Der Tod des George Floyd

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Guten Morgen,

die Vereinigten Staaten sind in Aufruhr: Der mutmaßliche Mord an dem 46 Jahre alten Afroamerikaner George Floyd und die daraufhin ausgebrochenen Revolten in mindestens 75 Städten polarisieren das Land. Hier die Fakten:

► Floyd soll in einem Lebensmittelgeschäft mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt haben. Daraufhin wurde die Polizei gerufen.

► Der weiße Polizist Derek Chauvin drückte dem auf dem Boden liegenden Floyd bei der Kontrolle 8 Minuten und 46 Sekunden lang sein Knie in den Nacken. Alle Bitten, ihn atmen zu lassen, ignorierte der Beamte. Floyd verstarb wenig später im Krankenhaus.

 © dpa

► Die vier an dem Einsatz beteiligten Polizisten wurden entlassen, Chauvin wegen Mordes angeklagt.

► In dem von seiner Familie beauftragten und gestern Abend veröffentlichten Autopsiebericht heißt es anders als nach der offiziellen Autopsie: Floyd starb durch Erstickung.

Eine Infografik mit dem Titel: Finanzielles Gefälle

Anteil* der Amerikaner, die nicht mehr über genügend finanzielle Mittel für Rechnungen verfügen, nach ethnischer Zugehörigkeit, in Prozent

► Floyd saß in den 1990er- und 2000er-Jahren wegen verschiedener Vergehen mehrmals im Gefängnis. Von 2009 bis 2014 musste er in Houston (Texas) wegen eines bewaffneten Raubüberfalls fünf Jahre ins Gefängnis. 2014 zog er nach Minneapolis, um ein neues Leben zu beginnen.

 © imago

► Die „Black Lives Matter“-Bewegung mobilisiert in Amerika seither ihre Anhänger. Landesweit kommt es zu Protesten. Wegen einer Demonstration vor Donald Trumps Wohnsitz am Freitag wurde der US-Präsident zwischenzeitlich sogar in einen Bunker gebracht, wie CNN berichtet. Dem Fernsehsender zufolge sind mittlerweile etwa 4000 Menschen bei Protesten festgenommen worden.

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Fazit: 155 Jahre nach dem Ende der Sklaverei und zwölf Jahre nach der Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten treibt der Alltagsrassismus seine hässlichen Blüten. Auch die gesundheitliche Versorgung der 42,6 Millionen in den USA lebenden Afroamerikaner ist Teil einer vorsätzlichen Diskriminierung – mit zuletzt tödlichem Ausgang: Unter den 100.000 Corona-Toten befinden sich fast 22.000 Farbige, obwohl diese nur 13 Prozent der amerikanischen Bevölkerung stellen. Wer aus den aktuellen Ereignissen die Schlussfolgerung zieht, dass dies der Sargnagel auf der Ära Trump sei, irrt sich womöglich. Unser Washington-Korrespondent Peter Ross Range, einst für „Time Magazine“ in Berlin und Vietnam als Reporter im Einsatz, kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, dass der angeschlagene Präsident womöglich profitieren könnte:

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Seit 1968, dem Jahr des „langen, heißen Sommers“, haben die Vereinigten Staaten nicht mehr eine solche Welle der Gewalt erlebt. Damals gewann Richard Nixon die Präsidentschaft als Kandidat der bürgerlichen Autorität. Der Anblick brennender Städte trieb viele traditionelle Demokraten, die Angst vor zunehmender Unordnung hatten, in die Arme der Republikaner. Nixon gewann mit weniger als einem Prozent Vorsprung der Gesamtstimmen.

Eine Infografik mit dem Titel: Tödliche Gewalt von Polizisten

Anzahl* der durch Polizisten in den USA Getöteten seit 2015 nach ethnischer Zugehörigkeit

Im Jahr 2020 könnte es Donald Trump sein, der als Law-and-order-Kandidat profitiert. Die Aufnahme von George Floyds brutaler Ermordung durch einen weißen Polizisten sind durch Szenen von brennenden Gebäuden und Plünderungen verdrängt worden. Trump hat die Unruhen mit aggressiven Tweets über „bösartige Hunde“ und „bedrohliche Waffen“ für sich genutzt.

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Ältere Wähler, die sich in der Corona-Krise aufgrund des unberechenbaren Krisenmanagements verunsichert von Trump abwandten, könnten nun zu dem autoritär auftretenden Politiker zurückkehren. Das wiederum könnte den entscheidenden Unterschied in einem „Swing State“ wie Florida mit seiner älteren Bevölkerung ausmachen. Dort führt der Demokrat Joe Biden in Umfragen derzeit mit nur einem Prozentpunkt vor Trump.

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Während der Ekel über den Mord an George Floyd die demokratische Basis mit Energie versorgen dürfte, wird das gleichzeitige Chaos auf den Straßen dieselben Auswirkungen auf die Republikaner haben. Uneinigkeit zu säen und sie dann zu nutzen, ist ein Markenzeichen von Trump. Joe Biden predigt Ruhe und Einheit. Aber mit den in fünf Monaten anstehenden Wahlen kann eine neue Polarisierung die unerwartete Wendung sein, die einen unter Druck geratenen Präsidenten vor einer weiteren Debatte über 100.000 Pandemie-Tote, über den wirtschaftlichen Zusammenbruch von historischem Ausmaß und 40 Millionen Arbeitslose bewahrt. Die Tragödie der Nation könnte für ihn die Rettung bedeuten.

Peter Ross Range

Den gesamten Text lesen sie bei ThePioneer.de .

Angela Merkel © dpa

Wenn heute Nachmittag um 14 Uhr im Bundeskanzleramt die Spitzen von CDU, CSU und SPD zum Koalitionsausschuss zusammenkommen, steht nur ein Tagesordnungspunkt auf dem Programm: das Konjunkturpaket. Zusätzlich zu dem 750 Milliarden Programm der EU-Kommission, zusätzlich zum bisherigen Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro, zusätzlich zu den Darlehensermächtigungen der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Höhe von bisher 25,6 Milliarden und zusätzlich zu den bisher 750 Milliarden der EZB möchte die Bundesregierung bis zu 100 Milliarden Euro für konjunkturstützende Maßnahmen ausgeben.

Schon die Berufsausbildung der Beteiligten weckt Misstrauen. Die Physikerin Merkel und der Mann, der nach zweimal vermasselter Aufnahmeprüfung für die Elitehochschule „École normale supérieure“ ein Philosophie-Studium an der Universität Paris-Nanterre begann (Thema der Magisterarbeit: Machiavelli) tun sich zusammen mit Ursula von der Leyen, die das Studium der Archäologie und später der Volkswirtschaftslehre abbrach, um schließlich Ärztin zu werden. Dem Trio wird assistiert von Finanzminister Olaf Scholz, ein Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, dem Kanzleramtsminister und Mediziner Helge Braun (Thema seiner Doktorarbeit: Herzrasen während einer Operation) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, ein studierter Jurist, im Zivilberuf EU-Beamter, der die Realwirtschaft – wie alle anderen Beteiligten – nur vom Hörensagen kennt.

 © dpa

Das Ergebnis sind Billionen-Programme, deren Folgen für Staatsverschuldung und Geldwertstabilität hochriskant und deren Nutzen für die Realwirtschaft zweifelhaft sind. Es sind im Kern drei Dinge, die gegen die Größe und die Geschwindigkeit dieser Konjunkturprogramme sprechen:

Erstens. Das sind die größten Ausgabenprogramme der europäischen Geschichte – für die es gleichwohl keinerlei parlamentarische Vorbereitung, keine Expertenanhörung und keine Alternativplanung gibt. Die Politiker ballern mit der Bazooka auf die Wirtschaft wie die Kirmesjugend auf die Blechdosen. Hauptsache es scheppert. Und die Lobbyisten aller Industriezweige feiern Erntedankfest.

Zweitens. Der Staat tritt gegenüber dem Steuerzahler, Sparer und Staatsbürger mit einer Massivität und Unbedingtheit auf, die alle Formen demokratischen Mitsprache suspendiert. EU-Kommission und Bundesregierung beanspruchen für ihr Tun eine Alternativlosigkeit, die ihnen im Gefüge einer parlamentarischen Demokratie nicht zusteht. Diese Rettungspolitik trägt aufreizend autoritäre Züge.

Drittens. Für jedes Gesetz gibt es mittlerweile eine Folgenabschätzung, weil die Erfahrung lehrt: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Ausgerechnet bei diesen Monsterprogrammen fehlt sie. Über die Wirkung eines derart geballten Staatseinflusses auf die marktwirtschaftliche Verfasstheit der Bundesrepublik, über die Korruptionsanfälligkeit der Programme und über die Folgen der Rettungspolitik für die Stabilität der europäischen Finanzarchitektur gibt es keinerlei Erkenntnisse.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.  © dpa

Fazit: Im Bundestag sind durchaus Unternehmer und andere Wirtschaftskundige vertreten – quer durch alle Fraktionen. Kritik an der Regierung ist der beste Rettungsschirm für die Demokratie.

Der Vorteil: Dieser Rettungsschirm kostet kein Geld, nur Mut.

Im Hauptstadt-Newsletter und auf unserer Webseite ThePioneer.de haben meine Kollegen minutiös sämtliche Maßnahmen aus den informellen Papieren der Ministerien zusammengetragen und eine Wahrscheinlichkeitsprognose dahinter gesetzt.

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Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, gerät weiter unter Druck. Wissenschaftler aus Kanada haben sich mehr als nur kritisch mit seiner sogenannten „Vorab-Studie“ (Preprint) zum Thema Corona und Kinder auseinandergesetzt. Drosten hatte darin geäußert, dass Kinder eine ähnlich hohe Infektionsübertragung wie Erwachsene besitzen könnten. Nicht zuletzt daraufhin wurden Kindertagesstätten und Schulen vom Staat geschlossen.

Bisher hatte vor allem der Virologe Alexander Kekulé aus Halle die Studie als „nicht zu retten“ bezeichnet. Die Schlussfolgerung, Kinder seien ebenso infektiös wie Erwachsene, sei von „fünf Statistikprofessoren“ widerlegt worden, sagte Kekulé. Nun hat ein Forscherteam von Epidemiologen und Biostatistikern der McGill Universität in Montreal, Kanada, die Studie in die Mangel genommen – und kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie Kekulé.

Christian Drosten © dpa

Die Forscher werfen Drosten vor allem Unwissenschaftlichkeit vor. In ihrem Fachaufsatz heißt es:

Wir betrachten die Daten, Analysen und Interpretationen dieser Studie, insbesondere die Stichprobe, die gemessenen Variablen, die durchgeführten statistischen Analysen und die Interpretation dieser Ergebnisse in Bezug auf die zugrunde liegende politische Frage. Wir zeigen, dass die angegebene Schlussfolgerung nicht unterstützt wird und tatsächlich widersprochen werden kann.

Die Wissenschaftler kritisieren, dass Labordaten „aus einer kleinen, nicht repräsentativen Stichprobe“ verwendet wurden, um den öffentlichen Diskurs zu steuern, „anstatt die wissenschaftliche Evidenzbasis für die Übertragungsdynamik einer Sars-CoV-2-Infektion zu erweitern“.

Kritik an der Corona-Politik kommt auch von Bundestagsjuristen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat Zweifel, ob die Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verfassungsgemäß sind. Die Experten äußern im abschließenden Bericht „Monitoring der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen“, datiert vom 25. Mai, auf 16 Seiten Zweifel an der Rechtmäßigkeit einiger Verordnungen und Verwaltungsakte.

