Corona spaltet Arbeitsgesellschaft

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Guten Morgen,

die Corona-Krise wirkt nicht auf alle Menschen und Branchen in gleicher Weise depressiv. Wir haben an dieser Stelle häufig über die digitalen Gewinner gesprochen.

Auch der Staatsapparat profitiert, weil er bei Löhnen und Gehältern, beim Personalaufbau, in der Reputation und - das Wichtigste zum Schluss - bei der Höhe der Umverteilungsmasse enorm zulegt.

  • Zählte der öffentliche Dienst im Jahr 2019 rund 3,27 Millionen Vollzeit- und 1,6 Millionen Teilzeitbeschäftigte, sind es dieses Jahr noch 82.000 mehr.

  • Die Lohnsumme von Bund, Ländern und Kommunen wird nach den Tariferhöhungen und der Ausweitung der Stellenpläne 2021 ebenfalls steigen. Die Kosten für den Tarifabschluss im Oktober belaufen sich nach Angaben der kommunalen Arbeitgeber auf 4,9 Milliarden Euro. Auf den Bund kommen Belastungen von rund 1,2 Milliarden Euro zu.

Die zweite wichtige Gewinnergruppe sind die internationalen Investoren an den Kapitalmärkten. Angefeuert von der Geldflutungspolitik der Notenbanken und der exzessiven Ausgabenpolitik der Staaten, steigen derzeit an den Börsen die Leuchtraketen.

Eine Infografik mit dem Titel: Nasdaq: Der Aufstieg

Nasdaq-Verlauf in Punkten, Gewinn in Prozent

  • Seit Beginn der Pandemie im März hat der Technologieindex Nasdaq um 76,7 Prozent zugelegt.

  • Einzelne Firmen wie Amazon, Apple, Tesla und Alphabet haben ihre Aktionäre reich und glücklich gemacht. Der Kurs von Apple legte seitdem um 94,03 Prozent zu, der von Tesla sogar um 643,56 Prozent.

Im unteren Drittel der Beschäftigungspyramide allerdings richtet die Pandemie soziale Verwüstung an. Corona infiziert die Menschen und spaltet die Gesellschaft.

Walt Disney will sich zum ersten Halbjahr 2021 von rund 32.000 Menschen und somit 14 Prozent seiner Mitarbeiter trennen. Betroffen sind vor allem die Beschäftigten an Imbissbude, Riesenrad und Geisterbahn, sowie das dazugehörige Toiletten- und Aufsichtspersonal in den Freizeitparks. Disneyworld gleicht derzeit einer Geisterlandschaft.

 © dpa © dpa

Allein im zweiten Quartal dieses Jahres gingen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge rund 305 Millionen Vollzeitstellen weltweit verloren. Betroffen sind vor allem Tagelöhner, Leiharbeiter und Scheinselbständige, berichtet eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation. Das Einkommen dieser Menschen sei im weltweiten Durchschnitt um 60 Prozent eingebrochen, in Afrika und Lateinamerika sogar um mehr als 80 Prozent. ILO-Direktor Guy Ryder hält fest:

Für Millionen Arbeiter bedeutet kein Einkommen kein Essen, keine Sicherheit, keine Zukunft.

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Auch die kleinen Gewerbetreibenden und Millionen von Solo-Selbstständigen, also der flexibelste Teil der Arbeitsgesellschaft, der in den Boomjahren mit seiner Innovationskraft und Einsatzfreude das Wachstum der tradierten Industriegesellschaften enorm beförderte, ist nun in besonderer Weise negativ betroffen. Denn von den umfangreichen Staatshilfen, auch das ist interessant, profitieren vor allem Großkonzerne. Der vertraglich nicht fest gebundene Teil der Belegschaft wird - wo immer dies möglich ist - abgestoßen.

Fazit: So wird aus einer epidemiologischen Ausnahmesituation eine soziale Notlage, die je länger sie andauert nicht ohne politische Rückkopplung bleiben kann. Wer hastig von einem Lockdown in den nächsten stolpert, muss die dialektischen Folgen zumindest mitbedenken. Oder um es mit Karl Marx zu sagen:

Kein Mensch bekämpft die Freiheit. Er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen.

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Gestern ist der bei einem Anschlag getötete iranische Atomphysiker und Raketenexperte Mohsen Fachrisadeh in der Hauptstadt Teheran beigesetzt worden. Verteidigungsminister Amir Hatami sagte:

Unsere Feinde wissen, dass kein Verbrechen im Iran unbeantwortet und unbestraft bleiben wird.

Über die Details des Anschlags gibt es widersprüchliche Berichte:

  • Der Iran revidierte seine bisherige Darstellung der Tötung, wonach ein Lastwagen explodiert sei und mindestens sechs Angreifer das Feuer eröffnet hätten.

  • Nun meldet das Nachrichtenportal Al-Alam, es habe überhaupt keine Angreifer gegeben, der Anschlag sei mit einer in Israel hergestellten „satellitengesteuerten Waffe“ ausgeübt worden.

  • Israel, das seit langem vom Iran verdächtigt wird, im Laufe des vergangenen Jahrzehnts verschiedene Atomwissenschaftler der islamischen Republik getötet zu haben, lehnt einen Kommentar ab.

Fest steht: Fachrisadehs Ermordung hat das Potenzial, die Spannungen des Iran mit Israel und den USA eskalieren zu lassen. Die Absicht des designierten US-Präsidenten Biden, das 2018 von Trump gekündigte Atomabkommen mit dem Iran wiederzubeleben, ist durch die Vorgänge nicht weniger dringlich, aber weniger wahrscheinlich geworden.

Maike Kohl-Richter neben einer Fotografie des verstorbenen Altkanzlers.  © dpa

Ehre, wem Ehre gebührt. Bundeskanzler Helmut Kohl bekommt dreieinhalb Jahre nach seinem Tod eine eigene Stiftung. Fast drei Millionen Euro haben Union und SPD als erste Finanzierung für die Gründung der Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung vorgesehen. Kohl-Witwe Maike Kohl-Richter hat in Gesprächen mit der Führung der Unionsfraktion dem Ansinnen zugestimmt.

Die CDU hat sich entschieden. Sie traut sich nur eine kleine Rentenreform am Vorabend der Bundestagswahl zu. Ein Ausschuss von Fachpolitikern hat die radikalen Reformideen, zum Beispiel das klare Bekenntnis zu einer längeren Lebensarbeitszeit, aus dem Abschlusspapier gestrichen.

Die Absicht, mit Blick auf den demografischen Wandel den zukünftigen Anstieg von Versicherungsbeiträgen und Steuerzuschüssen zu deckeln, ist im Abschlussdokument stehen geblieben. Allerdings will die CDU den mit 32 Milliarden Euro umfassenden kapitalgedeckten Rentenfonds nun unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung ansiedeln, und es ist zunächst ein Prüfauftrag.

Auch die Erhöhung des Renteneintrittsalters soll es nun nicht mehr geben.

Fazit: Die zunächst beabsichtigte Rentenrevolution fällt aus.

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Mehr Infos gibt es hier: thepioneer.de/hauptstadt

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In der Union rumort es nicht nur, es rumst. Seit der öffentlich vorgetragenen Kritik von Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus an der Corona-Politik – zu halbherzig, zu teuer und durch das Parlament nicht ausreichend legitimiert – fliegen intern die Fetzen. „Welt“-Vize Robin Alexander beschreibt im Morning Briefing Podcast die interne Sitzung der CDU-Führung am Montag:

Es war der Tag der großen Retourkutsche. Volker Bouffier ging hinter verschlossenen Türen Brinkhaus direkt an. Er fühle sich persönlich betroffen, und dass Brinkhaus überhaupt keine Ahnung habe. Und hat dann gesagt: ,Wir werden uns Ihr Treiben nicht länger anschauen.’ Wenn er ,wir’ sagt, meint er die Ministerpräsidenten.

Zu den Gerüchten, Brinkhaus könnte womöglich als Überraschungskandidat bei den Wahlen zum CDU-Vorsitz auftauchen, sagt Robin Alexander:

Ich persönlich kann es mir noch nicht vorstellen. Aber es gefällt Brinkhaus, dass diese Debatte überhaupt läuft. Es reicht schon, wenn man als möglicher Kandidat genannt wird, um die eigenen Umfragewerte zu heben. Ralph Brinkhaus nimmt das gerne mit.

Die CDU-Fraktion in Sachsen-Anhalt sucht im Koalitionsstreit zum Rundfunkbeitrag nach einem Ausweg – eine Beitragserhöhung kommt für sie aber weiterhin nicht infrage. Die Fraktion arbeitet an einem Vorschlag, um Schaden von der schwarz-rot-grünen Koalition abzuwenden. Ziel soll weiter sein, dass der Staatsvertrag der Bundesländer, der eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags von monatlich 17,50 Euro auf 18,36 Euro zum 1. Januar 2021 vorsieht, nicht in Kraft tritt. Der Druck aus der Bundes-CDU und den anderen Ländern ist enorm, den Gebührenanstieg abzusegnen.

Eine ausführliche und kluge Kritik zur geplanten Erhöhung des Rundfunkbeitrags hat der Wettbewerbsforscher und Pioneer-Expert Prof. Justus Haucap geschrieben. Hier geht es zum Beitrag.

Wir brauchen kein öffentlich-rechtliches Vollprogramm!

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk will mehr Geld. Der Ökonom Justus Haucap weiß nicht, wofür.

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Veröffentlicht von Justus Haucap .

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Durch die Corona-Pandemie sind die Impfstoff-Hersteller zu einer Schlüsselindustrie aufgestiegen. Jedes Forschungsergebnis wird plötzlich zur heiß gehandelten Nachricht an den Finanzmärkten. Die aktuelle Lage heutige Morgen im Überblick:

  • Der US-Pharmakonzern Moderna hat als erstes Unternehmen die Zulassung für einen Corona-Impfstoff in der EU beantragt. Parallel dazu wurde eine Notfall-Zulassung bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA beantragt.

  • Gesundheitsminister Jens Spahn rechnet damit, dass bereits im Dezember ein erster Corona-Impfstoff zugelassen wird. „Massenimpfungen“ für die breite Bevölkerung werden nach seiner Einschätzung aber nicht vor dem nächsten Sommer möglich.

  • Dem aktuellen ZDF-„Politbarometer“ zufolge will sich jedoch nur gut die Hälfte der Bürger (51 Prozent) impfen lassen, 29 Prozent sind sich da noch nicht sicher und 20 Prozent wollen das definitiv nicht.

Eine Infografik mit dem Titel: Dax in Rekordlaune

Verlauf des deutschen Aktienindex im November 2020, in Punkten

  • Die Aussicht auf einen möglicherweise schon bald einsatzfähigen Corona-Impfstoff hat den Dax in die Höhe getrieben. Auch wenn der deutsche Leitindex gestern mit Minus 0,33 Prozent bei 13.291,16 Punkten schloss: Den Monat November beendete der Dax mit einem hohen Kursgewinn von 15 Prozent.

VW-Chef Herbert Diess © dpa

Der Führungsstreit bei VW spitzt sich weiter zu. In den nächsten Tagen dürfte über die Zukunft von Herbert Diess entschieden werden. Grund genug, bei Ferdinand Dudenhöffer anzurufen. Er ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, sein Steckenpferd ist die Automobilwirtschaft. Mit ihm habe ich im Morning Briefing Podcast über die aktuellen Probleme bei VW gesprochen:

Ich glaube, dass bei Volkswagen schon seit 50 Jahren die Unternehmensorganisation und -struktur nicht stimmen. Zwar hat man auf der Eigentümerseite eine Aktiengesellschaft, aber wenn man ehrlich ist, ist es fast ein staatseigenes Unternehmen. Die Gewerkschaft stellt durch die Mitbestimmung 50 Prozent der Stimme im Aufsichtsrat. Hinzu kommen 20 Prozent vom SPD-geführten Land Niedersachsen. Damit gibt es bei der Machtverteilung des Unternehmens keine ausgeglichene Balance.

Auf die Frage, ob VW den Aufbruch in die neue Zeit verpasst hat, sagt der Experte:

VW hatte schon immer eine eigene Kultur, eine eigene Philosophie. Aber genau das passt nicht mehr in dieses Internet-Digitalisierungs-Zeitalter, in dem wir leben. Die Dinge sind unendlich schnell geworden. Wenn man sieht, was für Berge Elon Musk in Grünheide bewegt, dann muss man wirklich sagen: Es wird Zeit, dass der Aufbruch bei VW beschleunigt wird.

Über die Rolle der Gewerkschaft sagt er:

VW muss internationaler werden, auch in seiner Denke, nicht nur in seinen Verkäufen.

Zu den Chancen des Vorstandschefs im Machtkampf mit der Gewerkschaft sagt er:

Der Vorstandschef ist machtlos - solange es ein VW-Gesetz gibt, das überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist. Solange die Politik glaubt, die nächsten Wahlen nur gewinnen zu können, wenn man seine schützende Hand über VW hält, solange wird es schiefgehen.

Fazit: Es geht in Wolfsburg um mehr als den Kopf eines Vorstandsvorsitzenden. Die Transformation zum weltweit führenden Elektro-Anbieter ist so nicht zu schaffen. Entweder die Gewerkschaft verliert ihren dominanten Einfluss oder VW verliert die Zukunft.

Janet Yellen © imago

Nun ist es offiziell: Die ehemalige Notenbankchefin Janet Yellen soll als erste Frau die Führung des US-Finanzministeriums übernehmen. Der künftige Präsident Joe Biden, 77, will Yellen, 74, zur Schlüsselfigur im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie machen. Außerdem dürfte ihr eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen mit China zufallen. Ein moderater Ton könnte hier nach den Eskapaden des scheidenden Präsidenten nicht schaden.

Bitcoin © imago

Die Digitalwährung Bitcoin hat in den vergangenen Wochen stark an Wert gewonnen. Allein seit Anfang Oktober hat sich der Wert der ältesten und bekanntesten Kryptowährung fast verdoppelt. Als Haupttriebfeder gilt das Vorhaben des Bezahldienstes Paypal, seinen Kunden künftig das Bezahlen mit Bitcoin zu ermöglichen.

Eine Infografik mit dem Titel: Bitcoin steigt auf Recordhoch

Währungskursentwicklung seit 2016, in US-Dollar

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Jogi Löw darf weitermachen: Der Trainer der Nationalelf, der seit mehr als 14 Jahren seiner heutigen Tätigkeit nachgeht, erhält vom Deutschen Fußball-Bund auch nach der geschichtsträchtigen 0:6-Niederlage in Spanien das Vertrauen. Er darf und soll die Nationalmannschaft bei der EM 2021 zum Erfolg führen. Der DFB teilte in schönstem SED-Deutsch mit:

Das DFB-Präsidium habe „einvernehmlich festgehalten, den seit März 2019 eingeschlagenen Weg der Erneuerung der Nationalmannschaft mit Bundestrainer Joachim Löw uneingeschränkt fortzusetzen“.

Fazit: So viel Nachsicht war selten in Deutschland. Würden Parteien und Firmen ähnlich großzügig mit ihren Verlierern umgehen, wäre Martin Schulz heute SPD-Ehrenvorsitzender und Boris Becker würde zum Chief Investment Officer der Deutschen Bank befördert.

Ich wünsche Ihnen einen humorvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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