sie nennen sich „Social Networks“ und benehmen sich in Wahrheit asozial, sind selbstsüchtig, heizen die Wut an, spalten bewusst die Gesellschaft, weil nur ein wütender Internetnutzer ein engagierter Internetnutzer sei. Das behauptet eine Kronzeugin namens Frances Haugen, die heute vor dem US-Kongress ihren Auftritt hat.
Ihr Ziel: Facebook und Instagram zu entlarven. Ihre Waffen sind interne Studien der Unternehmen und das eigene Erleben als ehemalige Beschäftigte.
Bei Facebook leitete Frances Haugen die Abteilung „Civic Integrity“, die sich um Beeinträchtigungen der gesellschaftlichen Stabilität kümmern sollte. Sie wurde kurz nach den Wahlen im vergangenen Jahr wieder aufgelöst. Die 37-jährige Datenwissenschaftlerin aus Iowa hat einen Abschluss in „Computer Engineering“ sowie einen MBA der Harvard Business School.
© Robert Fortunato/CBS News/60 Minutes via APZwei Jahre war sie als Produktmanagerin bei Facebook beschäftigt. Was sie dort erlebte, schockierte sie. In einem Beitrag des US-Magazins „60 Minutes“ gab sie sich nun zum ersten Mal der Öffentlichkeit zu erkennen. Sie sagte:
Was ich bei Facebook immer wieder beobachten konnte, war, dass es Interessenkonflikte gab zwischen dem, was gut für die Öffentlichkeit ist, und dem, was gut für Facebook ist. Und Facebook entschied sich immer dafür, seine eigenen Interessen zu optimieren, z. B. mehr Geld zu verdienen.
Facebook wählt solche Inhalte aus, die eine Reaktion hervorrufen. Dabei zeigt die eigene Forschung, dass es sich dabei überwiegend um solche Inhalte handelt, die hasserfüllt sind, die spalten, die polarisieren. Es ist einfacher, Menschen zu Wut zu inspirieren als zu anderen Emotionen.
Facebook hat die Folgen davon erkannt, was passiert, wenn sie den Algorithmus sicherer machen. Die Menschen verbringen weniger Zeit auf der Website, sie klicken auf weniger Anzeigen und Facebook verdient schlussendlich weniger Geld.
Für Haugen ist das Handeln von Facebook ein „Verrat an der Demokratie“.
Die neuen Vorwürfe vertiefen die Befürchtung vieler Eltern, Politiker und Verbraucherschützer, dass hier eine Firma auf Abwege geraten ist. Das Sündenregister von Facebook wird länger und länger:
Donald Trumps Wahlkampf stützte sich 2016 auf detaillierte Persönlichkeitsprofile von mehr als 87 Millionen Facebook-Nutzern. Cambridge Analytica verschaffte sich unrechtmäßig Zugang zu Einzelheiten des Privatlebens von potenziellen Wählern, um sie mit gezielten News und Fake-News auf die republikanische Seite zu befördern.
In ihrem Buch „Inside Facebook“ enthüllten die beiden „New York Times“-Kolleginnen Sheera Frenkel und Cecilia Kang Mitte Juli die skrupellosen Machenschaften des mächtigsten sozialen Netzwerks.
Das Werbegeschäft von Facebook basierte auf einer gefährlichen Rückkopplungsschleife: Je mehr Zeit die Nutzer auf der Seite verbrachten, desto mehr Daten griff Facebook ab.
Facebook-CEO Mark Zuckerberg preist seine Plattform als den Ort für Diskussionen zwischen einfachen Bürgern und politischen Eliten an. Doch wie Frances Haugen jetzt enthüllt, sind ausgewählte VIP-Accounts von vielen oder gleich allen Regeln ausgenommen. Wer zu diesem engen Kreis gehört, kann Material, einschließlich Belästigung und Aufstachelung zur Gewalt, das normalerweise zu Sanktionen führen würde, ungehindert verbreiten.
