Deutschstunde für Elon Musk

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Guten Morgen,

die gefährlichsten Gegner für Tesla-Gründer Elon Musk sind nicht BMW, Mercedes oder Audi, sondern die deutschen Umweltschützer. Sie brachten – mithilfe cleverer Anwälte und williger Gerichte – die Baustelle für die neue Tesla-Gigafabrik in Brandenburg zum Erliegen.

Dabei hat Elon Musk der von Diesel-Affäre und Transformationsleiden gebeutelten Autobranche Spektakuläres zu bieten:

► Bis 2021 soll in Grünheide bei Berlin Teslas erste Gigafactory in Europa entstehen.

► Bis zu 12.000 Arbeitsplätze könnte der Elektrobauer im brandenburgischen Niemandsland schaffen.

► Im Endzustand sollen 500.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band laufen, über ein Drittel mehr als Tesla 2019 weltweit abgesetzt hat.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Tesla-Boom

Weltweiter Autoabsatz pro Jahr

Vergangene Woche starteten hoffnungsfroh die Bauarbeiten, 29 Rodungsmaschinen waren im Einsatz, um die ersten rund 90 Hektar des insgesamt etwa 300 Hektar großen Waldgebiets zu lichten. Ausgestattet mit einer Sondergenehmigung der zuständigen Behörde, die gegen strenge Wiederaufforstungsauflagen auch ohne offizielle Baugenehmigung den Beginn der „bauvorbereitenden“ Rodung erlaubte, wähnte sich Musk auf der sicheren Seite.

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Doch die Umweltschützer erteilten ihm eine Deutschstunde der besonderen Art:

► Nach zwei Tagen stehen die Motoren jetzt wieder still. Am Samstag entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den vorläufigen Stopp der Rodungsarbeiten.

► Das Oberverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung mit dem hohen Tempo, das auf dem Baugelände vorgelegt worden war. Die Richter hatten beachtet, „dass die bereits weit fortgeschrittenen Rodungsarbeiten innerhalb weiterer drei Tage abgeschlossen sein würden“.

Das großzügige Kompensationspaket der Tesla-Führung wurde lieblos zur Seite gewischt:

► Tesla will die gerodeten Bäume an anderer Stelle wieder aufforsten – und zwar in dreifacher Zahl.

► Vor dem Bau will das Unternehmen 400 Nistkästen für Vögel verteilen.

► Ameisennester und Reptilien wie Eidechsen sollten umgesiedelt und Schutzzäune errichtet werden.

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Der Beschluss zum Baustopp setzt Tesla nun mächtig unter Druck. Das Unternehmen hat die Börsenaufsicht der USA bereits über die Risiken für die Geschäftszahlen und den Börsenkurs informiert. Ab März – das kommt verschärfend hinzu – sind Rodungsarbeiten aus Gründen des Natur- und Artenschutzes in der Regel nicht mehr erlaubt, denn dann beginnt die Brutzeit. Die deutsche Wirtschaft, die den Anschluss an das Zeitalter der Elektromobilität sucht, steht blamiert da. Internationale Investoren schütteln den Kopf.

Eine Infografik mit dem Titel: Teslas Produktionsstandorte

weltweit

Über die Folgen der Brandenburger Eskapaden spreche ich im Morning Briefing Podcast mit Daniel Schäfer, internationaler Finanzjournalist und Deutschland-Chef von Bloomberg News. Er sagt:

Die internationalen Investoren schauen sehr genau auf Deutschland. Dies ist ein Testfall für den Standort.

Fazit: Die in Mode gekommene Industriefeindlichkeit bedroht Wohlstand und Arbeitsplätze. Gut möglich, dass es später im Geschichtsbuch heißen wird: Deutschland ergrünte – und stieg ab.

Es gibt ein Wort, das zurzeit in der CDU jeder im Munde führt: Teamlösung. Es klingt nach Motivationsseminar und ist in Wahrheit nur Ausdruck der politischen Prioritäten. Alles nahm am Sonntagabend seinen Anfang, als CSU-Chef Markus Söder bei „Anne Will“ seinem Konkurrenten Friedrich Merz die Qualifikation zur Kanzlerschaft absprach. In Anspielung auf dessen Arbeit als Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag (2000 und 2002) sagte Söder, es reiche nicht zu sagen, „wir machen es jetzt einfach mal so wie vor 20 Jahren“.

Markus Söder © imago

Mit Blick auf die Kanzlerkandidatur betonte Söder:

Es macht keinen Sinn, den Kanzlerkandidaten jetzt zu benennen, der dann ständig eine Art Nebenregierung führt.

Am Montag, zurück in München, wurde er präziser:

Es geht immer nur im Team, wir können auf keinen verzichten.

Armin Laschet © dpa

In der CDU griffen mehrere Spitzenpolitiker Söders T-Wort auf, zum Beispiel Armin Laschet:

Alles, was ein Team ist, was die unterschiedlichen Fähigkeiten der unterschiedlichen Akteure mit einbezieht, tut der CDU als Volkspartei gut.

Auch der andere Merz-Rivale, Gesundheitsminister Jens Spahn, übernahm die neue Vokabel:

Es gibt ein hohes Bedürfnis bei unseren Wählern und unseren Mitgliedern, dass wir das im Team und mit viel Verantwortungsbereitschaft regeln.

Der CDU-Chef aus Baden-Württemberg Thomas Strobl sekundierte:

Es könnte ja auch sein, dass wir in den nächsten Tagen uns darum bemühen, ein Team zu bilden, in dem die Stärken aller drei Bewerber zur Geltung kommen.

Fazit: Was gestern noch richtig war, die Vereinigung von Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in einer Person, gilt heute als unfaires Solospiel. Laschet, Spahn und Söder haben unterschiedliche Pläne, aber ein gemeinsames Ziel: Merz verhindern. Die Wölfe jagen im Rudel. Auch so funktioniert Teamplay.

Bodo Ramelow © dpa

Thüringen kommt nicht zur Ruhe: Nicht nur AfD-Fraktionschef Björn Höcke, auch der linke Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow versteht sich auf parteipolitische Raffinesse. Wählten die AfD-Abgeordneten den Liberalen Thomas Kemmerich zu seinem Nachfolger, schlägt Ramelow nun vor, an seiner Stelle die CDU-Vorgängerin Christine Lieberknecht zu platzieren. Das ist ein Vorstoß, den die CDU schlicht nicht ablehnen kann. Die einst so stolze Volkspartei wird einmal mehr vorgeführt. Sie wird zur Zuschauerin ihres eigenen Schicksals.

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Am heutigen Dienstag trifft sich der CDU-Vorstand in Thüringen, um über die neue Lage im Landtag und die Nachfolge für den nur noch amtierenden Parteichef Mike Mohring zu sprechen. Der eben erst von Merkel gefeuerte Ostbeauftragte Christian Hirte ist als Nachfolger im Gespräch, was man in Berlin nur als Affront verstehen kann.

Mit dem Thüringer Ehrenvorsitzenden und Ex-Ministerpräsidenten Bernhard Vogel spricht mein Kollege Michael Bröcker im Morning Briefing Podcast. Er lobt den Mann und rät aus Gründen der politischen Pietät zum Verzicht einer sofortigen Wahl.

Dann nämlich wäre offensichtlich, was nicht offensichtlich werden soll: Die Ost-Truppen sind der Merkel-CDU von der Fahne gegangen.

Erneut belastet ein Rechtsstreit um einen Unkrautvernichter die deutsche Chemie- und Pharmaindustrie. Ein millionenschweres Schadenersatzurteil einer US-Jury gegen Bayer und den Chemiekonzern BASF belasteten die Papiere des Agrarchemiekonzerns aus Leverkusen. Auch die BASF-Aktien büßten ein.

Die Geschworenen hatten Bayer und BASF im Rechtsstreit um den Unkrautvernichter Dicamba verurteilt, 265 Millionen US-Dollar an einen Landwirt aus dem US-Bundesstaat Missouri zu zahlen. Der Mann wirft den Konzernen vor, er habe wegen des Einsatzes von Dicamba auf benachbarten Feldern Ernteverluste erlitten. Bayer und BASF kündigten an, in Berufung zu gehen.

Donald Trump © dpa

Das Handelsabkommen zwischen den USA und China produziert Gewinner und Verlierer. Deutschland gehört zu Letzteren, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft errechnet hat. Die Verschiebung von Handelsströmen, nachdem China in den kommenden zwei Jahren zusätzliche Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 200 Milliarden US-Dollar aus den USA importieren will, könnten deutsche Auto-, Flugzeug und Maschinenbauer fast 4,5 Milliarden Dollar kosten.

Fazit: So funktioniert politischer Dreisatz: Trump serviert China seine Rechnung. Und Deutschland zahlt.

Juan Moreno © dpa

Der Mann, der den „Spiegel“-Lügenreporter Claas Relotius auffliegen ließ, ist nun auch ganz offiziell „Journalist des Jahres“. In Berlin wurde Juan Moreno mit dem vom „Medium Magazin“ ausgelobten Preis ausgezeichnet. Der 47-Jährige brachte mit hartnäckiger Recherche den Fall Relotius ins Rollen: Der bis dahin renommierte und mit vielen Preisen geehrte „Spiegel“-Star hatte in zahlreichen Artikeln Szenen, Gespräche und Ereignisse erfunden. Ende 2018 ging das Magazin mit dem Fälschungsskandal an die Öffentlichkeit.

Moreno selbst reagierte mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für sein tägliches Schaffen:

Ich liebe es, Journalist zu sein. Es gibt für mich keinen besseren Beruf. Die Angriffe auf den Journalismus tun mir weh.

Auch für seine damaligen Vorgesetzten, die ihn zunächst an der Recherche zu hindern versuchten, hatte Moreno eine Botschaft parat:

Relotius hat uns alle in die Krise gestürzt. Denn einige haben Fehler gemacht. Einige, nicht alle.

Der „Spiegel“-Verlag begleitet die Preisverleihung (und den jahrelangen Auflagenschwund) mit einer denkwürdigen Rabattaktion. Das Miniabo rangiert im deutschen Einzelhandel nun achtzig Prozent unterhalb des regulären Preises: Alles muss raus.

Claudia Pechstein, fünfmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf, ist die erfolgreichste deutsche Winterolympionikin. Nun hat sich Pechstein noch einen Rekord gesichert: Noch nie war eine Läuferin bei Weltmeisterschaften älter als die Berlinerin, die in der kommenden Woche ihren 48. Geburtstag feiert. Zum Abschluss des Wettbewerbs in Salt Lake City erzielte sie Rang neun im Massenstartrennen. Im 5000 m-Schnelllauf belegte sie Platz acht.

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Wir gratulieren andächtig zur Dauerlebensleistung von Claudia Pechstein. Respekt! In einem Lebensalter wo Spitzensportler wie Schweinsteiger und Kahn für Spielhallen und Wettbüros werben, und andere, wie Maradona, sich dem Rausch hingeben, geht sie täglich trainieren. So sehen Vorbilder aus. Leistungsbereitschaft made in Germany. Hoffentlich trägt Claudia Pechstein nicht die Signatur einer untergehenden Zeit.

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Ich wünsche Ihnen einen selbstbewussten Start in diesen neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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