Delta-Variante: Wettlauf mit der Zeit

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Guten Morgen,

ein Wettlauf mit der Zeit hat begonnen, der in seiner politischen und ökonomischen Dramatik nicht unterschätzt werden darf. Während die öffentliche Aufmerksamkeit sich der Fußball-Europameisterschaft zugewendet hat, mutiert das Virus weiter vor sich hin. Die Delta-Variante, ursprünglich in Indien ausgebrochen, dominiert inzwischen im Vereinigten Königreich das Geschehen – rund 86 Prozent der Infektionen im vergangenen Monat sind ihr zuzuordnen.

Deutschland folgt mit Zeitverzögerung. Der Chef des Robert Koch-Instituts, Prof. Lothar Wieler, ist sich sicher:

Es ist nicht die Frage, ob Delta die führende Variante wird, sondern wann.

Lothar Wieler © imago

Weltweit hat sie sich in über 80 Ländern verbreitet. Das Profil dieses mutierten Erregers lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Delta ist ansteckender als alle bisherigen Mutationen. Untersuchungen von Public Health England (PHE), einer Behörde des britischen Gesundheitsministeriums, ergaben, dass die Chance einer Übertragung im eigenen Haushalt 64 Prozent höher ist als beim herkömmlichen Virus.

  • Die Mutante ist zwar ansteckender, aber ist sie auch gefährlicher? Fest steht bisher nur, dass Delta zumindest eher als die vorherigen Mutationen zum Krankenhausaufenthalt führt. Die klinische Epidemiologin Deepti Gurdasani von der Queen Mary University of London sagt:

Es wäre daher nicht überraschend, wenn sie sich als tödlicher erweisen würde.

Alle Experten schauen derzeit auf das Impftempo, um möglichst große Teile der Bevölkerung zu immunisieren, bevor Delta hart zuschlägt. Die bisher entwickelten und zugelassenen Impfstoffe gelten als zuverlässig, um eine schwere und am Ende womöglich lebensbedrohliche Infektion mit der Delta-Variante zu verhindern.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Delta-Variante kommt

Verbreitung der Coronavirus-Varianten in Deutschland, in Prozent der Infektionen

Wenn es im weiteren Verlauf der Impfkampagne zu keinen neuen Pannen und Lieferverzögerungen kommt, dürfte im Herbst die erwachsene Bevölkerung hierzulande durchgeimpft sein. „Delta wird kommen und die Erwachsenen in Deutschland nicht treffen,” sagt Prof. Karl Lauterbach. Aber vier Probleme bleiben, die nicht zu unterschätzen sind:

1. Die Impfung der Kinder hat noch nicht begonnen, weshalb hier inmitten der Familien ein neuerliches Risikopotential schlummert. Lauterbach plädiert dafür, trotz der Bedenken der Stiko endlich mit dem Impfen des Nachwuchses zu beginnen:

Auf jeden Fall ist die Infektion mit der Delta-Variante für Kinder gefährlicher als die Impfung mit BioNTech.

2. Die Ausbreitung der Delta-Variante trifft viele Länder und Regionen, die auch im Herbst nicht durchgeimpft sein werden. Das bedeutet: Der internationale Reiseverkehr, aber auch die Lieferketten könnten erneut unterbrochen sein. Die Weltwirtschaft würde in den Krisenmodus zurückfallen.

Eine Infografik mit dem Titel: Langsames Impftempo

Anteil der Bevölkerung ausgewählter Länder bzw. Kontinente, die mindestens eine Impfdosis erhalten haben, in Prozent

3. Die Impfverweigerer werden spätestens in der zweiten Jahreshälfte zum Problem, weil alle Ungeschützten dem Virus einen fruchtbaren Nährboden bieten, seine Wirkung zu entfalten. Angesichts von rund 40 Millionen Impfverweigerern in der EU geht von diesen Menschen ein soziales, ein ökonomisches und – mit Blick auf die Belastung der Gesundheitssysteme – auch ein medizinisches Risiko für die Mitmenschen aus.

4. Die EU-Kommission, beraten von dem belgischen Virologen Peter Piot, fürchtet, dass der Evolutionsdruck, der auf dem Coronavirus lastet, eine „Flucht-Mutation“ hervorbringt. Das wäre eine Variante, die sich genetisch so stark verändert hat, dass sie die Immunabwehr des Körpers überlistet und dem Impfschutz ausweicht.

Fazit: Die Angst geht, die Ungewissheit bleibt. Oder um es mit Sebastian Haffner zu sagen:

Wir kennen nicht das ganze Stück, in dem wir unseren kurzen Auftritt haben.

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Armin Laschet © Andreas Endermann

Im Interview mit der britischen „Financial Times“ verkauft sich Laschet der internationalen Finanz-Community als Kandidat der Kontinuität:

Ich bin katholisch und komme aus dem Westen Deutschlands. Ich bin seit meiner Kindheit Europäer. Angela Merkel lebte und wuchs in der ehemaligen DDR auf, nahe der polnischen Grenze, als Tochter eines protestantischen Pfarrers. Diese biografischen Unterschiede prägen unsere Persönlichkeiten und unseren Politikstil. Aber in den grundsätzlichen Fragen stimme ich mit ihr überein.

Wert legt er auf seine europäische Gesinnung:

Wir brauchen eine Europäische Union, die noch mehr zusammenhält, mit mehr qualifizierten Mehrheitsentscheidungen auch in der Außenpolitik und einen stärkeren Wirtschaftskommissar. Wir müssen uns auf eine gemeinsame Wirtschaftspolitik einigen, und zwar nicht nur in Bezug auf eine gemeinsame Währungspolitik. Wir sollten eine europäische Verfassung anstreben.

Fazit: Wir schauen Armin Laschet beim Wachsen zu. Ein Regierungschef im Werden.

Frank Dopheide © Horizont

Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Verantwortung für Deutschland: Die Vokabeln der Programme aller Parteien klingen austauschbar. Auch im deutschen Dax bewegen sich vor allem Konzerne, die nicht neu erfinden, sondern das Bestehende optimieren. Wo also bleibt die Kreativität in Deutschland?

Darüber spreche ich im Morning Briefing Podcast mit Frank Dopheide. Der Markenexperte, Unternehmer und Buchautor („Gott ist ein Kreativer – kein Controller“) rechnet ab mit einem Land, in dem die Controller das Regiment übernommen haben.

Wir waren mal das Land der Erfinder und Gründer. Jetzt sind wir ein Land in der Optimierungsfalle.

Der Kapitalmarkt setze die falschen Incentives:

An der Börse ist nicht wichtig, was du neues in die Welt bringst, sondern dass alles kalkulierbar und vorhersehbar ist.

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Kreativität wird bereits in den frühen Lebensjahren gehemmt, sagt er:

Schon in der Schule wird Kreativität unterdrückt.

Auch die Bestrebungen großer Unternehmen, ihre Mitarbeiter in kreativen Seminaren zu schulen, seien nicht die Lösung, sondern Teil des Problems:

Wenn jede Führungskraft ihre Leute auffordert, ‚think outside the box’, dann ist mit der Box etwas nicht in Ordnung.

Das gesamte Gespräch mit Frank Dopheide hören sie heute Morgen im Morning Briefing Podcast. Prädikat: streitbar.

“Ein gespaltenes Verhältnis”

Sigmar Gabriel über Putins Russland und Deutschlands Dreiecksbeziehung mit Bidens USA

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Veröffentlicht in World Briefing von Sigmar Gabriel .

Podcast mit der Laufzeit von

Angela Merkel © dpa

Partei-Programme seien Schall und Rauch, denken viele. Doch der Blick zurück auf die 16 Jahre währende Ära Merkel zeigt, dass zumindest eine Langzeit-Kanzlerschaft durchaus die Chance auf Planerfüllung bietet.

Das Versprechen des CDU/CSU-Wahlprogramms 2005 („Deutschlands Chancen nutzen – Wachstum, Arbeit, Sicherheit“) wurde in wichtigen Punkten erfüllt. Die Union gab als wichtigstes Ziel aus: „Arbeit schaffen“. Fakt ist: 2021 gibt es etwa sechs Millionen mehr Jobs als 2005. Die erste Merkel-Regierung startete mit einer Arbeitslosenquote von 11,7 Prozent. Am Ende ihrer ersten Amtszeit lag sie bei 8,1. Inzwischen rangiert die Arbeitslosenquote bei 6 Prozent.

Auch versprachen die Unionsparteien deutlich höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung. Fakt ist hier: 2005 investierte der Bund 7,6 Milliarden Euro in Bildung und Forschung, das steigerte sich im Laufe der Jahre stetig und für 2021 sind 20,8 Milliarden Euro geplant.

Die Union versprach 2005 ein höheres Wirtschaftswachstum. Fakt ist: Die Merkel-Jahre waren Jahre des beschleunigten Wachstums (gegenüber den Schröder-Jahren), was allerdings im Wesentlichen an Schröders Agenda 2010 und an der günstigen Weltkonjunktur lag, die auch durch die Weltfinanzkrise nur kurzfristig gedrückt wurde.

Im Energieteil versprach die Merkel-Union: „Die regenerativen Energien sollen mindestens 12,5 Prozent Anteil am deutschen Stromverbrauch erreichen.“ Damit wurde keine zeitliche Vorgabe verbunden. Zum Ende der ersten Legislaturperiode wurden schon 16,3 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt, mittlerweile sind es bereits 46 Prozent. Die Energiewende nach Fukushima fiel wuchtiger aus, als zu Beginn der Merkel-Jahre absehbar war. Damals hieß es noch: „Ohne Kernenergie ist eine globale Lösung der CO2-Problematik derzeit undenkbar“.

Anders als im Wahlprogramm erklärt, wurde der Eingangssteuersatz nur auf 14 Prozent statt auf 12 Prozent und der Spitzensteuersatz nur auf 42 Prozent statt 39 Prozent gesenkt. Auf der anderen Seite wurde die Körperschaftsteuer auf 15 Prozent statt auf 22 Prozent reduziert.

Unerfüllt blieben die Versprechungen der Union zum Transrapid. Im Programm hieß es: „Wir realisieren eine Transrapidstrecke in Deutschland.“ Fakt ist: Der Transrapid wurde realisiert, allerdings nur in China.

Bitcoin © dpa

Nachdem die chinesische Regierung am Wochenende 26 Crypto-Zentren geschlossen hatte, fiel der Bitcoin-Kurs am Montag auf ein Zwei-Wochen-Tief von zeitweise 31.808 Dollar. Auch die zweitgrößte Krypto-Währung, Ethereum, musste Verluste von acht Prozent einstecken.

Bereits in den vorherigen Monaten wurden Rechenzentren in verschiedenen chinesischen Provinzen geschlossen. Chinas Regierung, die selber an der Digitalisierung der Währung Yuan arbeitet, fährt einen harten Kurs gegen nicht regulierbare Krypto-Finanzströme. Die Kommunistische Partei will nichts dem Zufall überlassen – und schon gar nicht die Währung.

Eine Infografik mit dem Titel: Bitcoin: Der chinesische Einfluss

Entwicklung des Bitcoin-Kurses seit dem 21. März 2021, in US-Dollar

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Sabine Bendiek © dpa

Zweiter Anlauf: Die Führungsspitze von SAP wird ab Mitte des Jahres erneut durch eine Frau verstärkt. Sabine Bendiek, derzeitige Arbeitsdirektorin und Chief People Officer bei SAP, wird zum ersten Juli auch das Amt als Chief Operating Officer (COO) übernehmen, wie „Business Insider“ berichtet. Bislang hat dieses Amt Christian Klein, der Vorstandsvorsitzende des Softwarekonzerns, bekleidet.

Bendiek war seit 2016 Chefin von Microsoft Deutschland und kam im Januar dieses Jahres zu SAP. Insbesondere im Bereich Diversität möchte sie den Dax-Konzern weiter voranbringen: Aktuell liegt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei 28 Prozent. Das Ziel sei es, bis 2030 Geschlechterparität zu schaffen. An der Börse erhofft man sich von ihr keine nachhaltigen Impulse für Umsatz- und Gewinnwachstum. Die großen Geldhäuser stufen SAP auf „halten“ ein. Der Aktienkurs hat seit dem Strategieschwenk von Klein im Oktober 2020 knapp zehn Prozent seines Wertes verloren.

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Julia Stoschek © Anne Hufnagl

Eine gut gelaunte Julia Stoschek präsentierte an Bord der PioneerOne wichtige Exponate ihrer Sammlung für zeitbasierte Medienkunst, darunter Arbeiten von Hito Steyerl, Chris Burden, Ed Atkins, Barbara Hammer und Cao Fei. Julia Stoschek besitzt mit über 900 Kunstwerken eine der größten Privatsammlungen für Medienkunst.

Die Julia Stoschek Collection verteilt sich mittlerweile auf drei Orte: Da ist zum einen das Stammhaus in Düsseldorf-Oberkassel mit 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, die imposanten Räumlichkeiten in der Leipziger Straße, wo weitere 2500 Quadratmeter zur Verfügung stehen und als dritter Ort ist seit der Pandemie das Universum des Internets hinzugekommen, wo Stoschek wichtige Werke ihrer Sammlung der Allgemeinheit unabhängig von Zeit und Ort zugänglich macht. „Das war schon immer mein Traum“, sagte sie vor dem Publikum der ausverkauften PioneerOne.

Unter den Gästen: Die Künstlerin Mia Florentine Weiss und der Werbepapst Jean-Remy von Matt und seine Frau Natalie von Matt, die Pioneer-Aktionärin und Filmprofessorin Margit Eschenbach, der CEO und Gründer von Home 24 Marc Appelhoff und der KI-Unternehmer Christophe Hocquet aus Paris. Moderiert wurde der Abend von Pioneer-Gastgeberin Alev Doğan (Der 8.Tag), die den Abend schließlich mit einem einzigen Wort zusammenfasste: bewegend.

Julia Stoschek und Alev Doğan (v.li.) © Anne HufnaglMia Florentine Weiss, Alev Doğan, Julia Stoschek, Natalie von Matt (v.l.) ©  Instagram @fraualevdogan

Ich wünsche Ihnen einen vergnügten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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