Die Doppelstrategie des Felix Hufeld

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Guten Morgen,

Felix Hufeld ist der Chef der Finanzaufsicht BaFin. Er hat sich im Wirecard-Skandal bekleckert, wenn auch nicht mit Ruhm. „Aufsicht muss auch beißen können“, war vorher immer einer seiner Lieblingssätze gewesen. Was man in Interviews so sagt, wenn man in der Öffentlichkeit als starker Maxe erscheinen will.

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Nur leider litt Hufeld – als es drauf ankam – an Beißhemmung. Der starke Max steht nun – wo sich ein Dax-Konzern unter seiner Aufsicht nahezu in Luft aufgelöst hat – als trauriges Mäxchen da.

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Als lebensrettende Maßnahme hat sich der Behördenchef auf eine interessante Doppelstrategie verlegt. Einerseits gibt er sich entsetzt („Es ist eine Schande, dass so etwas passiert ist“), andererseits findet er immer neue Schuldige, die weit außerhalb seines Einwirkungsbereichs liegen.

Den Bundestagsabgeordneten, die die Affäre im Finanzausschuss parlamentarisch aufarbeiten wollen, sagte er am 1. Juli, dass die Behörden in Singapur – einem der zentralen Schauplätze der Affäre – ihn im Stich gelassen hätten. Man habe die Aufsichtsbehörde in Singapur „unmittelbar nach dem Vorliegen konkreter Hinweise kontaktiert“. Die habe an die Polizei verwiesen, an die sich die BaFin dann auch gewandt habe. Man warte „bis heute auf eine Antwort“, so Hufeld im Ausschuss.

In Singapur, wo man das Image als sauberer Finanzplatz pflegt, fühlte man sich verschaukelt – und setzte sich zur Wehr. Eine Sprecherin von Hufeld musste kleinlaut einräumen, dass ihr Chef die Wahrheit unzulässig verformt hatte. Fakt ist: Sowohl die Polizei in Singapur als auch die dortige Börsenaufsicht kooperieren seit Anfang 2019 mit der BaFin. Hufelds Sprecherin:

Beide Behörden haben der BaFin Informationen zur Verfügung gestellt.

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Auch die zweite Verteidigungslinie von Hufeld – „Wir dürfen im sogenannten zweistufigen Verfahren ausdrücklich nicht selbst prüfen, bevor die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung ihre Prüfung nicht vorgelegt hat“ – hält einem Faktencheck nicht stand. Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kommt zu dem Schluss, dass die BaFin, nachdem erhebliche Zweifel an der Seriosität der Wirecard-Zahlen aufkeimten, sehr wohl hätte eigenständig die Bilanz überprüfen können oder sogar müssen:

Grundsätzlich hat gemäß § 106 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Kompetenz zur Prüfung von Unternehmensabschlüssen und ‑berichten.

Eine Einschränkung der Kontrolle durch die BaFin dahingehend, dass erst der Prüfungsabschluss der Prüfstelle abgewartet werden muss, scheint nicht geboten. In der Gesamtschau spricht vieles dafür, dass schon vor Abschluss der Prüfung durch die Prüfstelle eine eigenständige Prüfung durch die BaFin nach § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 WpHG möglich ist.

Eine Infografik mit dem Titel: Ein Prüfer für jeden zweiten Banker

Anzahl der Mitarbeiter von BaFin und Wirecard im Vergleich

Bis zum bitteren Ende, sprich der Verhaftung des Vorstandsvorsitzenden Markus Braun, hat Felix Hufeld den Chef von Wirecard offiziell nie getroffen. Und auch nicht treffen wollen. Dabei waren der Präsident und seine Mitarbeiter nach § 44 des Kreditwesengesetzes berechtigt, Bankvorstände jederzeit zum Rapport zu bitten.

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Wie der Herr, so das Gescherr. Eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler, deren Antwort dem Morning Briefing-Team vorliegt, enthüllt, dass in den vergangenen zwölf Monaten auch keine andere Stelle der BaFin sich um einen Kontakt zu Wirecard bemüht hat. Es haben, antwortet das Finanzministerium, „seitens der BaFin keine Treffen oder Videokonferenzen“ mit Vertretern von Wirecard stattgefunden.

Fazit: Der Finanzausschuss des Bundestages arbeitet sich am Wirtschafts- und am Finanzminister ab, derweil der BaFin-Chef mit seiner Doppelstrategie „Schuld ohne Sühne“ bisher durchkommt. Vielleicht sollten sich die Abgeordneten vor ihrer nächsten Sitzung noch einmal von dem Filmgenie Graham Greene inspirieren lassen. Sein Meisterwerk: Der dritte Mann.

 © frank-beer.com/ BaFin

Im Morning Briefing Podcast sprechen die Pioneer-Reporter Franziska von Haaren und Adrian Arab mit den beiden Finanzausschuss-Mitgliedern Lisa Paus und Frank Schaeffler. Beide Parlamentarier haben zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Finanzausschuss bis gestern Abend die Befragung von Olaf Scholz und Peter Altmaier durchgeführt. Schaeffler ist zusätzlich Verwaltungsratsmitglied der BaFin.

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Außerdem im Podcast: Ausschnitte eines Gespräches, dass ich zum Jahresanfang 2019 mit Markus Braun geführt habe. Prädikat: Erhellend.

