Dax: Vorsicht Herdentrieb!

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Guten Morgen,

den Herdentrieb gibt es nicht nur in den Medien, sondern mindestens genauso ausgeprägt an der Börse. Gefährlich wird‘s, wenn Journalisten und Analysten in die gleiche Richtung losrennen, wie im Fall Wirecard oder beim Neuen Markt, dem Technologiesegment der Deutschen Börse, das sich wie Wirecard schließlich in Luft auflöste.

Vergleichen heißt nicht gleichsetzen: Aber der kometenhafte Aufstieg der Firma Delivery Hero, die seit längerem schon von Wirtschaftsredaktionen und Investmentbankern in Richtung Dax geschoben wird, weckt Zweifel. Insgesamt raten 13 Analysten zum Kauf, drei zum Halten – aber niemand zum Verkaufen. Diese Gleichförmigkeit ist nicht beruhigend, sondern verdächtig.

Mit vereinten Kräften wurde in den vergangenen Tagen ein hochriskantes und noch dazu defizitäres Geschäftsmodell in den Olymp der Deutschland AG bugsiert, wo es neben Daimler, SAP und BASF nicht hingehört.

Eine Infografik mit dem Titel: Aufgepumpter Börsenwert

Delivery Hero im Vergleich zu ausgewählten MDax-Unternehmen, Börsenkapitalisierung in Mrd. Euro

Hier sind die Gründe, warum Delivery Hero zwar als Start-Up eine Großartigkeit, aber als Dax-Konzern eine Unmöglichkeit ist:

Erstens: Im Dax sind die Premium-Unternehmen des Landes versammelt, deren Geschäftsmodell als getestet gelten darf. Für Delivery Hero, ein Konzern der seit Bestehen rote Zahlen schreibt, trifft dieser Befund nicht zu. Das vergangene Geschäftsjahr endete mit einem Verlust von 648 Millionen Euro. Der Platow-Brief, der sich als unabhängiges Medium der Herde verweigert, kommentiert:

Solange der Beweis der Profitabilität nicht erbracht ist, fällt es uns schwer, für den Senkrechtstarter der deutschen Börsenlandschaft eine Kaufempfehlung abzugeben.

Zweitens: Auch die Geschichte von den steigenden Skalenerträgen erweist sich als eben das: eine Geschichte. Denn während sich der Umsatz bei Delivery Hero im ersten Quartal 2020 auf 515 Millionen Euro fast verdoppelte, verdreifachten sich gleichzeitig die Lieferkosten.

Drittens: Es gibt kein anderes Dax-Unternehmen, das in Deutschland sitzt und den Heimatmarkt nicht beliefert. Delivery Hero traute es sich erklärtermaßen nicht zu, das Deutschland-Geschäft jemals rentabel betreiben zu können – und verkaufte es.

Viertens: Das Geschäftsmodell von Delivery Hero ist auch deshalb hochriskant, weil es mächtige Konkurrenten gibt. Aus Frankreich, den Niederlanden und aus dem großen südamerikanischen Markt Brasilien hat man sich bereits zurückgezogen. In Amerika ist man nicht vertreten und es gibt auch keine Absicht, dort anzugreifen. Mit Uber Eats - einer Tochter des Fahrdienstvermittlers Uber - sind Wettbewerber am Start, die wie Just Eat Takeaway und Amazon „Fresh“ globale Ambitionen besitzen. Der Markt der Bestell-Plattformen steht vor einer Konsolidierung.

Fünftens: Das Unternehmen operiert in einem der am intensivsten regulierten Märkte der Welt, dem Arbeitsmarkt. Denn in nahezu allen wichtigen Ländern werden die Mindestlöhne staatlich festgesetzt. Ein Geschäftsmodell, das angesichts niedriger Margen auf Lohndrückerei beruht, kann niemals nachhaltig sein.

Eine Infografik mit dem Titel: Delivery Hero: Damals noch Aufsteiger

Aktienkurs von Delivery Hero ab dem 2.1.2019, in Euro

Sechstens: Die aktuellen Erfolgsmeldungen sind auch ein Ergebnis der Corona-Pandemie. Die Bestellungen verdoppelten sich im zweiten Quartal, auch deshalb, weil Restaurants und Firmenkantinen geschlossen waren.

Fazit: Der Dax ist die große Volksbühne. Hier werden Schiller und Goethe aufgeführt. Delivery Hero aber ist ein Fall für die Studiobühne nebenan. Hier haben Theaterrebellen wie Rainer Werner Fassbinder ihren Auftritt. Oder anders ausgedrückt: Delivery Hero gehört als „spekulative Beimischung“ in die Depots, aber nicht in den Dax.

 © dpa

Erneut kann Apple Geschichte schreiben: Der Börsenwert des iPhone-Konzerns ist im Laufe des gestrigen Tages zum ersten Mal über die Schwelle von zwei Billionen Dollar gestiegen. So hoch wurde noch nie ein US-Unternehmen gehandelt. Das Erreichen dieser historischen Marke ist das Ergebnis einer Kursrally: Zu Jahresbeginn hatte die Aktie noch knapp 300 Dollar gekostet, aktuell steht sie bei 467 Dollar.

Eine Infografik mit dem Titel: Apple vs. deutsche Topkonzerne

Marktkapitalisierung von Apple gegenüber DAX30, in Billionen US-Dollar

Apple und Rekorde, diese Kombination hat Tradition:

  • Erst im August 2018 war der Tech-Riese als erster US-Konzern in die Finanzgeschichte eingegangen, der eine dreizehnstellige Bewertung an der Börse schaffte. Hatte das Unternehmen für die erste Billion noch über 42 Jahre benötigt, so kam die zweite Billion in kaum mehr als zwei Jahren hinzu.

  • Im Januar dieses Jahres hatten die Kalifornier die Ergebnisse für das erste Quartal ihres Geschäftsjahres veröffentlicht: 91,8 Milliarden Dollar Umsatz, 22,2 Milliarden Dollar Gewinn. Dem US-Magazin „Inc” zufolge konnte noch kein anderer Konzern in einem Quartal einen so hohen Gewinn erzielen.

 © dpa
  • Die Apple-Geräte sind zwar – wie von Konzerngründer Steve Jobs erhofft – Alltagsgegenstände geworden, gleichzeitig gelten sie mit Preisen von bis zu 1600 Euro als Luxusobjekte.

Fazit: Auch der Apple-Aktionär ist nicht vor Überraschungen gefeit. Aber immerhin: Er kauft die Poesie unserer Zeit, keine Science Fiction.

 © Reuters

Barack Obama hat sich mit Kritik an seinem Nachfolger bislang zurückgehalten. Generell ist es nicht üblich, dass ein Ex-Präsident den Amtsinhaber scharf kritisiert. Wenige Wochen vor der Wahl und während eines Parteitags ist die Lage jedoch anders. Und so sagte Obama während seiner Rede im Rahmen des Parteitags der Demokraten:

Es ist keine normale Zeit. Also möchte ich heute Abend so deutlich, wie ich kann, darüber sprechen, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht.

Der Demokrat warf seinem Amtsnachfolger von den Republikanern nicht nur in der Coronakrise Versagen vor – und sprach mit Blick auf die Wahl am 3. November eine Warnung aus.

Donald Trump ist nicht in den Job hineingewachsen, weil er es nicht kann. Und die Folgen dieses Versagens sind schwerwiegend.

Diese Regierung hat gezeigt, dass sie unsere Demokratie niederreißen wird, wenn das nötig ist, um zu gewinnen.

Fazit: Mit dem, was die Wahlkampfstrategen eine Charakterattacke nennen, ist der amerikanische Wahlkampf in seine heiße Phase eingetreten.

 © dpa

Das Objekt des Streits ist 1230 Kilometer lang. Dieses ominöse Etwas startet an der russischen Küste, läuft am Boden der Ostsee lang und endet in der Nähe des kleinen Städtchens Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Provinzielle Kulisse, weltpolitische Bedeutung.

Die Rede ist von Nordstream 2. Das ist jene Gas-Pipeline des russischen Konzerns Gazprom, mit der Deutschland seine Energieprobleme lösen will, die sich durch den doppelten Ausstieg aus Atomkraft und Kohleverstromung ergeben. Aus Sicht der Amerikaner erzeugt die Pipeline eine gefährliche Abhängigkeit von Russland und ist ein großer geopolitischer Fehler. Die USA drohen mit Sanktionen.

 © dpa

In diesen Tagen und Wochen werden die letzten Kilometer der Nordstream 2 fertig gebaut - oder auch nicht. Der US-Präsident tobt. Senatoren drohen. Die Kanzlerin schaltet auf stur. Und mittendrin befindet sich Andreas Schierenbeck, der Chef von Uniper. Das Energieunternehmen ist mit 950 Millionen Euro an der Finanzierung der Pipeline beteiligt. Der Betrag ist höher als der Jahresgewinn 2019.

Erst kürzlich schreckte das Unternehmen seine Aktionäre mit folgender Warnung auf:

Da die USA ihre Anstrengungen intensiviert hätten, Sanktionen gegen die Gasleitung von Russland nach Deutschland durchzusetzen, habe „sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es zu Verzögerungen im Bau der Gasleitung oder überhaupt nicht zu einer Fertigstellung kommt“, schreibt Uniper in einem Zwischenbericht für das erste Halbjahr 2020.

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Grund genug, den CEO für den Morning Briefing Podcast anzurufen. Auf die Frage, ob er an die Fertigstellung des Projekts glaubt, antwortet er:

Ich glaube an das Projekt und an seine Notwendigkeit.

Zugleich gibt er zu:

Das Projekt ist zum politischen Spielball geworden.

Sie war Grünen-Vorsitzende, Fraktionschefin im Bundestag – und erste grüne Bundeslandwirtschaftsministerin. Und sie wollte Regierende Bürgermeisterin in Berlin werden: Renate Künast. Am kommenden Dienstag, dem 25. August um 17 Uhr, wird sie auf unserem Redaktionsschiff sein – zu Gast beim „Politischen Sightseeing“. Im Gespräch mit ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner soll es um die Zukunft der Öko-Partei und die Perspektiven von Schwarz-Grün gehen. Karten für das Event gibt es hier.

 © dpa

In der Ministerialbürokratie der Hauptstadt gibt es einen bizarren Konflikt. Und zwar um Helmut Kohl. Genauer gesagt: um sein Erbe. Stein des Anstoßes ist der neue Jahresbericht Deutsche Einheit, an dem die Regierung gerade arbeitet. Das federführende Wirtschaftsministerium wollte Kohl in dem Papier nicht explizit erwähnen.

Die Beamten von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer halten jedoch dagegen. Sie bestehen auf folgenden Satz:

Mit der Deutschen Einheit, die nach der Friedlichen Revolution in der DDR unter der von Helmut Kohl geführten Bundesregierung in Einklang mit der Regierung Lothar de Maizière erreicht wurde, neigte sich die bipolare Weltordnung zu Ende.

Dagegen legte das Ressort von Peter Altmaier Einspruch ein. Beim Jahresbericht Deutsche Einheit sei es gängige Praxis, „keine Namen von verantwortlichen Akteuren zu nennen, um Interpretationsdifferenzen – an dieser Stelle über die historische Verantwortung für die Wiedervereinigung – zu vermeiden“, heißt es in einem Vermerk, der ThePioneer vorliegt. Das Verteidigungsministerium dagegen will Kohls Verdienste „im Sinne geschichtswissenschaftlicher Ausgewogenheit und Seriosität“ gewürdigt wissen.

Zur neuen Ausgabe unserer „Female Founders Edition“ haben Investorin Gesa Miczaika, „Flying Health“-Geschäftsführerin Lina Behrens und „Tech Briefing“-Gastgeber Daniel Fiene eine Gründerin an Bord der PioneerOne geladen, die bisher eine Rarität in der deutschen Gründerinnenlandschaft ist: Für ihren smarten Fitness-Spiegel Vaha hat Valerie Bures nach wenigen Monaten ein zweistelliges Millioneninvestment eingesammelt.

Die Informatikerin Valerie Bures hat sich gegen eine Karriere als Informatikprofessorin entschieden und für die Fitnesswelt. Sie hat die Fitnesskette Mrs. Sporty mitgegründet und zu einem Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz gemacht. Mit ihrem Start-up Vaha kämpft sie gegen die Corona-Kilos und gegen überteuerte Personal-Trainer: Der vernetzte Fitness-Spiegel zeigt den Nutzern nicht nur Übungen, sondern kontrolliert sie auch. Möglich macht das eine Intelligenz, die wir die künstliche nennen.

Wie sie den Algorithmus von Glück entschlüsselt hat und wie sich damit Umsatz machen lässt, dass hören Sie im aktuellen „Tech Briefing“-Podcast. Prädikat: inspirierend – nicht nur für zukünftige Gründerinnen.

Valerie Bures, was ist die Formel für Glück?

Die Geschichte hinter dem zweistelligen Millioneninvestment für den smarten Fitness-Spiegel Vaha.

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Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Daniel Fiene.

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Der RBB - der Rundfunk Berlin Brandenburg - will zukünftig auf das politische Sommerinterview verzichten. Der Grund: Bei „Politik am See” hatte sich der Interviewer im Gespräch mit dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der Brandenburger AfD im Landtag – Andreas Kalbitz – von der idyllischen Atmosphäre zu lieblichen Fragen verführen lassen. Der RBB musste herbe Kritik einstecken.

 © RBB

Doch anstatt dem TV-Publikum künftig bessere, das heißt fundiert-kritische Politikerinterviews zu bieten, hat der Sender nun beschlossen, keine Sommerinterviews mehr zu veranstalten. Offizielle Begründung: Das Format sei veraltet. Offenbar gilt beim RBB die Christian-Lindner-Doktrin: Lieber kein Interview, als ein schlechtes Interview. So sehen publizistische Kapitulationserklärungen aus.

Mehr Mut, rufen wir daher den Kolleginnen und Kollegen vom RBB am heutigen Morgen zu. Zu ihrer Selbstertüchtigung spielen wir im Morning Briefing Podcast das Lied der australischen Sängerin Sia „Never give up!“. Ein Pflichtsong auch für die tapfere RBB-Intendantin Patricia Schlesinger und ihren verzagten Chefredakteur.

Ich wünsche Ihnen einen beherzten Start in den Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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