Die wahre Trump Bilanz

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Guten Morgen,

die Donald-Trump-Show spielt heute zeitgleich auf zwei Bühnen. Die Hauptbühne steht in Washington D.C., wo um 19 Uhr deutscher Zeit das Verfahren zur Amtsenthebung vom demokratisch beherrschten Repräsentantenhaus auf den republikanisch dominierten Senat übergeht.

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Diese Vorstellung ist ganz auf die schauspielerische Stärke von Trump zugeschnitten, weshalb seine Gegenspielerin Nancy Pelosi kaum eine Chance hat zu brillieren:

► Sie müsste 20 von 53 republikanischen Senatoren überzeugen, dass Trump im Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten die Grenzen des Amtes überschritten hat. Bislang wackelt keiner der Republikaner: Right or wrong, my president.

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► Die Demokraten müssten mindestens vier republikanische Senatoren auf ihre Seite ziehen, um wenigstens die Ausgestaltung des Verfahrens, das momentan in den Händen des republikanischen Mehrheitsführers Mitch McConnell liegt, beeinflussen zu können. Bislang führt das Weiße Haus diskret die Regie.

► Die Republikaner können die Anhörung von Zeugen aus dem Sicherheitsapparat formal nicht verhindern. Aber informell schon: Ihre Drohung, im Gegenzug Joe Biden und seinen geschäftstüchtigen Sohn Hunter vorzuladen, hat Pelosi nachdenklich gemacht. Trump könnte die weiße Weste des Ex-Vize-Präsidenten mit Korruptionsvorwürfen beschmutzen. Irgendwas bleibt immer hängen.

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Zeitgleich gastiert die Trump-Show heute in Davos, wo der US-Präsident sich um 11.30 Uhr unserer Zeit als effektiver Dealmaker vorstellen will. Dabei ist seine ökonomische Bilanz eher durchwachsen. Hier vor ab die Fakten.

► Auf der Habenseite steht eine wuchtige Steuerreform mit einem Volumen von insgesamt rund 1,5 Billionen Dollar. Die Wirtschaft zog 2018 um 2,93 Prozent an, für 2019 erwartete der IWF zuletzt ein weiteres Wachstum von 2,4 Prozent, derweil die Wirtschaft Deutschlands nur um mickrige 0,6 Prozent zulegte.

Allerdings: Die Verteilungswirkung der Trump-Politik war einseitig. Die Zahl der nicht krankenversicherten Amerikaner – ein untrüglicher Armutsindikator – stieg in seiner bisherigen Amtszeit um zwei Millionen Menschen; 13,7 Prozent aller erwachsenen US-Bürger stehen demnach ohne Versicherungsschutz da.

Eine Infografik mit dem Titel: Amerika performt besser

Kurse von S&P 500 und MSCI World Index seit Trumps Amtsantritt, indexiert in Prozent

► Erfrischt vom Steuerregen fühlen sich die Investoren pudelwohl. Legte der MSCI World Index, der die Entwicklung von Aktien aus 23 Industrieländern abbildet, seit Amtsantritt von Trump nur um knapp 34 Prozent zu, stieg der S&P 500, der die größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst, mit 47 Prozent deutlich stärker. Trump ist der Präsident der Wall Street.

Eine Infografik mit dem Titel: Boom der Aktienrückkäufe

Summe der Rückkaufprogramme der S&P-500-Konzerne, in Milliarden US-Dollar

Allerdings: Die Firmen – denen die Unternehmenssteuerreform Milliarden in die Kassen spülte – steigerten ihre Investitionen kaum. Sie investieren lieber in den Rückkauf ihrer eigenen Aktien. Über 800 Milliarden US-Dollar investierten die S&P500-Konzerne in 2018 in Aktienrückkaufprogramme. Im Schlussjahr der Regierung Obama lag dieser Wert erst bei 536 Milliarden (siehe Grafik).

► In den USA herrscht de facto Vollbeschäftigung; mit 3,5 Prozent verharrt die Arbeitslosenquote bereits seit zwei Monaten auf dem tiefsten Stand seit 50 Jahren. Die Gesamtbeschäftigung außerhalb der Landwirtschaft stieg seit Amtsantritt des Präsidenten um fast 6,7 Millionen, weitere 6,8 Millionen Stellen waren zuletzt offen – 20,9 Prozent mehr als seit Trumps Amtsantritt.

Allerdings: Die Vision, neue Jobs und zusätzliches Wachstum würden die Staatseinnahmen steigen lassen, blieb unerfüllt. Mit immer höheren Kreditwünschen muss die Administration bei den Banken vorstellig werden. Lagen die Staatsschulden zum Ende des Haushaltsjahres 2016 noch bei knapp unter 20 Billionen US-Dollar, stiegen sie mittlerweile auf über 23 Billionen Dollar.

Eine Infografik mit dem Titel: USA: Der Schuldenstaat

Anstieg der US-Schulden nach Präsidenten bis Dezember 2019, in Milliarden US-Dollar

► Unter Trumps Führung konnte die Digitalwirtschaft des Silicon Valley ihre weltweite Vormachtstellung weiter ausbauen. Plattform-Unternehmen wie Apple, Microsoft, Amazon, Facebook oder Google, dessen Mutterkonzern Alphabet als vierter US-Konzern eine Börsenbewertung von mehr als einer Billion Dollar erreichte, dominieren die westliche Welt und treffen nur in Asien auf ebenbürtige Konkurrenten. Europa ist abgemeldet.

Eine Infografik mit dem Titel: Die wertvollsten Plattformen der Welt

Die 100 größten Tech-Unternehmen nach Marktkapitalisierung bzw. jüngster, bekannter Finanzierung

Allerdings: Diese beeindruckende Innovationsleistung schlägt nicht bis in die Handelsbilanz durch. Der Abstieg der einstigen Industrienation, die vor allem in der chinesischen Volkswirtschaft ihren Lehrmeister fand, wurde verlangsamt, nicht gestoppt. Verzeichneten die USA 2018 ein Saldo von 950 Milliarden US-Dollar, waren es in den ersten elf Monaten 2019 noch immer 860 Milliarden US-Dollar. Amerika ist und bleibt importsüchtig.

Fazit: Selbst diese schwarzen Flecken der ökonomischen Bilanz gereichen dem politischen Gegner nicht zum Vorteil. Solange die Demokraten nicht wissen, wer sie wohin führen soll, braucht Donald Trump nichts zu fürchten. Die Bühnen der Welt gehören ihm auch deshalb, weil sich die Opposition für das Kammerspiel entschieden hat. Er spielt „Highway to Hell“; und im kleinen Saal wimmern die Violinen.

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SPD-Außenminister Heiko Maas weiß, wie man bei Instagram posiert und in Talkshows überrascht. Bei „Anne Will“ präsentierte er seine Idee von der Wiederaufnahme der EU-Seenotrettungsmission „Sophia“. Angesichts der schwierigen Lage in den libyschen Flüchtlingslagern, solle man über die 2019 eingestellte Marine-Operation neu nachdenken.

Über Sophia werden wir ja sowieso wieder reden müssen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zog nach. Vor einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel sagte der Spanier:

Ich denke, wir sollten sie wiederaufleben lassen.

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Zur Erinnerung: Die EU hatte die Mission beendet, weil sich die Mitgliedsstaaten nicht auf ein System zur Verteilung der Flüchtlinge einigen konnte und Italien mit der Aufnahme überfordert war. Experten kritisierten das Programm, weil es Migranten zur Überfahrt ermuntern und das Schleppergeschäft befeuern könnte. Die EU beschränkt sich seither auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache.

Widerspruch gegen den Vorstoß von Maas und Borrell kommt vom neuen österreichischen Außenminister Alexander Schallenberg. Der 50-jährige Jurist und Diplomat ist vom zwischenzeitlich amtierenden Expertenkabinett in die neue Bundesregierung übernommen worden. Mit Sebastian Kurz arbeitete Schallenberg als Leiter der Stabsstelle für strategische außenpolitische Planung bereits 2013 – Kurz war damals Außenminister – zusammen. Im Morning Briefing Podcast sagt er meinem Kollegen Michael Bröcker:

Für uns ist klar, dass ein Wiederaufleben der Mission in dieser Form undenkbar ist. Wir wollen jetzt keine Seenot-Rettungsmission in Libyen. Das ist nicht das, was das Land braucht.

Wir wollen auch keine Maßnahmen, die wieder einen Pullfaktor in der Europäischen Union zeitigen.

Die Freiheit von Forschung und Wissenschaft garantiert unser Grundgesetz in Artikel 5:

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

Auch große Wissenschaftler wie Wernher von Braun legten stets Wert auf den ideologisch und religiös unverstellten Blick:

Wissenschaft ist keine moralische Dimension.

Doch diese Ansicht gerät an deutschen Hochschulen aus der Mode. Viele Wissenschaftler sehen sich als Aktivisten, die die Welt verbessern, aber nicht erforschen wollen. Dr. Sandra Kostner, die an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd lehrt und forscht, spricht von „Agenda-Wissenschaftlern“, denen es um Macht, nicht um Erkenntnis gehe. Der Perspektivwechsel sei bei vielen nicht erwünscht, sondern sei ihnen verdächtig. Im Morning Briefing Podcast sagt sie:

Diesen Wissenschaftlern geht es nicht mehr um Erkenntnis, vielmehr haben sie eine gesellschaftspolitische Agenda, der in der Regel eine Idealgesellschaft zugrunde liegt. In dieser Gesellschaft sind sozial alle gleichgestellt, dort kommen gewisse sozialistische Ideen wieder hoch, die wir ganz lange nicht gehört haben.

Das zeige sich zum Beispiel beim Thema Klimagerechtigkeit:

Das ist eine Agenda, die durch Wissenschaft verfolgt wird.

All das habe auch Folgen für die Studenten:

Es sind Lehrende, die Studierende maßregeln, auch über Disziplinierungsmaßnahmen, die hat man beispielsweise in der Notengebung. Es wird dann behauptet: Das dürft ihr nicht sagen, damit darf man sich nicht beschäftigen. Das wird nicht offen kommuniziert, aber letztlich ist klar, dass es so gemeint ist.

Fazit: Wissenschaftler sind keine Ersatz-Politiker und sollten sich auch nicht so fühlen. Hier besteht offenbar Klärungsbedarf innerhalb der Profession.

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Bahlsen ist der Inbegriff eines deutschen Familienunternehmens: patriarchalisch geführt, global aktiv, meistens erfolgreich. Doch der Keks-Konzern hat aktuell keinen Vorstandsvorsitzenden. Firmenpatriarch Werner M. Bahlsen zog sich im Jahr 2018 an die Spitze des Verwaltungsrates zurück. Dem Vorstand gehören derzeit drei gleichberechtigte Mitglieder an. Keiner ist ein Bahlsen.

Was zunächst wie ein Provisorium aussah, wird nun zementiert. Auch künftig wird der Konzern, den Bahlsen bereits zu 95 Prozent seinen vier Kindern übertragen hat, von familienfremden Managern geleitet. Der 70-jährige Bahlsen gab dem „Handelsblatt“ als Zeichen der zusammenstehenden Familie gemeinsam mit seiner Frau Susanne ein Interview. Dort lässt sich heute lesen:

Kein Familienmitglied der nächsten Generation wird in die operative Führung des Unternehmens einsteigen.

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Die Entscheidung begründet er mit den Erfahrungen der eigenen Biografie.

Für meinen Vater war es ja noch selbstverständlich, dass seine Kinder das Unternehmen weiterführen. Ich wurde da nicht groß gefragt. Auch das wollte ich in meinem eigenen Fall besser machen.

Nun will das Unternehmen extern einen neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung suchen. Diese Entscheidung habe die Familie gemeinsam getroffen:

Das ist auch unsere Stärke, wenngleich es da natürlich ab und zu rumpelt, auch mal Tränen fließen, emotionale Ausbrüche drohen. Das müssen wir aushalten.

Fazit: Diese Art Realismus muss für das Familienunternehmen keinen Schaden bedeuten. Der Erfolg einer Firma wird von vielen Kriterien bestimmt. Der Stammbaum des Geschäftsführers gehört nicht dazu.

► Netflix: Der Streamingdienst legt nach Börsenschluss in den USA seine Zahlen für das vierte Quartal 2019 vor. Neben Umsatz und Gewinn werden Analysten angesichts einer Preiserhöhung und dem Start neuer Konkurrenz wie Disney+ vor allem auf die Nutzerzahlen schauen.

► Davos: Nicht nur die Welt, auch Greta Thunberg leidet an erhöhter Temperatur. Noch ist fraglich, ob die Klimaaktivistin heute wieder fit genug sein wird, um ihre Termine wahrzunehmen. Falls nicht: Luisa Neubauer, das deutsche Gesicht der „Fridays for Future“-Bewegung, steht bereit.

► Deutscher Gewerkschaftsbund: Der DGB präsentiert heute seine thematischen Schwerpunkte für 2020. Auch in diesem Jahr dürften Rente und Mindestlohn die Top-Themen werden.

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Holocaust-Gedenken: Im Zollverein in Essen wird Kanzlerin Merkel die Ausstellung „Survivors - Faces of Life after the Holocaust“ eröffnen, die über das Ruhrgebiet hinaus Beachtung verdient hat. Erstmalig werden 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau die Portätaufnahmen von 75 Überlebenden ausgestellt. Der Fotograf Martin Schoeller besuchte sie dafür in Israel. Es ist ein gemeinsames Projekt der Stiftung für Kunst und Kultur in Bonn und der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Wer in Gesichtern zu lesen vermag, dem erzählen sie die Geschichte vom Sieg innerer Würde in würdeloser Zeit.

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Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
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