Der Impfmarathon

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Guten Morgen,

im Kampf gegen das Coronavirus ist der Impfstoff das nunmehr schärfste Mittel im Arzneimittelschrank der Politiker. Großbritannien wird morgen mit der Schutzimpfung beginnen; nach aktuellem Stand dürfte es in Deutschland spätestens im Januar mit rund drei Millionen Impfdosen losgehen. Das Bundesgesundheitsministerium jedoch geht von einer zweistelligen Millionenzahl an Impfwilligen aus.

Der Staat ist in den ersten Monaten um jeden “Querdenker” froh, der sich der Impfung verweigert. Attila Hildmann, Michael Wendler und Xavier Naidoo können beruhigt sein, nichts liegt dem Staat derzeit ferner als ihre Zwangsimpfung. Die Nachfrage dürfte das Angebot deutlich übersteigen, weshalb Gesundheitsminister Spahn mit einer „sehr harten Priorisierung“ rechnet:

Es wird nicht umsonst an Konzepten gearbeitet, bis hin zum polizeilichem Schutz der Impfzentren.

Fazit: Das Licht am Ende des Tunnels sieht diesmal aus wie ein Lastwagen voller Impfstoffdosen. Wir denken an Gott und hoffen auf die Pharmaindustrie. So weltlich waren unsere Weihnachtswünsche noch nie.

Einen offiziellen Impfplan, auf den sich der medizinisch-politische Komplex verständig hätte, gibt es noch nicht. Fest steht:

  • Nach den Plänen der Bundesregierung sollen Risikogruppen, also Ältere und Kranke, Beschäftigte im Gesundheitsdienst und anderen zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge zuerst geimpft werden.

  • Von Ärzten erwartet Minister Spahn Aufgeschlossenheit, sich selbst impfen zu lassen. Eine Impfpflicht werde es aber auch für sie nicht geben.

 © Getty
  • Der nationale Impfplan wird aufgrund der Empfehlungen des Deutschen Ethikrats, der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina und der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut erarbeitet.

  • Die Bundesregierung will anschließend die Regeln für die Corona-Impfung per Verordnung aufstellen. Eine feinere Bestimmung der Priorisierung hatten die Wissenschaftsorganisationen bis Jahresende angekündigt.

Im Morning Briefing Podcast spreche ich mit Prof. Dr. Jochen A. Werner, Chef des Universitätsklinikums Essen und Mitglied der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina über das, was jetzt zu Besprechen ist.

Wann gehts mit dem Impfen los und in welcher Reihenfolge der Berufe?

Sind die Ängste der Impfgegner real und was eigentlich weiß man über die Nebenwirkungen?

Dürfen die dann frisch Geimpften wieder so leben wie zuvor - ohne Maske und Abstandsregel?

Sie sind am heutigen Morgen herzlich eingeladen mit mir die Sprechstunde eines ausgewiesenen Experten zu besuchen: Chefarztbehandlung für alle.

 © dpa

Markus Söder will nicht länger warten. Wegen der hohen Zahl an Corona-Neuinfektionen in Bayern verschärft er die Maßnahmen und legte gestern einen Zehn-Punkte-Plan vor, der von Mittwoch an bis Anfang Januar gelten soll – sofern der bayerische Landtag am Dienstag zustimmt.

Demnach ruft der Freistaat erneut den Katastrophenfall aus und verschärft die bereits geltenden Kontaktbeschränkungen:

– Menschen sollen ihre Wohnungen nur noch aus triftigem Grund verlassen, etwa zur Arbeit oder zum Einkaufen.

– In Hotspots ab einer Inzidenz von 200 wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gilt zwischen 21 Uhr und 5 Uhr eine Ausgangssperre.

Eine Infografik mit dem Titel: Infektionszahlen stagnieren

Bestätigte Neuinfektionen je 100.000 Einwohner der vergangenen sieben Tage in deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten

  • Weiterhin sollen sich maximal fünf Personen treffen dürfen.

  • An Weihnachten soll es eine Ausnahme geben, dann dürfen maximal zehn Personen aus bis zu zwei Hausständen zusammenkommen.

  • Die ursprünglich geplanten Lockerungen an Silvester soll es in Bayern nicht geben. Trinken ist nur im Hausinnern erlaubt, unter freiem Himmel gilt ein Alkoholverbot.

Markus Söder begründete die Maßnahmen so:

Corona lässt einfach nicht locker. Wir aber auch nicht.

 © imago

Die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt steht wegen ihres Streits über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags vor dem Scheitern.

Am heutigen Montag und am Dienstag stehen in Magdeburg Krisentreffen der Fraktions- und Koalitionsführungen an. CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff hat seinen Innenminister und Rivalen Holger Stahlknecht entlassen, die Luft in der CDU ist dick. SPD und Grüne warnen die CDU vor einer Kooperation mit der AfD, die ebenfalls die Erhöhung der Gebühren um 86 Cent pro Monat ablehnt.

  • Am Mittwoch stimmt der Medienausschuss des Landtags darüber ab, welches Votum er für die Abstimmung im Plenum eine Woche später empfiehlt.

  • Streitpunkt ist der Umgang mit der AfD, die eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ablehnt - genau wie die CDU. Beide Parteien zusammen hätten eine Mehrheit.

 © dpa
  • Wenn Sachsen-Anhalt der Beitragserhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro nicht zustimmt, ist der neue Rundfunkstaatsvertrag insgesamt gekippt. Alle Länder müssen bis Jahresende zustimmen.

Schade, dass hier nur über Geld gestritten wird und nicht über Inhalte. ARD und ZDF - und da hilft kein Geld, sondern nur eine Reform - bewegen sich für die urbanen Eliten, für den akademische Nachwuchs und die Jugend des Landes bereits außerhalb der Wahrnehmung. Die wirkliche Herausforderung für das öffentlich-rechtliche Programm ist nicht die CDU von Sachsen-Anhalt, sondern das Programm von Netflix aus Los Angeles. Auch mit einem Jahresetat von acht Milliarden Euro kann man unrelevant werden.

Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet (v.l.) © ThePioneer

Das Ringen um eine Beitragserhöhung von 86 Cent pro Monat für alle Haushalte ist längst zu einer Machtfrage im CDU-Wahlkampf geworden. Die Kandidaten positionieren sich entsprechend ihres politischen Profils.

Friedrich Merz unterstützt die sachsen-anhaltische CDU-Fraktion. Dem „Münchner Merkur“ sagte er:

Gerade in Zeiten von Corona kann man die Gebührenerhöhung kritisch sehen.

Der CDU-Politiker Friedrich Merz in Berlin. © Anne Hufnagl

Zu einer möglichen gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD im Landtag äußert er sich wie folgt:

Im Übrigen ist es vollkommen unwichtig, welche Meinung die AfD dazu hat.

Armin Laschet setzt gegenüber „Bild“ einen anderen Akzent und deutet die Frage der Rundfunkgebühr zu einer Richtungsentscheidung für die CDU um:

Es gibt Momente, in denen eine klare Haltung gefragt ist. Ministerpräsident Haseloff hat für seinen Kurs die Unterstützung der CDU. Der Kurs der Mitte war und bleibt richtig.

Fazit: Der Kampf um die CDU-Spitze ist im kleinen Karo angekommen.

Armin Laschet © dpa

Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollten diese Debatte unbedingt vermeiden, nun ist sie da: Die Wirtschaftsminister der Länder haben sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, die befristete Absenkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie über Juni 2021 hinaus zu verlängern.

Auch soll der reduzierte Steuersatz, der zur Zeit nur fünf Prozent beträgt, für die verkauften Getränke gelten, nicht nur für Speisen. Ein normaler Gaststättenbetrieb werde auf längere Zeit nicht möglich sein, die Hilfe würde gebraucht, argumentieren die Fachminister in dem Beschluss, der den Kollegen vom Hauptstadt-Team vorliegt.

Außerdem: Ein Strategiepapier aus dem Haus von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat unseren Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner erreicht. Der Minister will eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Die Betroffenen sollen entweder in die gesetzliche Rentenversicherung oder in Verträge einzahlen, die das gleiche Leistungsspektrum abdecken. Die Pflicht-Rente soll ab 2024 gelten.

Der Hintergrund: Rund drei Millionen Selbstständige in Deutschland sind nicht Teil eines verpflichtenden Vorsorgesystems – und laut aktuellem Alterssicherungsbericht der Bundesregierung überproportional häufig auf die staatliche Grundsicherung angewiesen.

 © ThePioneer

Und: Die Kollegen haben mit einem langjährigen Vertrauten von Bundeskanzler Helmut Kohl, dem früheren Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, über die geplante Bundeskanzler-Kohl-Stiftung und den Streit mit Witwe Maike Kohl-Richter gesprochen.

Ich verstehe sehr wohl, dass es Frau Kohl-Richter ebenfalls um das Erbe von Helmut Kohl geht, aber diese herausragende Persönlichkeit der Zeitgeschichte kann nicht alleine von der Witwe gepflegt werden.

All das, und noch mehr erfahren Sie im Newsletter „Hauptstadt Das Briefing“, der Politikteil für Exklusivnachrichten aus Berlin: thepioneer.de/hauptstadt

 © Reuters

Donald Trump will seine Niederlage bei der US-Präsidentschaftswahl auch rund einen Monat nach der Abstimmung nicht anerkennen. Bei seiner ersten Kundgebung seit der Wahl sagte er:

Die Demokraten haben betrogen und unsere Präsidentenwahl manipuliert, aber wir werden trotzdem gewinnen.

Vor mehreren Tausend Anhängern brachte Trump indirekt seine mögliche Kandidatur in vier Jahren ins Spiel, sollte er seine Niederlage gegen den Demokraten Joe Biden juristisch nicht verhindern können:

Und dann im Jahr 2024 – und hoffentlich muss ich dann nicht kandidieren – werden wir das Weiße Haus wieder zurückgewinnen.

Trump und sein Kampagnen-Team sammeln weiter Geld: Seit der Wahl haben sie mehr als 200 Millionen Dollar Spenden eingetrieben. Der Betrag von 207,5 Millionen Dollar ging unter anderem bei Organisationen wie „Trump Victory“ und „Save America“ ein.

Fazit: Dem neuen Mann im Weißen Haus wächst hier eine Apo heran, eine außerparlamentarische Opposition.

Adidas-Chef Kasper Rorsted © dpa

Adidas-Chef Kasper Rorsted hält nicht viel vom Homeoffice. Der „Welt am Sonntag“ sagte er:

Ich halte nichts vom ständigen Arbeiten zu Hause. Für mich ist das Arbeiten eine soziale Sache, bei uns ist sie Teamsport.

Wenn alle immer zu Hause arbeiten, entsteht keine Gemeinschaft. Für mich ist nicht die Frage, ob Arbeit von zu Hause aus möglich ist, sondern ob dieses Modell menschlich sinnvoll ist.

Eine Infografik mit dem Titel: Nachteile von Homeoffice

Inwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? (Anteil "Trifft genau zu" und "Trifft eher zu")

Die Probe aufs Exempel könnte man im Sport gut erbringen, auch wissenschaftlich. Wenn ein einsamer Weit-, oder Hochspringer, ein einzelner Diskus- oder Speerwerfer im leeren Stadion die gleichen Resultate liefert wie sein Kollege, der im voll besetzten Stadion im Zweikampf mit dem Rivalen ringt, dann hätte das Homeoffice gewonnen. Wenn nicht, sollten wir aus der Not nicht länger eine Tugend machen.

 © Media Pioneer

Die „Überstunde“ ist der Feierabend-Podcast von ThePioneer. Das Konzept ist schnell erklärt: eine Stunde, ein Gast, ein Thema. Ziel ist es, den Gast als Persönlichkeit zu zeigen: dialogisch, inspirierend, mit Erkenntnisgewinn. Von Juli Zeh über Thomas Gottschalk und Alice Schwarzer bis hin zu Gerhard Schröder und Jens Spahn wurden Menschen sichtbar, wo sonst die Schlagzeile vieles verstellt.