► Vor allem die von den Ländern beschlossenen Kontaktbeschränkungen zum Infektionsschutz seien „zum Teil verfassungsrechtlich fraglich“, heißt es.

► Das Verbot des Besuches in der Ferienwohnung, wie es beispielsweise in Schleswig-Holstein, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern galt, kritisieren die Juristen als unverhältnismäßig und wenig plausibel.

Weitere Details zu der kanadischen Studie und der Kritik des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages finden Sie unter ThePioneer.de.

Nachdem Vodafone und auch die Deutsche Telekom beim 5G-Netzausbau auf Distanz zu Huawei gegangen sind, zieht nun auch Deutschlands zweitgrößter Mobilfunkanbieter Telefónica nach. Für den Ausbau seines Kernnetzes schließt sich der Konzern in Deutschland mit dem Technologieausrüster Ericsson zusammen, wie er heute bekannt geben wird. Während beim Ausbau des Antennennetzes die Chinesen weiterhin eine Rolle spielen, werden sie aus dem sensibelsten und sicherheitsrelevanten Teil des Mobilfunknetzes herausgehalten.

Im Morning Briefing Podcast erläutert der Deutschland-Chef der Telefónica, Markus Haas, den Zuschlag an Ericsson und bestreitet eine politische Einflussnahme:

Wir haben eine völlig unpolitische Entscheidung getroffen.

Vor der Entscheidung der Bundesregierung über das Konjunkturpaket hat ThePioneer-Vize-Chefredakteur Gordon Repinski mit Siemens-Chef Joe Kaeser über sinnvolle und sinnlose Wirtschaftshilfen gesprochen.

Einer Abwrackprämie für Verbrennungsmotoren steht Kaeser skeptisch gegenüber: Das müsse man sich „sorgfältig überlegen“. Würde eine solche Prämie nicht an Innovationen ausgerichtet, „wäre es eine rückwärts gerichtete Maßnahme, die sicherlich nicht hilft, den Vorsprung von anderen aufzuholen“. Weiter sagt Kaeser:

Deutschland ist durch Innovationen stark geworden, das ist die Lebensader. Deshalb müssen wir auch Anreize schaffen, damit wir diese Position auch nach der Krise haben werden.

Das ganze Interview hören Sie im Morning Briefing Podcast.

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Wenn das Wort vom Verpackungswunder auf einen Menschen zutrifft dann auf ihn: Christo. Die mit seiner bereits 2009 verstorbenen Frau Jeanne-Claude realisierten Verpackungsprojekte lockten Millionen Besucher an. Nun ist der Künstler im Alter von 84 Jahren in seiner New Yorker Wohnung gestorben. In Deutschland wurde der aus Bulgarien stammende Amerikaner vor allem durch die Verhüllung des Berliner Reichstags bekannt. 1995 verdeckte das Ehepaar das Gebäude mit 100.000 Quadratmetern Spezialstoff. Die Aktion gilt bis heute als eines ihrer Meisterwerke. Zu anderen berühmten Projekten zählten die safranfarbenen Tore im New Yorker Central Park („The Gates“) ...

 © dpa

… sowie die schwimmende, mit Nylongewebe bezogenen Stege auf dem Wasser des Iseosees in der Lombardei („Floating Piers“).

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Für das kommende Jahr hatte Christo seine nächste aufsehenerregende Aktion geplant: die Verhüllung des Pariser Triumphbogens.

 © 2019 Christo © 2019 Christo

Ein kleiner Trost für die trauernden Fans: Das Projekt wird trotz Christos Tod weitergeführt: So wird der Arc de Triomphe zum Schlusskapitel und Art de Triomphe zur Überschrift dieses Lebens im künstlerischen Ausnahmezustand.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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