

Biden sprach dagegen von einer „nationalen Peinlichkeit“.

Die aus dem Ruder gelaufene Debatte hat die TV-Sender dazu veranlasst, das Reglement zu ändern: Die nächsten beiden Rededuelle am 15. und 22. Oktober werden zu anderen Konditionen stattfinden. Es werde neue Mittel geben, um für Ordnung zu sorgen, teilte die Kommission für Präsidentschaftsdebatten mit. Welche dies sein sollen, werde man in Kürze verkünden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP ist im Gespräch, dass der Moderator die Möglichkeit bekommen soll, die Mikrofone abzuschalten.

Wolfgang Kubicki © dpa

Wolfgang Kubicki hat die Zeit des Lockdowns genutzt und ein Buch geschrieben. Es heißt „Meinungsunfreiheit. Das gefährliche Spiel mit der Demokratie“ und handelt von der Frage, ob und inwieweit diese gegenwärtig in Deutschland noch garantiert ist. „Rechtlich schon“, sagt der Rechtsanwalt im Gespräch, das ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker mit ihm für den Morning Briefing Podcast geführt hat.

Auf die Frage, ob die Meinungsfreiheit in diesem Land nicht mehr uneingeschränkt gegeben sei, antwortet der Bundestagsvizepräsident:

Ich habe festgestellt, dass gesellschaftliche Sanktionsmechanismen greifen, wenn Menschen unkontrolliert ihre Meinung frei äußern. Das kann bis zur Existenzvernichtung gehen.

Wolfgang Kubicki © Anne Hufnagl

70 Prozent der Deutschen glauben, sie können ihre Meinung nicht mehr frei äußern. 40 Prozent glauben sogar, dass sie berufliche Nachteile erleiden, wenn sie sich gegen das Gendersternchen aussprechen. Das ist ein besorgniserregendes Zeichen für eine Demokratie.

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Die Höhepunkte dieses brisanten Gesprächs hören Sie heute Morgen im Podcast. Das ganze Interview gibt es auf ThePioneer.de.

Mia Florentine Weiss © Credit: Markus C. Hurek

Auch die Performance-Künstlerin Mia Florentine Weiss kennt die gezielte Verengung der Diskursräume. Sie hat sich während der Veranstaltung „Floating Art“ an Bord der PioneerOne dazu wie folgt geäußert:

Ich kenne mittlerweile viele Menschen, die Angst haben, ihre Meinung zu äußern, die Angst haben vor Diffamierung.

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Das wäre der Tod der Demokratie, wenn wir uns nicht mehr unsere gegenteilige Meinung sagen.

Diese Vernichtungskultur muss aufhören.

Die Debatte ist eröffnet. Was denken Sie? Haben sich die Räume des Sagbaren verengt? Oder hat durch diese Spracherziehung der öffentliche Diskurs an Ressentiment verloren und an Qualität gewonnen? Ihre Meinung dazu würde mich interessieren: morning-briefing@mediapioneer.com

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Es ist eine historische Idee. Erstmals hat die Bundesregierung zu einem Hackathon eingeladen, einer Art digitalem Brainstorming mit den Bürgern. Die Frage: Wie können Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im digitalen Zeitalter besser miteinander kommunizieren? 28.000 Teilnehmer aus Kultur, Wirtschaft und Politik machten mit, heute präsentieren Kanzleramtschef Helge Braun, Bildungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) und Digital-Staatsministerin Dorothee Bär 143 konkrete Ideen für die „neue Normalität“ in Corona-Zeiten (Ab 10 Uhr live unter https://wirvsvirus.org/finale).

Zwei Initiatoren, der Innovationsbeauftragte des Saarlands, Ammar Alkassar und der Gründer der Innovationsplattform Project Together, Philipp von der Wippel, haben exklusiv für unsere Pioneers einige dieser konkreten Lernerfahrungen aufgeschrieben. Ihr Ziel ist ein zukunftsfähiger Staat, der zugleich ein Bürger-zentrierter Staat ist.

Den Beitrag dieser Experten können Sie auf thepioneer.de lesen!

Friedrich Merz © dpa

Das Leben des Friedrich Merz ist derzeit kein leichtes. Da der Kandidat für die Kandidatur um den CDU-Vorsitz immer wieder durch Äußerungen auffällt, die von den einen als traditionell und von den anderen als antiquiert empfunden werden, tut er sich bei der politischen Partnersuche schwer.

Gern würde er sich bei der geplanten Vorstellung seines Buches „Neue Zeit. Neue Verantwortung. Demokratie und soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert“ mit einer Frau auf der Bühne zeigen, am liebsten einer Frau, die jung, modern und digital ist.

Verena Pausder © dpa

Verena Pausder, serielle Gründerin und Bestsellerautorin, war seine erste Wahl. Merz hat sie deshalb auch gefragt. Sie hat ihm einen Korb gegeben. Das Suchprofil bleibt. Die Suche geht weiter. Bewerbungen für die Buchpräsentation nimmt der Ullstein Verlag dankbar entgegen.

Markus Söder © dpa

Zwei, die sich bei der politischen Partnersuche leichter getan haben, sind Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und NRW-Regierungschef Armin Laschet. Der CSU-Chef war gestern in Berlin, um die Laschet-Biografie „Der Machtmenschliche“ vorzustellen. Er habe das im Vorfeld mit seinem Amtskollegen besprochen, sagte Söder. Dieser habe ihm mit auf den Weg gegeben:

Ich soll halt auch was Gutes sagen.

Am Anfang der Corona-Krise hat es mit den beiden nicht so richtig geklappt. Im Kampf um den CDU-Vorsitz freute dies vor allem die Konkurrenten. Söder begriff: Jeder Angriff auf Laschet ist ein Punkt für Merz.

Die Annäherung an Laschet sei ihm nicht leicht gefallen, gibt Söder zu: Laschet habe nicht den Eindruck erweckt, „Mitglied im Fanclub der CSU zu sein“. Man habe sich nur langsam bis auf das Du angenähert.

Das scheint sich ausgezahlt zu haben. Denn: Beide Politiker stellen die Biografie des jeweils anderen vor. In ein paar Wochen folgt Laschet, der dann die Neuauflage einer Söder-Biografie präsentieren wird.

Ein besonderer, wenn auch unausgesprochener Dank gilt Friedrich Merz. Er bildet zwar nicht, wie er irrtümlich glaubte, das Gravitationszentrum der Union, wohl aber die Schweißnaht zwischen CSU und CDU.

Ich wünsche Ihnen einen unbeschwerten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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