die EZB möchte die Politik des billigen Geldes auf Teufel komm raus fortsetzen, weil sie für drei Spieler sehr praktisch ist:
für die Regierungen in Europa, die auf diese Art ihre Schuldenhaushalte billig refinanzieren können;
für die Investoren am Kapitalmarkt, die sich nahezu risikofrei mit Spielgeld eindecken
und für die EZB selber, die vom Währungshüter – also vom Schiedsrichter – zum wichtigsten ökonomischen Spielmacher aufgestiegen ist.
Wenn da nur nicht die steigenden Inflationszahlen wären. Jeder in der EZB weiß es: Nur wenn das Geld wieder einen Preis bekommt und die Expansion der Geldmenge – plus 200 Prozent seit 2000 – wieder verlangsamt wird, gibt es den Hauch einer Chance auf sinkende Inflationsraten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann rechnet, wie er gestern sagte, mit einem weiteren Anstieg auf fünf Prozent bis zum Jahresende:
Aus meiner Sicht überwiegen derzeit die Aufwärtsrisiken.
Eine Infografik mit dem Titel: Das Weidmann-Szenario
Wertverfall des Geldes bis 2030 mit einer jährlichen Inflation von fünf Prozent, in Euro
Die EZB-Führung will davon nichts wissen. Um Zeit zu gewinnen, prognostiziert die dafür im EZB-Rat zuständige Isabel Schnabel eine bald wieder sinkende Inflationsrate.
Das Verschwinden der Basiseffekte (...) wird im nächsten Jahr zu einem quasi mechanischen Rückgang der Inflation führen.
Eine Infografik mit dem Titel: Die Inflationserwartung der EZB
Inflationsrate der Eurozone nach harmonisiertem Verbraucherpreisindex (HVPI) seit 2013, in Prozent
Diese Prognose soll den Handlungsdruck senken, sie soll die weitere Geldflutung legitimieren und die Kosten der Aktion weiterhin bei den Sparern belassen, die bei einer fünfprozentigen Inflation und einem deutschen Geldvermögen laut Bundesbank von rund 6,7 Billionen Euro allein hierzulande in einem Jahr gut 321 Milliarden Euro an Kaufkraft verlieren.
Eine Infografik mit dem Titel: Das Drei-Prozent-Szenario
Wertverfall des Geldes bis 2030 mit einer jährlichen Inflation von drei Prozent, in Euro
Doch die Wirklichkeit hält sich nicht an die Prognosen von Isabel Schnabel. Zumal sie in ihrer Projektion die vier wichtigsten Inflationstreiber der kommenden Jahre bewusst nicht berücksichtigt hat:
1. Preistreiber Klimaschutz. Die Energiepreise steigen weiter, vor allem aus politischen Gründen. Der CO2-Preis gilt in Deutschland seit Jahresanfang und beträgt 25 Euro, was sieben bis acht Cent auf den Benzinpreis bedeutet. Der Preis soll sich bis 2025 auf 55 Euro mehr als verdoppeln.
Wirtschaftsforscher von Prognos und der Boston Consulting Group schreiben in einer Studie für den BDI: Um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, muss der CO2-Preis „im Extremfall“ sogar auf 250 Euro je Tonne steigen. Fest steht: Sinkende Energiepreise – wie von der EZB-Expertin unterstellt – dürfte es in Deutschland auf absehbare Zeit nicht geben.
© dpa2. Preistreiber Mindestlohn. Aus politischen Gründen soll auch der Preis für die Ware Arbeitskraft verteuert werden. Heute erhalten 1,42 Millionen Menschen den Mindestlohn von 9,60 Euro. Nach der Wahl will Olaf Scholz den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen und damit auf zehn Millionen Beschäftige, also rund ein Viertel des deutschen Arbeitskräftepotentials, ausdehnen.
Das bedeutet: Die Mehrzahl der Unternehmen wird diese staatlich induzierten Mehrkosten fein dosiert an die Verbraucher weiterreichen. Viele margenschwache Geschäfte haben gar keine Alternative, als unverzüglich neue Preisschilder zu kleben.
© dpa3. Preistreiber Pillenknick. Mit der Verabschiedung der Babyboomer in Richtung Rente kommt es zu weiteren Engpässen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Gute Nachricht für Handwerker und Experten aller Art: Sie werden bei den Arbeitgebern höhere Löhne durchsetzen können. Die „Bank für Internationalen Zahlungsausgleich“ urteilt folgerichtig: Das sinkende Arbeitskräfteangebot treibt die Inflationsraten in den nächsten Jahrzehnten kräftig nach oben. Eine Lohn-Preis-Spirale kommt in Gang.
4. Preistreiber China. Die Überalterung der chinesischen Gesellschaft – ausgelöst durch die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik – wird das einstige Billiglohnland stark verändern. 91 Prozent der institutionellen Investoren stimmen in einer aktuellen Erhebung des europäischen Fixed Income ETF-Anbieters Tabula der These zu, dass sich der demografische Wandel in China inflationär auswirken wird.
© dpaEtwa 44 Prozent der befragten Investoren teilen sogar die Meinung, dass der Anstieg der Löhne in China stilbildend auf andere Entwicklungsländer wirkt. Michael John Lytle, CEO von Tabula, rät dem Kapitalmarkt, den rosaroten EZB-Prognosen zu misstrauen:
Professionelle Investoren müssen sich einem neuen Umfeld mit steigenden Inflationsraten stellen.
Fazit: Auch für die deutschen Sparer ist das eine wichtige Information. Denn sie sparen viel, aber falsch, wie Prof. Bert Rürup kürzlich sagte.
Zu Risiken und Nebenwirkungen der Geldentwertung fragen Sie am besten einen der Kanzlerkandidaten – oder zuständigkeitshalber Ihren Finanzminister Olaf Scholz: 030-18 682-3300.
Mit dem Abflug des letzten amerikanischen Transportfliegers am Abend des 30. August endete – eine Minute vor Ablauf des Taliban-Ultimatums – der längste Krieg der USA. Zeit für die Schlussbilanz. Das Morning-Briefing-Team hat unter Nutzung der Berechnungen des Magazins „Forbes“ und den Daten des „Costs of War Project” der Brown Universität in Providence, Rhode Island, die unbequeme Wahrheit in drei Grafiken zusammengefasst.
Eine Infografik mit dem Titel: Der Zwei-Billionen-Krieg
Gesamtkosten des Afghanistan-Einsatzes der USA im Vergleich zum Börsenwert des Dax, in Milliarden US-Dollar
Eine Infografik mit dem Titel: Die Afghanistan-Veteranen
Bisherige Versorgung der 20.000 amerikanischen Kriegsverletzten vs. Beitragszahlungen an die deutsche Rentenversicherung 2019, in Milliarden US-Dollar
Eine Infografik mit dem Titel: Die Zinsfalle
Prognostizierte Zinszahlungen auf amerikanische Kriegsschulden bis 2050 vs. deutsche Staatsverschuldung 2020, in Milliarden US-Dollar
Auch aus Bayern droht am Wahltag Ungemach. Die Christsozialen sind ausweislich aller Umfragen weit entfernt von den Top-Werten der Vergangenheit. Entsprechend groß ist der Frust in den Reihen der CSU.
Mein Kollege Rasmus Buchsteiner war auf Recherchereise in Bayern unterwegs. Er hat mit CSU-Chef Markus Söder und anderen aus der CSU-Führung gesprochen, mit Abgeordneten des Bundes- und des Landtages, mit Kreis- und Bezirksvorsitzenden und mit zahlreichen Direktkandidaten. Die Stimmung in der sonst so lauten und selbstbewussten CSU empfand er als „seltsam gedrückt“. Ein Wahlkämpfer sagte ihm:
Die Erststimme geht vielleicht noch an uns, aber bei der Zweitstimme gehen die Leute spazieren. Sie wählen andere, weil sie nicht Laschet unterstützen wollen.
Hier gehts zum Buchsteiner-Report vom südlichen Frontabschnitt dieser Wahl-Auseinandersetzung.
Christine Strobl verantwortet als Programmdirektorin die Strategie der ARD – und war keine unumstrittene Personalie. Denn die Medienmanagerin ist CDU-Mitglied, die älteste Tochter von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Ehefrau des Innenministers von Baden-Württemberg Thomas Strobl. Der Vorwurf ihrer Gegner: Befangenheit.
Für Schlagzeilen sorgt sie jetzt mit einer Neugestaltung des Programms der ARD. Betroffen sind vor allem Politmagazine wie „Monitor“, „Panorama“ und das Auslandsmagazin „Weltspiegel“.
Weniger Folgen sind geplant, dafür ein Ausbau der Online-Mediathek, die vor allem jüngere Zuschauer ansprechen soll. Strobl möchte so internationalen Streamingdiensten wie Amazon Prime und Netflix die Stirn bieten.
© dpaThePioneer-Chefredakteur Michael Bröcker spricht im Morning-Briefing-Podcast mit Christine Strobl über die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen und die Seriositäts-Offensive der Privatsender RTL und ProSieben.
Es geht um unbequeme Fragen:
Warum berichten die Korrespondenten der ARD in der Afghanistan-Krise aus Neu-Delhi und nicht wie BBC, CNN oder die „Bild“ aus Kabul?
Warum brauchen wir den weltweit teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einem Jahresetat von 8 Milliarden Euro und der verschläft dann die Flutkatastrophe?
Muss ein öffentlich-rechtliches Fernsehen TV-Serien wie „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“ oder die Fußball-Bundesliga anbieten oder können das nicht die anderen 400 privaten Programme genauso?
Und erreichen ARD, ZDF und Co. überhaupt die breite Bevölkerung oder nur eine westdeutsche Senioren-Republik?
Die Kurzfassung dieser streitbaren Unterhaltung hören Sie im Morning-Briefing-Podcast und die gut halbstündige Langfassung im Hauptstadt-Sonder-Podcast am Samstag.
In der Sendung „Die Höhle der Löwen“ investierte Frank Thelen sein Geld in Start-ups. Nun, da er als „Löwe“ pensioniert ist, investiert er das Geld anderer an den Kapitalmärkten. Seit gestern Morgen können Anleger in seine zwei Fonds investieren, die auf Aktien und Kryptowährungen spezialisiert sind. Im Startdepot befinden sich neben den Aktien von Palantir, Fate Therapeutics, Tesla und Tencent auch die Kryptowährungen Bitcoin und Ether.
Benannt sind die Fonds nach dem Buch „10xDNA“, das Thelen im vergangenen Jahr veröffentlicht hat und das von Zukunftstechnologien handelt. Dementsprechend sollen die Fonds nur in Zukunftstechnologien und nicht in Traditionsfirmen investieren. Tesla statt Karstadt. Die Maximalzahl von 30 Einzelpositionen wird nicht überschritten. Thelen verspricht:
Ziel ist eine Wert-Verdreifachung der Anlagen über vier bis acht Jahre.
Und er selbst? Wird die Hälfte seines privaten liquiden Vermögens in den Fonds anlegen. Sagt er.
Sein Name steht auf der Liste der Beschuldigten im Wirecard-Skandal weit oben: James Henry O'Sullivan. Nun wurde der 46-Jährige, der sich seit elf Monaten auf der Flucht befand, in Singapur festgenommen.
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft München I: Veruntreuung von Millionenbeträgen.
Mit dem Geld soll Wirecard Geschäfte in Asien vorgetäuscht haben, die es gar nicht gab. O'Sullivan, der selbst keine offizielle Funktion bei Wirecard innehatte, gilt als enger Vertrauter des untergetauchten Wirecard-Vorstands Jan Marsalek. Seine Einblicke in den Jahrhundert-Wirtschaftskrimi gelten deshalb als besonders wertvoll.
Danyal Bayaz, bekannt aus dem Wirecard-Untersuchungsausschuss, ermittelt in einem neuen Fall: Diesmal gegen die Bürger seines eigenen Bundeslandes. Als Finanzminister von Baden-Württemberg – das Amt bekleidet er seit Mai ‘21 – knüpft er sich Steuerstraftäter vor. Allein im vergangenen Jahr summierten sich die festgestellt hinterzogenen Steuern bundesweit auf fast 1,25 Milliarden Euro. Weitere 50 Milliarden würden Bayaz zufolge dem Fiskus entgehen – mangels strafrechtlicher Verfolgung.
Jetzt will das Cleverle den Ermittlern auf die Sprünge helfen. Seine Idee dazu: Er ließ eine Webseite programmieren, über die jeder Bürger anonyme Hinweise zu möglichen Steuerstraftaten seines Nachbarn oder Kollegen melden kann. Dadurch werde man für mehr Steuergerechtigkeit sorgen und könne die Kommunikation zwischen Steuerverwaltung und Bürger vereinfachen, glaubt der Minister.
Der Dichter und Hochschullehrer August Heinrich Hoffmann von Fallersleben hat dazu das Wesentliche gesagt:
Der größte Lump im ganzen Land ist und bleibt der Denunziant.
76 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wird nun die Geschichte von Tadeusz „Teddy“ Pietrzykowski erzählt. Der Mann aus Warschau wurde mit 23 Jahren bereits 1940 nach Auschwitz deportiert – und war damit einer der ersten Insassen des Vernichtungslagers. Doch seine Leidenschaft für den Boxsport sicherte ihm das Überleben.
© Auschwitz-Birkenau State Museum ArchiveZum Boxen fand Teddy als Teenager, wurde polnischer Vizemeister und Meister von Warschau. Als die Deutschen im September 1939 Polen überfielen, versuchte er als Soldat seine Heimat gegen die Wehrmacht zu verteidigen – vergeblich. Auf seiner Flucht wurde er von den Deutschen abgefangen und im ersten Transport nach Auschwitz verbracht. Auf die linke Hand tätowierte ihm die SS die Sträflingsnummer 77.
Im Lager überlebte er, weil sich das Wachpersonal von einem kämpfenden Häftling unterhalten lassen wollte. Dutzende Male boxte er vor den Augen der SS-Wachmannschaften gegen andere Insassen und Wärter; er verlor nur einen einzigen Kampf.
© dpaSeine Siegesprämie, oft eine zusätzliche Essensration, teilte er mit jüdischen Insassen, was seine Beliebtheit im Lager steigerte. Auch seine Verlegung in das Lager Neuengamme und schließlich nach Bergen-Belsen hat er überlebt. Bis zum Tag der Befreiung durch die Briten boxte er um sein Leben – und gewann.
Nach dem Krieg wurde Teddy ein einfacher Sportlehrer und Boxtrainer im polnischen Bielitz-Biala. Immer wieder erzählte er den Schülern seine Geschichte, als Ermutigung zum Kampf und Stärkung ihrer noch jugendlichen Lebenskräfte. Selbst dem organisierten Vernichtungswillen der Nazis, das war seine Lehre, konnte man mit außergewöhnlicher Leistung trotzen. Sein Überlebensmotto schrieb er an die Wand der Sporthalle:
Zu sein heißt, der Beste zu sein.
Mit großer Verzögerung wird diesem Mann jetzt ein cineastisches Denkmal gesetzt: Morgen erscheint in Großbritannien ein abendfüllender Spielfilm, den der polnische Regisseur Maciej Barczewski verantwortet: The Champion of Auschwitz.
© Film and TV NowIch wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in den Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr