willkommen im Zeitalter der Paradoxien: Der Lockdown wirft den Menschen auf sich selbst zurück. Vereinzelung wird zur ersten Bürgerpflicht. Doch zugleich befreit uns das Virus aus vielen der bisherigen Abhängigkeiten. Denn der pandemische Mensch ist gezwungen, sein Leben möglichst autonom zu organisieren, seinen Einkauf, seinen Kontakt zu Arbeitgeber und Kunde, seine finanziellen und kulturellen Transaktionen, seine politische Kommunikation und seine Partnerwahl, womöglich bald auch seine Sexualität. Durch den Imperativ des möglichst kontaktfreien Lebens erfährt das Mobiltelefon seinen märchenhaften Aufstieg – vom digitalen Assistenten zur Kommandozentrale des eigenen, des autonomen Leben.
© dpaFür alle Unternehmer bedeutet das: Produkte und Dienstleistungen, die sich nicht durch das Mobiltelefon organisieren lassen, sind dem Untergang geweiht. Die Transformationen analoger Lebenswelten beschleunigt sich, der Niedergang der Tageszeitung, das Sterben von Bankfilialen und Geschäften, das Siechtum der Messe- und Kongressveranstalter sind nur die Ouvertüre. Auch auf das analoge Bildungssystem, die Bargeldwirtschaft und die Produktion von technologisch unverbundenen Geräten wie Heizkörpern und Automobilen, wartet das Requiem der Geschichte. Fünf Grafiken beschreiben die Entwicklung unserer Zeit:
Eine Infografik mit dem Titel: Corona forciert das Online-Shopping
Prognose zur Marktdurchdringung des E-Commerce in den USA vor und nach Corona, in Prozent
Eine Infografik mit dem Titel: Apple hängt den Dax ab
Kursentwicklung der Apple-Aktie relativ zum Dax-Index, in US-Dollar
Eine Infografik mit dem Titel: Steigender Datenhunger
Durchschnittliche mobile Datennutzung je Smartphone weltweit, in Gigabyte pro Monat
Eine Infografik mit dem Titel: Das Smartphone erobert das Leben
Anteil der Smartphone-Nutzer zwischen 16 und 64 Jahren, die die jeweilige Funktion mindestens einmal im Monat nutzen
Eine Infografik mit dem Titel: Mobile First
Umsatz der Videospiel-Industrie nach Plattformen, 1990-2020
Fazit: Das Virus befällt nicht nur die Atemwege, sondern auch alle traditionellen Wertschöpfungsketten. Im wörtlichsten aller Sinne erleben wir die Mobilmachung unseres Lebens.
Peer Steinbrück scheiterte 2013 als SPD-Kanzlerkandidat auch deshalb, weil seine Partei ihm Knüppel zwischen die Beine warf. Die von ihm erbetene Beinfreiheit wurde nicht gewährt. Person und Programm passten nicht zusammen.
Das soll bei Olaf Scholz anders sein. Zumindest hat die SPD sich das vorgenommen. Auf ihrer Vorstandsklausur, die heute Mittag beendet wird, hat man sich auf vier sogenannte „Zukunftsmissionen” verständigt, die den Kanzlerkandidaten und seine Partei in die Mitte des politischen Spektrums rücken sollen. Die Grünen sind der politische Gegner, mit dem man fortan um die links-liberalen Wählerinnen und Wähler buhlt, von der Union sollen die mittigen Merkel-Fans zurückgewonnen werden.
Unser Hauptstadt Team hat die Kampagne analysiert. Mehr unter thepioneer.de/hauptstadt.
Am kommenden Mittwoch treffen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten, um über die weiteren Corona-Maßnahmen zu sprechen. Die sinkenden Infektions- und Todeszahlen – und der schwindende Rückhalt für eine permanente Lockdown-Politik in der Bevölkerung – schüren die Hoffnung auf Lockerungen. Folgende Lockerungsmaßnahmen stehen zur Debatte:
Schulen und Kitas: Manuela Schwesig (SPD) will, dass ab einem Wert von dauerhaft weniger als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in einer Woche Schulen und Kitas wieder geöffnet werden. Neben Mecklenburg-Vorpommern haben auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen signalisiert, dass sie vorzeitig von der harten Linie der Kanzlerin abweichen werden.
Einzelhandel: Nach fast zweimonatiger Schließung ist der wirtschaftliche Schaden für den Einzelhandel trotz Hilfszahlungen beträchtlich. In einem Brief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) drängte der Präsident des Handelsverbandes Deutschland auf eine klare Aussage der Politik, unter welchen Bedingungen zu welchem Zeitpunkt der Einzelhandel wieder öffnen kann.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stellt in Aussicht, dass bei einer 7-Tages-Inzidenz von 10 bis 25 die Geschäfte unter Auflagen wieder öffnen können. Davon hält der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wenig: In Bayern bleiben die Geschäfte höchstwahrscheinlich bis Anfang März geschlossen.
Einreisen aus dem Ausland: Die zunächst bis zum 17. Februar geltende Verordnung, nach der Reisende aus Großbritannien, Irland, Portugal, Brasilien und Südafrika wegen der Mutationen nicht mehr ohne Weiteres einreisen dürfen, wird wahrscheinlich verlängert.
Hotels: Die Lockerungsideen aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sehen Inzidenz-orientierte Anpassungen vor. Daniel Günther (CDU) machte in diesem Zusammenhang den Vorschlag, bei einem 7-Tages-Inzidenzwert von weniger als 50 über einen Zeitraum von 21 Tagen die Hotellerie unter Einsatz von Schnelltests wieder zu öffnen.
Friseure: Reiner Haseloff (CDU) forderte, nach dem 14. Februar die Friseure wieder zu öffnen.
26 Kilometer nordöstlich von Berlin entsteht der größte Solarpark dieses Landes. Mit einer Leistung von 187 Megawatt soll die Photovoltaik-Anlage Weesow-Willmersdorf der Energie Baden-Württemberg AG bald 50.000 Haushalte mit Strom versorgen können – und das erstmals ohne staatliche Subventionen.
Über das ehrgeizige Projekt habe ich mit Dr. Frank Mastiaux gesprochen, dem Vorstandsvorsitzenden der EnBW.
Der Vorstandsvorsitzende der KfW, Günther Bräunig, hat jetzt Zahlen vorgelegt, welche die massiven Probleme vieler Unternehmen während des Lockdowns widerspiegeln. Bräunig betont, dass die KfW noch nie so stark gefordert gewesen sei:
© dpaÜber eine Million Förderzusagen in einem Jahr. Ich kann mich erinnern, dass wir für den gesamten Aufbau Ost zwischen 1990 und 2000 knapp 850.000 Zusagen gemacht haben.
Demnach erreicht die Summe aus Krediten, Zuschüssen und anderen Finanzierungen 2020 für Deutschland ein Volumen von 106 Milliarden Euro, gut 60 Milliarden mehr als 2019. Berücksichtigt man auch das internationale Geschäft, stieg das Fördervolumen im Vergleich zum Vorjahr um 75 Prozent auf 135 Milliarden Euro. Es wird laut Bräunig nicht zwingend weniger:
Nach dem Coronajahr 2020 kommt das Coronajahr 2021.
Michael Moore ist Filmemacher und Provokateur. So hat er 2016 den Film „Michael Moore in TrumpLand“ fertiggestellt und drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen zur Preview geladen. Das cineastische Statement wider den aufstrebenden Trumpismus bedeute eine unzulässige Einmischung in den Wahlkampf, schäumten die Kritiker. Doch Michael Moore verstand das nicht als Kritik, sondern als Ritterschlag.
© dpaProtz, Prunk und Putin. Ein Dokumentarfilm des inhaftierten Putin-Kritikers Alexei Nawalny zeigt ein Anwesen, 39 Mal so groß wie Monaco, das an der russischen Schwarzmeerküste liegt und Putins Palast sein soll. Im Innern befinden sich ein Casino, Weinberge und dutzendfach goldene Wasserhähne. Die Dokumentation auf YouTube zählt mehr als 110 Millionen Aufrufe. Ein Film als Protest-Plakat. Der Filmemacher, der in sieben Jahren über 400 Filme produziert und auf YouTube veröffentlicht hat, wird zum Staatsfeind.
© imagoÜber die Kraft des politischen Dokumentarfilms spreche ich im Morning Briefing Podcast mit dem Dokumentarfilmer und Aktivisten Jaka Bizilj. Als Präsident von „Cinema for Peace” ließ er den vergifteten Nawalny nach Deutschland fliegen, wo er in der Berliner Charité gerettet wurde.
Nick Nolte feiert heute seinen 80. Geburtstag, obwohl er vieles dafür getan hat, dass es so weit nicht kommt. Dieses Urviech von Schauspieler brach als Sohn eines Vertriebsmannes für Wasserpumpen auf und schaffte es schließlich an der Seite von Michael Douglas in „Die Straßen von San Francisco”. Im Kino feiert er mit „Die Tiefe“ seinen ersten großen Erfolg, dem Dutzende folgten. Sein Alterswerk „Picknick mit Bären“ sei all jenen empfohlen, die noch Lust auf eine wilde Ehrenrunde Leben verspüren – als Alternative zum Rentnerdasein im Einfamilienhaus.
© Alamodefilm„FAZ”-Feuilletonist Claudius Seidl hat diesem Mann – dem das Leiden am Leben bald schon ins Gesicht geschrieben stand – in der heutigen „FAZ” ein würdiges Geburtstagsgedicht verfasst:
© imagoAus der Ferne sieht es so aus, als ob Nolte nur dann bei sich war, wenn er spielte, Filme drehte – ein bequemes Leben als Hollywood-Millionär langweilte ihn so sehr, dass er davon Durst auf zu viel Whisky bekam. Heute wird er achtzig. Ein Überlebender.
Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr