Danke, Trump & Erdogan

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 © ThePioneer

Guten Morgen,

wir können uns über Trump, Erdogan, Johnson und Putin jeden Tag aufs Neue erregen, ihre Rhetorik verdammen und ihr Handeln sanktionieren. Mit gleichem Fug und Recht könnten sich die Europäer bei den Populisten aber auch bedanken. Ihre Interessenpolitik härtet die Europäische Union. Jedes Ärgernis ein Denkanstoß.

Danke, Donald Trump!

► Der US-Präsident zeigt mit „America first“ den Europäern das Ende einer Ära an. Die Machtverschiebung vom Atlantik zum Pazifik wird Trumps Amtszeit überdauern. Im Grunde will der Mann im Weißen Haus uns doch nur sagen: Seid Euch selbst die Nächsten. Befreit euch aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit.

► Die reservierten Einlassungen Trumps zur Nato sind ein Weckruf der besonderen Art. Ein Planspiel der Körber-Stiftung zeigt, dass im Falle der Stationierung von russischen Boden-Boden-Marschflugkörpern in Westrussland, die europäische Luft- und Raketenabwehr nicht in der Lage wäre, die Mitgliedsstaaten zu schützen. Die Zeit der amerikanischen Vormundschaft geht erkennbar zu Ende. Trump ruft uns zu: Europa, erwache!

► Wenn die US-Handelspolitik zur Waffe wird, wird die Exportnation Deutschland zur Geisel. Plötzlich fällt auf, dass die Terms of Trade im Weißen Haus definiert werden und nicht von der Welthandelsorganisation. Die Trump-Lektion lautet: Wirtschaftspolitik ist Machtpolitik.

► Die europäischen Firmen sind abhängig von den Giganten des Silicon Valley. Cloud-Computing ist nur ein anderes Wort für Kolonialismus 4.0. Die betriebswirtschaftliche Übersetzung der Parole „America First“ könnte – wenn Europa seine Weinerlichkeit überwunden hat – der Idee einer koordinierten europäischen Digitalisierungsstrategie förderlich sein. Mehr Ermunterung geht nicht.

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Danke, Recep Tayyip Erdoğan!

► Die Eskalation an der türkisch-griechischen Grenze und die harte Haltung des türkischen Präsidenten zwingen Europa zur neuerlichen und diesmal ernsthaften Befassung mit der Migrationspolitik. Die bisherige Problemverdrängung in Zentraleuropa funktioniert nicht mehr. Was Kanzlerin Merkel nicht schaffte, könnte Erdogan nun gelingen: Europa zu einen.

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Danke, Boris Johnson!

Großbritannien hat die EU nicht unter Schmerzen, sondern mit wehenden Fahnen verlassen. Der Sündenfall der Briten war im Grunde nur ein langer, lauter Weckruf. Alles, was die Briten sich wünschen, wünschen sich die Festlandeuropäer in Wahrheit auch: weniger Bürokratie, eine geregelte Zuwanderung und ein Europa, das die Nation nicht verrät.

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Danke, Wladimir Putin!

► Die Krim, der Donbass, Syrien und Afghanistan: Kreml-Chef Wladimir Putin setzt den Westen mit seiner expansiven Militärpolitik nicht nur unter Druck, er eröffnet ihm auch die Chance der verteidigungspolitischen Emanzipation. Wenn die Nato-Mitglieder sich grübelnd nach ihrer Existenzberechtigung befragen, müssen sie nur nach Osten schauen: Putin beantwortet alle Fragen.

Eine Infografik mit dem Titel: Transatlantischer Zankapfel

Verlauf der beiden Nord-Stream Pipelines

► Mit der Gaspipeline Nord Stream 2 hat Putin die Deutschen höflich, aber bestimmt an ihre Energieabhängigkeit erinnert. Was der Mann im Kreml uns eigentlich übermitteln will, ist das Folgende: Wenn Ihr in Freiheit leben wollt, dürft Ihr meine Machtpolitik nicht nur ablehnen, Ihr müsst sie studieren. Mein Gas sei Euer Denkanstoß.

Fazit: Europa darf sich glücklich schätzen. Die uns umgebenden Populisten und Autokraten sind Lehrmeister der deutlichen Art. Ihre Methode ist brachial, zuweilen schmerzhaft, aber gerade deshalb für uns schwer erziehbare Europäer pädagogisch wertvoll. Oder wie die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach zu sagen pflegte: „Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschheit.“

 © dpa

Die Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze werden zur Geisel eines Machtkampfs zwischen der EU und der Türkei. Nach Angaben des türkischen Innenministers Süleyman Soylu will die Türkei 1000 „voll ausgestattete Spezialpolizisten“ an die Grenze schicken. Diese sollen die Migranten daran hindern, zurück in die Türkei zu gelangen.

Zugleich rüstet Griechenland mithilfe der EU ebenfalls auf, Soldaten, Tränengas und Leuchtmunition sind unterwegs in das Sperrgebiet. Die Türkei verlangt für ihre Türsteher-Dienste zur Abwehr einer europäischen Flüchtlingswelle mehr Geld. Außenminister Heiko Maas zeigt sich bereits gefügig, die deutsche Staatskasse zugunsten der türkischen zu öffnen:

Für uns ist klar: Die EU muss die Anstrengungen der Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten weiterhin auch verstärkt finanziell unterstützen.

Der türkische Staat erhält bis 2025 insgesamt sechs Milliarden Euro aus der EU, um die rund 3,7 Millionen syrischen Flüchtlinge im Land zu betreuen und zu versorgen. Wir lernen: Lukrativer noch als das Geschäft der Schleuser ist das Geschäft als Herbergsvater.

 © dpa

Die Senatorin Elizabeth Warren hat sich aus dem Rennen der Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur verabschiedet. Sie sprach sich – anders als vorherige Aussteiger – aber zunächst nicht für einen der verbleibenden Bewerber aus.

Eine Infografik mit dem Titel: Zweikampf um die Nominierung

Umfragewerte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders (rot) und Joe Biden (blau), in Prozent

Warren war aussichtsreich in das Rennen ihrer Partei eingestiegen und hatte über längere Zeit in nationalen Umfragen unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern weit vorne gelegen. Doch in den ersten vier Vorwahlstaaten Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina schnitt sie nur schwach ab und enttäuschte auch am „Super Tuesday“: Sie gewann dort keinen einzigen der 14 Staat und verlor selbst in ihrer Heimat Massachusetts. Mit 21,4 Prozent der abgegebenen Stimmen landete sie nur auf dem dritten Platz.

Die „New York Times“ schreibt:

Elizabeth Warren war die falsche Art Radikale. Sie wollte alles außer der demokratischen Partei selbst reformieren.

Bei Fox News kommentiert Daniel Henninger vom „Wall Street Journal“ Warrens linke Agenda:

Die Wähler haben entschieden: Der Sozialismus ist am ,Super Tuesday‘ gescheitert.

 © dpa

Gerhard Schröder und Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck haben zwei sehr unterschiedliche Leben gelebt. Der eine wuchs in Niedersachsen auf, der andere in Brandenburg. Schröder wurde von den SPD-Linken, Platzeck durch Gehörsturz zur Aufgabe des SPD-Parteivorsitzes gezwungen.

Doch beide verbindet eines: Sie sind Russland sehr zugewandt. Schröder ist Aufsichtsratsvorsitzender des Staatskonzerns Rosneft, Platzeck Vorsitzender des Vereins Deutsch-Russisches Forum. Er veröffentlicht in rund zwei Wochen ein Buch, das zur Kontroverse einlädt. Darin fordert er „eine neue Ostpolitik“ und eine Annäherung an Russland.

Im Gespräch mit „Welt“-Vize Robin Alexander für den Morning Briefing Podcast wirbt er für einen neuen Blick auf das deutsch-russische Verhältnis:

Es ist sinnvoll, andere, wenn sie meine Feinde sein sollten, zu verstehen. Ich habe von Egon Bahr gelernt, dass eines der wichtigsten Instrumente, nicht nur in der Politik, der Perspektivwechsel ist.

Von einer Demokratie, wie wir sie hier in Deutschland haben, sei Russland aktuell weit entfernt:

Für mich ist das ein Land mit autokratischen Zügen, keine Frage.

Platzeck wünscht sich trotzdem mehr Dialog- und Kompromissbereitschaft:

Als sich Kanzler Willy Brandt nach Moskau aufmachte, traf er auf einen kommunistischen Herrscher, der noch Straflager unterhielt. Trotzdem hat man das Gespräch gesucht. Ich finde, wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen und sagen: Mein Gott, was in der Hochphase des Kalten Krieges möglich war, kann doch jetzt nicht völlig unmöglich sein.

Die Ära der Kampfjets ist vorbei. Das zumindest sagt der hauptamtliche Visionär der USA, Tesla-Gründer Elon Musk.

Elon Musk © dpa

Zukünftig würde es keine bemannten Kampfflugzeuge mehr geben, sondern autonome Drohnen. Denn:

Diese reagierten schneller als ein Pilot.

Sie seien aerodynamisch besser konzipiert.

Im Falle des Abschusses verliert das Drohnengeschwader lediglich Material, aber keine Menschen.

Der Zeitpunkt dieser Äußerung ist für die Bundeswehr pikant. Deutschland, Frankreich und Spanien entwickeln derzeit das bemannte Kampfflugzeug „Future Combat Air System“. Dieses soll 2040 einsatzbereit sein. Für die Entwicklung sind acht Milliarden Euro eingeplant, für Beschaffung und Betrieb 100 Milliarden Euro.

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Sollte Musk recht behalten, entsteht die teuerste Militärruine der europäischen Nachkriegsgeschichte. Das nagelneue Fluggerät könnte direkt aus der Fabrik ins Luftfahrtmuseum ausgeliefert werden – in die Abteilung „prähistorische Flugkörper“.

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Der weltweite Auto-Abschwung, der Umbruch der Branche und die Risiken der Coronavirus-Epidemie lassen Continental mit großer Sorge ins neue Geschäftsjahr blicken. Der Dax-Konzern meldete einen Milliardenverlust für 2019 – gleichzeitig muss er sich auf weitere schwierige Monate einstellen. Vorstandschef Elmar Degenhart sagte bei der Vorstellung der vorläufigen Jahreszahlen:

Die Autoindustrie durchlebt derzeit einen der heftigsten Stürme. Die Auswirkungen werden uns noch lange beschäftigen.

2019 fiel bei dem Zulieferer unterm Strich ein Fehlbetrag von über 1,2 Milliarden Euro an, nachdem er 2018 knapp 2,9 Milliarden Euro verdient hatte. Conti kündigte im Herbst hohe Abschreibungen an, außerdem wird die Bilanz durch beträchtliche Umbaukosten belastet.

Die Conti-Aktie sackte auf den tiefsten Stand seit sieben Jahren ab und verlor 14 Prozent.

Eine Infografik mit dem Titel: Conti Aktie sackt ab

Aktienkurs der Continental-Aktie

Der Ausblick lässt wenig Gutes erahnen. Degenhart:

Wir sehen es bereits an den Fieberkurven der Börsen: Das wirtschaftliche Klima ist ebenfalls von dem Virus befallen.

 © dpa

Egal, wo der Bundesligaverein TSG Hoffenheim spielt, gehören Schmähgesänge und Banner mit Hassparolen gegen den SAP-Gründer und Hoffenheim-Förderer Dietmar Hopp dazu. Der Streit zwischen Spielern, Managern und DFB-Funktionären einerseits sowie dem harten Kern der Fanszene andererseits eskaliert.

Darüber spricht Robin Alexander im Morning Briefing Podcastmit Philipp Köster, dem Gründer und Chefredakteur des Fußballmagazins „11 Freunde“. Köster sagt über die jüngste Eskalation:

Das ist ja ein ganz, ganz alter Konflikt. Es geht darum, wem eigentlich die Bundesliga, wem der Fußball gehört. Da gibt es auf der einen Seite die Bundesliga-Funktionäre, die möglichst viel Geld mit dem Fußball machen wollen. Auf der anderen Seite sagen die Anhänger: Unsere Fankultur und unsere Jugendkultur haben auch ihre Rechte.

Seine Empfehlung lautet wie folgt:

Dialog, Dialog, Dialog. Die Leute müssen begreifen, dass nur im Gespräch mit den Fankurven, mit den vernünftigen Leuten in den Fankurven, überhaupt Verbesserungen erreicht werden.

Ich wünsche Ihnen einen heiteren Start in das Wochenende. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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