EZB: Leben in Gefangenschaft

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Guten Morgen,

die Inflation steigt und die Notenbanken wissen mittlerweile auch, dass die Geldentwertung nicht nur temporär sein wird. Die zuständige EZB-Direktorin Isabel Schnabel stellt derzeit Weltrekorde im Zurückrudern auf.

In der klassischen Lehre der alten Welt würde jetzt unverzüglich – schon um die Vermögenswerte der Bürger zu schützen – eine Verknappung von Liquidität erfolgen:

1. Durch ein zügiges Ende der direkten Geldinjektionen der Notenbanken, die unsere Zahlungsmittel nur immer weiter verwässern.

2. Durch eine stufenweise Erhöhung des Zinses, wodurch das Geld wieder seinen Preis zurückbekäme.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Inflationsgeschichte

Inflationsrate im Euroraum, jährliche Veränderung in Prozent

Doch die alte Welt ist untergegangen. Die klassische Lehre von der Geldmengensteuerung gilt nicht mehr.

Die USA pumpen ungerührt weiter 120 Milliarden US-Dollar und die EZB 60 bis 70 Milliarden Euro neue Liquidität pro Monat in die Märkte. Die Ankündigungen der Amerikaner, ihre Aufkaufprogramme zu reduzieren, sind bisher vage. Die EZB kündigt vorsichtshalber gar nichts an. Und an eine Zinserhöhung, die mehr als Symbolik bietet, ist bei Fed und EZB derzeit nicht zu denken.

Eine Infografik mit dem Titel: Billiges Geld bei Fed und EZB

Leitzins der EZB und der Federal Reserve seit 2010, in Prozent

Die Notenbanken sind die Gefangenen ihrer eigenen Geldflutungspolitik. Wie ein Drogenkartell haben sie die Welt abhängig gemacht vom billigen Geld und wissen nun nicht, wie man den Entzug organisiert. Also wird weiter nachgespritzt.

Drei große Risiken haben sich aufgebaut, die in ihrer Addition zur Eskalation auf den globalen Finanzmärkten führen können:

1. Durch die Geldschöpfung durften sich die Staaten zu historisch günstigen Bedingungen verschulden und taten das auch. Weltweit ist die Verschuldung seit 2020 um etwa 40 Billionen US-Dollar auf etwa 300 Billionen US-Dollar gestiegen. Die Schuldenquoten sind so hoch wie zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges.

Unklar ist, ob beim Ausfall der Notenbank-Finanzierung der private Kapitalmarkt die exzessiven Schuldner wie Italien, Spanien, Venezuela und auch Japan weiter unterstützen würde. Noch stehen die Dominosteine, aber ohne die Hilfe der Notenbanken werden sie zu wackeln beginnen.

Eine Infografik mit dem Titel: Welt der Schulden

Gesamtverschuldung der Industriestaaten und Schwellenländer, in Relation zum BIP

2. Die Geldflutung hat die Spekulanten auf den Plan gerufen. In diesem Jahr stieg in den USA der Umsatz mit riskanten Optionen – das sind Hebelprodukte, die eine Wette auf die Kurse bedeuten – erstmals über den Umsatz mit normalen Aktien. Da die Optionshändler sich durch Käufe der ihrer Spekulation zugrunde liegenden Aktie absichern müssen, treiben sie den Aktienkurs. Es kommt, analysiert der Vermögensverwalter Dr. Jens Ehrhardt, zu künstlicher Nachfrage, die nichts mit den fundamentalen Daten zu tun hat. Das heißt: Der Risikoappetit der Spekulanten befeuert irrationale Übertreibungen. Fehlt das billige Geld, platzt womöglich die Blase am Aktienmarkt.

Eine Infografik mit dem Titel: Optionen überholen Aktien

Durchschnittlicher täglich gehandelter Nominalwert, in Milliarden US-Dollar

3. Die Nullzinspolitik hat den Finanzanlagen insgesamt sehr geholfen. Vor allem die Tech-Giganten der USA sind durchgestartet. Apple konnte in den vergangenen fünf Jahren um 373,1 Prozent zulegen, Tesla schaffte seit Oktober 2019 mehr als 1600 Prozent, Alphabet zog seit 2016 um 230 Prozent an.

Ein Ende des Börsenbooms würde in Deutschland Besserverdiener und Vermögende treffen (die politisch als Freiwild gelten und deshalb in der Kalkulation von CDU und SPD nicht wirklich zählen), aber im Amerika der großen Pensionsfonds hängen auch die Renten kleiner Leute am Aktienmarkt. Die Regierung und die Führung der Notenbank werden daher alles tun, um einen Crash zu verhindern. Im Zweifel wird eben weiter geflutet, womit das Risiko einer scharfen Kurskorrektur aber nicht verschwindet, sondern a) vergrößert und b) verschoben wird.

Apple-CEO Tim Cook © dpa

Fazit: Die Regierungen haben die Weltenrettung großzügig bei den Notenbanken bestellt: Whatever it takes. Aber nur, um die Rechnung von dort zügig an die Sparer weiterzureichen: For your account and risk. So funktioniert nun mal die Arbeitsteilung der Modern Monetary Theory: Die Notenbanker tragen die Verantwortung – und die Sparer das Risiko.

So wird Deutschland wieder zukunftsfest

Der Rechnungshof hat Missstände zum Zustand des Landes benannt - und zwölf Forderungen gestellt.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Sebastian Kurz © dpa

Von der Operette zur Staatsoper: Rund zweieinhalb Jahre nach der Ibiza-Affäre findet in Österreich eine neuerliche Theaterprobe statt. In der Hauptrolle diesmal: Sebastian Kurz – und nicht wie beim letzten Mal nur sein Stellvertreter. Die Regie steigert sich.

Der Handlungsstrang ist mehrfach in sich verknäult: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz wegen des Verdachts der Untreue, der Bestechung und der Bestechlichkeit, also der Veruntreuung von Steuergeldern. Er soll über Helfer und Helferlein Geld aus der Kasse des Finanzministers gewinnbringend in die eigene Reputation investiert haben. Er selbst war damals Außenminister. Die Medien wurden demnach mit Anzeigengeld gefügig gemacht, gefälschte Umfrageergebnisse zu drucken, die von der Großartigkeit des späteren Kanzlers kündeten. Im österreichischen „Falter“ heißt es:

Es geht um kein Bagatelldelikt mehr, sondern um Untreue und Bestechung und einen Schaden von jedenfalls mehr als 300.000 Euro. Inserate für politische Willfährigkeit.

Sebastian Kurz © dpa

Kurz beteuert seine Unschuld und verweist auf die wohlwollenden Meinungsumfragen, die ihn zeitlebens begleiten. Er habe doch gar nicht nachhelfen müssen. Fakt ist: Trotz allerlei Ermittlungsaufwand ist der rauchende Colt bisher nicht gefunden.

Wer den Worten von Sebastian Kurz am Samstag folgte, musste überrascht feststellen: Der österreichische Politiker selbst sprach gar nicht von einem Rücktritt. Stattdessen wolle er „Platz machen, um Chaos zu verhindern und Stabilität zu gewährleisten“. Denn die Wahrheit hinter den Schlagzeilen von „Aufstieg und Fall von Österreichs charismatischstem Politiker“ lautet: Auch wenn der ÖVP-Politiker nun bald schon kein Kanzler mehr ist – an den Schalthebeln der Macht wird er einstweilen trotzdem sitzen. Denn er bleibt Parteivorsitzender. Und: Kurz wird zusätzlich, gemeinsam mit August Wöginger, die Rolle des Fraktionschefs der ÖVP, der stärksten Fraktion im Nationalrat, übernehmen. Seine neue Rolle: Der Schattenkanzler.

Alexander Schallenberg © imago

Die Koalition mit den Grünen wird also in neuer Konfiguration fortgesetzt, die Kanzlerschaft bleibt weiterhin in den Händen der ÖVP. Der Nachfolger von Kurz, Alexander Schallenberg, gilt als treuer Gefolgsmann des 35-Jährigen. Der österreichische „Standard“ schreibt über den bisherigen Außenminister:

Alexander Schallenberg, der jetzt den Kanzler geben soll, ist ein ganz enger Vertrauter von Kurz, ein Minister von seinen Gnaden, einer, der immer treu und ohne Schmerzgrenze das heruntergebetet hat, was ihm der Kanzler an Linie vorgab.

Ob gegen Kurz tatsächlich Anklage erhoben wird, dürfte sich erst nächstes Jahr herausstellen. Seine Mitstreiter glauben, die Pointe des Stückes schon zu kennen. Die ÖVP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger schreibt auf Twitter:

Ich bin sicher, dass @sebastiankurz alle Vorwürfe entkräften und bald als Bundeskanzler ins Amt zurückkehren wird.

Elisabeth Köstinger © dpa

Wenn ihm das im dritten Akt tatsächlich gelingen sollte, wäre das Stück reif für die große Bühne. Wahrscheinlich hat Oscar Wilde am Drehbuch heimlich mitgeschrieben. Sein Credo lautet:

Ich liebe es Theater zu spielen. Es ist so viel realistischer als das Leben.

Hermann Simon © dpa

Wohl kein anderer Wirtschaftsprofessor hat sich in seiner beruflichen Laufbahn so intensiv mit dem deutschen Mittelstand befasst wie Prof. Hermann Simon. Der studierte Betriebs- und Volkswirt ist Verfasser von über 40 Büchern, einige seiner Fachbücher sind weltweit zu Standardwerken avanciert. Den Begriff „Hidden Champions“ für all die mittelständischen Unternehmen, die es zu Weltmarktführern in ihrer Nische brachten, hat er geprägt.

Im heutigen Morning Briefing-Podcast spricht Simon mit dem stellvertretenden Chefredakteur von ThePioneer, Gordon Repinski, über die Lage des Mittelstandes in einer Welt, in der das alte deutsche Exportmodell an Glanz verliert:

Seit etwa zehn Jahren sehen wir eine relative Deglobalisierung, was jedoch nicht das Ende der Globalisierung bedeutet. Wir treten in eine neue Phase der Globalisierung ein, wo Export, sprich Wertschöpfung, verstärkt durch Direktinvestitionen in den Zielmärkten ersetzt wird.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Laut Simon würden deutsche Unternehmen auf der Gewinnerseite bleiben, wenn sie ihre nationale Identität nicht abstreifen, aber doch ins Multikulturelle erweitern:

Die Deutschen müssen zu Chinesen und Amerikanern werden.

Für Chinesen und Amerikaner gilt das umgekehrt. Die müssen auch verstärkt in den europäischen und den deutschen Markt investieren. Wir erleben also eine völlig andere Aufstellung der globalen Wertschöpfung.

Dass die „Hidden Champions“ im Bereich der Nachhaltigkeit einen Wettbewerbsvorsprung besitzen, liege seiner Ansicht nach auch an den vielen Verboten:

In Europa und in Deutschland haben wir die schärfsten Auflagen. Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns eine Riesenchance im Weltmaßstab.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutschland: Land der Hidden Champions

Ortsansässigkeit von Familienunternehmen in Deutschland 2021

Der Ampel lässt sich einiges abgewinnen

Warum das liberale Auge nicht rot sieht

Podcast hören

Veröffentlicht in Feld & Haucap - Das Ökonomie Briefing von Lars FeldJustus Haucap .

Podcast mit der Laufzeit von

Montag

Die heutigen Gremiensitzungen der CDU im Konrad-Adenauer-Haus werden zum Scherbengericht: Armin Laschet erklärt, wie er sich den Rückzug vorstellt. Wenn Vorstand und Präsidium, die ihn gegen die CSU und gegen die Stimmung an der eigenen Basis durchgedrückt hatten, es mit der Erneuerung ernst meinen, müssten sie heute geschlossen zurücktreten. Der entsprechende Vorschlag von Christian von Stetten liegt auf dem Tisch.

Armin Laschet © dpa

Dienstag

Es wird der ZEW-Index zu den Konjunkturerwartungen veröffentlicht. Angesichts von Lieferengpässen und Inflationssorgen ist schlechte Stimmung programmiert.

Die Führungsspitzen der EU und der Ukraine kommen zu einem Treffen in Kiew zusammen. Seitens der EU wird Ursula von der Leyen teilnehmen. Die Themen: Gas, Russland, Krieg und Frieden.

Im Rahmen der Initiative #DiscoverEU vergibt die Kommission 60.000 Rundum-Sorglos-Bahntickets an junge Menschen, die den Kontinent ab März 2022 auf eigene Faust erkunden wollen. Die Bewerbungsrunde läuft ab 12.00 Uhr und richtet sich an alle 18- bis 20-jährigen EU-Bürgerinnen und -Bürger. Die Kommission will damit Europa bekannt und sich selbst beliebt machen.

#DiscoverEU © dpa

Mittwoch

Laut der Tagesordnung der EU-Kommission steht die Befassung mit den stark steigenden Energiepreisen an. Mehrere Mitgliedsstaaten befürworten staatliche Eingriffe. Sie fürchten die Kombination von winterlicher Kälte und sozialem Aufruhr.

In den USA werden die neuen US-Inflationszahlen veröffentlicht. Im Schnitt sagen Analysten für September eine leichte Beschleunigung auf 5,4 Prozent im Jahresvergleich voraus, berichtet das „Handelsblatt“.

JPMorgan Chase beginnt heute mit den Zahlen für das dritte Quartal. Die Börse erwartet Rekorde von der Nummer 1 der Geldmaschinen-Industrie.

Eine Infografik mit dem Titel: Rasanter Anstieg

Inflationsrate der USA seit August 2020 (gegenüber dem Vormonat)

Donnerstag

Weitere amerikanische Banken legen ihre Quartalszahlen vor: Bank of America, Citigroup, Morgan Stanley und Wells Fargo sind dran. Alle wollen dem Publikum zeigen, wie man Geld in noch mehr Geld verwandelt.

Die EU-Minister für Telekommunikation werden eine sogenannte „Orientierungsaussprache“ zum Gesetz über Künstliche Intelligenz führen. Das Gesetz soll Entwicklung und Verbreitung einer sicheren und rechtmäßigen Künstlichen Intelligenz im Binnenmarkt fördern. Die Botschaft der EU: Wir sind nicht fit, aber wir sind wenigstens aufgewacht.

Freitag

In den USA werden die US-Einzelhandelsumsätze für September bekannt gegeben. Traditionell gilt der Konsum der Amerikaner als Hauptstütze der dortigen Wirtschaft. Diesmal dürfte es heißen: Die Hauptstütze stützt nicht, sondern schwächelt.

Die Investmentbank Goldman Sachs lässt sich in ihr Zahlenwerk blicken und verrät uns, wie man aus den Türmen der Wall Street auf die Zukunft blickt.

John Lennon © imago

Richard Wagner definierte die Rolle der Musik als „Sprache der Leidenschaft“. Diesem Anspruch wird wohl kein anderes musikalisches Genre gerechter als das der Hymne. Die Hymne des Friedens ertönte vor 50 Jahren erstmals als Single in Großbritannien.

Die Idee für „Imagine“ hatte Yoko Ono, Witwe des Ex-Beatles John Lennon. Der von ihr verfasste Gedichtband „Grapefruit“ sollte ihrem Mann bei der Ausarbeitung des Textes als Inspiration dienen. Das Ergebnis ist ein musikalisches Plädoyer für eine Welt, in der das Böse sich verabschiedet:

„Stell dir vor, es gibt keinen Himmel“ und „keine Hölle unter uns“ singt John Lennon in der ersten Strophe. In einem Interview mit dem „Playboy“ stellt Lennon klar, dass er nicht jegliche Religion, wohl aber „dieses Mein-Gott-ist-besser-als-dein-Gott-Ritual“ ablehne. Seine Kritik gilt all jenen, die meinen, den alleinigen Wahrheitsanspruch gepachtet zu haben.

Yoko Ono und John Lennon © imago

„Stell dir vor, es gäbe keine Staaten“, heißt es in der zweiten Strophe. Lennon träumte von einer Welt ohne Grenzen, denn wo nichts Trennendes existiere, könnten die todbringenden Gegensätze nicht überleben.

Imagine there's no countries

It isn't hard to do

Nothing to kill or die for

John Lennon © dpa

Sein Lied sei „praktisch das Kommunistische Manifest, obwohl ich nicht gerade ein Kommunist bin und auch keiner Bewegung angehöre“, gab Lennon später zu. Er sprach von sich als „Träumer“ und wünschte sich, die Gruppe der „Träumer“ würde wachsen und irgendwann die Mehrheit bilden:

You may say I'm a dreamer

But I'm not the only one

I hope someday you will join us

And the world will live as one

Ich wünsche Ihnen einen friedvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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