FDP-Chef patzt bei Frauenfrage

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Guten Morgen,

das Private ist politisch und das Politische ist privat.

So lautet ein alter Sponti-Spruch. Christian Lindner, elf Jahre nach der 68er Revolte geboren, zitiert diesen Satz nicht, aber er lebt ihn. Kaum ein Interview und neuerdings auch kein Parteitag, an dem er nicht Auskünfte über sich und sein Frauenbild abliefert.

Im gerade erschienenen Podcast-Interview mit Uli Wickert berichtet er über sein Morgenritual.

Der Wecker klingelt. Das allererste ist ein Griff zu meiner Lebenspartnerin.

Im selben Interview gibt er Auskunft über sein Balzverhalten in der Pubertät.

Ich war sehr übergewichtig. Sie werden gemobbt. Außerdem gibt es gewisse Wettbewerbsnachteile bei den Mädchen.

Linda Teuteberg © imago

Auf dem gerade zu Ende gegangenen Parteitag verabschiedete er die von ihm berufene und schließlich ausgewechselte Generalsekretärin Linda Teuteberg mit dem denkwürdigen Satz:

Ich denke gerne daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300 Mal den Tag zusammen begonnen haben. Ich spreche über unser tägliches morgendliches Telefonat zur politischen Lage, nicht was ihr jetzt denkt.

Eine Infografik mit dem Titel: Krachender Absturz

Bundestagswahlergebnis der FDP 2017 und aktueller Umfragewert im Vergleich, in Prozent

Die Sozialen Medien – und damit jene mediale Innovation, die Christian Lindner einst auf seinem Weg nach oben so wohlwollend begleitet hatte – schäumen und ätzen. In der Partei runzelt man die Stirn. Auch seine Freunde sind in Ratlosigkeit vereint. Das Gefühl, das den Parteichef begleitet, hat gewechselt, von Bewunderung zu Mitleid.

Eine Infografik mit dem Titel: Lindner enttäuscht

Unzufriedenheit der Befragten mit der Arbeit von Spitzenpolitikern, in Prozent

Fazit: Vor Jahren hatte ich über den jungen Aufsteiger Lindner geschrieben. Wenn er eine Aktie wäre, würde man in Erwartung großer Gewinne jetzt zügig nachkaufen. Heute Morgen würde ich vorsichtiger formulieren: Noch immer ist es zu früh, die Aktie in Gänze abzustoßen. Aber es ist an der Zeit, die Position signifikant zu reduzieren. Christian Lindner ist an der politischen Börse kein Bluechip mehr, eher eine spekulative Beimischung.

Lencke Wischhusen © dpa

Die Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft, Lencke Wischhusen, hatte sich unlängst im Morning Briefing Podcast für eine Doppelspitze ausgesprochen. Katja Suding findet das zumindest diskussionswürdig. In unserem Podcast-Format „Die Überstunde”, sagt die Hamburger FDP-Chefin und stellvertretende Bundesvorsitzende:

Der Vorsitzende wird sich nicht sperren, ganz im Gegenteil. Und dann sage ich nur: Männer und Frauen vor, die das machen möchten.

Wir lernen: Innerhalb der FDP-Führung haben die Rangordnungskämpfe begonnen.

Die Vorgänge um die Moskauer Geschäfte der Deutschen Bank sind kein Ruhmesblatt für das Geldhaus. Bei der gestern unter dem Namen „FinCEN-Files“ veröffentlichten Recherche handelt es sich um ein Datenleck des US-Finanzministeriums, das zeigt, wie Banken aus aller Welt zwischen den Jahren 2000 und 2017 Geschäfte mit hochriskanten Kunden abgewickelt haben und trotz strenger Regularien mutmaßliche Kriminelle als Kunden akzeptierten.

Das Projekt FinCEN wurde nach dem Financial Crimes Enforcement Network, kurz FinCEN, benannt, welches dem US-Finanzministerium untersteht. An dem internationalen Rechercheprojekt waren fast 90 Partner-Medien, darunter „Le Monde“, BBC, NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“, beteiligt. Auch die Deutsche Bank war diesen Recherchen zufolge an dubiosen Geldgeschäften von fragwürdigen Personen und Firmen beteiligt.

 © dpa
  • Eine russische Mafiagruppe und ein Helfer internationaler Terrorgruppen sollen riesige Millionenbeträge gewaschen haben.

  • Dafür haben sie die gesamte Infrastruktur von Deutschlands größter Bank intensiv genutzt. Die Sicherheitssysteme der Bank reagierten nicht oder zu spät.

Christian Sewing © dpa

Allerdings: Der Versuch der heutigen „Süddeutschen Zeitung“, diese länger zurückliegenden Ereignisse in Moskau zur Affäre von Vorstandschef Christian Sewing hochzuschreiben, sind zu durchsichtig, um im Aufsichtsrat des Instituts verfangen zu können. Sewing war zwar von Sommer 2013 bis Anfang 2015 Chef der Konzernrevision, aber die damals 600 Mitarbeiter umfassende Revision arbeitete nach fester Nomenklatur.

Demnach mussten „critical findings“ auftauchen, bevor eine Unterlage bei Sewing auf dem Chef-Schreibtisch landete. Das war bei den Moskau-Geschäften nicht der Fall. Sewing stand auf keinem Verteiler, worüber die Aufsichtsräte der Bank detailliert informiert wurden. Für sie enthält die Story der „SZ“ keine Neuigkeiten. Der Satz „Sewing in Erklärungsnot“ ist daher doppelt falsch: Sewing hat sich längst erklärt. Und für ihn herrscht keine Not.

 © dpa

Die Zahlen der Pandemie-Bekämpfer sind beunruhigend, nicht weil sie hoch sind, sondern weil sie steigen. Nachdem am Freitag München den kritischen Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner überschritten hat, übertrafen nun auch die nordrhein-westfälischen Städte Hamm und Remscheid die Vorwarnstufe.

Und auch in anderen Ländern schnellen die Zahlen in die Höhe:

  • Am Samstag bestätigte das dänische Gesundheitsinstitut 589 neue Infektionen – das ist der höchste Tageswert, seit das Virus Ende Februar erstmals im nördlichsten deutschen Nachbarland nachgewiesen worden war.

  • Die Behörden in Polen verzeichneten 1002 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden, wie das Gesundheitsministerium in Warschau mitteilte – ein neuer Rekordwert.

  • Auch Frankreich verzeichnet einen Rekord bei den Neuinfektionen: Binnen 24 Stunden kamen 13.498 Corona-Fälle hinzu, wie das Gesundheitsministerium bekannt gab. Während der ersten Welle im März lag der Höchstwert bei 7578 nachgewiesenen Infektionen innerhalb von 24 Stunden. Allerdings: Heute wird in allen Ländern deutlich mehr getestet.

Eine Infografik mit dem Titel: Die Welt im Griff der Pandemie

Covid-19-Todesfälle weltweit

Nicht nur Mediziner, auch Historiker befassen sich mit diesen Vorgängen. Einer von ihnen ist Professor Malte Thießen, der in einem Essay weit vor Ausbruch der Corona-Pandemie geschrieben hat:

Seuchen sind die sozialsten aller Krankheiten.

Im Morning Briefing Podcast erklärt er diese Aussage so:

Seuchen sind insofern ein größeres Problem als normale Krankheiten, weil sie nie nur den Einzelnen betreffen, sondern immer die gesamte Gesellschaft. Das heißt, der Einzelne ist nicht nur krank, sondern er ist potenziell eine Bedrohung für alle anderen. Das macht Seuchen zu einem sozialen Problem.

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Auch die Querdenker-Demos kann er historisch konturieren.

Das ist ein Phänomen, das wir historisch relativ lange zurückverfolgen können: Seuchen sind auch deswegen die sozialsten aller Krankheiten, weil es um ganz grundsätzliche Aushandlungen geht - zum Beispiel um die Beziehung von Individuum und Staat.

Die Autoprämie kommt nicht, dafür ein 500 Millionen Euro schwerer sogenannter Zukunftsfonds für die Zulieferindustrie. In einem internen Konzeptpapier einer Arbeitsgruppe aus Politik, Gewerkschaften und Autowirtschaft wird ein Transformationsfonds für kriselnde Unternehmen skizziert, der den Firmen auf dem Weg zu einem zukunftstauglichen Geschäftsmodell helfen soll. Investoren wird eine Rendite von 12 bis 15 Prozent pro Jahr versprochen, was angesichts der Staatsbürgschaft wie eine Lizenz zum Gelddrucken wirkt.

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 © dpa

Am Dienstag ist kollektive Tapferkeit gefragt: Dann nämlich sind Warnstreiks im Öffentlichen Dienst geplant. Da die zweite Runde der Tarifverhandlungen mit den öffentlichen Arbeitgebern ergebnislos blieb, wollen die Gewerkschaften den Druck erhöhen. Die Verhandlungen seien „sinnlos verplemperte Zeit“ gewesen, sagte Verdi-Chef Frank Werneke.

  • Die Arbeitsniederlegungen könnten Kitas und Pflegeeinrichtungen treffen.

Frank Werneke © imago
  • Die Gewerkschafter sind wütend, dass die Arbeitgeberseite kein Angebot für die Gehälter der 2,3 Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst vorgelegt hatte.

  • Verdi fordert 4,8 Prozent mehr Lohn – und eine Laufzeit von zwölf Monaten. Auf die Idee der öffentlichen Arbeitgeber, sich jetzt für viele Jahre festzulegen, mag sich die Gewerkschaft nicht einlassen.

Fazit: Angesichts der angespannten staatlichen Finanzen und der vielen freien Corona-Wochen im Öffentlichen Dienst – Schulen, Kindergärten und Meldeämtern waren de facto geschlossen – mutet die Forderung weltfremd an. Wenn die Marktwirtschaft nicht suspendiert werden soll, dann ist 2020 ein Jahr der Nullrunde – in allen Branchen.