2021 werden wir dieses Pioneer-Talkformat ausbauen und zusätzlich zum Podcast ein Videoformat anbieten; wenn die Pandemie es zulässt, auch wieder mit Live-Publikum. An der Seite von ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker wird künftig die Publizistin Jagoda Marinić moderieren.

 © imago

Die 43-jährige ist das, was man einen „public intellectual“ nennt. Die Heidelberger Politologin und Amerikanistin schreibt unter anderem für die „Süddeutsche Zeitung“ und die „New York Times“ und setzte unlängst mit ihrem Debattenbuch „Sheroes“ Akzente. Darin plädiert sie für einen neuen Diskurs um Männer und Frauen, Macht und Rollenbilder. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin ist Mitglied des Autorenverbands PEN.

Ich freue mich sehr auf Jagoda Marinić, auf ihre fein entwickelte Sprachkunst und ihre publizistische Leidenschaft.

 © Media Pioneer

Es ist ein Neubeginn mit Wehmut. Denn in großer Dankbarkeit verabschieden wir die frühere Piraten-Geschäftsführerin und bisherige Mit-Moderatorin Marina Weisband, die vor wenigen Tagen zur neuen Ko-Vorsitzenden des Vereins D64 gewählt wurde. Sie wird sich nunmehr verstärkt der Bildung im Digitalzeitalter widmen. Wir danken ihr für die ausnahmslos angenehme Zusammenarbeit und wünschen für die neue Wirkungsstätte gutes Gelingen.

 © Getty

Heute jährt sich zum 50. mal Willy Brandts Kniefall am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos. Als Bundeskanzler legte er am 7. Dezember 1970 unmittelbar vor der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland einen Kranz am Ehrenmal nieder.

Nach dem Richten der Kranzschleife sank Brandt - unerwartet auch für seine Begleiter - auf die Knie und verharrte dort schweigend, etwa eine halbe Minute.

 © dpa

Egon Bahr, seit dem Amtsantritt von Brandt 1969 Staatssekretär im Bundeskanzleramt, erinnerte sich:

Plötzlich wird es ganz still. Beim Nähertreten flüstert einer: »Er kniet.« Gesehen habe ich das Bild erst, als es um die Welt ging. Den Freund zu fragen, habe ich mich auch am Abend beim letzten Whisky gescheut. Daß einer, der frei von geschichtlicher Schuld, die geschichtliche Schuld seines Volkes bekannte, war ein Gedanke; aber große Worte zwischen uns waren unüblich.

Die Welt schaute danach anders auf Deutschland, milder. Mehr als alle Worte war der Kniefall die Bitte um Vergebung für Gräueltaten, an denen Brandt, der Widerstandskämpfer, selbst nie beteiligt war. Damit erhielt seine Ostpolitik der Verständigung und des Dialogs über Systemgrenzen hinweg ein Symbol, das bis in die Gegenwart leuchtet.

Willy Brandt wurde ein Jahr später mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, was dem Wahljahr 1972 enormen Schub verlieh. Brandt holte am 19. November 1972 das mit 45,8 Prozent der Stimmen beste SPD-Ergebnis aller Zeiten.

Willy Brandt im Jahr 1972. © imago

Im Zeitalter der politischen Prahlerei und der oft schrillen Kostümierung von Politikern, hallt das Echo des Mannes mit der aufgerauten Stimme und der oft melancholischen Stimmung bis heute nach. Brandt hatte persönliche Demut in einen politischen Triumph verwandelt. Es war jene Zeit als Politik noch von Politikern gemacht wurde, nicht von Demoskopen, PR-Experten und Spindoktoren.

Auch Brandts Kniefall war eine Inszenierung, aber eine mit Inhalt. In der historischen Auseinandersetzung zwischen Substanz und Style hatte die Substanz ihren Style gefunden, nicht umgekehrt. Deshalb finden wir den Kniefall heute im Geschichtsbuch und nicht auf der Landingpage einer Werbeagentur.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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