Das Jens-Spahn-Momentum

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Guten Morgen,

Friedrich Merz hat im Interview mit den ARD-„Tagesthemen“ einen Satz gesagt, der später nicht die Aufmerksamkeit erfuhr, die er verdient hätte.

Da wo Rauch ist, ist auch Feuer. Natürlich wird das versucht.

Gemeint ist die gleichermaßen kollektive wie geheime Anstrengung, den Weg für einen CDU-Vorsitzenden Jens Spahn zu ebenen. Das Ziel ist schon deshalb ambitioniert, weil Spahn gar nicht auf dem Wahlzettel steht. Geübte Parteitaktiker aber wissen, wie man dennoch ans Ziel kommt. Drei Szenarien sind denkbar:

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) © dpa

Szenario 1: Friedrich Merz schadet sich mit seinen Attacken auf „das Establishment“ selbst und steht in der Partei als Querulant da. Männer wie der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der in seiner Heimatzeitung, der „FAZ“, die Beobachtungen des Rauchmelders Merz als „albern, falsch und widersinnig“ bezeichnet, tragen vorsätzlich zur Isolation von Merz bei. Er soll bei seiner Fanbasis als Mann diskreditiert werden, der Gespenster sieht.

 © dpa

Gleichwohl, und das ist wichtig für Szenario 1, kann Armin Laschet von diesem Treiben in den Umfragen nicht profitieren. Unter dem sanften Druck seiner Parteifreunde zieht er schließlich zurück. Als letzte heroische Tat vor dem Abstieg schlägt er die Nr. 2 seines Teams als Nr. 1 vor. Damit wäre der Weg frei für Jens Spahn, der die soziale Absicherung seines heutigen Teampartners übernehmen müsste. Laschet würde fallen, aber weich.

Eine Infografik mit dem Titel: Merz klar in Führung

Umfrage unter CDU-Mitgliedern, wer nächster Parteivorsitzender werden soll, in Prozent

Szenario 2: Der bislang in der Kulisse sich formierende Sympathisantentrupp für Jens Spahn, angeführt von Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber, tritt aus dem Halbdunkel in die TV-Studios von ARD und ZDF. Eine öffentliche Belobigung von Spahn als „Hoffnungsträger“ käme, zumal aus dem Mund der Altvorderen, einer Demütigung von Laschet gleich und könnte die Verhältnisse in der Union zum Tanzen bringen. Spahn dürfte auch in diesem Szenario nicht auf eigenes Risiko loslegen. Man würde ihn rufen. Er soll nicht auf die Bühne stürmen, sondern schreiten.

Szenario 3: Die Kanzlerin sowie die Parteivorsitzenden von CDU und CSU entwickeln eine gemeinsame Vorstellung von der Zukunft Deutschlands und der künftigen Aufgabenverteilung. In diesem Szenario belohnen sie Laschets Verzicht auf Parteivorsitz und Kanzlerschaft mit der Aussicht auf Schloss Bellevue. Laschet würde als Schlossherr den Niederungen der Tagespolitik entschweben und damit die Kandidatur von Spahn auf dem Parteitag ermöglichen. Im Gegenzug für diese Rochade müsste Spahn allerdings die Kanzlerkandidatur, kaum im Amt des Parteichefs angekommen, an den Mann aus Bayern weiterreichen.

 © dpa

Fazit: Allen drei Szenarien ist eines gemeinsam: Jens Spahn tut das, was in dieser Situation am klügsten ist: Er wartet ab. Schon damit beweist er das, was Friedrich Merz derzeit fehlt: strategische Geduld. Der Union stehen turbulente Monate bevor. Oder um mit Peter Handkes neuem Buchtitel zu sprechen: „Wer sagt denn, dass die Welt schon entdeckt ist.

 © Anne Hufnagl

Vor den heutigen Bund-Länder-Beratungen über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie zeichnet sich eine Verschärfung der Kontaktbeschränkungen ab. Unsicher ist, ob sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten auf einen einheitlichen Kurs einigen können.

Unser Hauptstadt-Team hat die Vorbereitungen des Kanzleramts an der Quelle studiert. Merkel will ausweislich der Unterlagen für die heutige Sitzung, die unter Leistung des Kanzleramtsministers zusammengestellt wurden, schnell und hart das öffentliche Leben im November herunterfahren, damit das Gesundheitssystem im Dezember nicht überlastet wird. Die Zeitungsüberschrift „Tödliche Weihnacht“ soll verhindert werden. Man müsse die Kontakte zwischen den Menschen um mehr als 50 Prozent reduzieren, so Merkels Vorgabe.

Eine Infografik mit dem Titel: Juli: Pandemie unter Kontrolle

Bestätigte Neuinfektionen je 100.000 Einwohner der vergangenen sieben Tage in deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten

Eine Infografik mit dem Titel: Oktober: Angespannte Lage

Bestätigte Neuinfektionen je 100.000 Einwohner der vergangenen sieben Tage in deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten

In der Tischvorlage für die nachher stattfindende Telefonkonferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin - ENTWURF Stand 27.10.2020 22:29 Uhr - heißt es unter „TOP Bekämpfung der SARS-Cov2-Pandemie“:

  • Die Bürgerinnen und Bürger werden aufgefordert, generell auf private Reisen und Besuche - auch von Verwandten - zu verzichten. Das gilt auch im Inland und für überregionale tagestouristische Ausflüge.

  • Übernachtungsangebote im Inland werden nur noch für notwendige und ausdrücklich nicht touristische Zwecke zur Verfügung gestellt.

  • Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind, werden geschlossen. Dazu gehören:

  • Theater, Opern, Konzerthäuser, und ähnliche Einrichtungen.

  • Messen, Kinos, Freizeitparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen), Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen.

  • Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen.

  • Der Freizeit- und Amateursportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbädern.

  • Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen.

  • Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt.

  • Gastronomiebetriebe sowie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen werden geschlossen. Davon ausgenommen ist die Lieferung und Abholung mitnahmefähiger Speisen für den Verzehr zu Hause.

  • Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden geschlossen, weil in diesem Bereich eine körperliche Nähe unabdingbar ist. Medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Physiotherapien, bleiben weiter möglich.

  • Friseursalons bleiben unter den bestehenden Auflagen zur Hygiene geöffnet.

  • Der Einzelhandel bleibt unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen insgesamt geöffnet.

  • Schulen und Kindergärten bleiben offen.

  • Für die von den temporären Schließungen betroffenen Unternehmen und Einrichtungen wird der Bund eine Nothilfe gewähren.

Mehr Detailinformationen gibt es hier: thepioneer.de/hauptstadt.

Christian Drosten © dpa

Der Souffleur der Kanzlerin, Virologe Christian Drosten, hat in seinem Podcast den für heute geplanten Lockdown freigezeichnet:

Wenn die Belastung zu groß wird, dann muss man 'ne Pause einlegen.

Dieses Virus lässt nicht mit sich verhandeln. Dieses Virus erzwingt bei einer bestimmten Fallzahl einfach einen Lockdown.

Fazit: Sein Wille geschehe. Der 2. Lockdown steht dem Land bevor. Für viele Unternehmer wird es ein Knock-down sein.

 © Anne Hufnagl

Sieben Tage vor der US-Wahl besuchte der ehemalige Obama-Botschafter in Brüssel und heutige europapolitische Berater von Joe Biden, Anthony Gardner, die Pioneer One. Er kündigte im Falle eines Wahlsiegs von Biden eine Kehrtwende in den angespannten transatlantischen Beziehungen an.

Die großen US-Tech-Konzerne, die über ihre Plattformen täglich Unmengen an Daten sammeln, sieht er kritisch:

Seit einem Bericht des Repräsentantenhauses über die Aktivität von Online-Plattformen wächst die Ansicht, dass sie reguliert werden müssen, zumal es ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Rolle der Online-Plattformen für die Zukunft unseres demokratischen Systems gibt.

 © Anne Hufnagl

Er sieht die Chance, dass Amerika beim Klimaschutz den internationalen Vereinbarungen, die er als Botschafter einst mit aushandelte, wieder beitritt.

Wenn Biden gewählt wird, haben wir eine Chance zu versuchen, das Pariser Klimaabkommen doch noch zu retten. Die EU ist dann unser wesentlicher Partner.

Für den Umgang mit China empfiehlt er wachsame Gelassenheit und keinen Abbruch der Beziehungen. Europa werde wieder ein geschätzter Partner für eine demokratische Administration werden:

Die Winde des Wechsels sind bereits unterwegs.

Falls Donald Trump abgewählt werden sollte, schließt er Unruhen und Gewalt auf den Straßen nicht aus:

Es mag einige gewalttätige Gruppen geben, die angestachelt und ermutigt werden, auf die Straße zu gehen, um Donald Trump zu unterstützen. Ich hoffe aber, dass wir damit umgehen können.

Pünktlich vor der Wahl hat der überparteiliche Verein „Atlantik-Brücke“, der sich unter dem Vorsitz des früheren Außenministers Sigmar Gabriel um die transatlantischen Beziehungen bemüht, eine Umfrage zur Sicht der Deutschen auf die USA publiziert.

Eine Infografik mit dem Titel: Spannende Wahl

Glauben Sie, dass Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 wieder gewählt wird?, in Prozent*

Demnach erwarten 41,3 Prozent, dass Biden die Wahl gewinnt, 38,4 Prozent rechnen mit einem Sieg von Trump. Im Falle eines Wahlsiegs von Biden erwarten 68,5 Prozent, dass sich das Verhältnis zu den USA verbessert. Sollte Trump gewinnen, rechnen 72,3 Prozent damit, dass sich die transatlantischen Beziehungen weiter verschlechtern. Insbesondere die Generation 65+ sowie die Wähler von Union, SPD und Grünen blicken bei einem Sieg von Trump pessimistisch in die Zukunft: Über 80 Prozent rechnen dann mit einer Verschlechterung.

 © Media Pioneer

Alles Wichtige aus der Berliner Republik gibt es in unserem Newsletter „Hauptstadt – Das Briefing“.

 © dpa

SAP-Aufsichtsratschef Hasso Plattner hat den Kurssturz der Aktien des Softwareherstellers zu einem Großeinkauf genutzt. Der Mitgründer des Dax-Konzerns deckte sich zu Wochenbeginn für insgesamt rund 248,5 Millionen Euro mit den entsprechenden Papieren ein. Das geht aus einer Stimmrechtsmitteilung des Konzerns hervor.

Eine Infografik mit dem Titel: Der SAP-Kurssturz

SAP-Aktienkurs, 23. bis 27. Oktober, in Euro

Die SAP-Aktie war am Montag wegen eines Strategieschwenks von Vorstandschef Christian Klein um mehr als ein Fünftel auf 97,50 Euro eingebrochen. Dies war der höchste Tagesverlust der Papiere seit den 1990er-Jahren, ein Börsenwert von rund 33 Milliarden Euro löste sich in Luft auf. Die SAP-Aktien drehten am Dienstag – nach Bekanntgabe von Plattners Aktienkauf – wieder ins Plus. Hasso Plattners Erwartung wurde durch den Kauf zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Oder um es mit Erich Kästner zu sagen: „Wunder erleben nur diejenigen, die an Wunder glauben.“

Ich wünsche Ihnen einen optimistischen Start in den neuen Tag, trotz alledem. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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