Bidens 100-Tage-Bilanz

Teilen
Merken
 © dpa

Guten Morgen,

es war die Nacht des Joe Biden. In seiner ersten großen Rede vor beiden Häusern des Kongresses entwarf der Präsident am 99. Tag nach seiner Amtsübernahme die Skizze eines anderen, eines mit sich versöhnten Amerikas:

Es sind hundert Tage vergangen, seit ich meinen Eid geschworen habe, seit ich – wie wir alle – eine Nation geerbt habe, die sich in einer Krise befand, die schlimmste Pandemie dieses Jahrhunderts, die schlimmste Wirtschaftskrise seit der Great Depression, der schlimmste Angriff auf unsere Demokratie seit dem Bürgerkrieg.

Jetzt nach nur hundert Tagen kann ich dieser Nation bescheinigen, Amerika ist bereit zum Abheben. Gefahr in Möglichkeiten wandelnd, Krise in Chancen, Rückschläge in Stärke.

An die Gegner seiner Präsidentschaft, die vor allem im Herzland der USA zuhause sind – da wo der Mais wächst und der Populismus gedeiht – richtete er:

Die Bilder des gewalttätigen Mobs, der das Capitol angriff und unsere Demokratie entweihte – sie verbleiben eindringlich in unserer Erinnerung. ... Der Aufstand war eine existenzielle Krise – eine Prüfung, ob unsere Demokratie überleben würde. Das hat sie.

Es sind vor allem fünf Leistungen, die man Biden zurechnen kann:

1. Die Börse boomt. Seit Bidens Wahl stiegen die Kurse der Nasdaq um 20,1 Prozent.

2. Die Wirtschaftsaussichten gerade auch für das klassische Arbeitermilieu und die Bauern sind rosig. Mit 6,5 Prozent Wirtschaftswachstum rechnen die Ökonomen der US-Zentralbank FED in 2021.

Eine Infografik mit dem Titel: Gute Aussichten

Wirtschaftswachstum in den USA von 2017 bis 2020, sowie Prognose ab 2021 in Prozent

3. Die drei von der Biden-Administration auf den Weg gebrachten Ausgabenprogramme – das Corona-Hilfspaket (1,9 Billionen Dollar), das Infrastrukturprogramm (2,3 Billionen Dollar) und das geplante Bildungsprogramm (1,8 Billionen Dollar) – sind mit insgesamt 6 Billionen Dollar die größten derartigen US-Staatsprogramme seit dem Zweiten Weltkrieg. Gemeinsam entsprechen sie rund 139 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hierzulande. Biden heute Nacht:

Amerikanische Steuergelder werden dafür genutzt werden, amerikanische Produkte zu kaufen, die in Amerika hergestellt worden sind, um amerikanische Jobs zu schaffen. So soll es sein und so wird es in dieser Administration geschehen.

Eine Infografik mit dem Titel: Bidens Impfbilanz

Anzahl der bisher verabreichten Impfdosen, registrierten Infektionen und Todesfälle seit Bidens Amtsantritt, in Millionen

4. Die Impfkampagne seines Vorgängers hat Biden nochmals beschleunigt. Mittlerweile sind 232,41 Millionen Amerikaner mindestens einmal geimpft. Das Land will spätestens im Juli die Herdenimmunität von 70 Prozent erreicht haben. Biden in seiner Ansprache:

Nachdem ich versprochen hatte, dass 100 Millionen COVID-19-Dosen innerhalb von 100 Tagen in die Arme unseres Volkes gespritzt werden würden, werden wir über 220 Millionen bereitgestellt haben in diesen 100 Tagen. Jeder, der älter als 16 Jahre ist, hat nun die Möglichkeit sofort geimpft zu werden. Go get vaccinated, America.

5. Auch den linken Flügel der Demokratischen Partei hat Biden – bisher zumindest – besänftigen können. Mit seiner glasklaren Reaktion auf das Urteil gegen den Mörder von George Floyd konnte er punkten. Zu besichtigen war nicht der schläfrige Joe, sondern ein demokratischer Präsident, der die Feinde des Rechtsstaates klar als solche benennt. Heute Nacht sagte er:

Vereint wollen wir das Vertrauen zwischen der Strafverfolgung und den Menschen, denen sie dienen soll, erneuern. Wir wollen systematischen Rassismus ausmerzen in unserem Strafverfolgungssystem und eine Polizeireform in George Floyds Namen beschließen.

Wir müssen daran arbeiten, Konsens zu finden, aber lasst uns das nächsten Monat zum Tag, an dem sich der Tod von George Floyds jährt, schaffen.

Fazit: Der neue Präsident hat einen Bilderbuchstart erwischt. Donald Trump wird nicht mehr attackiert, nur beschämt. Der väterliche und daher versöhnliche Ton des Joe Biden besitzt die Kraft der Veränderung.

Sigmar Gabriel © Anne Hufnagl

Die Europäische Union will mehr sein als ein großer Geldautomat. Aber die Debatte über die künftige Ausrichtung der EU hat in Zeiten der Pandemie gelitten. Die gemeinsame Schuldenaufnahme – immerhin 750 Milliarden Euro umfasst der EU-Wiederaufbaufonds – ist eine Notmaßnahme, um den europäischen Süden vor Massenarbeitslosigkeit und einem Overkill der Staatsschulden zu bewahren. Eine strategische Antwort auf das Auseinanderdriften der EU ist der Fonds nicht.

Der ehemalige Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Sigmar Gabriel, der heute in den Aufsichtsräten von Deutsche Bank und Siemens Energy sitzt und dem European Council on Foreign Relations angehört, meldet sich im World Briefing mit einer präzisen Gegenwartsanalyse und Vorschlägen für eine realpolitische Vertiefung Europas zu Wort.

Meine große Sorge ist, dass die Spannungen von Süd und Nord, die schon vor der Pandemie existiert haben, uns weiter auseinander treiben lassen. Es wird die große Aufgabe für die deutsche und die französische Politik sein, den Laden zusammenzuhalten.

Klick auf Bild führt zur Podcast-Page

Die Machtverschiebung in Richtung Asien gehört für Gabriel zur neuen Normalität:

600 Jahre Europa-Zentriertheit sind unwiderruflich vorbei.

Aber: Er rät, uns keineswegs mit der Rolle eines wohlsituierten Zuschauers auf der Tribüne der Weltpolitik abzufinden:

Wir Europäer werden von vielen anderen Regionen der Welt als reich, aber schwach angesehen. Das muss sich ändern.

Das Best-of der europapolitischen Einschätzungen von Sigmar Gabriel hören Sie heute Morgen im Morning Briefing Podcast. Das gesamte Gespräch zwischen ihm und Chelsea Spieker erscheint am Samstagmorgen in einer neuen Folge der Pioneer Original Staffel „World Briefing“.

Klick aufs Bild führt zur den ThePioneer-Podcasts
Christian Sewing © dpa

Die Deutsche Bank ist wieder auf Kurs. Das Geldhaus präsentierte für das erste Quartal 2021 den höchsten Gewinn seit sieben Jahren. In den zurückliegenden drei Monaten konnte die Bank einen Nettogewinn von 908 Millionen Euro einfahren – vor einem Jahr stand hier noch ein Verlust von 43 Millionen Euro.

Gewinntreiber ist – wie derzeit fast überall im Bankgeschäft – das Investmentbanking. Die Erträge aus der risikoreichen Sparte stiegen um 32 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro und bescherten einen Gewinnanstieg vor Steuern um 134 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Damit profitiert die Bank stark von den Kursstürzen zu Beginn der Corona-Krise und dem nachfolgenden Börsenboom.

Eine Infografik mit dem Titel: Kurssprung der Deutschen Bank

Kursverlauf der Aktie der Deutschen Bank seit dem 28. Januar 2021, in Euro

Die guten Zahlen, auch das gehört zur Wahrheit dazu, verdankt das Geldhaus vor allem der Börsenrally und der Bereitschaft von Sewing, die Strategie der Wirklichkeit anzupassen. Sein Ursprungsplan, das Geschäft mit Privat- und Unternehmenskunden zu stärken und die Abhängigkeit vom Investmentbanking zu minimieren, würde in Zeiten von Nullzinspolitik und Börsenboom vor allem Verdruss produzieren und eben keine Windfall-Profite. Insofern verhält sich der Bankchef im positiven Sinne opportunistisch.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Investment-Gigant

Nettoergebnis ausgewählter Banken im ersten Quartal 2021, in Milliarden Euro

Sewing nimmt Gelegenheiten wahr, die er eigentlich nie wieder wahrnehmen wollte. Er reitet den Tiger der internationalen Kapitalmärkte, obwohl er das Umsatteln auf den heimischen Lastenesel der Traditionsbank versprochen hatte.

