Deutsche Bank im Fegefeuer

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 © ThePioneer

Guten Morgen,

für Banker gibt es ein eigenes Himmelreich, und das liegt in den USA. Es gibt aber auch eine eigene Hölle, und die liegt in Europa. Dicht davor, im Fegefeuer enttäuschter Eitelkeiten, schmort die Deutsche Bank. Das von Christian Sewing geführte Geldhaus hat seit dem Boomjahr 2007 rund 90 Prozent seines Börsenwertes verloren.

Eine Infografik mit dem Titel: Himmel und Hölle

Entwicklung der Aktienkurse von JP Morgan Chase und Deutsche Bank, indexiert in Prozent

Eine aktuelle Studie der Beratungsfirma EY enthüllt, dass dieser Niedergang kein singuläres Ereignis ist. Die europäischen Banken verlieren seit der Finanzkrise an Boden, während die großen US-Banken bei Erträgen, Kunden und Börsenwert eine neue Ära eigener Herrlichkeit begründen:

► Die gemessen an der Bilanzsumme größten zehn US-Institute verdienten im ersten Halbjahr 2019 zusammen mehr als zweieinhalb Mal so viel wie ihre zehn größten europäischen Wettbewerber. Allein JP Morgan erwirtschaftete einen Nettogewinn von 16,6 Milliarden Euro. Europas Banken kamen zusammen auf rund 26,4 Milliarden Euro.

Eine Infografik mit dem Titel: Europa abgehängt

Entwicklung des Nettogewinns der Top-10-Banken in Europa und USA, in Milliarden Euro

► Nach Steuern erwirtschafteten die US-Häuser im ersten Halbjahr eine Eigenkapitalrendite von 13 Prozent – mehr als doppelt so viel wie Europas Banken.


Eine Infografik mit dem Titel: USA: Steigende Renditen

Eigenkapitalrentabilität der Top-10-Banken in Europa und den USA im 1. Halbjahr, in Prozent

► An der Börse bringen es die zehn größten US-Institute zusammen auf einen Wert von 1,2 Billionen Euro. Das ist fast dreimal so viel wie der Wert der europäischen Top 10.

Eine Infografik mit dem Titel: Amerika vorn

Entwicklung der Marktkapitalisierung der Top-30-Banken nach Regionen, in Prozent

► Die 30 größten Banken der Welt sind heute zusammen 3,5 Billionen Euro wert. Nur noch acht Prozent davon vereinen Europas Banken auf sich, 2009 waren es noch 27 Prozent.

Was genau hat diesen Absturz ausgelöst? Ist Europa damit auch in der Finanzindustrie eine Zone der Abgehängten? Oder kann sich der alte Geldadel von Madrid, Mailand, Zürich, Luxemburg, Paris und Frankfurt noch einmal aufrappeln? Im Morning Briefing Podcast spreche ich darüber mit Thomas Mayer – einst IWF-Mitarbeiter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank und heute Leiter des Flossbach von Storch Research Institute. Er sieht Europas Geldhäuser in einer Zangenbewegung, die einerseits von der Wall Street und andererseits von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgeht.

Die hiesigen Institute sind viel stärker im Kreditgeschäft als im Kapitalmarktgeschäft. Sie haben keine wirkliche Zinsspanne mehr, an der sie verdienen könnten, um ihre Kosten zu decken.

Das eigene Unvermögen der Bankvorstände, auf die neue Situation zu reagieren, komme hinzu:

Ich glaube, die Deutsche Bank hat sieben Jahre verschlafen. Als der Vorstandsvorsitzende Josef Ackermann 2012 abtrat, wäre die Möglichkeit gewesen, das Ruder herumzureißen und das Geschäftsmodell neu aufzustellen.

Die Bank aber sei dem Größenwahn erlegen:

Man hat geglaubt, man könnte die Deutsche Bank auf Augenhöhe mit den großen US-Investmentbanken betreiben. Das war eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten. Dafür hat man bitter bezahlt.

Die Frage, ob die Deutsche Bank noch eine Zukunft hat, beantwortet der intime Kenner der Situation so:

Ich möchte noch nicht aufgeben, aber die Uhr steht sozusagen auf fünf vor zwölf. Ich hoffe jedenfalls, dass sie auf fünf vor zwölf steht, und nicht auf fünf nach zwölf.

Fazit: Europas Finanzsektor kämpft, auch um das eigene Überleben. Die EZB-Zinspolitik wirkt – für einige Geldhäuser womöglich tödlich.

 © imago

Die Europäische Zentralbank hat sich auf dem EU-Finanzministertreffen in Helsinki skeptisch gegenüber der für 2020 geplanten Facebook-Währung Libra geäußert: „Die Messlatte für die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden wird sehr hoch sein“, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Cœuré.

SPD-Finanzminister Olaf Scholz bekräftigt die Ablehnung der Facebook-Pläne: „Wir können eine Parallelwährung, die privatwirtschaftlich auf den Weg gebracht wird, nicht akzeptieren.“ Die Frage ist, ob die digitale Wirtschaft dieses Diktum akzeptieren wird. Alles wird in diesen Tagen disruptiert, die Presse, die Automobilwirtschaft, die Banken. Warum nicht auch das Zentralbankgeld? Überall erodieren das Primat der Politik und die Alleinstellung des Staates. Es gibt private Armeen, privatisierte Gefängnisse und Schulen – und am Ende womöglich auch private Währungen.

 © dpa

Während in Frankreich jährlich pro 1000 Arbeitnehmer 123 Arbeitstage wegen Streiks ausfallen, sind es in den USA nur sechs Arbeitstage pro Jahr. Daher gleicht der am Montag von der Autogewerkschaft UAW bei General Motors (GM) begonnene Ausstand einer Sensation.

Seither streiken bei GM fast 50.000 auf Stundenbasis beschäftigte Arbeitnehmer in 31 Werken – sie kämpfen für höhere Löhne, bessere Gesundheitsvorsorge, Arbeitsplatzgarantien und eine Gewinnbeteiligung. Es ist der erste Streik bei GM seit mehr als zehn Jahren. Der letzte Groß-Protest bei GM dauerte 54 Tage und kostete den US-Autobauer mehr als zwei Milliarden US-Dollar.

Wer hat, dem wird genommen: GM erwirtschaftete zuletzt einen Jahresgewinn nach Steuern von 6,17 Milliarden US-Dollar. Diese Summe macht sinnlich, nicht nur die Aktionäre, auch die Arbeitnehmer.

Roland Busch © dpa

Der Siemens-Aufsichtsrat bereitet das Ende der Ära Joe Kaeser vor. Das Kontrollgremium hat den bisherigen Technologievorstand Roland Busch in die Rolle des Kronprinzen befördert: Unter der Überschrift „Aufsichtsrat stellt personelle Weichen für die nächste Generation“ gab der Konzern bekannt, dass Busch ab Oktober Stellvertreter des Vorstandsvorsitzenden wird – eine Position, die es bislang nicht gibt. Zudem wird der 54-Jährige in drei Monaten auch die Verantwortung für die von Kaeser initiierte Konzernstrategie Vision 2020+ übernehmen.

Kaeser ist weiter der Chef, aber ein Chef auf Abruf. Die Erosion seiner Macht wurde vom Aufsichtsrat nicht gestoppt, sondern befördert. Er ist ab heute Morgen das, was man im feinen Neuengland eine „lame duck“ und an der derben New York Wall Street einen „man without balls“ nennt.

 © dpa

Die Schulden zu hoch, die Züge zu spät: Bahnchef Richard Lutz hat eine turbulente Aufsichtsratssitzung hinter sich. Gestern wurde ihm vom Kontrollgremium untersagt, weitere Ex-Bahnmitarbeiter mit Beraterverträgen zu versorgen. Das Vertrauen in die Führungskunst dieses Vorstandschefs ist nicht erschüttert, sondern verschwunden.

Oder um es in der Sprache der Eisenbahner zu sagen: Der Zug ist abgefahren.

 © dpa

In dieser Woche dreht sich nicht alles, aber vieles um Greta Thunberg. Am Dienstag traf die 16-jährige Klima-Aktivistin mit Ex-Präsident Barack Obama zusammen, der sich als Bruder im Geiste zu erkennen gab: „Du und ich, wir sind ein Team“, sagte er.

Einer, der das Hochamt für Greta nicht mitfeiern mag, ist Alexander Kissler. Im Morning Briefing Podcast liefert der ehemalige Theaterregisseur und heutige Ressortleiter Kultur beim Debattenmagazin „Cicero“ seine Gegenrede wider den Zeitgeist:

Greta Thunberg ist eine Ikone, ein Andachtsbild, das direkten Kontakt aufnimmt zum Unsichtbaren, zum Übersinnlichen und Übernatürlichen. Sie ist eine Wanderpredigerin der Apokalypse.

Ihr Szenario lautet: Es ist eigentlich schon zu spät.

Sie redet in einem Unbedingtheits-Furor, den wir so nur von alttestamentarischen Propheten kennen.

Tom Buhrow © imago

Glücksfall für die ARD: Nach dem Juristen und CSU-Mitglied Ulrich Wilhelm, einem abhängig Beschäftigten von Kanzlerin Angela Merkel, die ihn erst zum Regierungssprecher berief und dann auf den Intendanten-Posten des Bayerischen Rundfunk bugsierte, wird die ARD künftig wieder von einem Journalisten geführt. Tom Buhrow war Redaktionsmitglied der Tagesschau, als Korrespondent berichtete er aus Washington und Paris, 2006 löste er „Mr. Tagesthemen“ Ulrich Wickert ab.

Seit 2013 ist er Intendant des WDR, dem zweitgrößten europäischen Sender nach der BBC. Er kennt die Herausforderungen: Die Anstalten stehen unter Digitalisierungszwang, müssen sich in Zeiten von YouTube, Netflix und Amazon behaupten. Auch der Nachweis journalistischer Unabhängigkeit muss im Zeitalter gesellschaftlicher Polarisierung stets aufs Neue erbracht werden.

Tom Buhrow ist genau für diese publizistische Revitalisierung der richtige Mann. Er praktiziert, was viele Journalisten verlernt haben: das Zuhören. Seine Meinung – das charakterisiert den guten Journalisten – schließt die der anderen nicht automatisch aus. Die Erkenntnis des Kurt Tucholsky ist auch die seine: „Toleranz ist der Verdacht, dass der andere recht haben könnte.“

Ich wünsche Ihnen einen gut gelaunten Start in diesen neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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