Die 3 Mythen der Flüchtlingsdebatte

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Guten Morgen,

die Corona-Pandemie hat das weltweite Flüchtlingsdrama überlagert, aber nicht gelöst. Die zuständigen Politiker und ihre Berater wissen mittlerweile, dass ihre wichtigsten Aussagen zu diesem Thema einen Wirklichkeitstest nicht bestehen können. Die Signatur unserer Zeit ist die Fata Morgana.

Mythos 1: „Wir müssen Fluchtursachen bekämpfen“, sagen Merkel und andere immer wieder. In Wahrheit sind die Ursachen der Migration – die von Krieg und Hunger bis zur Korruption der lokalen Eliten reichen – zu komplex als dass sie eine externe Macht lösen könnte. Die Korrupten lassen sich das Korrumpieren nicht verbieten, die Dealer nicht das Dealen so wie die Krieger nicht das Kriegführen. Nur ein gewaltsamer Neo-Kolonialismus könnte für Abhilfe sorgen – aber wahrscheinlich nicht mal der.

Mythos 2: „Wir müssen nur die europäischen Außengrenzen wirksam schützen“, sagen Viktor Orban und andere. Wer wissen will, der weiß mittlerweile: Die Genfer Flüchtlingskonvention macht Grenzsoldaten zu Mitarbeitern der Einwanderungsbehörde, weil laut Artikel 33 der Grenzübertritt nicht verweigert werden darf. Nur ein unmenschliches – und in Europa illegales – Grenzregime würde eine andere, eine abschreckende Wirkung entfalten. Die europäischen Werte würden dann am Grenzzaun dadurch verteidigt, dass man sie verrät.

Eine Infografik mit dem Titel: Welt im Wandel

Wie sich die zehn Länder mit den größten Bevölkerungen bis zum Jahr 2100 entwickeln werden, dazu ausgewählte Länder im Vergleich, in Millionen

Mythos 3: „Wenn man konsequent alle Migranten ohne gültige Aufenthaltspapiere abschiebt, ist das Problem binnen kürzester Zeit gelöst“, so spricht der Volksmund und so argumentierte lange Zeit auch Innenminister Horst Seehofer. Richtig ist: Für eine effektive Abschiebung braucht es den Willen des abschiebenden Landes genauso wie die Bereitschaft des aufnehmenden Staates, weshalb die deutliche Mehrheit der Abschiebefälle nicht vollstreckt werden, nicht in Deutschland und nicht in Europa.

Über diese und weitere Mythen der Flüchtlingsdebatte habe ich mit dem führenden europäischen Migrationsexperten gesprochen, der sich als Architekt des Türkei-EU-Deals einen Namen gemacht hat. Er heißt Gerald Knaus, wurde in Österreich geboren, studierte in Paris und Oxford, lebte und arbeitete später in Sarajevo, Istanbul und der Ukraine und leitet heute den Thinktank „Europäische Stabilitätsinitiative e. V.“

Gerald Knaus © dpa

Das insgesamt einstündige Gespräch werden wir in gekürzter Fassung, ausgestattet mit Musik, angereichert mit Originaltönen von den Spielorten des Flüchtlingsdramas, als Sonder-Podcast zum Wochenende anbieten. Wichtige Kernaussagen von Gerald Knaus hören sie schon heute im Morning Briefing Podcast.

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Inmitten einer aufgeheizten Debatte sendet er die tröstliche Botschaft: Mit Geld und gutem Willen ist eine humane Grenzziehung möglich.

Alice Weidel, Herbert Kickl, Alexander Gauland © dpa

Das populistische Zeitalter nähert sich womöglich schon wieder dem Ende. Die Rechtsparteien in Europa befinden sich in einem erbärmlichen Zustand: Rangordnungskämpfe erschüttern Deutschlands AfD; klebrige Affären haben Österreichs FPÖ an den Rand des Zerfalls gebracht; Frankreichs Front National, die sich in Rassemblement National umbenannt hat, kämpfte nach der Wahl zur Nationalversammlung um den Fraktionsstatus.

Hier die Fakten im Einzelnen:

  • Die AfD zog 2017 als stärkste Oppositionspartei in den Bundestag ein und verliert in der Sonntagsfrage immer weiter an Boden. Bundesweit würden derzeit nur 9 Prozent der Partei ihre Stimme geben. Im Herbst 2017 waren es noch 12,6 Prozent.

  • Die FPÖ präsentierte sich bei der Wiener Landtagswahl als Schatten ihrer selbst: Statt 30,8 Prozent wie 2015 holte die Partei von Herbert Kickl am vergangenen Sonntag nur noch 7,7 Prozent und stürzte somit um über 23 Prozent ab.

Herbert Kickl © imago
  • In Frankreich gehörte die Partei von Marine Le Pen bei der Kommunalwahl Ende Juni erneut nicht zu den Gewinnern. Stattdessen gab es eine „grüne Welle“ – Grüne und ihre Verbündeten eroberten große Städte wie Lyon, Straßburg oder Bordeaux.

  • Griechenlands Goldene Morgendämmerung, eine rechtsextreme und neofaschistische Partei, spielt bei Wahlen kaum noch eine Rolle: Sowohl bei der letzten Parlamentswahl 2019 als auch bei der Europawahl im gleichen Jahr halbierte sie ihr Ergebnis und sank damit unter die 5 Prozent-Hürde.

  • Auch in Spanien bekommt die rechtspopulistische Vox kein Bein auf den Boden. Nach den letzten Wahlen halten die Rechtspopulisten im spanischen Senat noch drei von 265 Sitzen.

Fazit: Die Demokratie in Europa funktioniert. Das Bürgertum des 21. Jahrhunderts ist nicht – oder zumindest nicht mehr so leicht – verführbar.

 © imago

Apple produziert iPhones, Uhren und Hoffnungen. Vor allem Letztere treiben seit Tagen die Börse. In Erwartung eines neuen iPhone 12, das mit einem 5G-Support, einem schnelleren Prozessor sowie einer verbesserten Kamera überzeugen will, stieg der Börsenkurs seit Wochenanfang um 5,7 Prozent auf 103,92 Euro pro Aktie.

Steve Jobs © dpa

Die Analysten geben im Durchschnitt ein Kursziel von 178,91 Euro für die Apple-Aktie aus und gehen mehrheitlich davon aus, dass die Aktie 2021 einen Gewinn von 3,26 Euro je Aktie erzielt. An die Zeitungskommentare, wonach Steve Jobs ein Gott und daher unersetzlich sei, erinnert sich heute jeder. Nur nicht die Autoren.

 © imago

In Deutschland steigen die gemeldeten Infektionen, aber in Frankreich explodieren sie. Der Frankreich-Korrespondent des „Handelsblatt“ ,Thomas Hanke, berichtet:

In den „scharlachroten“ Zonen, denen mit der höchsten Alarmstufe, die mittlerweile für so gut wie alle französischen Großstädte gilt, mussten Bars und Cafés schließen. Restaurants dürfen nur bis 22 Uhr und unter Einhaltung besonderer Sicherheitsvorschriften öffnen. Fitnesscenter sind geschlossen, Kongresse und Messen untersagt. Unter freiem Himmel dürfen sich maximal zehn Personen versammeln.

Eine Infografik mit dem Titel: Die zweite Welle

Aktuelle Corona-Lage in Frankreich, Italien und Deutschland, innerhalb von 14 Tagen

Die Daten des Robert-Koch-Instituts sind wieder ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. Morgen will Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten aller Länder die Corona-Politik der nächsten Monate abstecken. Die CDU-Ministerpräsidenten müssen schon am Vortag, also heute, zur Kanzlerin. Hier erfahren die Landesfürsten vorab, was sie erwartet: Kritik am föderalen Wirrwarr des Beherbergungsverbots.

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Außerdem tagt morgen das Kabinett und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) legt ein neues Gesetz gegen Geldwäsche vor. Die Ermittler sollen mehr Befugnisse bekommen und tiefer in der Vergangenheit von möglichen Tätern einsteigen dürfen.

Auf ThePioneer.de beschreiben und analysieren die Kollegen den Gesetzentwurf.

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Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages Hans-Peter Bartels ist einer unser beliebtesten Experts bei ThePioneer.de. Sein Finger liegt tief in die Wunde der europäischen Sicherheitsdefizite. In seiner aktuellen Kolumne analysiert der SPD-Politiker die Probleme, die von Angela Merkels und Emmanuel Macrons vereinbarter deutsch-französischer Rüstungskooperation ausgehen.

Donald Trump und Joe Biden © dpa

Am 3. November entscheiden die US-Amerikaner, wer die Geschicke der westlichen Führungsmacht bestimmen wird. Die Auswahl ist überschaubar: Der Wettlauf der Veteranen kann beim Publikum bisher keine Euphorie entfachen.

Laut Realclearpolitics.com, das ist eine Website, die aus allen verfügbaren Umfragen den Durchschnitt errechnet, scheint das Rennen gelaufen. Biden liegt 10,6 Prozentpunkte vor Trump in Führung.

Doch Vorsicht ist geboten. Auch 2016 lag Trump drei Wochen vor der Wahl in den Umfragen zurück – und stand am Ende als Sieger auf dem Treppchen. 2012, bei der Wahl Barack Obama vs. Mitt Romney, lag Romney knapp in Führung und musste sich wenig später geschlagen geben.

Eine Infografik mit dem Titel: Spannung bis zum Schluss

Aktuelles Umfrageergebnis zur US-Wahl, Umfrageergebnisse 2016 und 2012 zum selben Zeitpunkt*, in Prozent

Die Pandemie verformt unsere Wirtschaftsordnung. Die Krise beim größten deutschen Stahlhersteller Thyssenkrupp, die schon vor Jahren einsetze, spitzt sich weiter zu. Auch Konzernchefin Martina Merz kann sich nun für die Idee einer Verstaatlichung erwärmen:

Eine Staatsbeteiligung ist eine Option.

Martina Merz © dpa

Ex-Stiftungschef Berthold Beitz, dem der Konzern sein weltweites Renommee und seine Grandezza verdankt, würde sich im Grab umdrehen.

 © dpa

Ein Jahr lang bahnte sich das Forschungsschiff „Polarstern“ in der Arktis den Weg durch das ewige Eis, das – so eine wichtige Erkenntnis der Wissenschaftler – nicht mehr ewig ist. Expeditionsleiter Markus Rex sagte bei der Ankunft in Bremerhaven:

Wir haben gesehen, wie das Eis der Arktis stirbt.

Fast zehn Monate trieb das Schiff durch das Nordpolarmeer. Während des Polarwinters ließ es sich im Eis einfrieren und mit einer Eisscholle rund 300 Tage in Richtung Nordpol treiben. So konnten die Wissenschaftler den gesamten Eiszyklus vom Gefrieren bis zum Schmelzen messen und den Einfluss des Klimawandels in der Polarregion dokumentieren.

Auf der bislang größten Arktis-Expedition aller Zeiten waren ungefähr 300 Wissenschaftler von 80 Instituten aus 20 Ländern in wechselnden Crews an Bord. Das Schiff war mit 14.000 Hühnereiern, einer Tonne Kartoffeln, 1400 Litern Milch und 150 Gläsern Nutella aufgebrochen.

 © Kristy Sparow/Getty Images

Die Maske wird zur Mode; die Angst vor Ansteckung transformiert zum Accessoire. Auf der Pariser Fashion-Week zeigten mehrere Designer, wie man aus der Mund-Nase-Bedeckung ein Statement macht.

 © Marine Serre

Die Tage von Jogi Löw scheinen gezählt. Die Treuesten der Treuen fallen von ihm ab, nachdem die Spielerfolge und die Demut ihres Trainers ausbleiben. „Bild“-Kolumnist Franz Josef Wagner gibt den Bundestrainer heute Morgen de facto zum Abschuss frei:

Leider, lieber Joachim Löw, gibt es keinen Ewigkeitsruhm. Ihre Mannschaft spielt schlecht. Sie stellen schlecht auf, sie wechseln schlecht aus. Bastian Schweinsteiger, der Held von Rio, sagt: „Man kann sich nicht mehr hundertprozentig mit der Nationalmannschaft identifizieren.“ Schweinsteiger hat recht. Das Kulturgut Fußball liegt am Boden.

Joachim Löw © dpa

Fazit: Der einst gefeierte Nationaltrainer hat es mit seiner Weigerung, Kritiken nicht mehr zu lesen und Ermahnungen bewusst zu überhören, auf die Spitze getrieben. Wer Ruhm in Ignoranz verwandelt, verwirkt damit den Ruhm. Oder um es mit Honoré de Balzac zu sagen: „Ruhm ist ein Gift, das der Mensch nur in kleinen Dosen verträgt.“

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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