Das Verhältnis von Olaf Scholz zu seinem Staatssekretär Jörg Kukies ist intakt. Vor dem Finanzausschuss verteidigte Scholz auch den Besuch von Kukies bei Wirecard-Chef Braun am 5. November 2019. Die Tatsache, dass dies der Geburtstag von Braun war, dürfe nicht missinterpretiert werden, sagt der andere Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt: Das Treffen fand morgens um 8:30 Uhr statt. Mitnichten habe Kukies also an einer Geburtstagsparty teilgenommen. Der Kollege sei zufällig in der Nähe gewesen, habe gar keine Ahnung gehabt, dass es sich um den Geburtstag von Braun handelte – „daher gab es auch keine Blumen“.

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BASF leidet. Der Ludwigshafener Konzern blickt bei der Vorlage seines Halbjahresberichts deutlich pessimistischer in die Zukunft als von Analysten erwartet. Der Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller räumt ein:

Es besteht ein erhebliches Risiko, dass sowohl die wirtschaftliche Erholung als auch die mittel- und langfristige gesamtwirtschaftliche Entwicklung langsamer verlaufen als vor der Corona-Pandemie.

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Auch aus diesem Grund verzichtet das Unternehmen auf eine konkrete Aussage zur Umsatz- und Ergebnisentwicklung in diesem Jahr. Im zweiten Quartal verzeichnet der Konzern einen Verlust von 878 Millionen Euro, allein 819 Millionen musste er auf seine Beteiligung am Öl- und Gasförderer Wintershall Dea abschreiben. Eigentlich sollte die Tochterfirma bald an die Börse gebracht werden, was nun aber verschoben wird.

Eine Infografik mit dem Titel: Schmerzhafte Verluste durch Corona

Umsatz und Nettoergebnis der BASF im 2. Quartal 2019 und 2020 im Vergleich, in Milliarden

Die Aussagen des Vorstandsvorsitzenden kamen an der Börse nicht gut an. Die Aktie verlor mehr als vier Prozent. Brudermüller muss jetzt beweisen, dass er auch bei Orkanstärke segeln kann.

Eine Infografik mit dem Titel: Einbruch im 2. Quartal

Kursentwicklung der BASF-Aktie seit dem 02.01.2020, in Euro

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es mal 300.000, heute sind es noch 36.000 US-Soldaten, die in Deutschland stationiert sind – und es sollen noch weniger werden. Die US-Regierung hatte bereits im Juni angekündigt, 10.000 Soldaten aus Deutschland abziehen zu wollen.

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Doch jetzt teilte der Verteidigungsminister Mark Espers mit, dass es sogar 11.900 werden sollen. Rund 6.400 davon werden in die USA zurückgeholt, 5.400 sollen in andere europäische Länder verlegt werden. Die Kommandozentrale wird von Stuttgart ins belgische Mons verlegt.

Die deutsch-amerikanische Brücke ist damit nicht abgebrochen. Aber sie bröckelt.

Der Abhörskandal bei VW zieht größere Kreise. Vor Kurzem erst war bekannt geworden, dass ein unbekannter Spion geheime Gespräche einer Arbeitsgruppe des Autokonzerns mitgeschnitten hatte, in der es um den Umgang mit der Zulieferfirma Prevent ging. Nun berichtete das Onlineportal „Business Insider“, dass auch ein Gespräch zwischen VW und dem Zulieferer Prevent mitgeschnitten wurde. Darin habe VW im April 2017 zugesagt, weiter zu den Verträgen zu stehen und die Hoffnung geäußert, dass auch Prevent sich daran halte.

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Die Problematik des Mitschnitts: Zu diesem Zeitpunkt hatte VW längst beschlossen, Prevent auszusteuern, wie es im Branchenjargon heißt. Der Autokonzern hat nun Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht. Ob die Staatsanwälte auch gegen VW und seine mittelstandsfeindliche Strategie ermitteln?

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Auch Legenden schickt man zuweilen in Rente. Der Boeing 747, die vor 51 Jahren erstmals abhob, soll nicht mehr länger produziert werden. Die Maschine, die wir als Kinder nur JUMBO nannten, war das Fortschrittsymbol ihrer Zeit. So stellten wir uns Zukunft vor.

Unsere damalige Idee von Zukunft erscheint jetzt als unverantwortliche Gestrigkeit. Die gigantischen Jumbo-Flügel mit einer Spannweite von 60 Metern, die 550 Passagiere, die im doppelstöckigen Inneren Platz nehmen konnten und nicht zuletzt die vier Triebwerke, gelten heute als Dinosaurier der Lüfte: Zuviel Flugzeug, zu wenig Hirn.

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Doch nicht Greta Thunberg, sondern die vereinten Kräfte von Corona und Marktwirtschaft haben diesen Koloss zur Strecke gebracht. Der Bestellzettel mit der nur geringen Zahl der Vorbestellungen kam einem Totenschein gleich.

Das Flugzeug der Zukunft ist kleiner, sparsamer und steht auf der Parkposition. Wahrscheinlich träumt die weltweit gestrandete Flugzeugflotte heute Morgen von der Boeing 747. Womöglich war der Jumbo das letzte Flugzeug, das man lieben durfte. Der französischen Philosoph Michel de Montaigne schießt einem in den Sinn: „Der Abschied verleitet dazu, etwas zu sagen, was man sonst nicht ausgesprochen hätte.“

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in diesen neuen Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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