in diesen grau-verhangenen Herbsttagen überstrahlen zwei Manager der Deutschland-AG alle anderen Mitglieder ihrer Alterskohorte – auch international. Die Erfolge, von denen hier die Rede ist, sind präzise messbar und werden auch in nächster Zukunft nicht vom Winde verweht.
Skeptiker werden einwenden, jeder Erfolg sei verwehbar. Aber diese beiden – würde ich erwidern – eben nicht so ohne weiteres. Die jeweiligen Nachfolger müssten schon mit Hammer und Amboss vorgehen, besser noch mit Dynamit, wollten sie diese zwei Großtaten zertrümmern. Daher müssen die in Rede stehenden Taten und ihre Protagonisten vom Chronisten auch gar nicht belobigt, nur vorgestellt und geschildert werden:
© Anne Hufnagl
Der eine Manager ist Siemens-Mann Joe Kaeser – der Architekt eines wahrlich radikalen Konzernumbaus; der von den Gewerkschaften, etlichen Analysten und auch hier im Morning Briefing ob dieser Radikalität oft kritisiert wurde. Er hat das 1847 gegründete Unternehmen nicht nur entlang seiner Geschäftsfelder, sondern auch entlang seiner sehr unterschiedlichen Kulturen zerlegt: Kraftwerksbauer, Software-Entwickler, Mobilitätsplaner und die Erbauer der Computertomografie schliefen im selben Bett, aber träumten unterschiedliche Träume.
Eine Infografik mit dem Titel: Siemens: Der Post-Corona-Aufschwung
Kursverlauf der Siemens-Aktie seit Januar 2020, in Euro
Heute sind wesentliche Teile des ehemaligen Konglomerats in eigenständigen Unternehmen wie Siemens Healthineers und Siemens Mobility organisiert. Das Energiegeschäft wurde im Jahr 2020 abgespalten, in die eigenständige Siemens Energy AG überführt und wird seither nicht mehr von der Siemens AG konsolidiert.
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Es kam, wie von Kaeser prognostiziert, zur Entfesselung der Wachstumskräfte. Alle Sparten liefern ab und die Mutter – von der befürchtet wurde, sie würde abgemagert ihrer Zerschlagung entgegendämmern – erhöhte 2021 dreimal ihre Gewinnprognose, um mit dem gestern vorgestellten Quartalsergebnis die kühnsten Erwartungen der Investoren zu übertreffen. Alle Geschäfte liegen deutlich über dem Niveau des Jahres 2019, also vor Ausbruch der Pandemie:
Der Umsatz ist in Q3 um 13 Prozent auf 62,3 Milliarden Euro gestiegen.
Der Gewinn sprang sogar um 59 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro.
Die Prognose 2022 fällt vielversprechend aus: Man registriere einen „unglaublichen Zug“ beim Bedarf nach Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit, sagte der neue Vorstandschef Busch. „Wir werden mit diesem Momentum weitermachen.“
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Der andere Manager, der aufgrund besonderer Leistungen hier zu nennen ist, heißt Carsten Spohr. Der gelernte Pilot führt seit sieben Jahren die deutsche Lufthansa. Er hat sie – inmitten einer globalen Pandemie – in die Spitzengruppe aller Fluggesellschaften weltweit manövriert.
Wie bei einem Belastungs-EKG konnte man sehen, wie hier einer um das Leben der ihm anvertrauten Firma strampelt. Die Lufthansa verlor zeitweilig 1 Million € pro Minute. Spohr musste ran – und zwar richtig:
Die Zahl der Mitarbeiter wurde von circa 140.000 auf rund 107.000 reduziert.
Fluggesellschaften wie Germanwings, SunExpress und die Flugschule Bremen wurden abgestoßen.
100 der 800 eigenen Flugzeuge hat er zum Verkauf gestellt.
Der deutsche Staat wurde mit zunächst 20,05 Prozent beteiligt und stellte – zusammen mit anderen europäischen Staaten – neun Milliarden Euro als Kreditrahmen zur Verfügung. Einen Sitz im Aufsichtsrat gab es dafür nicht. Die Botschaft: keine Re-Verstaatlichung.
Am freien Kapitalmarkt wurden 2,14 Milliarden Euro aufgenommen, auch um den Staatsanteil auf nur noch 14,09 Prozent zu reduzieren.
Eine Infografik mit dem Titel: Krisengewinner Lufthansa
Die weltweit größten Airlines nach Umsatz 2020, in Milliarden US-Dollar
Als krönender Abschluss dieser Lebensrettungsaktion fehlte nur noch die Freigabe des US-Luftraumes (die am 8. November erfolgte), die Rückkehr in die Gewinnzone (wie im dritten Quartal auch dank boomender Frachtgeschäfte geschehen), die Heraufsetzung des Ratings (wie von Standard & Poor´s gemeldet) und die 100-prozentige Rückzahlung aller Staatshilfen. Nur mal angenommen – gleichsam als Gedankenexperiment – diese Rückzahlung würde heute Morgen erfolgen und damit zum Kurs von 6,70 Euro, dann hätte der Staat – der am 1. Juli 2020 für 2,56 Euro pro Aktie eingestiegen ist – seinen Einsatz mehr als verdoppelt. Die Seite 1 der morgigen Zeitungen wären dem Lufthansa-Chef sicher.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Ära Spohr
Konzernergebnis und Umsatzerlöse von Lufthansa seit 2008, Angaben in Milliarden Euro
Fazit 1: Der Oscar für strategisches Management geht an Kaeser. Die Laudatio hält der Vorstandschef des Erzrivalen General Electric, jahrzehntelang für alle Siemens Vorstandsvorsitzenden der Goldstandard, der gestern bekannt gab, das Kaeser-Design kopieren zu wollen.
Fazit 2: Der Oscar für beherztes Krisenmanagement steht Carsten Spohr zu. Er hat der Lufthansa das Leben gerettet, auch wenn nun zehn Milliarden Euro zusätzlicher Schulden auf der Bilanz lasten. Als Laudator bietet sich der künftige Kanzler an, der seine Steuermilliarden in Frankfurt nicht versenkt, sondern vermehrt hat.
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In Bayern spitzt sich die Coronalage weiter zu: Wegen einer hohen Zahl an Coronapatienten in den Krankenhäusern hat Ministerpräsident Markus Söder den Katastrophenfall im Freistaat ausgerufen. Klinikvertreter hatten vor einer Überfüllung der Intensivstationen gewarnt.
Bei einer Impfquote von 65,3 Prozent lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Bundesland gestern bei 427,4. Im heutigen Morning-Briefing Podcast fordert Markus Söder eine partielle Impfpflicht:
Ja, eine partielle Impfpflicht wird uns einfach helfen. Besonders in der Alten- und Krankenpflege und in den Pflegeheimen spüren wir sehr, dass wir das machen sollten. Deswegen glaube ich, dass daran keiner mehr vorbei kommt.
Eine generelle Impfpflicht hält er für nicht realisierbar:
Für eine generelle Impfpflicht, glaube ich, gibt es keine gesellschaftliche Mehrheit. Das würde in der Umsetzung zu extremen Spannungen und Spaltungen führen.
© dpa
Als Stimulus für Impfungen in der übrigen Bevölkerung sei eine 2G-Regel sinnvoll:
Ich glaube, dass der Impfanreiz alleine dadurch erhöht wird, dass wir mehr 2G machen.
Im innerparteilichen Machtkampf sendet er Signale der Entspannung:
© dpaAls CSU-Vorsitzender muss man sich, egal wer CDU-Vorsitzender wird, darauf einstellen, die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Es gibt keine Alternative zu einem guten Zusammenwirken.
Die Kritik von Armin Laschet an seinem Verhalten im Wahlkampf teilt er nicht. Im Gegenteil: Er ermuntert den Kontrahenten zur Dankbarkeit.
Wenn wir nicht am Schluss versucht hätten, einen Rettungsring zu werfen, nämlich den klaren Hinweis auf eine Linkskoalition, den wir von der CSU gestartet haben, wäre das Ergebnis noch deutlich schwieriger gewesen.
Fazit: Markus Söder mag das Büßerhemd, das Armin Laschet ihm im Beichtstuhl von Sandra Maischberger andiente, nicht tragen. Seine bevorzugte Position im politischen Leben ist die des Angreifers. Sein maximales Angebot an die CDU: Ein Nicht-Angriffspakt.
Helge Braun sattelt auf zur Mission „Verhindert den Merz“: Bei einer Vorstandssitzung der Hessen-CDU will der Kanzleramtschef und Merkel-Vertraute heute seine Beweggründe für die Kandidatur um den Parteivorsitz erläutern. Danach möchte er von seinem Heimatkreisverband in Gießen offiziell als Laschet-Nachfolger nominiert werden.
Der 49-jährige Braun ist seit 2002 Mitglied des Bundestags – zuvor war er als Anästhesist am Uni-Klinikum Gießen tätig.
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Auch Norbert Röttgen will heute seinen Hut in den Ring werfen. Für heute Vormittag hat der CDU-Außenpolitiker eine Pressekonferenz zum Thema „Kandidatur für den Vorsitz der CDU Deutschlands“ angekündigt.
Auch eine Kandidatur von Friedrich Merz gilt angesichts hoher Zustimmungswerte an der Parteibasis als nahezu sicher – kommende Woche will er sich erklären. Das hat unser Politik-Team erfahren.
Und: Merz hat prominente Mitstreiter gefunden, die mit ihm auf die Bühne steigen wollen. Wen, können Sie hier erfahren.
Die Corona-Lage spitzt sich weiter zu. Hier die aktuelle Entwicklung am Freitagmorgen.
Das RKI registriert mehr als 50.000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Die 7-Tage-Inzidenz steigt damit für ganz Deutschland auf 249,1.
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Im Deutschen Bundestag fordert Olaf Scholz: „Wir müssen gewissermaßen unser Land winterfest machen.“ Die Impfquote sei nach wie vor zu niedrig, mit Nachdruck appelliert er an die Bevölkerung: „Lassen Sie sich impfen!“
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Späte Einsicht kam gestern von Hubert Aiwanger. Der Chef der Freien Wähler in Bayern hat sich impfen lassen.
In Sachsen ist die Lage besonders dramatisch. Die 7-Tage-Inzidenz liegt im Freistaat bei 521,9 und damit mehr als doppelt so hoch wie im Bundesschnitt. Ministerpräsident Michael Kretschmer fordert daher eine Absage von Weihnachtsmärkten:
Man kann sich doch nicht vorstellen, dass man auf dem Weihnachtsmarkt steht, Glühwein trinkt und in den Krankenhäusern ist alles am Ende und man kämpft um die letzten Ressourcen.
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Christian Drosten sieht die Schuld an der schlechten Corona-Lage in Deutschland nicht nur bei den Ungeimpften und kritisiert das Kommunikationsmanagement der Politiker:
Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften.
Es besteht also Handlungs – und Redebedarf. Nächsten Donnerstag kehrt der Bund-Länder-Gipfel zurück.
Merck verzeichnet im dritten Quartal 2021 ein deutliches Umsatzplus von 11,7 Prozent auf 4,97 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahresquartal. Der Nettogewinn beläuft sich auf 761 Millionen Euro, das sind 5,6 Prozent weniger als im Vorjahresquartal.
Aufgrund der weiterhin sehr hohen Nachfrage im Pharmabereich und dem starken Geschäft mit Chemikalien für die Halbleiterproduktion hebt der Konzern die Prognose für das Geschäftsjahr an. Es wird mit einem Umsatz von bis zu 19,85 Milliarden Euro (Vorjahr: 17,5) und einem Reingewinn von bis zu 3,9 Milliarden Euro gerechnet. Vorstandschefin Belén Garijo sieht das als Startschuss für eine neue Ära:
2021 ist nur das Präludium für eine neue Wachstumsära von Merck. Unser Momentum ist superstark.
Die Inflation in den USA erreicht den höchsten Stand seit 1990. Im Vergleich zum Vorjahresmonat stiegen im Oktober die Verbraucherpreise um 6,2 Prozent.
Die hohe Rate weckt Erwartungen auf eine Zinsanhebung durch die US-Notenbank, während die EZB weiter an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten will. Für Anleger wird dadurch der US-Dollar attraktiver im Vergleich zum Euro. Mehr zu den Folgen der Wechselkursschwankungen hören Sie heute im Investment-Briefing von Annette Weisbach aus Frankfurt und Anne Schwedt aus New York. Börsentäglich: unabhängige Nachrichten für Anleger. Immer ab 6:00 Uhr.
Mit Lukaschenko ist nicht zu spaßen – und wenn doch, dann auf eigenes Risiko. Das ist die Botschaft hinter seiner neuen Drohung gegenüber der EU: Für den Fall, dass sie ihr fünftes Sanktionspaket gegen sein Regime annimmt, droht er mit einem Abbruch des Transits russischen Erdgases nach Westen.
„Wir dürfen ihnen nichts verzeihen“, sagte Lukaschenko auf seiner gestrigen Regierungssitzung. Er stellte die Erdgasleitung Jamal–Europa, die von der nordwestsibirischen Halbinsel Jamal über Belarus und Polen nach Deutschland führt, als alternativlos dar: „Wir dürfen, um unsere Souveränität und Unabhängigkeit zu schützen, vor nichts haltmachen“.
© Media Pioneer
Xi Jinping festigt seine Macht als Staats- und Parteichef. In einer „historischen Resolution“ zum Abschluss ihres viertägigen Plenums in Peking beschloss das Zentralkomitee (ZK), „dass es notwendig ist, beharrlich die Position des Genossen Xi Jinping als Kern des Zentralkomitees der Partei und als Kern der Partei hochzuhalten“. Damit ebnet das ZK den Weg für eine dritte Amtszeit Xis und gibt Xi praktisch ein Mandat für eine andauernde Amtszeit:
De facto erleben wir in China einen Stalinismus ohne Stalin.
Die anrührende Geschichte des heutigen Morgens liefert der Literaturnobelpreisträger des Jahres 2006, Orhan Pamuk. In der FAZ schildert er seinen Lieblingsplatz aus Kindertagen:
Als ich zwölf, dreizehn Jahre alt war, verbrachte ich den Sommer in einem Haus am Meer, gut 35 Meilen von Istanbul entfernt. Gern sprang ich über die niedrige Gartenmauer, lief zum Strand und streifte durch die Felsen entlang der Küste…..
Eines Tages stieß er auf ein kleines Wasserbecken inmitten der Felsen:
Bald darauf entdeckte ich, dass unter der glatten, vollkommen transparenten Oberfläche meines „Beckens“ eine Welt, ja, eine Kultur existierte. Fortan lief ich allein für mich immer wieder dorthin und beobachtete das faszinierende Treiben im durch die Sommerhitze lauen Meereswasser.
Dem kleinen Orhan begegneten dort zur Mitte der 60er Jahre „Jungkrebse, halb weiß, halbdurchsichtig und nicht größer als mein Fingernagel“. Er entdeckte „gesprenkelte Steinfische in verschiedenen Farben, die das Sonnenlicht mieden“ machte die Bekanntschaft mit „Skorpionfischen, die ihren giftigen Stachel auf dem Rücken trugen“.
Das „Becken“ wurde für ihn zur Oase seiner Kindheit, zum Rückzugsraum inmitten einer wilden Natur:
Hin und wieder watete ich auf dem morastigen Boden bis zu den Knien ins Becken und stellte mich mitten in die Kultur hinein.
© Die WELT
Und dann nimmt die nostalgische Geschichte ihre dramatische Wendung in Richtung Gegenwart:
Diese Welt ist heute verloren. 1964 lebten rings um das Marmarameer zweieinhalb Millionen Menschen. Heute sind es fünfundzwanzig Millionen, und ringsum ist die Hälfte der türkischen Industrie angesiedelt. 1976 wurde das Becken zugeschüttet und eine Mole aus Beton darauf angelegt, auf der sich die Sommergäste des nahen Appartementhauses sonnen können.
Der Autor erinnert mit seiner Erzählung an die Schattenseiten des schnellen und oft hemmungslosen Wirtschaftswachstums, das nicht nur die fragile Pflanzen- und Tierwelt der Meere verletzt, sondern womöglich auch die Seelen der Kinder.
Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in das Wochenende. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr