Digitale Amtsenthebung

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Guten Morgen,

die Meinungsfreiheit ist unter die Räuber gefallen. Diese Räuber bleiben auch dann Räuber, wenn sie sich selbst dem Publikum als Samariter vorstellen.

Die suspendierte Meinungsfreiheit, die von Twitter, Facebook und Co. als Dienst an der Menschheit verkauft wird, setzt die westlichen Gesellschaften weiter unter Druck. Es gärt und giftelt – nun eben außerhalb der öffentlich zugänglichen Plattformen. Die Digitalkonzerne wollen mit der Verstummung von Trump nicht die Demokratie retten, sondern ihre Geschäftsmodelle. Diese zielen auf die Errichtung technologisch basierter Monopole ab.

 © imago

Den neuen Präsidenten hofft man durch die digitale Amtsenthebung des Vorgängers milde zu stimmen. Die Öffentlichkeit soll über die wahre Absicht, die eine Gewinnerzielungsabsicht ist, getäuscht werden. Die neuen Oligarchen erleben in den Wirren von Trump-Abwahl und Capitol-Stürmung ihr Outing. Erstmals wird der autoritäre Charakter dieser digitalen Revolution für jedermann erlebbar.

Eine weltweite Protestwelle kam in Gang, die vom russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny über die deutsche Bundeskanzlerin bis zum „Wall Street Journal“ reicht.

Kanzlerin Angela Merkel ließ durch ihren Regierungssprecher ausrichten: Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit sei von elementarer Bedeutung.

Unter dem Aspekt sieht die Bundeskanzlerin es als problematisch an, dass jetzt die Konten des US-Präsidenten dauerhaft gesperrt wurden.

Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire verlangte, solche Entscheidungen nicht länger Privatunternehmen zu überlassen:

Die digitale Oligarchie ist eine Bedrohung für Staaten und Demokratien.

Alexej Nawalny schrieb auf Twitter:

Der Bann von Donald Trump auf Twitter ist ein inakzeptabler Akt von Zensur. Dieser Präzedenzfall wird von Feinden der Redefreiheit weltweit ausgenutzt werden. Auch in Russland.

 © dpa

Die Chefredaktion des „Wall Street Journalsschreibt:

Die progressive Säuberung beginnt: Der Ansturm der Tech-Konzerne gegen die Rechte wird zu mehr populistischer Wut führen.

Wolfgang Nowak, Ex-Geschäftsführer der Alfred Herrhausen Gesellschaft und davor Abteilungsleiter Strategie im Kanzleramt von Gerhard Schröder, ist sich sicher:

So wird die Spaltung in ,wir’ und ,die’ vertieft. In Amerika besitzen die Oligarchen mittlerweile das Meinungsmonopol.

Ausgerechnet die Persönlichkeiten der digitalen Gründer-Elite, die vielfach als arme Schlucker gestartet sind und heute zum Club der Milliardäre gehören, befinden sich in einem Machtrausch, der nichts Geringeres anstrebt als ein weltumspannendes Mehrfach-Monopol.

1. Das Meinungs-Duopol bestehend aus Facebook und Twitter umfasst mittlerweile knapp zwei Milliarden täglich aktive Nutzer und ist selbst gegenüber den reichweitenstärksten Zeitungen und Fernsehsendern ein Gigant.

Die Gefahr: Der Wettstreit der Meinungen verkommt zur Farce. Meinungsfreiheit wird von den westlichen Verfassungen garantiert und von den digitalen Plattformen limitiert oder – wie im Falle von Trump – liquidiert.

Eine Infografik mit dem Titel: Trumps Machtbasis

Anzahl der Twitter-Follower von Donald Trump am 16. Juni 2015 (Bekanntgabe der Präsidentschaftskandidatur), 20. Januar 2017 (Amtseinführung) und 11. Januar 2021, in Millionen

2. Die Tech-Giganten sitzen auf einem weltweit einmaligen Datensatz: Jeden Tag gibt es auf Google 3,5 Milliarden Suchanfragen, pro Monat sind das über 100 Milliarden Anfragen. Keine einzige Behörde weltweit, nicht einmal der chinesische Staat, hat Zugang zu einem derartigen Datenschatz.

Die Gefahr: Diese Daten werden zu Profilen verknüpft und für kommerzielle und politische Zwecke genutzt – oder an Dritte verkauft. Die Anreicherung von Daten mit anderen Daten ist die Kernenergie des digitalen Zeitalters.

3. Die Verkaufs-Maschinen dominieren mit ihren Wertschöpfungsketten in einer nie dagewesenen Weise den Handel. Allein im dritten Quartal des vergangenen Jahres erwirtschafteten die drei Konzerne Amazon, Ebay und PayPal gemeinsam einen Umsatz von 104 Milliarden Dollar und einen Gewinn von fast acht Milliarden Dollar.

Die Gefahr: Der stationäre Einzelhandel hat gegenüber der organisierten Preissetzungsmacht mit ihren Bonus- und Rabattprogrammen keine Chance. Der öffentliche Raum verödet. Die Gesellschaft wandert in die virtuellen Welten ab.

4. Das Finanzmonster der GAFA-Konzerne (Google, Amazon, Facebook, Apple) bringt es derzeit auf eine Börsenkapitalisierung von 5,7 Billionen Dollar, was in etwa dem anderthalbfachen des deutschen Sozialprodukts entspricht. Gegen diese Finanzmacht wirken Weltkonzerne wie Volkswagen (101,5 Mrd. Dollar) oder Nike (230,9 Mrd. Dollar) wie Tante-Emma-Läden.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Tech-Giganten

Börsenwert der vier GAFA-Konzerne (Alphabet/Google, Amazon, Facebook, Apple) im Vergleich mit den Börsenwerten von Volkswagen und Nike, in Billionen US-Dollar

Die Gefahr: Diese Finanzkraft schafft Größenvorteile bei der Geldbeschaffung. Investitionen werden nicht mehr durch spätere Gewinne finanziert, sondern durch immer neue Kapitalmarkt-Transaktionen. Eine Welt der zwei Geschwindigkeiten entsteht.

5. Im Silicon Valley ist damit ein politisches Gravitationszentrum neuen Typs entstanden, das keinem Links-Rechts-Schema folgt und dennoch oder deshalb mehr Macht besitzt als jede andere Lobbyvereinigung eines Nationalstaates. Das erkennt man auch daran, dass US-Konzerne ihre Milliardengewinne aus Europa über zwei irische und eine niederländische Firma auf die Bermudas transferierten, wo keine Einkommensteuer fällig wird.

Die Gefahr: Die bestverdienenden Konzerne sind die schlechtesten Steuerzahler, auch weil die Nationalstaaten erpressbar geworden sind. Diese Durchsetzungsmacht setzt die demokratisch verfassten Staaten unter Legitimationsdruck.

Fazit: Der demokratische Rechtsstaat sollte sich seiner Haut wehren. Und die Opfer von Datenklau und Meinungsmonopoly sollten aufhören, ihre zu Geld gekommenen Täter als Internet-Gurus zu bewundern. Stellen wir uns vor, der bärbeißige Georg Baselitz hat Recht:

Manche haben keine Biografie, die haben Glück.

Kampf um die digitale Redefreiheit

Twitter und Facebook löschen Donald Trumps Konten und alle jubeln. Die Folgen sind weitreichend.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Hendrik Wieduwilt .

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Der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds und Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff äußert sich im „Handelsblatt“ zur weltweiten Schuldenpolitik. Und: Er warnt vor Blasenbildung an den Finanzmärkten.

Mir scheint, als sei in den Märkten ein überoptimistisches Szenario eingepreist, das längst nicht das wahrscheinlichste ist.

 © imago

Die Wirtschaftspolitik der Regierungen weltweit beurteilt er folgendermaßen:

Ich glaube nicht, dass die Regierungen falsch handeln. Die große Frage aber ist: Wie lange können die Regierungen sich diese gewaltigen Rettungspakete für die Wirtschaft leisten? Alle Schuldenprediger, die glauben, das könne so weitergehen, ohne dass es größere Folgen hätte, irren.

Eine Infografik mit dem Titel: Wachsender Schuldenberg

Staatsschulden der USA zu ausgewählten Krisensituationen, in US-Dollar

Am Samstag tritt Armin Laschet bei der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden gegen Norbert Röttgen und Friedrich Merz an. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der zum Mitte-Links-Flügel der Union gehört, setzt im Schlussspurt des CDU-Wahlkampfes auf das Thema innere Sicherheit. So hofft er, noch unentschlossene Delegierte für sich gewinnen zu können. Im Morning Briefing Podcast spricht er mit ThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker über die No-go-Areas der arabischen Großfamilien und die politische Gewalt von Linken wie Rechten.

Bei der Clankriminalität hat man 30 Jahre gewusst, dass es sowas gibt.

 © dpa

Er fordert deshalb:

Wir brauchen eine Zusammenarbeit nicht nur der Polizei, nicht nur der Sicherheitsdienste, sondern auch der Finanzbehörde, der Justizbehörden, um Geldströme zu unterbrechen und diese Kraken wirklich zu zerschlagen.

Dass er sich damit bei den Grünen, immerhin der favorisierte Koalitionspartner, unbeliebt macht, glaubt er nicht:

Auch grüne Wähler wollen sicher über die Plätze gehen. Auch die wollen keine Clankriminalität.

Die Hufeisentheorie setzt Linksextremismus mit Rechtsextremismus gleich – und steht deshalb oft in der Kritik. Laschet hält in der gegenwärtigen politischen Lage nichts von Äquidistanz:

Der Terror kommt derzeitig von rechts.

In der heutigen Zeit steht der Feind für die Demokratie rechts.

Armin Laschet © dpa

Am Samstag wählt die CDU ihren nächsten Parteichef. 298 der 1001 Delegierten des Parteitags stammen aus Nordrhein-Westfalen. Das Abschneiden im größten deutschen Bundesland entscheidet aller Voraussicht nach über das Schicksal von Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz. Die Recherchen des Pioneer-Teams haben ergeben: Mit bis zu 200 NRW-Stimmen kann alleine Armin Laschet rechnen – es wäre fast schon das Ticket in die Stichwahl.

 © dpa

Das Handelsblatt allerdings sieht gute Chancen, dass nicht Laschet, sondern Norbert Röttgen in die Stichwahl gegen Merz einzieht. In der heutigen Ausgabe legen Wirtschaftsvertreter Zeugnis ab von der Intellektualität und Integrität des Norbert Röttgen. Jürgen Heraeus sagt:

Laschet wird weitermachen wie bisher.

Der Vorwurf:

Zu wenig Impulse.

Den Neuanfang traut er nur Röttgen zu. Johannes von Salmuth, Miteigentümer und Aufsichtsratschef des Kunststoffherstellers Röchling denkt in die gleiche Richtung:

Für die brenzlige Situation, in der sich die demokratischen Gesellschaften befinden, hat Herr Merz nicht die ausreichende Sensibilität.

Röttgen dagegen verfüge über einen „klaren Kompass."

Der Kampf an Rhein und Ruhr

Wie viel Unterstützung haben die Bewerber um den CDU-Vorsitz in ihrem Landesverband? Wir wissen es.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

China hat einen neuen Hochgeschwindigkeitszug vorgestellt, der speziell für extrem kalte Klimazonen geeignet ist. Der CR400AF-G-Zug, der bei Temperaturen von bis zu -40 Grad Celsius eine Geschwindigkeit von bis zu 350 Kilometern pro Stunde erreichen kann, ist Teil der Fuxing-Serie von Hochgeschwindigkeitszügen, die von der staatlichen China State Railway Group entwickelt und betrieben werden.

 © CNN / Getty images

Der Zug soll auf einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke verkehren, welche die chinesische Hauptstadt mit nordöstlichen Zielen wie den Städten Shenyang und Harbin verbindet. Er verfügt über einige Besonderheiten, die ihn gegen die Kälte schützen sollen: Dazu gehören beispielsweise Schrauben aus einer speziellen Chrom-Legierung, die extrem niedrigen Temperaturen standhält, ein Silikondichtungsstreifen, der das Eindringen von Schnee und Eis in den Zugkörper verhindert und ein windschnittiges Design, um den Energieverbrauch zu senken.

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Sieg der Leserdemokratie: Nicht die journalistische Konkurrenz, sondern die Aufmerksamkeit einer Leserin hat dem Spiegel einen neuerlichen Reputationsschaden beschert. Einer Leserin war aufgefallen, dass ein Erfahrungsbericht über psychologische Drogen von der Autorin Anne Philippi verfasst worden war, die Lobbyistin und Gründerin von „The New Health Club” ist, einer Lifestyle-Plattform für neue Psychedelika.

Der Bericht (Überschrift: „Statt Kaffee lieber eine kleine Dosis LSD") verstoße gegen die Ziffern 6 (Trennungsgebot von Tätigkeiten), 7 (Schleichwerbung) und 14 (unangemessen sensationelle Medizin-Berichterstattung) des Pressekodex, so die Leserin.

Der Spiegel versuchte die Beschwerde erst abzubügeln; doch der Presserat lehnte mehrheitlich ab. Fachjournalist Stefan Niggemeier schreibt auf „Übermedien“ warum:

Der Presserat erklärte dem ‚Spiegel’ noch einmal geduldig, was der Grund für die Rüge war.

 © dpa
  • Dass die Autorin sich als Lobbyistin für den im Artikel beschriebenen Gebrauch von LSD sieht und dazu eine Organisation gegründet hat.

  • Sie damit erkennbar keine journalistische Distanz zu dem Thema besitzt.

  • Dies hätte den Lesern zwingend auf eine Weise transparent gemacht werden müssen.

  • Stattdessen führt die Kennzeichnung als Selbsterfahrungsbericht die Leser in dieser Hinsicht in die Irre.

Fazit Niggemeier:

Hochmut kommt vor der Rüge. Spiegel blamiert sich.

Ich wünsche Ihnen einen beschwingten (und drogenfreien) Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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