Facebook: Hässliche Wahrheit

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Guten Morgen,

normalerweise eröffnen wir den Tag nicht mit einer Buchbesprechung. Doch dieses Jahr und dieses Buch erfordern eine Ausnahme. Es sind noch 74 Tage bis zur Bundestagswahl, da enthüllt ein Buch der beiden New York Times-Kolleginnen Sheera Frenkel und Cecilia Kang die skrupellosen Machenschaften des mächtigsten sozialen Netzwerks.

Unter dem Dach der Firma Facebook Inc. erreichen die miteinander verzahnten Netzwerke Facebook, Instagram und WhatsApp weltweit 3,5 Milliarden Menschen und in Deutschland nahezu die gesamte Wählerschaft. Doch dieses soziale Medium verhält sich in vielerlei Hinsicht asozial, wie die Autorinnen in 400 Interviews und nach 15 Jahren Beschäftigung mit dem Internetgiganten herausgefunden haben wollen.

Eine Infografik mit dem Titel: Das Facebook-Imperium

Monatliche Nutzer 2021, in Milliarden

Die Auffälligkeiten beginnen schon beim Führungspersonal, jenen 16.744 Entwicklern, die Zugriff auf die intimsten Daten der Nutzer haben, zum Beispiel deren besuchte Seiten und gelöschte Bilder, aber auch den gesamten Mailverkehr, der über den Instant Messenger abgewickelt wird. Und viele dieser Entwickler nutzen ihre Zugangsberechtigung aus, um Frauen aus ihrem persönlichen Umfeld hinterherzuspionieren:

Männer, welche die Facebook-Profile von Frauen einsahen, an denen sie interessiert waren, stellten die überwiegende Mehrheit der Softwareentwickler, die ihre Privilegien missbrauchten.

Der frühere Sicherheitsbeauftragte der Firma, Alex Stamos, hielt einen internen Vortrag, über den die Autorinnen Folgendes berichten:

Anhand eines Schaubilds zeigte Stamos, wie Softwareentwickler beinahe monatlich die ihnen zur Verfügung gestellten Instrumente, die ihnen bei der Entwicklung neuer Produkte einen leichten Zugang zu Daten ermöglichen sollten, dazu genutzt hätten, die Privatsphäre von Facebook-Nutzern zu verletzen und in ihr Leben einzudringen.

Facebook lebt davon, dass es einfache Nutzer zu Intensivnutzern macht und deren Präferenzen und Bewegungsprofile für 85 Milliarden Dollar an die Werbeindustrie verkauft. In dem Buch heißt es dazu:

Das Werbegeschäft von Facebook basierte auf einer gefährlichen Rückkopplungsschleife: Je mehr Zeit die Nutzer auf der Seite verbrachten, desto mehr Daten griff Facebook ab.

Facebook-Nutzer besuchen die Seite nicht zum Einkaufen, aber Werbekunden können das Wissen des Unternehmens über seine User nutzen, um sie zu Käufern zu machen.

Auch den politischen Einfluss, den das Netzwerk nimmt, thematisieren die Autorinnen. Sie zeichnen nach, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Facebook und der Trump-Kampagne war:

Von Beginn des Wahlkampfs an steckten Jared Kushner und sein Internetberater Brad Parscale den Großteil ihres Medienbudgets in das soziale Netzwerk. Sie konzentrierten sich auf Facebook, weil es billige und einfache Targeting Tools besaß.

Sie arbeiteten mit Facebook-Angestellten, die in Trumps Wahlkampfzentrale in New York City eingebettet waren, um auf Hillary Clintons tägliche Ansprachen zu reagieren und spezifische Publikumssegmente mit negativen Anzeigen anzupeilen.

Eine Infografik mit dem Titel: Der Billionenwert

Marktkapitalisierung von Facebook seit 2016, in Milliarden US-Dollar

Diese Praktiken werden von der obersten Führung der Firma, sprich ihrem Gründer Mark Zuckerberg und seiner Co-Chefin Sheryl Sandberg, zumindest toleriert. Der Gründer fürchte vor allem, „dass die Behörden eines Tages sein soziales Netzwerk zerschlagen würden“.

Fazit: Was für ihn die Befürchtung könnte für andere die Hoffnung sein. Der einst harmlose Mark Zuckerberg – Student, Erfinder und dann das erste Glückskind der Internet-Zeit – ist erkennbar von der eigenen Machtfülle berauscht. Aber der Satz des englischen Historikers Lord Acton gilt auch für ihn:

Macht korrumpiert. Absolute Macht korrumpiert absolut.

Eine Infografik mit dem Titel: Zuckerberg spielt vorne mit

Vermögen der fünf reichsten Menschen der Welt 2021, in Milliarden US-Dollar

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Mona Neubaur © imago

Nach dem Stolperstart in den Wahlkampf kämpfen die Grünen um Haltung. Im Morning Briefing-Podcast kommt heute die NRW-Landesvorsitzende der Grünen, Mona Neubaur, zu Wort. Im Gespräch mit Chefredakteur Michael Bröcker antwortet die studierte Pädagogin, die in der freien Wirtschaft zuletzt als PR-Referentin eines Ökostromanbieters gearbeitet hatte, auf die Frage, ob die Grünen auf die richtige Kanzlerkandidatin gesetzt hätten:

Wir haben auf unserem Parteitag mit knapp 100 Prozent Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin gewählt – im Team mit Robert Habeck. Es gibt keinen Grund, uns jetzt von Baerbock zu distanzieren.

Klick aufs Bild führt zur Podcast-Page

Laut Insa-Umfrage hält der Abwärtstrend für die Grünen an, aktuell finden sie sich, gleichgestellt mit der SPD, bei 17 Prozent. Doch Neubaur zeigt sich kämpferisch:

Es ist auf alle Fälle viel zu früh, die Segel einzuholen und zu sagen: Ja, das war's wohl.

Der Klick aufs Bild führt Sie zum Video.
Herbert Diess © Anne Hufnagl

VW-Chef Herbert Diess hat gestern vor Investoren seine „New Auto“-Strategie präsentiert. Die bisher streng unter Verschluss gehaltene Konzernplanung reicht bis zum Jahr 2030 und damit fünf Jahre über den soeben verlängerten Vertrag des Vorstandsvorsitzenden hinaus. Die fünf wichtigsten Kernpunkte:

1. Die Elektromobilität im Hause Volkswagen wird beschleunigt ausgebaut, zumal das Kundeninteresse im ersten Halbjahr 2021 spürbar angezogen hat. Die Zielvorgabe des Chefs für die eigene Flotte:

Im Jahr 2030 wird es einen Gleichstand bei Elektroautos und Verbrennermodellen geben.

2. VW soll auch nach 2030 zum grünen Konzern umgebaut werden. Im Jahr 2040 werden die neuen Modelle kein CO2 mehr an die Atmosphäre abgeben, verspricht Diess. Die gesamte weltweite Produktion soll bis 2050 klimaneutral ablaufen.

3. VW will dabei den eigenen Wertschöpfungsanteil am Auto erhöhen und nicht durch weitere Komponenten von Zulieferfirmen senken. Eine eigene Batteriefertigung wird aufgebaut. Bis 2030 sollen allein in Europa sechs „Gigafactories“ entstehen. Kostenpunkt: 15 bis 20 Milliarden Euro.

4. Der Softwareanteil an den Fahrzeugen wird sukzessive erhöht. Volkswagen investiert dem Diess-Plan zufolge jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro in die Software-Tochter Cariad. Der Verkauf von Zusatz-Features an die Autofahrer soll später ein wichtiger Ertragstreiber werden.

5. Die Rentabilität der Fahrzeuge für den Hersteller will man trotz dieser doppelten Transformation – Elektrifizierung plus Digitalisierung – steigern und nicht absenken. Volkswagen hebt das langfristige Renditeziel bis 2025 von bisher sieben bis acht Prozent Gewinnmarge auf nunmehr acht bis neun Prozent an.

Fazit: Damit hat Diess die eigene Messlatte nochmals höher gelegt. Im Wolfsburger Chefbüro gilt das Motto aller Ehrgeizigen: Wer seine Ziele erreicht, hat sie zu niedrig angesetzt.

Peter Altmaier © dpa

Seit 2013 berät der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ das Wirtschaftsministerium des Peter Altmaier zu Themen rund um die Digitalisierung. In einem auf der Website des Ministeriums veröffentlichten Positionspapier forderten die Berater des Beirates die staatliche Regulierung der Medien:

Zur „Gewährleistung einer ausgewogenen Berichterstattung über Börsengänge“ schlugen sie vor:

  • Verpflichtung der Presse zur Berichterstattung auch über kleine IPOs

  • Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information

  • Verpflichtung von Internetforen zur Offenlegung von Klarnamen der Blogger, Einführung einer Haftung von Bloggern für Falschbehauptungen und Beleidigungen

Diese Forderungen sollten das „IPO und New-Economy-Bashing“ von Finanzredakteuren künftig verhindern. Schon ob es dieses Bashing gibt, muss bestritten werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuten einen eindeutigen Eingriff in die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit. Sie atmen den Geist der Illiberalität.

Das „Handelsblatt“ entdeckte das Positionspapier, welches bereits im April veröffentlicht wurde und löste mit dem Artikel Empörung aus. Auch der Minister fiel aus allen Wolken. Auf Twitter distanzierte er sich von dem Papier und seinem Verfasser:

Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, dessen Schutz wir verpflichtet sind. [...] Ich habe soeben die umgehende Entfernung des Positionspapiers angeordnet.

Schließlich übernahm der Mitautor Christoph Gerlinger von der German Startups Group die Verantwortung. Gestern bot er Altmaier seinen Rücktritt als Mitglied des Beirates an. Der Minister nahm dankend an.

Die Normalität kehrt zurück. Und das bedeutet, die PioneerOne ist wieder für ihre Leserinnen und Leser, Hörerinnen und Hörer geöffnet. Wir laden Sie herzlich zum politischen Sightseeing mit Alev Doğan am 27. Juli ein. Sie werden danach die deutsche Hauptstadt mit anderen, mit wacheren Augen sehen. Versprochen!

 © Anne HufnaglAlev Doğan © Anne Hufnagl
US-Notenbank Federal Reserve © dpa

In den Vereinigten Staaten beschleunigt sich die Geldentwertung. Mit einer Inflationsrate von 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat steigen die Verbraucherpreise erneut stärker als erwartet, wie das US-Arbeitsministerium gestern bekanntgab.

Auch die Kerninflation also ohne die besonders stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel – stieg um 4,5 Prozent. Damit gehen den Beschwichtigern die Argumente aus: Es handelt sich um den stärksten Anstieg der Kerninflation seit 30 Jahren.

Die Ursache dafür sehen die Experten in den gestiegenen Preisen für Gebrauchtwagen, sowie im Nachfrageschub nach Hotels, Bekleidung und Flugtickets im Zuge der wirtschaftlichen Erholung.

Weiterhin pumpt die US-Notenbank Federal Reserve 120 Milliarden Dollar monatlich in die amerikanische Wirtschaft und geht davon aus, dass der Inflationsanstieg ein vorübergehendes Phänomen bleibt. Dirk Chlench von der Landesbank Baden-Württemberg hegt eine andere Erwartung:

Die US-Notenbank wird durch die jüngsten Inflationszahlen unter heftigen Druck geraten, ihren ultra-expansiven Kurs zu beenden.

Eine Infografik mit dem Titel: Inflation: Sprunghafter Anstieg

Inflationsrate in den USA gegenüber Vorjahresmonat, von Juni 2020 bis Juni 2021, in Prozent

Was unterscheidet Mensch von Maschine?

Alev Doğan spricht mit Filmproduzentin Lisa Blumenberg

Podcast hören

Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

Podcast mit der Laufzeit von

Wolf Biermann © dpa

Im Wilhelm-von-Humboldt-Saal hat der mittlerweile 84-jährige Wolf Biermann gestern kistenweise Gedichte, Liedtexte und Reden aus den letzten Jahrzehnten schon mal vorsorglich an die Berliner Staatsbibliothek überreicht. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nimmt die kleine Feierstunde zum Anlass, dem von der DDR verfemten und schließlich ausgebürgerten Wolf Biermann einen Lorbeerkranz zu flechten:

Dieser 84-jährige Mann ist das Hellste, Frechste und Mutigste, was der deutschen Literatur in den vergangenen fünfzig Jahren widerfahren ist. Nicht das Feinste, überhaupt nicht. Auch nicht das Taktvollste, wovon unzählige öffentliche Fehden und der eine oder andere zurückgelassene Freund Zeugnis ablegen können.

Aber eben: mutig und frech im Angesicht eines Dings namens deutsche Geschichte, in die Biermann, der Dichter, Essayist und Balladensänger, vermutlich beherzter eingegriffen hat als irgendein anderer deutscher Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts. Einziger möglicher Konkurrent: Thomas Mann.

Dieser Huldigung ist nichts mehr hinzuzufügen. Außer vielleicht ein Liedtext von Wolf Biermann selbst, der uns in schwieriger Zeit Trost und Zuversicht spenden möge:

Wolf Biermann (1995) © imago

Du, lass dich nicht verhärten

In dieser harten Zeit.

Die allzu hart sind, brechen

Die allzu spitz sind, stechen

Und brechen ab sogleich

Und brechen ab sogleich.

Du, lass dich nicht erschrecken

In dieser Schreckenszeit.

Das woll'n sie doch bezwecken

Dass wir die Waffen strecken

Schon vor dem großen Streit

Schon vor dem großen Streit.

Du, lass dich nicht verbrauchen,

Gebrauche deine Zeit.

Du kannst nicht untertauchen

Du brauchst uns und wir brauchen

Grad deine Heiterkeit

Grad deine Heiterkeit.

Ich wünsche Ihnen einen optimistischen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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