Der Visionär

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Guten Morgen,

in den Kiefernwäldern der märkischen Grünheide duftet es nach Zukunft. Läuft alles nach Plan, sollen östlich von Berlin bereits ab Juli 2021 jährlich eine halbe Million Elektrofahrzeuge von Teslas Produktionsbändern rollen. Vier Milliarden Euro dürfte die Fabrik des US-Herstellers kosten, 12.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Chef Elon Musk geht damit offiziell die drei Utopien des Unternehmertums an: Die Erschließung des Weltraums, die Untertunnelung der Erde und die Wiederbelebung Brandenburgs.

Auf Twitter präsentierte der 49-Jährige einen ersten Entwurf seiner Gigafactory. Das Modell zeigt ein flaches Gebäude, auf dem riesigen Dach befinden sich Solarzellen, über dem Eingangsbereich sind Pool und Bar zu erkennen. Tesla-Mitarbeiter dürfen sich zudem auf eine „Rave Höhle“ freuen, frohlockte Musk. Der Geist von Berlin soll sich mit dem von Tesla zu etwas Neuem verbinden. Schon lange war Berlin-Brandenburg der Zukunft nicht mehr so zugewandt.

Gigafactory Berlin-Brandenburg © dpa

Was für eine wunderbare Chance für eine Region, in der als größte Vision der vergangenen Jahre die Firma Cargolifter mit dem Versuch scheiterte, die Luftschifffahrt wieder aufleben zu lassen. Heute planschen in den Fabrikhallen von damals Familien im „Tropical Island“.

Musk dagegen war schon immer Meister des großen Entwurfs:

► Mit der Firma SpaceX will er die Menschheit zu einer multiplanetaren Spezies machen. Lange erntete er Lacher, jetzt sind es Staatsaufträge. Mit der „Falcon 9“ ist bereits eine Trägerrakete nach einer Mission aufrecht zum Startplatz auf die Erde zurückgekehrt.

► Im September 2016 stellte er detaillierte Ideen für eine Besiedlung des Mars vor. Raumschiffe, die im All betankt werden können, sollen mindestens 100 Menschen und riesige Mengen Material transportieren.

Eine Infografik mit dem Titel: Tesla an der Spitze

Die fünf wertvollsten Autokonzerne der Welt, in Milliarden Dollar

► Er will Menschen nicht nur in den Weltraum schießen, sondern in einem Röhrensystem auch von Stadt zu Stadt, um so langsame Züge zu ersetzen. Seit 2013 arbeiten seine Ingenieure am Hyperloop, der per Unterdruck Passagiere mit nahezu Schallgeschwindigkeit wie eine Art Rohrpost transportieren soll.

► Weil sich Musk von Staus in Los Angeles genervt fühlte, entschied er sich, Tunnel auf 20 bis 30 Ebenen unter die Metropole zu bauen zu wollen. Weil Tunnel nicht so spannend sind wie Weltraumflüge, nannte er die Firma „The Boring Company“ – die langweilige Firma.

Frank Thelen, Seriengründer und einer der aktivsten Risikokapitalgeber in Deutschland, sagt:

Elon Musk ist ein Typ, der geht auch mal ins Risiko. Das unterscheidet ihn von jedem angestellten Dax-Manager.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Tesla-Boom

Weltweiter Autoabsatz pro Jahr

Fazit: Musk liebt die Utopien. Es ist der Treibstoff für Erfindungen. Die Gigafactory ist nicht nur eine Chance für Brandenburg, sondern für den Unternehmergeist an sich. Wenn wir uns für die Zukunft die nächste unternehmerische Revolution nicht mehr zutrauen, verwalten wir nur noch. Statt zu spotten, dass Musk es überdreht, sollten wir uns fragen, warum die großen Innovatoren eigentlich nicht mehr aus Deutschland kommen.

 © dpa

Selbst der größte Erfindergeist schützt vor Angriffen aus der Hacker-Welt nicht. Zahlreiche Twitter-Accounts wurden am Mittwoch Opfer eines Hackerangriffs, der es in sich hatte: Neben Elon Musk traf es Microsoft-Gründer Bill Gates, Amazon-Chef Jeff Bezos, später waren auch Joe Biden, Barack Obama und Kanye West dran. In gefälschten Tweets baten die Täter im Namen ihrer Opfer um Geldtransfers, die dann scheinbar verdoppelt zurücküberwiesen würden.

Der Krypto-Kursanbieter „Hallo Krypto“ warnte schnell vor einem groß angelegten Betrug. Es half nicht. Innerhalb kurzer Zeit dürften die Betrüger mehrere Hunderttausend Dollar erhalten haben. Eine allgemeine Weisheit der schnelllebigen Twitter-Welt bleibt auch in diesem Fall richtig: Auf Tweets sollte man nicht sofort reagieren, sondern sich die Zeit nehmen, um einmal durchzuatmen. Sonst kann es neuerdings auch teuer werden.

 © dpa

Der ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun steht wegen eines Aktienverkaufs kurz vor der Konzernpleite am 25. Juni im Verdacht des unerlaubten Insiderhandels. Dies bestätigte die Bafin. Man habe dies der Münchner Staatsanwaltschaft angezeigt, sagte eine Sprecherin der Finanzaufsicht.

In dem Finanzskandal wächst nun nicht nur der Druck auf Braun. Auch die Bafin muss sich immer mehr Fragen gefallen lassen. Die europäische Aufsicht Esma kündigte eine genauere Bewertung der Rolle der Behörde und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungswesen bis Ende Oktober an.

 © imago

Auch Finanzstaatssekretär und Bafin-Verwaltungsratschef Jörg  Kukies  muss sich erklären. Dem „Spiegel“ zufolge hat Kukies im November 2019 mit Wirecard-Chef Braun  auch über die Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG gesprochen. Diese hatte kurz zuvor eine Sonderprüfung des Unternehmens begonnen. Das gehe aus geheimen Unterlagen der Bundesregierung hervor, in die Abgeordnete Einsicht hatten. Ein Protokoll gebe es nicht.

Offen ist, was in dem Gespräch zwischen Kukies und Braun thematisiert wurde. Hatte Kukies einen Verdacht, wie es um Wirecard bestellt war – und ließ sich beruhigen? Direkte Folgen hatte das Gespräch jedenfalls nicht. Der Fall rückt damit gefährlich nahe an das Bundesfinanzministerium heran.

 © dpa

Nach dem Corona-Ausbruch bei Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück darf das Unternehmen ab sofort wieder den Betrieb aufnehmen. Die Behörden haben einen eigentlich bis Freitag geltenden Produktionsstopp aufgehoben. Tönnies kündigte an, ab Donnerstagmorgen wieder in Rheda-Wiedenbrück schlachten zu wollen.

Die Stadt kündigte an, den Schlachtbetrieb künftig intensiver zu kontrollieren. Auch die in die Kritik geratene Unterbringung der Werkarbeiter will die Stadt sich ansehen. Nordrhein-Westfalens Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) forderte umzudenken. Man müsse „vom Stall bis zur Ladentheke neujustieren“. Klingt gut, lässt aber vieles offen.

Die großen ethischen Fragen bleiben auch mit dem Neustart unbeantwortet. Wie viel Aufpreis ist uns das Wohl der Tiere wirklich wert? Welche Arbeitsbedingungen sind wir bereit zu finanzieren? Und wie viel Fleisch können wir als Gesellschaft essen, ohne automatisch auf brutale Massenproduktion angewiesen zu sein? Bis diese Fragen nicht beantwortet sind, ändert sich auch an den Ursachen für den Corona-Ausbruch bei Tönnies nichts.

 © dpa

Kaum ein politisches Thema hat in den vergangenen Monaten so viel Momentum erlangt, wie die Frage nach der Steigerung des Frauenanteils in Parlamenten. Das Land Brandenburg beschloss 2019 als erstes ein Paritätsgesetz für Landeslisten, Thüringen folgte. Und auf Bundesebene hat selbst die CDU mittlerweile die Weichen für eine Frauenquote gestellt.

Einen herben Rückschlag gab es für die Befürworter der Quote am Mittwoch. Der Verfassungsgerichtshof in Thüringen gab einer Klage der AfD statt – die Paritätsregelung ist verfassungswidrig. Die Vorgabe verstoße unter anderem gegen die Freiheit der Wahl.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ist für die Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) besonders schmerzlich. Ramelow und seine enttäuschten Koalitionskollegen können nicht einmal glaubwürdig die Gerichte kritisieren. Die meisten der aktiven Richter wurden während der rot-rot-grünen Regierungszeit ernannt oder bestätigt.

 © dpa

Das Urteil dürfte sich auch auf andere Bundesländer auswirken. Die entscheidende Frage wird in den kommenden Monaten sein: Sind die vom Verfassungsgerichtshof Thüringen genannten Kritikpunkte entscheidend – oder der Artikel 3 des Grundgesetzes:

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

 © imago

Keine Neuzugänge von außen, bessere Führung nach innen: Volkswagen will beim Personal noch stärker sparen. Bernd Osterloh, mächtiger Betriebsratschef, und der neue Markenchef Ralf Brandstätter haben sich nun in der VW-Firmenzeitung geäußert. Osterloh sagte:

Der Vorstand fährt wegen Corona und Liquiditätssicherung einen Einstellungsstopp bis mindestens Ende des Jahres.

Wenn die Kurzarbeit auslaufe, werde es irgendwann „brutale Erkenntnisse“ geben.

Die Krise von Volkswagen ist eine Strukturkrise, die während der Corona-Pandemie nicht mehr verdeckt werden kann. Das wichtigste Wort der kommenden Monate wird „Transformation“ sein.

Brandstätter, der Konzernchef Herbert Diess zum 1. Juli in der Leitung der VW-Hauptmarke abgelöst hatte, betonte:

Es gilt jetzt wirklich, jeden Euro umzudrehen, bevor wir ihn ausgeben - und mit absoluter Kostendisziplin zu arbeiten. (...) Das Unternehmen ist in einer wirklich schwierigen Situation.

 © dpa

Retten kann Volkwagen vor der großen Krise nur noch ein kleines Wirtschaftswunder. Wenn es nach dem Absturz schnell wieder nach oben geht – das sogenannte V-Szenario. Das zeichne sich in China ab, sagt Betriebsratschef Osterloh. Es ist eine vage Hoffnung auf einen milden Ausgang der Krise.

 © dpa

Im Streit um eine Rekord-Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro für Apple in Irland hat die EU-Kommission eine juristische Schlappe erlitten. Das EU-Gericht in Luxemburg annullierte die Nachforderung der Kommission aus dem Jahr 2016. Diese habe nicht nachweisen können, dass die Steuervereinbarungen von Apple in Irland aus den Jahren 1991 und 2007 eine ungerechtfertigte staatliche Beihilfe darstellten, so die Richter.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte Apple im August 2016 aufgefordert, die Milliardensumme in Irland nachzuzahlen. Das Land habe dem Konzern eine unzulässige Sonderbehandlung bei den Steuerkonditionen gewährt, Irland und Apple wehrten sich dagegen.

Eine Infografik mit dem Titel: Apple vs. deutsche Top-Konzerne

Marktkapitalisierung von Apple gegenüber Dax30, in Billionen US-Dollar

Die Schlüsselfrage in dem Verfahren war, welcher Anteil des in Irland angesammelten Geldes in dem Land hätte versteuert werden müssen. Der Konzern hatte vor Gericht betont, dass die Erträge der zwei relevanten irischen Tochterfirmen vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien. Deshalb sah sich Apple doppelt zur Kasse gebeten.

Die Entscheidung dürfte nicht der Schlusspunkt in dem politisch aufgeladenen Konflikt sein. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass der Streit in nächster Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof weitergeht. Die Kommission hat zwei Monate Zeit, Berufung einzulegen.

Eine Infografik mit dem Titel: Abgeschwächtes Wachstum

Entwicklung der Weltbevölkerung laut Prognosen von UNO und IHME bis 2100, in Milliarden

Bisher kannten alle Prognosen zur Entwicklung der Weltbevölkerung nur eine Richtung: steil nach oben. Doch das hat sich nun geändert. Eine Studie des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der University of Washington in Seattle prognostiziert ein Ende des Wachstums: 2064 soll der Zenit mit 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde erreicht werden, danach nimmt die Weltbevölkerung ab.

Bis zum Ende des Jahrhunderts rechnet das Forscherteam mit 8,8 Milliarden Menschen auf der Welt – zwei Milliarden weniger als 2019 von der UNO prognostiziert. Die Vereinten Nationen gehen bisher von knapp 11 Milliarden Menschen auf der Welt im Jahr 2100 aus.

Gestern habe ich die Journalistin, Moderatorin und Podcasterin Eva Schulz an Bord der Pioneer One begrüßt. Ihr Format Deutschland3000 richtet sich ausdrücklich an die Generation der bis 30-Jährigen, die sie für gesellschaftliche Debatten begeistern will. Schulz hat mir von ihrer Idee erzählt, Politik für junge Menschen verständlich aufzubereiten, und warum Politiker und junge Menschen so unterschiedlich kommunizieren.

 © Anne Hufnagl

Der Streetart-Künstler Banksy hat in einer Londoner U-Bahn mit Ratten-Bildern für das Tragen von Atemschutzmasken geworben. Auf einem auf Instagram verbreiteten Video soll Banksy sogar selbst zu sehen sein – mit Maske, weißem Schutzanzug, blauen Gummi-Handschuhen und einer orangefarbenen Warnweste.

 © Instagram/banksy

Auf dem Video ist zu sehen, wie der Künstler mithilfe von Schablonen Ratten auf die inneren Wände und Fenster der Waggons malt. Ein Tier segelt zum Beispiel mit einem Mundschutz als Fallschirm herab, ein anderes – ohne Maske – niest viel Farbe an ein Fenster. Als Kommentar hinterließ Banksy auf Instagram:

Wenn du keine Maske trägst, kapierst du es nicht.

Das Problem: In der U-Bahn sind die Bilder nicht mehr zu sehen – sie wurden von nichtsahnenden Reinigungskräften weggewischt. Kunstexperten schätzen, dass sie einen Wert von bis zu 7,5 Millionen Pfund (etwa 8,3 Millionen Euro) hatten. Das berichtete die „Daily Mail“. Ein Sprecher der Verkehrsbehörde räumte ein:

In diesem speziellen Fall wurde das Kunstwerk vor einigen Tagen wegen unserer strengen Anti-Graffiti-Politik beseitigt.

 © Instagram/banksy

Man wolle aber Banksy die Chance geben, ein neues Werk an einem „angemessenen Ort“ zu erschaffen. Auf das es beim nächsten Mal länger hält.

Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Tag.

Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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