Ruth Bader Ginsburg © dpa

Die oberste US-Bundesrichterin Ruth Bader Ginsburg war eine Ikone liberaler Rechtsprechung. Nun ist die 1993 von Bill Clinton nominierte Juristin an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Der letzte Wunsch der 87-Jährigen ging damit nicht in Erfüllung. Ihrer Enkelin Clara diktierte sie kurz vor ihrem Tod:

Es ist mein größter Wunsch, nicht ersetzt zu werden, bevor ein neuer Präsident im Amt ist.

US-Präsident Donald Trump will ihre Nachfolge so schnell wie möglich klären – und zwar noch vor der Wahl am 3. November. Dass es eine Frau werden soll, hatte Trump am Samstag bestätigt. Ginsburgs Tod bringt für Trump drei möglicherweise wahlentscheidende Vorteile, so der Washington-Korrespondent von ThePioneer, Peter Ross Range:

Erstens. Wenn Trump schnell eine Kandidatin nominiert, sieht es so aus, als wäre er 43 Tage vor der US-Wahl „in charge“ und keine „lame duck“. In Kombination mit dem jüngst unterzeichneten Nahost-Plan könnte Trump so seine Corona-Bilanz vergessen machen.

Zweitens. Durch die Nominierung einer Frau dürfte Trump zumindest versuchen, die Vorwürfe zu entkräften, dass er Frauen nicht wertschätzt.

Eine Infografik mit dem Titel: Gespaltener Supreme Court

US-Verfassungsrichter, aufgeteilt in politische Spektren

Drittens. Mit der Aussicht, die ideologische Ausrichtung des obersten US-Gerichts auf Jahrzehnte nach rechts zu verschieben, kann er eine seiner Kernwählergruppen, evangelikale Christen, an sich binden.

Das Fazit von Peter Ross Range:

Ein bereits unberechenbares politisches Jahr ist damit noch explosiver geworden.

Larry Fink © dpa

Blackrock-Chef Larry Fink geht davon aus, dass lediglich Zweidrittel der im Fondsgeschäft Beschäftigten langfristig wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren:

Ich glaube nicht, dass Blackrock jemals wieder eine Firma mit 100 Prozent Präsenzpflicht sein wird.

Gleichzeitig berichtet die „Financial Times“ darüber, dass die großen Investmentbanken an der Wall Street und in der Schweiz Experimente mit VR-Headsets machen. Diese Virtual-Reality-Geräte holen den eingebauten Bildschirm so nah ans Auge, dass man das Gefühl hat, unmittelbar in einer digitalen Welt zu sein. Die einzelnen Teams, so die Idee, sitzen wie früher im Handelssaal zusammen und kooperieren, jedoch ist dieser Arbeitsplatz ein virtueller geworden.

Christian Angermayer

Ein Deutscher reüssiert an der Nasdaq: Der in London lebende Investor Christian Angermayer, der als früher Impuls- und Geldgeber auch Media Pioneer unterstützt hat, feierte am vergangenen Freitag mit der Firma Compass Pathways einen mehr als beachtlichen ersten Handelstag. Das Besondere: Das Unternehmen will psychische Erkrankungen, zum Beispiel Depressionen oder Angstzustände, mit „Magic Mushrooms“, also psychedelischen Pilzen, behandeln. Diese galten lange als „Hippie-Droge“, im Jahr 1965 wurden sie in den USA aus politischen Gründen verboten. 55 Jahre später rücken die therapeutischen Effekte des Inhaltsstoffs Psilocybin neu und diesmal positiv konnotiert in den Vordergrund.

Compass Pathways setzt auf eine Therapie, bei der die Einnahme von Psilocybin mit einer Gesprächstherapie kombiniert wird. Vier bis sechs Stunden dauert eine solche Sitzung, durch die Einnahme des psychedelischen Stoffs sollen die Betroffenen angstbefreiter über ihre Anliegen sprechen. In der „Welt“ schreibt Arno Balzer:

Das traumhafte Kapitalmarktdebüt ist auch darauf zurückzuführen, dass Gesundheitsunternehmen aufgrund der Corona-Pandemie an der Börse zurzeit besonders gefragt sind.

Der Börsenstart in Zahlen:

  • Aufgrund der übergroßen Nachfrage (15-fache Überzeichnung) wurde sowohl das Volumen als auch der Preis der Aktie angehoben.

  • Die Preisspanne betrug eigentlich 14 bis 16 US-Dollar, die Aktien wurden dann für 17 Dollar ausgegeben.

  • Altaktionäre (wie beispielsweise Peter Thiel, die Apeiron Investment Group oder Moore Capital) haben nicht Kasse gemacht, sondern bleiben auch nach dem Börsenstart an Bord.

Eine Infografik mit dem Titel: Erfolgreicher erster Handelstag

Compass-Pathways-Aktienkurs bei Nasdaq-Start am 18. September, in US-Dollar

Die gute Nachricht: Auch deutsche Investoren können in der neuen Zeit vorne mitspielen. Die schlechte Nachricht: Sie tun es vor allem in Amerika.

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in die neue Woche. Es grüßt Sie auf das Herzlichste Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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