EZB fürchtet Banken-Krise

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 © The Pioneer

Guten Morgen,

der Schriftsteller Max Frisch brauchte für seine Groteske über die Vorhersehbarkeit des Unglücks noch drei Figuren, den Biedermann und die beiden Brandstifter. Wir erinnern uns: Gottlieb Biedermann liest in der Zeitung über eine Serie von Brandstiftungen, die durch harmlose Hausierer verursacht wurden. Dennoch lässt er zwei Männer unter seinem Dach nächtigen, früh ahnend, später wissend, dass sein Eigentum bald lichterloh brennen wird.

Die Wirklichkeit ist raffinierter als die Fiktion: In der EZB verschmelzen Biedermann und Brandstifter zu einer Institution. Man weiß aus dem Geschichtsbuch, wohin eine Politik der enthemmten Geldflutung führt; dennoch lässt man die Druckmaschinen Tag und Nacht rattern. Irgendwas muss schließlich immer gerettet werden - die Griechen, der Euro, die Banken und die vom Virus befallenen Volkswirtschaften sowieso.

Doch die EZB weiß, dass sie mit ihrer Nullzinspolitik dem Geld den Preis raubt und so die Banken und ihre Kreditnehmer zum Leichtsinn verführt. Wenn die Konjunktur kippt, steht das Kreditbuch in Flammen. Deshalb müssen die Banken nun mit einer Durchleuchtung ihrer Kreditbestände durch die Bankenaufsicht der EZB rechnen.

Die 120 direkt von der EZB beaufsichtigten Großbanken der Eurozone sollen mit einer eigens für ihre Durchleuchtung geschaffenen Online-Inspektion heimgesucht werden, um deren Kreditbücher zu analysieren. Die Risiken im Kreditbestand müssten in Zeiten der Pandemie neu bewertet und gewichtet werden, sagt die EZB, die Böses ahnt. Es gehe darum, „Klippeneffekte“ zu erkennen, die sich durch das Ende von Kurzarbeitergeld und anderen staatlichen Rettungsinjektionen ergeben.

Der Biedermann wird in diesem Akt gespielt von Stefan Walter, Generaldirektor der Europäischen Zentralbank. Der heutigen „Börsen-Zeitung“ erklärt er:

Uns ist nun sehr wichtig, dass Banken zwischen ihren Krediten differenzieren; dass sie sich fragen, in welchen Bereichen es Probleme geben könnte, wenn die Stützungsmaßnahmen und die Moratorien ablaufen.

Denn in der Tat: Schnell könnte die Pandemie eine Bankenkrise entfachen, wenn die Kredite ins Rutschen geraten und die Investoren den Geldhäusern das Vertrauen entziehen. Die Börsenkurse vieler Institute stehen wackelig da. Die EZB will es nicht gewesen sein. Daher wird jetzt alles untersucht und durchleuchtet - nur die eigene Rolle nicht.

Eine Infografik mit dem Titel: Commerzbank

Aktienverlauf, in Euro

Eine Infografik mit dem Titel: Banco Santander

Aktienverlauf, in Euro

Eine Infografik mit dem Titel: UniCredit

Aktienverlauf, in Euro

Eine Infografik mit dem Titel: BNP Paribas

Aktienverlauf, in Euro

Der Biedermann EZB möchte, dass die Angelegenheit so friedvoll-ironisch endet wie in der Romanvorlage.

Babette: Gottlieb?

Biedermann: Still.

Babette: Sind wir tot?

Biedermann: Natürlich sind wir tot.

Babette: Gottlieb?

Biedermann. Still jetzt.

Babette: Wo sind wir denn jetzt?

Biedermann: Im Himmel. Wo sonst.

 © dpa

Bund und Länder haben sich darauf verständigt, für die nächsten Tage erst einmal keine weiteren Verbote zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu erlassen. Auch die Schulen sollen geöffnet bleiben. Nach einer Videokonferenz riefen Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten die Bürger gestern Abend dazu auf, ihre privaten Kontakte weiter deutlich zu reduzieren.

 © dpa

Die Kontaktbeschränkungen sind das Erfolgsrezept. Und wir brauchen mehr davon. Wir müssen noch stärker reduzieren, damit wir auch unsere Ziele erreichen.

Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut.

Der geniale und leider schon verstorbene Publizist Johannes Groß hat früh gezeigt, wie man sich Corona-konform verhält. Wenn er in der Mittagspause alleine essen war, reichte er den Bewirtungsbeleg dennoch bei der Buchhaltung von Gruner & Jahr als Spese ein. Seine Begründung: Selbstgespräch.

Angela Merkel © dpa

Die wichtigsten Beschlüsse des gestrigen Tages in Kürze:

  • Da die Infektionszahlen immer noch hoch sind, sollte jeder auf private Feiern verzichten und Zusammenkünfte mit Freunden und Bekannten auf einen festen weiteren Hausstand beschränken.

  • Am 25. November soll es weitere Beratungen und – wenn die Zahl der Infizierten und schwer Erkrankten bis dahin nicht stark gesunken ist – womöglich auch weitere verbindliche Einschränkungen geben.

  • Besonders gefährdete Menschen sollen künftig durch günstige FFP2-Masken vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus bewahrt werden. Über 65-Jährige und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen sollen insgesamt 15 dieser Masken gegen eine geringe Eigenbeteiligung erhalten können. Die Kosten übernimmt laut Beschluss der Bund.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der Verfechter einer harten Corona-Politik, zeigte sich im Anschluss ernüchtert:

Markus Söder © dpa

Ich habe wenig Hoffnung, dass Ende November alles wieder gut ist.

Klick aufs Bild führt zum Hauptstadt-Briefing

Die fünfstündige Video-Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten beschäftigt auch die Kollegen vom Hauptstadt-Newsletter. Sie haben rekonstruiert, warum die Länderchefs, und vor allem die CDU-Ministerpräsidenten, die eigene Kanzlerin bei schnellen und harten Verschärfungen haben auflaufen lassen. Auch die Liberalen ziehen nicht mit. Streitfall Schule: NRW-Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp, FDP, will auch in einer Woche keiner Klassenteilung und zwanghaftem Distanzlernen nicht zustimmen:

Wir schicken unsere Kinder nicht ins 50-Prozent-Homeoffice. So wichtig zusätzliche digitale Bildung ist, kann Lernen auf Distanz den Präsenzunterricht nicht ersetzen. Für eine Teilung der Klassen fehlen schlicht die Lehrerinnen und Lehrer. Wenn Peter Altmaier allen Ernstes fordert, der Unterricht könne ja in derzeit nicht genutzten Gaststätten stattfinden, frage ich zurück: Sollen dann die Gastwirte den Unterricht machen?

Joachim Stamp © dpa

Wende von der Energiewende: Ausgerechnet die SPD will ein Gesetz abschaffen, das sie einst unter Kanzler Gerhard Schröder und seinem Beifahrer Joschka Fischer erfunden hat: die EEG-Umlage für Öko-Strom.

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Doch der Subventionsirrsinn bei den erneuerbaren Energien ist auch den Sozialdemokraten mittlerweile ein Dorn im Auge. In einem internen Strategiepapier sagt die SPD-Fraktion, was anstelle des EEG kommen soll. Alles Wichtige dazu erfahren Sie hier: Thepioneer.de.

 © imago

Der US-Biotechkonzern Moderna hat gestern in einem Bericht erste Zwischenergebnisse eines neuartigen Impfstoffs veröffentlicht. Dessen Wirksamkeit liegt demnach bei 94,5 Prozent. Konkurrent Biontech hatte die Wirkung seines Impfstoffes mit 90 Prozent taxiert.

Ein weiterer Vorteil des amerikanischen Impfstoffs: Während Biontechs Impfstoff in konsequenter Kühlkette bei minus 70 Grad aufbewahrt werden muss, sei das Produkt von Moderna sogar für zwölf Stunden bei Raumtemperatur stabil, was die Lagerung erheblich erleichtern würde.

Nach der Mitteilung von Moderna schoss der Dax innerhalb weniger Minuten um mehr als 130 Punkte nach oben und erreichte das Tageshoch mit 13.277 Zählern. Die Aktie legt am deutschen Aktienmarkt mehr als zwölf Prozent zu, das Biontech-Papier rutschte hingegen fast 14 Prozent ab.

Es gilt das Motto: Das bessere ist der Feind des Guten.

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Eigentlich lief es zwischen Berlin und Paris zuletzt gut: Staatschef Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel zogen beim EU-Corona-Paket an einem Strang. Doch nun schlägt der Franzose härtere Töne an.

So fordert Macron mehr Eigenständigkeit der Europäer bei Sicherheit und Verteidigung und begibt sich auf Konfrontationskurs zu Deutschland. In einem Interview kritisierte der 42-Jährige Äußerungen der deutschen Verteidigungsministerin, wonach „Illusionen einer europäischen strategischen Unabhängigkeit“ enden müssten. Ohne die USA laufe auch in Zukunft nichts, hatte sie gesagt. Er teile ihre Haltung „ganz und gar nicht“.

 © dpa

Macron sagte der Zeitschrift „Grand Continent“, die USA würden die Europäer nur als Verbündete akzeptieren, „wenn wir uns selber ernst nehmen, und wenn wir in unserer eigenen Verteidigung souverän sind“.

Der Europafreund fordert seit langem eine europäische Armee. In Europa würden sehr viele Themen ausgeblendet, bemängelte der Staatschef:

Um es klar zu sagen: Im geostrategischen Bereich haben wir uns das Nachdenken abgewöhnt.

 © dpa

Der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger kommentiert im heutigen „Handelsblatt“ die asiatisch-pazifische Freihandelszone:

Asien ist angesichts seiner Wachstumszahlen und wachsenden Bevölkerung bereits ein dominanter Spieler im Welthandel. Mit der neuen Freihandelszone könnte die Region zum Leitmarkt der Welt werden.

Für die deutsche Exportwirtschaft ist das keine gute Nachricht, sagt er:

Es droht die Gefahr, dass künftig in Asien die Standards und Normen für Produkte und Dienstleistungen in der Zukunft festgelegt werden. Die USA und Europa wären dann der große Verlierer.

Er bezweifelt die Regierungskunst der Europäer und bescheinigt den handelnden Personen in Paris und Berlin eine ökonomisch grundierte Selbstüberschätzung:

Bereits das Transatlantische Abkommen TTIP zwischen Europa und den USA ist 2016 vor die Wand gefahren worden, auch in Ländern wie Deutschland und Frankreich. Es gibt in vielen europäischen Hauptstädten eine völlige Selbstüberschätzung der eigenen Wirtschaftskraft. Eine Art Hybris.

 © Anne Hufnagl

Die Unternehmerin und Kunstsammlerin Julia Stoschek ist Gesellschafterin einer Autozulieferfirma mit Milliardenumsatz und gilt als eine der weltweit wichtigsten Sammlerinnen von Medienkunst. Medienkünstler arbeiten nicht mit Pinsel und Leinwand, sondern mit Video, Computer und Smartphone. Julia Stoschek gibt dieser noch jungen Kunst eine Heimat. Mit zwei großen Sammlungen von jeweils rund 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, eine in Düsseldorf und eine in Berlin, zieht die „Julia Stoschek Collection“ jährlich Zehntausende Besucherinnen und Besucher an.

Ich habe die Kunstsammlerin auf unserem Redaktionsschiff Pioneer One getroffen, um mit ihr über Kunst ohne Publikum zu sprechen. Julia Stoschek beschreibt ihre Gefühlswelt so:

Julia Stoschek © Anne Hufnagl

Es ist unheimlich traurig, wenn die Kunst nicht gesehen und die ausgestellte Kunst nicht erlebt werden kann.

Die Entscheidung der Regierung, im Lockdown auch Galerien und Ausstellungsräume zu schließen, kritisiert sie mit deutlichen Worten:

Ich bin absolut schockiert und auch wahnsinnig frustriert. Wir haben alle Hygienevorgaben und -regeln eingehalten, von Maskenpflicht bis Desinfektionsmittel. Wir haben einen beschränkten Zugang und dürfen nicht öffnen, während Ikea und alle Baumärkte geöffnet bleiben.

Ihre Zuversicht aber will Julia Stoschek sich auch in Zeiten der Pandemie nicht austreiben lassen:

Mein Team und ich arbeiten an drei neuen Ausstellungen für Januar und Februar. Ich bin im Austausch mit vielen Künstlern. Das ist mein Lebenselixier.

Ich wünsche Ihnen einen beschwingten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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