Die Distanzierung von der Strategie der Ackermann-Jahre ist mittlerweile nur noch eine rhetorische. Oder um es mit Bertolt Brecht zu sagen: „Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, das A falsch war.“

Der Kommentar der „Börsen-Zeitung“ zu den guten Zahlen der Deutschen Bank ist wohlwollend und bitterböse zugleich. Er trägt die Überschrift „Besser geht es nicht“:

Besser geht es nicht: Im Zahlenwerk der Deutschen Bank fürs Startquartal zeigen eigentlich alle Indikatoren in die richtige Richtung.

Besser geht es nicht. Dies gilt vor allem fürs Umfeld – und zwar von der Geldpolitik über die Kapitalmärkte bis hin zum Kreditgeschäft. Wer schon allein durch die Bilanzierung von Finanzpositionen zum zeitnahen Marktwert Mehrerträge von knapp eine Milliarde Euro verbucht, hat es nicht nur leicht, eine gute Figur abzugeben, sondern reitet auch die Welle einer Geldpolitik, die allerorten die Bewertungen inflationiert.

Der Kommentar bei „Bloomberg“ verweist darauf, dass die Erfolge von heute auch auf den reaktivierten Rezepten von gestern beruhen:

Das Geheimnis des Erfolges? Nun, es gibt keines. Die neue Deutsche Bank sieht ähnlich aus wie die alte.

Apple: Machtmissbrauch oder gerechter Kampf um Datenschutz?

Apple: Machtmissbrauch oder Gerechtigkeit? | Innovations-Förderung | US-Infrastruktur |

Briefing lesen

Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Christoph Keese.

Briefing

Samsung-Chef Lee Kun-Hee © imago

Südkoreas Steuerkasse lebt in freudiger Erwartung eines exorbitanten Geldsegens: Im vergangenen Oktober ist der frühere Samsung-Chef Lee Kun-Hee und reichste Mann Südkoreas verstorben. Sein Nachlass umfasst einen Wert von etwa 25 Billionen Won (knapp 19 Milliarden Euro).

Die Familie des verstorbenen Ex-Chefs von Samsung Electronics gab an, eine Erbschaftsteuer von umgerechnet 8,9 Milliarden Euro zahlen zu müssen. Das ist eine der größten Steuerzahlungen in Südkorea und entspricht ungefähr dem Drei- bis Vierfachen der jährlichen Erbschaftszahlungen im Land. Über einen Zeitraum von fünf Jahren soll die Summe in sechs Raten überwiesen werden.

Grüne, SPD und Linkspartei hierzulande schauen mit frischem Blick nach Ostasien. In Südkorea werden ihre kühnsten Steuerträume wahr. Der Erbe ist die Melkkuh der Moderne.

NFTs - Der Hype um digitale Kunst

Der Kunstmarkt dreht sich um Krypto-Kunst: Die wichtigsten Infos und Hintergründe zu NFTs.

Artikel lesen

Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Lena Waltle.

Artikel

Lidl-Filiale in den USA © dpa

Die US-Amerikaner besuchen nicht nur Autohäuser mit Produkten Made in Germany – sondern auch die Supermärkte deutscher Eigentümer. Nach Startproblemen wächst der Discounter Lidl in den USA in hohem Tempo. Es gibt den Supermarkt erst seit dreieinhalb Jahren zwischen Florida und Seattle, doch bereits jetzt ist er mit 145 Niederlassungen vertreten. Das Online-Portal Statista geht davon aus, dass Lidl 2020 einen US-Umsatz von 3,9 Milliarden US-Dollar erzielte.

Aldi ist bereits seit den 1970ern in den Vereinigten Staaten vertreten – mittlerweile mit über 2000 Filialen. Damit ist der Discounter zwar noch weit vom Branchenprimus Walmart entfernt, der über 4.700 Läden betreibt.

Doch Aldi will weiter wachsen: Bis 2020 soll es 2500 Aldi-Supermärkte auf US-amerikanischem Boden geben. Der Umsatz könnte im laufenden Jahr in den USA erstmals höher ausfallen als in Deutschland. Der Werbespruch ist dem Denglish-Wörterbuch entsprungen: Shop Differentli.

US-Werbung für Aldi © Aldi
Gesucht: Erhards Erbe

Armin Laschet will Friedrich Merz im Team haben. Was wird aus Carsten Linnemann und Jens Spahn?

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Linda Zerkavis © dpa

Linda Zervakis, die bisherige Tagesschau-Sprecherin, wechselt zu ProSieben. Statt einer Viertelstunde vom Blatt gibt es für die Moderatorin beim Privatsender künftig zwei Stunden mit persönlicher Note. Gemeinsam mit dem Moderator Matthias Opdenhövel wird sie die wöchentliche Sendung „Zervakis & Opdenhövel. Live.“ moderieren. So nüchtern wie bei der Tagesschau soll es nicht zugehen: „Es soll gelacht werden, geweint werden, und man soll sich auch freuen“, sagt Zervakis. Das gab's zuletzt in dieser Mischung bei den Teletubbies.

Mit ihrer neuen Sendung tritt Zervakis in Konkurrenz zu ihrem ehemaligen Kollegen Jan Hofer. Der Ex-Mister-Tagesschau, der vor Kurzem noch bei Let’s Dance volontierte, soll bei RTL eine eigene Nachrichtensendung bekommen, die – wenn alles planmäßig läuft – ebenfalls zum Freuen und zum Weinen sein wird.

Jan Hofer bei Let's Dance © dpa
Klick aufs Bild führt zur Video-Folge © Anne Hufnagl / ThePioneer

Anne Hufnagl möchte ihre Erfahrungen als Profi-Fotografin mit allen Pioneers teilen. Die 1987 im sächsischen Oschatz geborene Lichtbildnerin setzt alle prominenten Besucher an Bord der PioneerOne in Szene und hat auch das alltägliche Schiffsleben der ThePioneer-Redaktion von Anfang an fotografisch begleitet. Sie liefert in ihrem Erklärvideo Handwerkskunst und Inspiration für Profis und solche, die es werden wollen.

In der nunmehr zweiten Folge von „Showroom“ dreht sich alles um den richtigen Bildausschnitt. Am Beispiel des Shootings mit VW-Chef Herbert Diess illustriert Anne ihre drei Standard-Einstellungen und den Bonus-Schuss. Unsere Videochefin Noemi Mihalovici hat diese Lehrstunde der Fotografie in einen kunstvollen Film verwandelt. Prädikat: bereichernd.

Herbert Diess © Anne Hufnagl
Klick aufs Bild führt zur Podcast-Folge
 © Caroline Guth

Der Corona-Alltag verführt zur Nachlässigkeit in Bekleidungsfragen. Im Home-Office feiern Jogginghosen und Adiletten ihre Renaissance. Auch im Straßenbild hat sich – nachdem die Armee der Bürokrieger zum Rückzug gezwungen wurde – etwas verändert. Aber nicht zum Positiven, meint die Fotografin Caroline Guth.

In ihrer ungewöhnlichen Fotoserie gehen 15 junge Frauen täglichen Arbeiten wie Wäsche waschen, Müll rausbringen oder Kuchen backen nach und haben eine wesentliche Sache gemeinsam: Sie tragen eine elegante Abendgarderobe.

 © Caroline Guth

Als eine Anspielung auf den Einkaufsrausch zu Beginn der Pandemie zeigt eines der Bilder eine Frau im goldfarbenen Abendkleid mit Toilettenpapier unterm Arm.

Unkonventionelle Fotos wie dieses veröffentlicht die Münchnerin auf ihrer Instagram-Seite picaro.photography.

Mit ihrer Idee möchte die 28-jährige Fotografin den dunklen Lockdown-Alltag erhellen. Im Morning Briefing Podcast erklärt sie:

Man zelebriert sich selber überhaupt nicht mehr. Wir sollten die Menschen aus ihrem emotionalen Loch rausholen.

Guths Projekt schmeichelt dem 2019 verstorbenen Karl Lagerfeld, der sich einst mit dem denkwürdigen Satz ins Poesiealbum der Modewelt eintrug:

Wer Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

 © Caroline Guth

Ich wünsche Ihnen einen gut gelaunten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter The Pioneer Briefing