Corona und die Kreditsucht der Staaten

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Guten Morgen,

das Virus COVID-19 und seine Mutanten schädigen nicht nur unsere Atemwege, sondern brennen zeitgleich ein tiefes Loch in die Staatskasse. Der wichtigste Unterschied zwischen diesen beiden Ereignissen ist dieser: Die Pandemie verschwindet. Die Staatsverschuldung bleibt.

Die Impfung ist aller Voraussicht nach das Schlusskapitel eines virologischen Jahrhundertdramas. Die hohe Dosis der Staatsverschuldung aber ist womöglich der Öffnungsspielzug für ein Jahrzehnt finanzpolitischer Turbulenzen.

Hier die Fakten:

1. In den USA hatte der ohnehin schon hoch verschuldete Staat seinen Appetit auf Kredit enorm gesteigert: 2020 erhöhte sich die US-amerikanische Neuverschuldung um knapp 4,5 Billionen US-Dollar auf 27,75 Billionen. Das entspricht einer Staatsschuldenquote von 130 Prozent gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung.

2. Die Ära Angela Merkel, die geprägt war durch Banken- und Eurokrise, Flüchtlingskrise und Pandemie, begann mit knapp 1,5 Billionen Euro Schulden und endet mit dem Betrag von fast 2,3 Billionen Euro, die sich auf alle Gebietskörperschaften vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen verteilen. Das ist für deutsche Verhältnisse exorbitant und gegenüber nahezu allen Industriestaaten doch nur ein Kinderspiel.

Eine Infografik mit dem Titel: Wachsender Schuldenberg

Vergleich der Staatsschuldenquoten während der Finanzkrise und der Corona-Krise in ausgewählten Ländern, in Prozent

3. Besonders dramatisch entwickelt sich die Staatsverschuldung ausgerechnet in jenen Ländern, die schon vorher hoch verschuldet waren: Die Staatsschuldenquote von Italien liegt jetzt bei 159,5 Prozent, die von Griechenland bei 200,7 Prozent, die der Japaner stieg auf 266 Prozent, derweil die reale Wirtschaftsleistung überall abnimmt.

Die Corona-Rettungspolitik auf Pump dient der Stabilität einer fragil gewordenen Welt. Doch die gekaufte Stabilität wird zerbrechen, wenn der Kredithunger nicht gezügelt wird. Das sind die drei Probleme, die sich aus der derzeitigen Entwicklung der Welt ergeben:

1. Das Suchtproblem: Wie bei jeder Sucht fängt es harmlos an. Das eine Glas Wein wirkt durchaus belebend. Der Kredit für Zukunftsinvestitionen entfaltet ebenfalls eine wohltuende Wirkung. Doch spätestens, wenn das erste Glas zum Frühstück getrunken wird, ist die arme Kreatur da angekommen, wo der Staat auch landet, wenn er mit den Krediten die Konsumausgaben der Gesellschaft begleicht. Nicht jeder Kredit, aber zu viel Kredit, macht süchtig.

2. Das Demokratiedefizit: Der Staat, der die Kredite für seine laufenden Regierungsaufgaben benötigt, begibt sich in die Hand der globalen Finanzmärkte und ihrer Akteure. Am Ende dieser teuflischen Beziehung muss er Dinge tun, die den Finanziers gefallen und die Wähler schmerzen, wie zuletzt in Griechenland geschehen. Am Ende einer zu hohen Staatsverschuldung steht nichts Geringeres als der Souveränitätsverlust. Der Bürger ist nicht mehr Herr im eigenen Hause.

3. Der Zukunftsverzehr: Eine umfassend kreditfinanzierte Gegenwart beschädigt die Zukunft. Denn: Der übermäßige Kredit ist nichts anderes als ein Stück Wohlstand, das mit Hilfe der Banken von der Zukunft in die Gegenwart transferiert wird. Er wird von der Jetzt-Generation konsumiert und steht der Enkelgeneration, die diesen Wohlstand erst noch hervorbringen muss, nicht mehr zur Verfügung.

Fazit: Es gibt gute Gründe, die Staatsverschuldung nicht einfach nach oben schießen zu lassen, wie es derzeit geschieht. Sonst wird man später schreiben: Die Finanzkrise, auf die die Welt zutrieb, war die am besten prognostizierbare der Welt.

Reiner Holznagel © dpa

Die Mitglieder des Bund der Steuerzahler – ein gemeinnütziger Verein, der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, um die Anmaßungen des Staates zu begrenzen – lässt die hohe Staatsverschuldung nicht mehr ruhig schlafen. Sie wissen aus Erfahrung: Die Staatsschulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Lauf der Schuldenuhr

Entwicklung des gesamtstaatlichen Schuldenzuwachs pro Sekunde, seit 1995, in Euro

Wenn es schlecht läuft, entfacht diese Verschuldung auch noch eine allgemeine Inflation. Der Bürger wird dann doppelt geschädigt: Seine Einnahmen schmelzen wie der Schnee in der Frühlingssonne und der verbliebene Rest verliert seine Kaufkraft. Über die aktuelle Lage habe ich mit Reiner Holznagel, dem Präsidenten des Steuerzahler-Bundes, gesprochen. Er sagt im heutigen Morning Briefing Podcast:

In der Politik wird eine Diskussion geführt, wie wir den Sozialstaat weiter ausbauen und an vielen Ecken und Enden weiter draufsatteln können. Niemand legt wahrhaftig die Zahlen auf den Tisch und sagt: ‚Das kann so nicht mehr weitergehen.’

Paradoxerweise verdient der Bund derzeit durch das Schuldenmachen – im vergangenen Jahr rund 7,1 Milliarden Euro. Der Grund sind die Negativzinsen, die den Kreditnehmer begünstigen. Holznagel sagt:

Aber es gibt Verlierer: Einer muss das bezahlen und in der derzeitigen Situation sind das die Steuerzahler und die Sparer.

 © imago

Die in Israel ansässige Nahost-Korrespondentin der „Welt“ beschreibt mit einem bewegenden Tweet das deutsche Impf-Dilemma. Am Beispiel der eigenen Familie illustriert Christine Kensche die Grausamkeit der herrschenden Verhältnisse:

Meine Großmutter ist heute gestorben. Sie hat #COVID in einem Krankenhaus (!) in Deutschland bekommen. Sie war 91 Jahre alt und nicht einmal kurz davor, geimpft zu werden. Ich bin 38 und bekomme jetzt meinen ersten Schuss. Ich lebe in #Israel. Eine Sache ist, nicht genug Impfstoffe zu haben. Das andere ist dieses groteske Versagen bei der effektiven Verteilung.

Das ist die Lage am heutigen Morgen:

  • Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) innerhalb der vergangenen 24 Stunden 6729 Neuinfektionen und 217 Todesfälle gemeldet. Zwar ist damit ein Rückgang im Vergleich zu den Zahlen der vergangenen Tage zu beobachten. Allerdings waren die Daten aus Rheinland-Pfalz zu diesem Zeitpunkt nur unvollständig übermittelt worden. Zudem sind an Montagen die erfassten Fallzahlen meist geringer, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird.

  • Ein neues Corona-Medikament soll hierzulande zum Einsatz kommen. Es handelt sich um ein Arzneimittel, das monoklonale Antikörper gegen das Virus enthält. Kaufpreis für 200.000 Dosen: 400 Millionen Euro. Mit dieser Form der Antikörper wurde Ex-US-Präsident Donald Trump nach seiner Corona-Infektion behandelt. Das Mittel verhindert die Erkrankung nicht, aber mildert ihren Verlauf.

  • Die Bundesregierung verschärft die Grenzkontrollen und Einreiseregeln, um die grenzüberschreitende Verbreitung des Virus einzudämmen. Für insgesamt fast 30 Länder mit besonders hohen Infektionszahlen oder besonders gefährlichen Virusvarianten gilt nun eine Testpflicht vor der Einreise. Zu diesen Hochrisikogebieten zählen das Nachbarland Tschechien, die Urlaubsländer Portugal, Spanien und Ägypten sowie die USA.

  • Forderungen nach einer Lockerung oder Aufhebung der Einschränkungen im Inland stoßen kaum auf Widerhall. Auch der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet, einst ein Freund der schnellen Öffnungspolitik, sagt:

Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Öffnungsdiskussion falsch. Die Bedrohungslage ist noch zu groß.

Armin Laschet © dpa
  • Die Bundesregierung stellt sich unterdessen auf mögliche Angriffe auf Impfzentren, Impfstofftransporte oder auch Hersteller von Corona-Impfstoffen ein. Zwar gebe es bisher keine konkreten Hinweise darauf, aber es bestehe wegen „der großen medialen Präsenz sowie der hohen Dynamik und Emotionalität“ des Themas eine „abstrakte Gefährdung“, so das Bundesinnenministerium.

  • Das Berliner Vivantes Humboldt-Klinikum nimmt nach mehreren Infektionen mit der gefährlichen britischen Coronavirus-Variante keine Patienten mehr auf. Routinescreenings in der Station für Innere Medizin und Kardiologie ergaben positive Nachweise bei bislang 20 Personen.

 © dpa
  • Beim Flugzeughersteller Airbus in Hamburg hat es einen Corona-Ausbruch gegeben. Insgesamt 21 Mitarbeiter seien positiv auf das Coronavirus getestet worden, sagte Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheitsbehörde. Für rund 500 Mitarbeiter wurde Quarantäne angeordnet.

Der Coronatest-Selbstversuch

Gesundheitsminister Spahn erlaubt, dass Corona-Tests fortan in Apotheken gekauft werden können.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Am Dienstag will der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Urteil zur Barzahlung beim Rundfunkbeitrag bekannt geben. Wenn die Richter dem EuGH-Generalanwalt folgen, muss eine Barzahlung grundsätzlich bei der Begleichung einer Geldforderung möglich sein. Denn laut Bundesbankgesetz ist die Barzahlung juristisch das gesetzliche Zahlungsmittel.

Die Rundfunkanstalten lehnen eine Barzahlung bisher aus Praktikabilitätsgründen ab. Das Urteil könnte auch wegweisend für andere öffentliche Stellen sein, die bisher als Bargeldmuffel aufgefallen sind, wie das Finanzamt, die Kfz-Zulassungsstelle und das Einwohnermeldeamt.

Die Kollegen haben über diese Problematik mit dem FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler gesprochen, der den Kläger unterstützt hatte. Er sagt:

Wenn schon die öffentliche Hand das Bargeld diskriminiert, dann muss man sich nicht wundern, dass es immer weiter zurückgedrängt wird.

Mehr zu dem Thema im Hauptstadt Newsletter unter Thepioneer.de/Hauptstadt.

Erstmals hält das Weltwirtschaftsforum sein traditionelles Jahrestreffen online ab. Wegen der Corona-Krise kann die Tagung nicht wie sonst im Schweizer Alpenort Davos stattfinden. Die „Davos Agenda“ getaufte Veranstaltung beginnt heute mit einer Rede des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping.

 © dpa

Für den Zeremonienmeister und Davos-Gründer Klaus Schwab wird dieser Auftritt und das anschließende Gespräch zur Bewährungsprobe. Nach den wiederholten Schmeicheleinheiten für Despoten aller Herren Länder und seiner auffällig demütigen Haltung gegenüber Donald Trump im vergangenen Jahr („Ich will Ihnen ganz persönlich danken, dass Sie unsere Diskussionen mit Ihrem Optimismus bereichern“) steht Schwab jetzt bei vielen Politikern und Wirtschaftsführer unter Beobachtung.

Unser Medienschiff ThePioneer One wird zur Konzertbühne: Anlässlich des 76. Gedenktages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert das Projekt „Respond in Music“ mit zwei interaktiven Sonderkonzerten an verfemte Musiker und Musikerinnen. Dazu werden die Pianistin Annika Treutler und die Sopranistin Sarah Aristidou am Mittwoch, dem 27. Januar ab 12 Uhr und ab 19 Uhr für jeweils 90 Minuten mit einem „Floating Concert“ im Berliner Regierungsviertel unterwegs sein. Wir übertragen beide Auftritte als kostenlose Live-Videos auf ThePioneer.de/live.

Zwischen den Stücken erzählen Treutler und Aristidou die Geschichten der jüdischen Komponisten und ihrer Musik. Im Anschluss sprechen sie mit ThePioneer-Chefreporterin Alev Doğan und beantworten Fragen des Publikums vor den Bildschirmen, die unter dem Hashtag #respondinmusic auf YouTube, Facebook und Twitter gestellt werden können. Mit an Bord: Bundespräsident a.D. Christian Wulff.

Um dieses Projekt in hoher technischer Brillanz umsetzen zu können, sind wir auf die Großzügigkeit von Bürgern und Firmen angewiesen. So konnten die Dieter Fuchs Stiftung als Förderin sowie die Deutsche Post DHL Group und die Quirin Privatbank als Unterstützer gewonnen werden. Ich danke den Künstlerinnen, dem ehemaligen Bundespräsidenten und den Sponsoren für ihr Engagement.

 © Anne Hufnagl

Wer eine Drogeriemarktkette mit rund 21.700 Produkten organisieren kann, der weiß auch, wie man Bestseller fabriziert. Bereits zum zweiten Mal in seinem Leben landet der nunmehr 74-jährige Dirk Roßmann einem Nummer-eins-Hit auf der „Spiegel“-Bestsellerliste. Seine Autobiografie führte im Jahr 2019 die Sachbuchliste an. Sein Roman „Der neunte Arm des Oktopus“ ist jetzt an der Spitze der Unterhaltungsliteratur gelandet.

Im Prolog seines Werkes verdeutlicht Roßmann, dass er hier mit der Leidenschaft des Ökologen angetreten ist:

Wie unbedeutend wir sind, wie demütig wir darum vielleicht sein sollten, das lässt sich mit einem kleinen Rechenspiel veranschaulichen. Hätte sich die Geschichte des Planeten Erde in einem einzigen Jahr, also in 365 Tagen, abgespielt, so würde ein Monat 375 Millionen Jahren entsprechen. Ein Tag wären 12 Millionen Jahre, eine Stunde des Modelljahres wären 500.000 Jahre, eine Minute wären 8500 Jahre, eine Sekunde wären 140 Jahre.

In der letzten Sekunde unseres Modelljahres, erdgeschichtlich nun im Anthropozän, also erstmals einer Zeit, die maßgeblich vom Menschen beeinflusst wird, verbraucht die Menschheit einen Großteil aller Kohle-, Öl-, Gas- und Erzvorräte, die fossilen Brennstoffe mittels Verbrennung. Dadurch gerät die Spezies Mensch in Gefahr, die Umwelt zu vernichten und die Erde unbewohnbar zu machen. Wie werden unsere Kinder auf uns zurückblicken? Oder wird es keine mehr geben?

Fazit: Deutschlands Familienunternehmer können mehr als nur Geld verdienen, zum Beispiel auch politische Literatur. Der Drogist betritt als Weltenretter die Bühne – und begeistert sein Publikum. Glückwunsch, Dirk Roßmann!

Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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