die weltweite Corona-Angst ist die womöglich größte Massenhysterie der Moderne – ausgelöst von den „Bakterienschwärmen neuer Medien“, um das Wort von Botho Strauß zu benutzen. Die Diagnose des Präsidenten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, im Morning Briefing Podcast fällt jedenfalls ganz ähnlich aus:
Das ist eher eine mediale Infektion als eine medizinische.
Dass die Leute draußen zu Tausenden mit Masken herumlaufen, die ohnehin sinnfrei sind, ist bemerkenswert.
Botho Strauß hatte die Bildung einer gegen Einwände resistenten Weltenmeinung in „Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit“ präzise vorhergesagt. Es bilde sich in postmoderner Zeit eine „feste, kieselharte Förmlichkeit des aufeinander abgestimmten Sprechens, die jeden einzelnen vom eigenen (schärferen) Bewusstsein abschirmt. Unüberwältig sprechen sie. Was sie überwältigen müßte, dringt nicht durch Zeit und Kleid.“
In der Corona-Krise können Politiker spüren, wohin das Leben in der Filterblase medial überzeichneter Ängste führt: Wer jetzt noch relativiert, hat verloren. Was sich Aufklärung nennt, dient in Wahrheit nur der Bekanntmachung von Bekanntem („Händewaschen, aber bitte mit Seife!“) und der Überhöhung des bereits Überhöhten. Das Virus aus dem Jurassic Park unserer verstorbenen Ängste stapft als neugeborener T-Rex durch die Städte: instinktgesteuert und surreal.
© dpaDas Volk will jetzt nicht vernünftig, nur ausgelassen geängstigt sein. Die neuzeitliche Furcht ist nicht medizinisch, sondern demokratisch legitimiert: Meine Angst gehört mir.
Selbst die altehrwürdige „FAZ“ hat offenbar den Verstand verloren: „Die Risikoqualität des Coronavirus ist vergleichbar mit Terroranschlägen“, heißt es heute auf ihrer Webseite. Nur noch gedämpft dringen die Experten der Institute und Hospitäler an unser Ohr:
„Das Ganze ist nicht so ansteckend wie Influenza oder Masern“, sagt Alexander Kekulé von der Uni Halle-Wittenberg.
„Man muss sich keine großen Sorgen machen. Wenn man gesund ist, kann man das sehr gut wegstecken“, ergänzt Hendrik Streek, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn.
„Wir haben keine medizinische Lage, wir haben eine politische Lage“, mahnt Jörg Brokmann, Leiter der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Aachen.
© dpaDie ökonomischen Schäden gehen mittlerweile in die Milliarden, nachdem Fluglinien, Kongress-Veranstalter und Kinoketten glauben, die Kundschaft vor sich selbst schützen zu müssen. Die OECD prophezeit: ► Bei einer weiteren Ausbreitung könnte die Eurozone im laufenden Jahr in eine Rezession rutschen. ► Für Deutschland wird ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,3 Prozent angenommen, das sind 0,1 Punkte weniger als noch im November.
Die Furcht manifestiert sich bereits in den Auftragsbüchern: Jedes zweite Unternehmen in Deutschland erwartet in diesem Jahr dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag zufolge einen Umsatzrückgang. Der erste deutsche Staatsbürger, der nachweislich an der Lungenerkrankung gestorben ist (ein 60-jähriger Ägyptentourist starb gestern vor Ort), bekommt zum Requiem eine Wirtschaftskrise.
Der Verweis auf die Hitparade der großen Lebensgefährder – als da wären Fettleibigkeit, Nikotinsucht und die Teilnahme am Roulette der Mobilisten, das sich verharmlosend Straßenverkehr nennt – kommt nicht gut an. Schlimmer noch als der Klimaleugner ist der Corona-Verharmloser. Die Tatsache, dass mehr Menschen bei Unfällen in den eigenen vier Wänden von der Leiter purzeln oder durch eine Schlange zu Tode gebissen werden, kann in der Stunde des emotionalen Aufruhrs nicht überzeugen.
Auch der Verweis auf die steigenden „sexually transmitted diseases“, also jene Infektionskrankheiten, die – trotz öffentlicher Anleitung zum safer sex – in Gestalt von Tripper (Gonorrhö), HIV, Syphilis (Lues) und Herpes genitalis die Runde machen, gilt als ungebührlich. Nach Schätzungen der Gesundheitsbehörden kommen 10.000 deutsche Fernreisende pro Jahr mit einer Geschlechtskrankheit zurück – das entspricht dem Elffachen der hierzulande vom Coronavirus infizierten Menschen. Und trotz einer strengen staatlichen Meldepflicht werden diese Infektionen laut Auskunft der Behörden dem Gesundheitssystem verschwiegen. Es spricht sich eben leichter über den Fischmarkt von Wuhan als über das Bordell in Bangkok.
© dpaJeder Unfug ist recht, der Psychose einen Superlativ zu verschaffen, den sie nicht verdient. So weisen verschieden Medien darauf hin, dass die Corona-Epidemie die Schwachstellen der Globalisierung offenlege, weil über die heutigen Handelsrouten eben nicht nur Waren und Dienstleistungen, sondern auch Viren getauscht würden.
Was plausibel klingt, hält der historischen Überprüfung nicht stand. Die Infektionskrankheiten des Mittelalters, von Typhus über Malaria bis zur Pest, verwüsteten ganze Landstriche und übersprangen mühelos die Grenzen der Nationalstaaten. 25 Millionen Tote in Europa waren das Resultat der Pest, auch „schwarzer Tod“ genannt.
Erst die Globalisierung, mit dem weltweiten Austausch der Forscher, der Fähigkeit zum Erkennen und Unterbrechen von Infektionsketten sowie einem pharmazeutischen Weltwissen, das Heilung verspricht, sorgt dafür, dass aus dem medialen Drama nicht millionenfach ein menschliches wird. Die Globalisierung ist eine Falle – aber nicht für den Menschen, nur für das Virus. Oder um es mit Karl Kraus zu sagen: „Den Leuten ein X für ein U vormachen – wo ist die Zeitung, die diesen Druckfehler zugibt?“
Über das Virus und die medialen Übertreibungen habe ich im Morning Briefing Podcast mit Dr. Andreas Gassen gesprochen . Der Präsident der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sagt:
Man muss sich schon die Frage stellen, ob ein Stillstand des öffentlichen Lebens in weiten Teilen die angemessene Reaktion ist.
Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel hat nach dem Ende seiner politischen Laufbahn – er diente dem Land als Umwelt-, Wirtschafts- und Außenminister – ein zweites Leben gestartet. Er ist Publizist, Vorsitzender der Atlantik-Brücke und demnächst soll er einen Aufsichtsratsposten bei der Deutschen Bank übernehmen.
Nun hat Gabriel ein neues Buch veröffentlicht: „Mehr Mut!“ lautet der Titel. Im Morning Briefing Podcast sprechen wir über Zukunftsangst und den Abschied von der Aufstiegsgesellschaften der 70er- und 80er-Jahre:
Ich sehne mich manchmal nach diesem Hoffnungsüberschuss zurück, weil man heute eher einen Angstüberschuss erlebt.
Über die Disruption in unserer Gesellschaft sagt Gabriel:
Was fehlt, ist eine politische Erklärung dessen, was passiert, also das, was wir Leadership nennen.
© dpaDeutschland ist über die vergangenen Jahre ein Auenland geworden, erst mit der Flüchtlingskrise 2015 sind wir aufgewacht. Deswegen ist der Begriff ,Mutti' für Angela Merkel auch so gefährlich. Wir haben alles übertragen an Verantwortung auf Mutti, die macht das schon, das hat uns entpolitisiert. Und auf einmal stellen wir fest: Das Auenland ist gar nicht so sicher, wie wir dachten.
Die Krise seiner Partei schätzt Gabriel wie folgt ein:
Es wäre bitter für mich, wenn die Sozialdemokratie nach 160 Jahren marginalisiert würde. Aber es wäre noch kein wirkliches Problem für die Demokratie selbst, weil Parteien ja keine Existenzgarantien besitzen.
Das gesamte Gespräch mit Sigmar Gabriel hören Sie – wenn Sie mögen – am Samstag in einem Morning Briefing Podcast-Spezial.
Das Fundament der deutschen Wirtschaft ist porös geworden. Die Familienunternehmen, die 90 Prozent aller Unternehmen ausmachen und fast 60 Prozent aller Arbeitnehmer im Land beschäftigen, sorgen sich. Der wirtschaftliche Abstieg des Kontinents ist zur Gewissheit geworden.
Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Familienunternehmen stellt heute in Berlin seinen Jahresbericht vor, der dem Morning Briefing-Team bereits vorliegt. Im Kern haben die Experten, darunter Ifo-Chef Clemens Fuest, Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio und der Kieler Professor Gabriel Felbermayr fünf Therapiefelder identifiziert:
► Die EU müsse als Handelspartner ambitionierter auftreten, wenn sie im Vergleich zu den globalen Wirtschaftsmächten USA und China bestehen wolle. Interessenpolitik sei kein Schimpfwort, sondern Bedingung für Wohlstand, sagen die Autoren.
► Europa müsse sich vor allem gegenüber China dominanter verhalten. Den Zugang zum EU-Binnenmarkt sollte man für chinesische Unternehmen an die beiderseitige Marktöffnung knüpfen. Der EU-Binnenmarkt sei „das Kronjuwel der europäischen Integration“, schreiben die Forscher, der Zugang zu diesem Markt der wichtigste Trumpf bei Verhandlungen.
© imago► Grenzüberschreitende Hemmnisse behindern die Wettbewerbsfähigkeit Europas, sagen die Forscher. Sie lehnen deshalb einen europäischen Mindestlohn ab und fordern ein Investitionspaket für grenzüberschreitende Infrastruktur-Programme.
► Die digitale Transformation sollte ermöglicht werden - auch durch eine Neupositionierung beim Thema Datenschutz. „Es geht darum, wieweit der Datenschutz konzeptionell neu gedacht werden muss, wenn man amerikanischen Plattformen leistungsfähige Innovationen entgegensetzen und dabei auf intelligente Art die Autonomie der Nutzer und ihre Persönlichkeitsrechte wirksam schützen will.“
► Steuern und Abgaben runter, Renteneintrittsalter rauf, empfiehlt der Beirat. Die dramatisch alternde Bevölkerung und der Fachkräftemangel schnüren „old europe“ vom Wachstum ab. Seit 1965 sei der Rentenbeginn von 61 auf 64 Jahre bis 2017 gestiegen, während sich im selben Zeitraum die durchschnittliche Rentenbezugsdauer fast verdoppelt habe. So könne es nicht weitergehen.
Fazit: Bleibt dieser Weckruf ungehört, verschläft Europa seine Zukunft. Die deutschen Familienunternehmen sind keine Alarmisten, sondern Realisten.
Ich halte es für relativ wahrscheinlich, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland steigen wird. Es werden Menschen ihren Job verlieren, es wird weniger Einkommen da sein.
So sprach gestern Abend der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, bei „Anne Will“ . Das Verrückte ist: Der Mann hat wahrscheinlich recht. Das Coronavirus hat spürbare ökonomische Auswirkungen. Um diese zu besprechen, hat gestern Abend die Kanzlerin die Spitzen der Koalition zu sich gebeten. Im Bundeskanzleramt sind die Lichter erst am frühen Morgen ausgeschaltet worden. Sieben Stunden haben die Spitzen der Koalition zusammengesessen. In einem Rutsch beschloss man, was man schon längst hätte beschließen können: mehr Investitionen für ein Land, das von der Substanz lebt. Jetzt also geht’s plötzlich, zusätzliche 140 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. Bravo! Von 2021 bis 2024 sollen jetzt jedes Jahr 3,1 Milliarden Euro zusätzlich ausgegeben werden. Der größte Teil davon fließt in Straßenbauprojekte, aber nicht nur: ► Geld soll auch in den sozialen Wohnungsbau gesteckt werden. ► Die Kurzarbeitergeld-Regelungen werden vereinfacht, Planungsverfahren beschleunigt. ► Der Ausbau der digitalen Infrastruktur wird intensiviert. Corona kommt, die Funklöcher verschwinden. Die einen sagen: Das ist verrückt. Die anderen sagen: Das ist Politik. Und beide haben recht.
Die drei Kandidaten im Kampf um die CDU-Spitze liefern sich vor allem in der Flüchtlingsfrage einen offen ausgetragenen Richtungsstreit.
© imagoFriedrich Merz gab im Radio von „MDR Aktuell“ in der vergangenen Woche den Hardliner. An die Flüchtlinge gewandt sagte er:
© imagoEs hat keinen Sinn, nach Deutschland zu kommen. Wir können euch hier nicht aufnehmen.
Norbert Röttgen hält heute im „Handelsblatt“ dagegen :
© Marco UrbanDiese Aussage ist doppelt falsch, im Ton und in der Sache. Wir haben im Grundgesetz ein Asylversprechen verankert, dass wir diejenigen aufnehmen, die verfolgt werden. Der Ton ist falsch, weil er nicht die Empathie ausdrückt, die wir haben, wenn Menschen vor Bomben fliehen.
Der dritte Kandidat im CDU-Machtkampf, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet, steht diesmal dichter bei Merz als bei Röttgen. Der „Berliner Morgenpost“ sagte er:
Es ist zwingend, dass wir das Prinzip aufrechterhalten, die europäischen Außengrenzen zu schützen, illegale Migration zu verhindern und humanitäre Hilfe im Herkunftsland leisten. Europa muss sich zeigen an der griechischen Grenze.
Jeder, der illegal die Grenze überschreitet, wird zurückgeführt.
Fazit: Auch daran kann man das Wetterleuchten vom Ende der Ära Merkel erkennen. In der CDU wird wieder diskutiert.
Ab sofort gibt es eine neue Möglichkeit, wie Sie den Morning Briefing Podcast hören können – nämlich mit dem Amazon Echo. In jedem zehnten deutschen Haushalt steht mittlerweile solch ein Smartspeaker, der über Sprachsteuerung funktioniert.
Was die App für das Smartphone ist, ist der Skill für den Smartspeaker. Unseren Skill „Steingarts Morning Briefing“, entwickelt mit der Agentur Wake Word, finden Sie für Ihre Alexa im Amazon-Verzeichnis .
Sie können aber auch direkt mit Ihrer Stimme das Programm aktivieren. Sagen Sie einfach: „Alexa, aktiviere Steingarts Morning Briefing“.
Auf Zuruf spielt Ihnen dann Alexa den aktuellen Podcast vor, lässt Sie im Archiv suchen – oder mir eine Nachricht schicken. Probieren Sie es einfach mal aus.
Es war ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer für die neue Medienmarke ThePioneer. Am Samstag hat das Medienschiff „PioneerOne“ die Werkshalle der Lux-Werft in Mondorf bei Bonn verlassen. Im Beisein der Familie Lux, ihrer beiden Geschäftsführer und des verantwortlichen Schiffbaumeisters Norbert Weber hat Chelsea Spieker eine Vortaufe durchgeführt: mit Taufspruch, Glockengeläut und dem Zertrümmern einer Champagnerflasche. Hier einige Impressionen des Tages:
© Media Pioneer © ThePioneer © ThePioneer © ThePioneer © ThePioneerIch wünsche Ihnen einen beschwingten Start in die neue Woche.
Es grüßt Sie herzlichst Ihr