Eine Infografik mit dem Titel: Der moderne Zeitvertreib
Durchschnittliche tägliche Verweildauer von Erwachsenen in den USA 2021 auf ausgewählten sozialen Netzwerken, in Minuten
Die Firma weiß um die schädliche Wirkung der eigenen Webseiten. Eine der Studien, die Frances Haugen jetzt in die Öffentlichkeit beförderte, besagt:
Vergleiche auf Instagram können die Art und Weise verändern, wie junge Frauen sich selbst sehen und beschreiben.
Jedes dritte Teen-Mädchen fühle sich durch Instagram im eigenen Körper unwohler. Gleichzeitig sei es für jene, die die psychologischen Folgen spüren würden, umso schwieriger abzuschalten. Eine der Studien erklärte:
Die Jugendlichen sagten uns, dass sie die Zeit, die sie mit der App verbringen, nicht mögen, aber das Gefühl haben, dass sie präsent sein müssen.
Eine Infografik mit dem Titel: Instagram: Netzwerk der Jugend
Anteil der weiblichen Nutzer* von Instagram nach Altersgruppen weltweit im Jahr 2021, in Prozent
Eine Infografik mit dem Titel: Instagram: Die Jugend nimmt Schaden
Antworten auf die Frage: „Von den Dingen, die du im letzten Monat gefühlt hast, hat irgendetwas davon auf Instagram angefangen?“, in Prozent (Mehrfachnennung möglich)
Zuckerberg lächelt die Vorwürfe weg oder behauptet schlicht das Gegenteil: Im März dieses Jahres sagte er vor dem US-Kongress:
Die Forschung hat gezeigt, dass die Nutzung sozialer Apps, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann.
Eine Infografik mit dem Titel: Facebook mit schlechtem Ruf
Kursverlauf der Facebook-Aktie seit Juli 2021, in US-Dollar
Fazit: Der Fall Facebook erzählt die Geschichte eines Geschäftsmodells, das niedere Instinkte des Menschen erkennt, nährt und verstärkt. Das ist die schlechte Seite der Geschichte. Die gute: Die Börse goutiert das Böse zumindest nicht grenzenlos. Der Aktienkurs hat im vergangenen Monat rund 13,6 Prozent eingebüßt. Zuckerbergs Firma wurde um gute 140 Milliarden Dollar ärmer. Wut als Währung erfährt derzeit eine Abwertung.
Die CDU steckt in einer Krise, womöglich ist sie tiefer, als viele es wahrhaben wollen. Die Partei hatte nämlich erst ihren Kompass, dann die Kanzlerin und schließlich den Wahlkampf verloren. Die Reihenfolge ist wichtig, um die richtigen Schlussfolgerungen für den Neustart zu ziehen. Bisher hat die CDU immer nur die Personen, aber nie die Politik verändert. Vielleicht ist das der Schlüssel zum tieferen Verständnis des Misserfolgs.
Im Morning Briefing-Podcast spreche ich mit Prof. Andreas Rödder. Der Historiker ist seit 2005 Professor für Neueste Geschichte an der Universität Mainz. Er gehört dem Bundesvorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung an und hat im Frühjahr 2019 ein viel beachtetes Buch unter dem Titel „Konservativ 21.0“ vorgelegt. Er sagt:
Ich würde der Union raten, auf einen Neuanfang christdemokratischer Politik zu setzen und daraus eigenständige, unterscheidbare inhaltliche Positionen und Strategien zu entwickeln.
Über das Wesen des Konservativen und die notwendige Auseinandersetzung mit einer voranschreitenden Moderne sagt er:
Konservative verteidigen heute, was sie gestern bekämpft haben. Aber nicht alles, was sie gestern bekämpft haben, verteidigen sie heute. Und die Frage für Konservative ist immer: Wo muss ich sagen – ja, diesen Wandel akzeptiere ich. Und wo muss ich sagen – nein, den lehne ich ab. Das ist eine permanente Abwägung.
Die zentrale Frage der Konservativen formuliert er so:
Der große Kulturkampf, in dem wir stehen, ist doch folgender: Wollen wir die liberale, offene, bürgerliche Gesellschaft bewahren, die sagt: Ja, wir müssen immer wieder offen dafür sein, dass es Benachteiligungen gibt, und diese Benachteiligungen müssen wir überwinden. Oder sagen wir: Nein, diese bürgerliche, liberale Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die strukturell diskriminiert. Und deshalb müssen wir eine andere Gesellschaft schaffen, die durch Quoten repräsentiert wird und die im Grunde eine neue Welt erschafft.
Über das Verhältnis zwischen Funktionselite und Parteibasis in der Union sagt er:
Die Union hat dreimal mit der Funktionärslogik der Delegierten auf Parteitagen gehandelt und dreimal in dieser Logik Entscheidungen getroffen, die gegen die erkennbare Mehrheit der Partei gerichtet waren. Wenn das zu einem Dauerzustand wird, dann verliert diese Logik der Funktionäre und der Parteiführung ihre Akzeptanz.
Das Ziel sei nicht mit Personalrochaden, sondern nur mit gedanklicher Klarheit zu erreichen:
Die Union muss wieder eine intellektuell anregende, originelle, aufregende Partei sein.
Heute steht eine Sondierungsrunde an – zwischen der CDU und den Grünen.
Die Liberalen machten öffentlich klar, dass es mit der FDP in der Regierung weder Steuererhöhungen noch ein Lockern der Schuldenbremse geben werde. „Die FDP rückt von dieser Position auch nicht ab“, sagte Generalsekretär Volker Wissing im ZDF-Morgenmagazin.
Die SPD hofft indes auf baldige Dreiergespräche mit den Grünen und der FDP. „Unser Wunsch wäre, dass es dann zügig zu Dreiergesprächen kommt“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.
Der FDP-Politiker Johannes Vogel beschwerte sich auf Twitter und insinuierte, dass die CDU vertrauliche Informationen preisgab. Er schrieb:
Es gab vergangenes Wochenende drei Sondierungsgespräche, an denen ich für die @fdp auch teilgenommen habe. Aus zweien liest und hört man nix. Aus einem werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!
Der Wirecard-Skandal ist der größte Wirtschaftsbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber es ist auch eine Geschichte des Versagens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die seit 2009 regelmäßig dem Münchner Unternehmen ihr Testat verlieh.
Die interne Aufarbeitung bei EY, die der Chef der in Deutschland rund 200 Personen starken Forensik- und Compliance-Abteilung Stefan Heissner leisten sollte, ist nun offenbar auch gescheitert. Wie mein Kollege Michael Bröcker herausgefunden hat, verlässt der frühere Kriminalbeamte, der schon in den Korruptionsfällen von Ferrostaal, Deutsche Bank und Siemens ermittelte, mit rund 80 EY-Kollegen, darunter fünf Partnern, das Unternehmen und wechselt zum direkten Konkurrenten PwC. Der Grund: Den Aufklärungswillen in eigener Sache traut der Mann seinem bisherigen Arbeitgeber nicht mehr zu.
Die ganze Geschichte lesen Sie hier.
Obwohl Joe Biden im Wahlkampf 2020 eine Abkehr von Trumps radikaler Handelspolitik gegenüber China versprochen hatte, hält er nun in wesentlichen Punkten an ihr fest – zumindest vorerst. Laut Washington hält sich die Volksrepublik nicht an Zusagen aus einem ersten Teilabkommen, das die Führung in Peking Ende 2019 mit der Trump-Administration geschlossen hatte.
Dieses Abkommen verpflichtet China bis Ende 2021 für 200 Milliarden Dollar mehr Waren in den USA zu kaufen – darunter vor allem Öl und Gas (50 Milliarden Dollar), Industriegüter (80 Milliarden) und Agrar-Produkte (32 Milliarden). Aus diesem Grund bleiben die US-Zölle weiterhin bestehen. Auch Verhandlungen über ein angedachtes Phase-Zwei-Abkommen seien nun nicht geplant.
© dpaBereits gestern hatte eine führende US-Regierungsbeamtin des Weißen Hauses bekräftigt, dass die von Trump verhängten Sonderzölle vorerst in Kraft bleiben werden. Auf die Frage, ob in Zukunft zusätzliche Zölle eingeführt werden könnten, sagte sie:
Alle uns zur Verfügung stehenden Werkzeuge liegen auf dem Tisch.
Neu ist der Schulterschluss, den die Biden-Regierung mit ihren Verbündeten sucht: Insbesondere Europa ruft Washington dazu auf, künftig mit den USA an einem Strang zu ziehen.
Unsere Vorgängerregierung hat unsere Partner entfremdet, wir wollen eng mit ihnen zusammenarbeiten. Schließlich sind die USA nicht die Einzigen, die von China verletzt werden.
Der Krimi um den hochverschuldeten chinesischen Immobilienkonzern Evergrande könnte schon bald sein Finale feiern. Gemäß Presseberichten hat die Führung in Peking bereits die Lokalregierungen dazu aufgefordert, sich auf die ökonomischen und sozialen Folgen einer möglichen Pleite einzustellen.
Der Handel der Aktie in Hongkong wurde gestern gestoppt. Die Begründung: Es werde eine größere Transaktion angekündigt. Erst vergangene Woche trennte sich der Konzern von einer Bank-Beteiligung im Wert von 1,3 Milliarden Euro. Nun könnte Informationen der chinesischen, KP-nahen „Global Times“ zufolge der Abtritt von 51 Prozent der Immobilienmanagement-Tochter Evergrande Property Services Group für 4,4 Milliarden Euro an einen Wettbewerber folgen.
Eine Infografik mit dem Titel: Evergrande im Absturz
Kursverlauf der Aktie der China Evergrande Group seit Juli 2021, in Euro
Dass die Inflationsrate in Deutschland auf 4,1 Prozent geklettert ist, liegt auch an steigenden Energiepreisen. Doch die Organisation erdölexportierender Länder und ihre Verbündeten (Opec plus) haben sich bei ihrem gestrigen Treffen vorerst dagegen entschieden, dieser Verteuerung etwas entgegenzusetzen. Das Ölkartell einigte sich darauf, die Ölförderung weiter knappzuhalten.
Die Organisation bleibt bei ihrem Plan, die Förderung weiterhin jeden Monat um 400.000 Barrel (Fass zu 159 Liter) am Tag zu erhöhen. Am Montag verteuerte sich das Öl der Nordseesorte Brent um drei Prozent auf ein Drei-Jahreshoch von 82 Dollar je Barrel. Ein Fass des amerikanischen WTI-Öls stieg auf über 77 Dollar pro Fass.
Fazit: Die Opec liebt es, wenn die Preise steigen. Wir nennen es Inflation. Sie nennen es Profit.
Nach Maßgabe des Stifters Alfred Nobel soll der Friedensnobelpreis an denjenigen vergeben werden, „der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt“ und damit „im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht“ hat.
Nun könnte man durchaus argumentieren: Die stehenden Heere der Jahre 2020 und 2021 sehen aus wie Coronaviren, die wie marodierende Banden über den Globus ziehen. Und die Menschen, die an der Verminderung der Heere gearbeitet haben und definitiv im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen brachten, sehen aus wie Özlem Türeci und Uğur Şahin.
© Biontech/dpaDie beiden BioNTech-Gründer sind die Friedensengel des Jahres. Laut einer Datenanalyse des RKI haben Impfstoffe wie der von BioNTech alleine in Deutschland während der dritten Corona-Welle geschätzt 38.300 Todesfälle verhindert.
Derweil die Nobelpreisträger Barack Obama, der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed oder die Europäische Union vor allem der Symbolik dienten, hätten diese beiden Wissenschaftler den Preis redlich verdient. Wenn das Komitee die BioNTech-Gründer übergeht, ist das begründungspflichtig.
Das Nach-Corona-Leben beginnt zarte Blüten zu treiben. Robbie Williams will nach Deutschland kommen, um am 27. August 2022 in München das größte Konzert der Neuzeit zu veranstalten. Der Kartenvorverkauf beginnt am 7. Oktober.
Der Mann hat nicht nur Corona, sondern seine eigene Trunksucht und Tablettenabhängigkeit überlebt. So sehen im Popgeschäft Helden aus. Heute beherzigt Robbie Williams zumindest in Bezug auf Whiskey und Cognac die Abstandsregel.
„Hell is gone and heaven's here
There's nothing left for you to fear
Shake your arse come over here
Now scream
I'm a burning effigy
Of everything I used to be
You're my rock of empathy, my dear
So come on let me entertain you
Let me entertain you.“
© dpaIch wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste
Ihr