nach 13 Jahren Dieter Zetsche wird auf der Chefetage von Daimler nicht gekehrt, sondern gekärchert. Nachfolger Ola Källenius aus Schweden geht mit dem Hochdruckreiniger durch die Flure. Die mit rund 6.000 Mitarbeitern besetzte Holding, die Ex-Chef Jürgen Schrempp einst als „Bullshit-Castle“ bezeichnet hatte, durchlebt traumatische Stunden:
► Bis 2022 muss Daimler seine Personalkosten um rund 1,4 Milliarden Euro reduzieren: Eine Milliarde Euro sollen bei Mercedes-Pkw, 100 Millionen Euro bei Mercedes-Vans und 300 Millionen Euro bei Daimler-Trucks eingespart werden. Und gespart wird nicht bei Kunststoff und Blech, sondern beim Menschenmaterial.
► Mehr als 1.000 Führungsstellen werden wegfallen, auch wenn Daimler die genaue Zahl noch nicht bestätigen mag. Da für die Mehrzahl der mehr als 170.000 Beschäftigten an den deutschen Standorten bis 2029 betriebsbedingte Kündigungen unmöglich sind, setzt der Rotstift beim Top-Management an.
► Auch bei den Privilegien wird nun ausgedünnt. Mit Formel-1-Spaß fürs Management, aufwendigen Führungskräfte-Treffen und 20-köpfigen Aufsichtsgremien bei den Tochterfirmen hatte Zetsche eine betriebsinterne Wellness-Oase geschaffen. Der offizielle Daimler-Claim „Das Beste oder nichts“ war zumindest für seine Gefolgsleute wahr geworden. Von einem „Posten-Festival“ spricht Prof. Christian Strenger von der DWS.
Eine Infografik mit dem Titel: Der Underperformer
Börsenwert Dax und Daimler zum Amtsantritt von Dieter Zetsche und heute, in Milliarden Euro
Selten hat ein neuer CEO so geräuschvoll die Reputation seines Vorgängers ramponiert. Das Zetsche-Lager sagt, das war ein Dolchstoß. Das Källenius-Team erwidert, es war Notwehr. Källenius selbst: “Mit den strengen CO2 Emissionswerten der EU ist die Stunde der Wahrheit gekommen.”
© dpaFakt ist: Bei Daimler wird die Vergangenheit des langjährigen Vorstandschefs Zetsche, der im Mai vorzeitig seinen Hut nahm, aufgearbeitet. Die Vorwürfe:
► Liebevoll malte er in der Abendsonne seiner Ära neue Organigramme für die Holding, aber die seriell hergestellte Elektrolimousine brachte er nicht auf die Straße.
► „Wenn Daimler den Strukturwandel weiter verschleppt, droht dem Konzern das gleiche Schicksal wie dem Ruhrgebiet“, warnte Fondsmanager Bert Flossbach im „Spiegel“
► Anders als bei Martin Winterkorn, der trotz Dieselaffäre bei VW eine Gewinnmaschine hinterließ, hatte bei Zetsche zuletzt vor allem die Profitabilität gelitten.
Eine Infografik mit dem Titel: Daimler: Plus 33 Prozent
Börsenwert von Daimler 2010 und heute, in Milliarden Euro
Eine Infografik mit dem Titel: BMW: Plus 92 Prozent
Börsenwert von BMW 2010 und heute, in Milliarden Euro
Eine Infografik mit dem Titel: Volkswagen: Plus 178 Prozent
Börsenwert von Volkswagen 2010 und heute, in Milliarden Euro
Investoren und Mitarbeiter dürften sich mittlerweile von Zetsche getäuscht fühlen. Auf seiner letzten Hauptversammlung im Mai zog er noch eine rosa-rote Bilanz:
Den Wandel vom Autohersteller zum Mobilitätsanbieter haben wir schon vor rund zehn Jahren eingeleitet.
Was wir bisher erreicht haben, ist schon jetzt einmalig in der langen Geschichte unseres Unternehmens: Wir sind heute schneller und flexibler. Wir haben mehr Mut zum Risiko.
Ein sichtlich (selbst)zufriedener Zetsche fasste zusammen:
© imagoIch bin mit mir total im Frieden.
Mit diesem Gefühl steht er heute allein da. Källenius machte den gestrigen Tag nicht nur für das Management, sondern auch für die Investoren zum Tag der Wahrheit:
► Die Renditeziele wurden drastisch gesenkt. Statt einer avisierten Marge von acht bis zehn Prozent bis 2021 rechnet Mercedes jetzt mit einem Absacken der Umsatzrendite auf zunächst vier Prozent, um nach Vollzug der Sparmaßnahmen bei sechs Prozent bis 2022 zu landen. Union Investment sagt: Die Probleme bei Daimler seien „viel gravierender als gemeinhin angenommen.“
Fazit: Zetsche kann in diesem Leben noch vieles tun und werden. Aber das große Ziel, als Aufsichtsratschef der Daimler AG triumphal zurückzukehren, ist nun nahezu unmöglich. Darin eben liegt die Tragik des Dieter Zetsche: Der Mann, der in seinen besten Jahren die Firma belebte, ist im Schlussakkord versteinert. Seinem Nachfolger hinterließ er ein Museum für Verbrennungsmotoren.
ThyssenKrupp verabschiedete sich nach 31 Jahren Zugehörigkeit sang- und klanglos aus dem DAX. Doch auch dieser Abstieg dürfte nicht der letzte gewesen sein. Die frühere Industrieikone, hervorgegangen aus der Verschmelzung der einstigen Rivalen Hoesch, Rheinstahl AG, Krupp und Thyssen, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.
© dpaAllein im letzten Geschäftsjahr stieg die Nettoverschuldung des Konzerns um mehr als 100 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro, während das Ergebnis um 64 Prozent auf 400 Millionen Euro einbrach. In einer präzise recherchierten „Bloomberg“-Analyse wird das ganze Ausmaß des Niedergangs deutlich:
„ThyssenKrupp löst sich auf. Einst noch auf Augenhöhe mit deutschen Ingenieur-Stars wie Siemens und Daimler, geht das Unternehmen in die Knie, ausgerechnet zu einer Zeit wo die deutsche Wirtschaft stottert."
„Einzelne Einheiten werden noch jahrelang ums Überleben kämpfen, aber dem Konglomerat – dessen Stahl die Spitze des Chrysler-Gebäudes bildet, das einst die Nazi-Kriegsmaschine antrieb und später das rasante Wachstum Chinas im späten 20. Jahrhundert befeuerte – hat die Stunde geschlagen."
„Die wachsende Krise führt dazu, dass die Interessen von Investoren und Arbeitnehmern bei einer Auflösung immer stärker aufeinander prallen: Das Unternehmen braucht die Barmittel, um Renten zu zahlen und sich über Wasser zu halten."
Fazit der Rechercheure:
Der Niedergang und tiefe Fall des deutschen Stahl-Imperiums wirkt wie ein böses Omen für die deutsche Wirtschaft, die bis heute ihre gut bezahlten Industriearbeitsplätze erhalten konnte.
WeWork, das amerikanische Start-up, das Büroflächen in Form von sogenannten „Coworking Spaces“ vermietet, treibt seine Expansion weiter voran. Die gute Nachricht: Der Bruttogewinn aus dem Verkauf von Büro-Mitgliedschaften verdoppelte sich beinahe im dritten Quartal auf 808 Millionen US-Dollar. Die schlechte: Der Nettoverlust legte noch flotter zu, von 497 Millionen um mehr als 150 Prozent auf 1,25 Milliarden US-Dollar. Das Motto der Amerikaner und ihrer Investoren: Go big or go home!
Wenige Tage vor dem CDU-Parteitag legt Friedrich Merz bei seiner Merkel-Kritik nach. Im „Handelsblatt“-Interview sagt er heute Morgen:
Deutschland macht eine Energiewende wie kein anderes Land der Welt, und Geld spielt dabei offensichtlich keine Rolle.
Deutschland macht eine Einwanderungspolitik wie kein anderes europäisches Land, und Geld spielt dabei wieder offensichtlich keine Rolle.
Vor allem in den Zukunftsfeldern des globalen Wettbewerbs könne Deutschland kaum mehr mithalten:
Wir belegen in der digitalen Infrastruktur mittlerweile einen der hinteren Plätze in Europa.
Fazit: Gegen Merkel muss nicht geputscht werden. Sie geht von allein. Es geht um die Frau dahinter.
Die Bundeswehr befindet sich auch 121 Tage nach dem Amtsantritt von Annegret Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin in einem bemitleidenswerten Zustand. Das weiß der Wehrbeauftragte im Bundestag, Hans-Peter Bartels (SPD), zu berichten. Im Gespräch mit „Welt“-Vize Robin Alexander für den Morning Briefing Podcast flüchtet sich Bartels in den Zynismus. Auf die Frage, ob man seine Kinder derzeit zur Bundeswehr schicken solle, antwortet er:
Man kann zwar kommen, aber ob man dort dann einen Panzer, einen Hubschrauber oder ein Schiff vorfindet, das weiß man nicht so genau.
Vor dem Bundesparteitag am Wochenende in Bielefeld hat der Bundesvorstand der Grünen jetzt den Versuch einiger Delegierter kassiert, die Förderung der Homöopathie durch die Krankenkassen zu verdammen. Über die Wirksamkeit und die Gefahren solcher Medikamente, die jeder zehnte Deutsche einnimmt, hat Robin Alexander im Morning Briefing Podcast mit der Ärztin und ehemaligen Homöopathin Dr. Natalie Grams gesprochen. Sie ist Mitglied der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“, die jährlich „Das Goldene Brett vorm Kopf“ verleiht, ein Preis für Verschwörungstheoretiker und Scharlatane: Sie sagt:
Zu meiner eigenen Schande muss ich gestehen, dass ich auch lange an die Wirksamkeit der Homöopathie geglaubt habe. Aber die lässt sich eben nicht nachweisen.
Der Krankenkasse geht es nicht um Wirksamkeit, sondern um Marketing. Man will mit der Homöopathie eine junge, gesunde und gesundheitsbewusste Klientel anziehen, die einerseits nicht sonderlich krank ist und sich gut um die eigene Gesundheit kümmert. Aus Kassensicht sinnvoll, aus wissenschaftlicher Sicht überhaupt nicht.
Fazit: Die grüne Basis sollte diese unbequeme Wahrheit der Expertin nicht verdammen, sondern zulassen - und das nicht nur in homöopathischen Dosen.
Der Haushaltsausschuss hat den Bau des umstrittenen Berliner Museums der Moderne – das von den Berlinern abschätzig „Scheune“ genannt wird – gestern bewilligt. Dort sollen Werke von Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner und Otto Piene hängen, die üblichen Verdächtigen einer musealen Kulturpolitik.
Ursprünglich hätte eine kleinere Version des Baus rund 200 Millionen Kosten sollen, jetzt wurden vom Bundestag 364 Millionen Euro bewilligt, plus ein von Kulturstaatsministerin Monika Grütters ausgehandelter 86 Millionen Euro Puffer.
Die Experten zucken die Achseln. Sie rechnen mit mindestens 600 Millionen Euro Baukosten. Der Kulturkritiker der „Süddeutschen Zeitung“ Jörg Häntzschel:
Selbst dieser Preis wäre vielleicht vertretbar, wäre hier irgendeine zündende Idee zu erkennen.
Apropos Moderne: Keiner ignoriert so vorsätzlich die mediale Gegenwart wie der 90-jährige Jürgen Habermas. Mitten hinein in eine Welt der Kurznachrichten, wo WhatsApp und Twitter um die letzten Reste der Konzentrationsfähigkeit konkurrieren, legt er ein 1750-seitiges Alterswerk vor. Unter dem lakonischen Titel „Auch eine Geschichte der Philosophie“ durchstreift er die Gedankengebäude von Augustinus über Martin Luther bis hin zum Palais des Max Weber. Er wisse um die Fragwürdigkeit seines Projekts. Die Geschichte der Philosophie erzählen zu wollen, sei „ein waghalsiges, eigentlich unseriöses Unternehmen“, schreibt er im Vorwort.
Er habe das Buch dennoch geschrieben, „aus der Sicht eines alt gewordenen, auf sein eigenes, vergleichsweise verschontes Leben zurückblickenden Philosophieprofessors“, hält Habermas fest. Sein Motiv, sich dieser „müßigen und ziemlich lange anhaltenden Altersbeschäftigung“ hinzugeben, benennt der kunstvolle Verkomplizierer Habermas mit schöner Schlichtheit:
Es hat mir einfach Spaß gemacht.
Ich wünsche Ihnen einen heiteren Start in das Wochenende. Es grüßt sie auf das Herzlichste Ihr