für die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht beginnen harte Zeiten. Dienstherr Olaf Scholz will den staatlichen Bankenaufsehern allen Ernstes das Spekulieren verbieten. Die Empörung innerhalb der BaFin ist groß.
Das Finanzmarkt-Integritäts-Stärkungsgesetz ist auf dem Weg ins Kabinett, was den Personalrat der Behörde sehr empört. In einem Brief an den Staatssekretär im Finanzministerium, den ehemaligen Investmentbanker Jörg Kukies, beschwert sich der Personalratsvorsitzende der BaFin, Andreas Wolter:
Ich bitte Sie dringend den Referentenentwurf zu überdenken. Die Handelsverbote sind unseres Erachtens weder erforderlich, noch angemessen. Gleiche geeignete, aber mildere Mittel bleiben unberücksichtigt.
Das geplante Gesetz sei „unverhältnismäßig“, heißt es in dem Schreiben, das dem Morning Briefing Team vorliegt.
Es werde allen BaFin-Mitarbeitern die Möglichkeit genommen, durch eine Investition in Finanzinstrumente „einen Beitrag für ihr privates Vermögen sowie ihre Altersvorsorge aufzubauen“.
© ThePioneerHier wird nichts Geringeres gefordert, als das Recht auf Spekulationsgewinne.
So wie es in allen Brauereien ein Bier-Deputat für die Belegschaft gibt und der Düngemittelhersteller K&S seinen Mitarbeitern einen Sack Stickstoffdünger spendiert, wollen die BaFin-Mitarbeiter ihr dienstlich erworbenes Insiderwissen auch weiterhin vergolden. Mit rund 500 Transaktionen hatten sie es allein im Fall Wirecard zwischen 2018 und 2020 getan.
Die Ministeriumsspitze schüttelt den Kopf – und lässt die Träume vom schnellen Vermögensaufbau zerplatzen. Das Handelsverbot kommt, wird uns versichert.
Eine Infografik mit dem Titel: Wirecard: Der Absturz
Aktienkurs seit November 2019, in Euro
An diesem Donnerstag muss nun - gerichtlich angeordnet - ein besonderer Geheimnisträger und Mitspekulant in Sachen Wirecard vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages erscheinen.
Ex-Vorstandschef Markus Braun kommt direkt aus der Untersuchungshaft in Augsburg-Gablingen in das Bundestagsgebäude gereist.
© imagoAlles Gezeter des Sträflings, es handele sich um ein unvertretbares Gesundheitsrisiko, nutzte ihm nichts. Der Bundesgerichtshof setzte eigens für ihn, das Diktum der Kanzlerin außer Kraft.
Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut für die Bekämpfung der Pandemie.
Am gestrigen Abend waren die Chefs der wichtigsten Branche des Landes zu Gast bei der Kanzlerin - Corona-bedingt natürlich virtuell. In Deutschland erwirtschaftet die Industrie rund 450 Milliarden Euro im Jahr mit 830.000 Beschäftigten. Europaweit hängen 14 Millionen Jobs direkt und indirekt an der Automobilindustrie.
Das halbe Kabinett war zugeschaltet, die Gewerkschaftschefs Reiner Hoffmann (DGB) und Jörg Hofmann (IG Metall) sowie die Autobosse Ola Källenius (Daimler), Oliver Zipse (BMW) und VW-Chef Herbert Diess.
Eine Infografik mit dem Titel: Der sanfte Rückzug des Verbrenners
Prognose der Anteile der Antriebsarten an der weltweiten Produktion von Automobilen, in Prozent
Das Ergebnis hatten vorab die Chefunterhändler der Konzerne wie der ehemalige Staatsminister des Kanzleramts Eckart von Klaeden (jetzt Daimler), Ex-Regierungssprecher Thomas Steg (jetzt VW) und Hildegard Müller, einst ebenfalls Staatsministerin im Kanzleramt der Angela Merkel, ausgepokert.
Die Kanzlerin liebt eben keine Überraschungen.
Ergebnis: Fünf Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren an die Autoindustrie fließen, damit Deutschlands Schlüsselbranche nicht den Anschluss verliert.
Geplant sind im Einzelnen:
Eine Abwrackprämie für Lkw in Höhe von einer Milliarde Euro.
Ein „Zukunftsfonds Automobilindustrie“, der den Steuerzahler ebenfalls einer Milliarde Euro kostet und helfen soll, „regionale Transformationsstrategien“ zu fördern.
Die Prämie für Elektroautos soll bis 2025 verlängert werden. Der Fördertopf wird um eine zusätzliche Milliarde aufgestockt.
Zwei Milliarden Euro aus dem allgemeinen Konjunkturprogramm des Bundes sollen den Autokonzernen helfen, ihre Investitionen zu finanzieren.
Im Vordergrund aber stand gestern Abend die Idee, Deutschland zur Elektro-Republik zu entwickeln. Denn die vielen neuen E-Autos treffen bisher nur vereinzelt auf Ladestationen. Also wurde beschlossen:
Ziel ist es, unkompliziert und flächendeckend in Deutschland und Europa Strom tanken zu können. Je schneller ein flächendeckendes Netz besteht, desto besser.
Eine Infografik mit dem Titel: Das E-Auto-Dilemma
Entscheidungsgründe der Deutschen für die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs, in Prozent*
Im Einzelnen heißt das:
Eine gesetzliche Regelung für ein einheitliches Bezahlsystem an Ladesäulen soll zeitnah beschlossen werden.
Tankstellen müssen zu Stromtankstellen umgerüstet werden. Bis Ende 2022 soll jede vierte mit Schnelllade-Punkten ausgestattet sein, bis 2024 mindestens die Hälfte.
Mit der Mineralölwirtschaft will das Merkel-Kabinett diese Ziele verbindlich vereinbaren. Gedacht ist an eine “Selbstverpflichtung”.
Fazit: Die Autoindustrie bleibt das Lieblingskind der deutschen Politik. Sie bekommt Geld und Aufmerksamkeit. Und ein bisschen umerzogen wird sie auch.
Apropos Liebe: Die Daimler AG in Stuttgart wechselt die Kooperationspartner inzwischen wie Lothar Matthäus seine Lebensabschnittspartnerinnen.
Die Welt AG ist längst Geschichte. 2007 wird die Mehrheitsbeteiligung an der Chrysler Group wieder abgegeben. Auch die beiden Kooperationen mit Mitsubishi Motors und der Hyundai Motor Company werden wieder gelöst. Die Zusammenarbeit und Beteiligung mit und an dem Elektropionier Tesla wurde ebenfalls widerrufen. Der neue Wunschpartner war jetzt Renault.
Sechs Jahre und einen Vorstandschef später verbündet sich Daimler erneut, diesmal mit dem chinesischen Hersteller Geely, der bereits Volvo übernommen hat und am Daimler-Konzern einen 9,7-prozentigen Anteil besitzt.
Ab 2024 wollen die beiden Autofirmen Hunderttausende Ottomotoren pro Jahr produzieren. Die Entwicklung liegt bei Daimler, die Produktion in China. Ziel ist es, einen möglichst standardisierten Motor - bei Daimler sprechen sie vom Weltmotor - zu entwickeln und kostengünstig im Billiglohnland China zu bauen.
Die Zusammenarbeit mit Renault, wo man schon länger kraftlos vor sich hin kooperiert, steht damit zur Disposition. In Stuttgart gilt das chinesische Sprichwort:
Wer sich nicht ändert, hat nicht gelebt.
Friedrich Merz ist vor wenigen Tagen 65 Jahre alt geworden. Sein Ziel ist aber nicht der Ruhestand, sondern der CDU-Vorsitz: Beim Bundesparteitag, der aller Voraussicht nach am 16. Januar digital stattfinden soll, steht er zur Wahl.
Gestern besuchten Michael Bröcker und ich den früheren Fraktionsvorsitzenden der Union in seiner Wahlkampfzentrale am Spreeufer in Berlin.
Anders als beim Parteitag im Dezember 2018, als Annegret Kramp-Karrenbauer zur CDU-Chefin gewählt wurde und Merz knapp unterlag, hat er sich wieder in die Partei eingelebt.
© dpaKnapp 80 Prozent der 1001 Delegierten, die ihn wählen sollen, habe er inzwischen gesprochen und kennengelernt, sagte Merz. Damals war er für viele ein Fremder.
Im Ton ist bei Merz eine neue Behutsamkeit eingezogen. Merz will seine Parteifreunde (und die Deutschen) nicht mit radikalen Reformen überfordern. Veränderung ja, aber keine Disruption:
Es muss eine Agenda 2030 geben. Aber das geht nicht mit einem Big Bang. Das geht nur modifiziert.
Die milliardenschweren Rettungsprogramme des Staates in der Corona-Pandemie lehnt er nicht in Gänze ab, aber sie bieten für ihn noch keine Antwort auf die strategischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
Von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist er sichtlich enttäuscht:
Die Antwort, dass sich überall der Staat beteiligt, ist und bleibt aus meiner Sicht nicht die richtige Antwort. Ich hätte mir von einem Bundeswirtschaftsminister vorstellen können, Alternativen zu der Rettungspolitik der jetzigen Regierung zu diskutieren.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Corona-Hilfen des Bundes
Bewilligte Hilfen in Milliarden Euro, Stand Oktober 2020
Im Wettbewerb mit der neuen Weltwirtschaftsmacht China, die soeben eine Freihandelszone in der Asien-Pazifik-Region verabredet hat, die ein Drittel der Weltwirtschaft umfasst, müsse sich Europa für eine eigenständige Rolle entscheiden, sagt Merz:
Wir müssen uns endlich mal die Frage stellen: Wollen wir eigentlich in diesem Klein-Klein weitermachen? Oder wollen wir in der Wirtschaftspolitik nicht endlich mal wirklich europäisch denken und dafür sorgen, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich europäische Unternehmen entwickeln können?
Seinen Auftritt am vergangenen Sonntag in der ARD-Talkshow „Anne Will“, bei der Merz über die Freihandelszone sprechen wollte, aber von der Grünen-Vorsitzenden und Mitdiskutantin Annalena Baerbock unsanft auf den gesellschaftlichen Boden von Diskriminierung, Gender und Gleichberechtigung geholt wurde, erklärt er so:
Ich habe den Vorschlag gemacht, ob wir nicht vielleicht jenseits des enorm wichtigen Gender-Themas auch einmal kurz den Blick nach außen richten und die Frage stellen, was sonst noch auf dieser Welt passiert.
Dennoch: Friedrich Merz will das Thema der Geschlechter-Gleichberechtigung zwar relativieren, aber nicht gänzlich beiseiteschieben:
Gemischte Teams sind besser als reine Männerteams. Ich habe mich nie gegen eine Quote ausgesprochen.
Auf die Frage, wer denn dann seine Kamala Harris sei, antwortete Merz:
Das werde ich nach dem 14. Dezember sagen.
Die Kurzfassung unseres Gesprächs hören Sie heute im Morning Briefing Podcast, der um kurz nach 7 Uhr bei Deezer, Spotify, Apple und in der Steingart Morning Briefing App veröffentlicht wird.
Das ausführliche Gespräch mit dem Bewerber um den CDU-Vorsitz und möglichen Kanzlerkandidaten gibt's um 12 Uhr als kostenpflichtiges Brain Food für alle Pioniere auf unserer Webseite ThePioneer.de
Wenn Sie heute nur einen Podcast hören, dann bitte diesen. Diese Hörempfehlung gilt nicht nur, aber auch für Markus Söder und Armin Laschet.
Nachher möchte der Bundestag ein Gesetz beschließen, das den "Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" im Sinne hat und der Bundesregierung weitere Befugnisse in der Pandemie geben wird.
Es ist das dritte Bevölkerungsschutzgesetz der Regierung seit Beginn der Pandemie und das mit Abstand umstrittenste.
Nicht die Fraktion der Verschwörungstheoretiker sondern das „Handelsblatt“ urteilt heute morgen:
„Den wichtigsten Kritikpunkt hat die Koalition bisher nicht ausräumen können: Bund und Länder dürfen mit einfachen Rechtsverordnungen in grundrechtliche Freiheiten eingreifen - ohne Vorbehalt des Parlaments. Angekratzt ist auch eine weitere Hoheit des Bundestags: das Budgetrecht.“
Die Juristin Andrea Kießling von der Ruhr-Universität Bochum hatte in ihrer Stellungnahme für den Bundestag bemerkt, dass manche Vorschrift in dem Gesetz "keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen" erkennen ließe. Die verfassungsrechtlichen Grenzen müssten der Exekutive aufgezeigt werden.
Fazit: Die Abgeordneten sollten am heutigen Morgen innehalten. Sie sind die Aufseher und nicht die Claqueure dieser Bundesregierung. Gefragt ist nicht der Augenaufschlag des Verliebten, sondern, um mit Max Weber zu sprechen, „die geschulte Rücksichtslosigkeit des Blickes“.
Die Fußballnation Deutschland wurde schon lange nicht mehr derart gedemütigt. Das 0:6, das die Nationalmannschaft gestern gegen Spanien kassierte, war die härteste Niederlage seit 1931 und der größte Flop von Jogi Löw in seinen 14 Jahren als Bundestrainer. Gleich sechs Mal musste Kapitän und Weltmeister-Torwart Manuel Neuer (Foto) hinter sich greifen.
Wer jetzt nicht über einen Trainerwechsel nachdenkt, ist nicht von dieser Welt. Die Uhr des Jogi Löw hat zu ticken begonnen.
Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr