FDP: Lindners zweite Chance

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FDP-Chef Christian Lindner  © ThePioneer

Guten Morgen,

die FDP fliegt in allen Umfragen hoch. Sie hat AfD und Linkspartei hinter sich gelassen und würde nach jetzigem Stand auch das Bundestagswahlergebnis von 2017 um 2,3 Prozentpunkte übertreffen. Für diesen Höhenflug gibt es sieben handfeste Gründe.

Grund 1: Geschlossenheit. Die FDP wirkt seit Monaten wie eine Formation, die ihre Selbstbeschäftigung eingestellt hat. Die Erinnerungen an Lindners Eskapaden – Abbruch der Jamaika-Verhandlungen, unklare Haltung zur Kemmerich-Wahl in Thüringen, unschöne Trennung von der eigenen Generalsekretärin – und die darauf folgenden parteiinternen Verwerfungen, verblassen allmählich. Das Ergebnis: Die FDP-Basis grummelt nicht mehr. Sie schnurrt.

Der Handschlag: Thomas Kemmerich (FDP) und Björn Höcke (AfD, rechts)  © dpa

Grund 2: Regierungswilligkeit. Die FDP hat aus der leichtfertigen und für das Bürgertum unverständlichen Absage an den Eintritt in eine Jamaika-Koalition gelernt. Die Partei ist jetzt nicht nur bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Sie ist verrückt danach. Lindner wird (wie jeder Mensch) neue Fehler machen. Aber nicht den alten wiederholen.

Eine Infografik mit dem Titel: Anhaltender Aufwärtstrend

Bundestagswahlergebnis 2017 und Umfrageergebnisse der FDP, in Prozent

Grund 3: Teamfähigkeit. Das Lindner-Tief des Jahres 2020 haben andere Liberale zur Profilierung genutzt, sodass die Partei stärker als Team auftritt. Der stellvertretende Regierungschef von Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp, der neue Generalsekretär und ehemalige Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz, Volker Wissing, aber auch der neue Vize-Vorsitzende und ehemalige Chef der JuLis, Johannes Vogel, der Ordnungspolitiker Michael Theurer und der erfahrene Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff schoben sich ins Bild. Die FDP blieb von Männern dominiert, aber wurde politisch vielfältiger – und damit letztlich liberaler.

Alexander Graf Lambsdorff © dpa

Grund 4: Angst vor den Grünen. Die Furcht vor den Grünen, die sich anschicken, direkt von der Oppositionsbank in die Schatzkammern des Bürgertums durchzumarschieren, lässt viele Wähler frösteln. Die Vorstellung, dass neben eine christlich motivierte Umverteilungspolitik eine ökologisch begründete Verbotspolitik tritt, ist für viele Menschen in der Mitte der Gesellschaft eine gruselige. Die sogenannten Besserverdiener haben, um mit Peter Sloterdijk zu sprechen, das Gefühl, als wären schon heute „die Tüchtigen auf eine mysteriöse Weise strafbar“. Eine Stimme für die FDP scheint in dieser Situation ähnlich sinnvoll wie der Knoblauch in Transsilvanien, der Vampire nicht tötet, aber in Schach hält.

Eine Infografik mit dem Titel: Heterogene Bündnisse

Aktuelle Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl, in Prozent

Grund 5: Machtperspektive. Erstmals seit Langem darf der FDP-Sympathisant wieder das beglückende Gefühl haben: Seine Stimme zählt. Die Funktionspartei FDP ist subjektiv bereit, ihre Funktion zu erfüllen – siehe oben – und objektiv notwendig, damit in einem Sieben-Parteien-Parlament überhaupt eine bürgerliche Regierung zustande kommen kann. Das bedeutet: Für den FDP-Wähler ist die große Lostrommel der Demokratie diesmal ein Gefäß ohne Nieten.

Grund 6: Demonstrative Demut. Christian Lindner ist erkennbar bemüht, seine tief empfundenen Überlegenheitsgefühle zu domestizieren und seine moralischen Außenstände nicht weiter anwachsen zu lassen. Freund und Feind erleben einen Parteichef, den der zeitweise Liebesentzug von Medien, Familienunternehmern und FDP-Ikonen wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Gerhart Baum nicht zerstört, sondern erfrischt hat. Der Parteichef konnte sich als lernendes System beweisen und hat zwischen den Polen selbstbewusst und selbstherrlich ein neues Equilibrium gefunden.

Otto Graf Lambsdorff und Helmut Kohl (1983) © dpa

Grund 7: Der doppelte Laschet-Bonus. Die noch unklare Haltung des CDU-Chefs zu vielen der FDP-Kernthemen – Steuern, Staatsschulden, Bildung und Digitalisierung – treibt Unionswähler in Richtung der FDP. Einerseits. Andererseits passen der moderate CDU-Mann und der rund 18 Jahre jüngere Lindner gut zueinander. Beide haben die NRW-Koalition verhandelt, die von der inneren Sicherheit bis zur Wirtschaftspolitik vorzeigbare Resultate ausspuckt. Im besten Falle reift also hier ein politisches Tandem heran, das wie einst Brandt und Scheel, Kohl und Lambsdorff symbiotisch zum Wohle des Staates zusammenarbeitet.

Fazit: Die Sterne für den weiteren Aufstieg des Christian Lindner stehen gut. Jetzt darf er nur nicht wieder glauben, er sei der Mann im Mond, der die Lichter, die ihn so freundlich bescheinen, allesamt eigenhändig gesetzt hat.

FDP-Chef Christian Lindner © dpa
Rolf Buch © imago

Die Linkspartei veranstaltet im Fall der geplanten Fusion Vonovia/Deutsche Wohnen ein politisches Spektakel, das ähnlich wie beim Mietendeckel der juristischen Substanz entbehrt. Die geforderte Absage des Kartellamts ist unter den geltenden Bedingungen eines Kartellrechts in der Marktwirtschaft nicht zu rechtfertigen.

Die drei dafür entscheidenden Fakten:

1. Mit rund 550.000 Wohnungen im Besitz beider Konzerne, liegt der Marktanteil deutlich unter der typischen Grenze von 40 Prozent, um von einer Gefahr für den Wettbewerb auszugehen.

2. Vonovia-Chef Rolf Buch rechnet mit einem Marktanteil von zwei Prozent nach der Fusion.

3. Schon 2015 hatte die Bonner Behörde die Fusion der zwei größten deutschen Immobilienkonzerne abgesegnet. Der damalige Versuch scheiterte – aber an den Konzernen, nicht am Kartellamt.

Der Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, Rupprecht Podszun, kommt denn auch erwartungsgemäß zu dem Schluss, dass die Behörde keinerlei Handlungsspielraum besitzt:

Selbst bei enger Marktabgrenzung sind die kombinierten Anteile von Vonovia und Deutsche Wohnen zu gering, um Marktmacht im kartellrechtlichen Sinn zu begründen.

Fazit: Die Linkspartei muss sich entscheiden. Will sie nur die Schlagzeilen beeinflussen oder auch das Leben ihrer Wähler? Letztere wissen Politik von Propaganda und Pose zu unterscheiden. Die Umfrageergebnisse, die ein Ausscheiden der Linkspartei aus dem Bundestag nicht mehr ausschließen können, geben darauf einen Hinweis. Hier winkt nicht der einzelne Pfahl, hier winkt der Zaun.

Streit um die Teenager-Impfung

Die Ständige Impfkommission hadert vor dem heutigen Gipfel mit der Impfung für Jugendliche.

Briefing lesen

Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

Robert Habeck © dpa

Die Ostukraine wird seit 2014 von einem Kampf zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten beherrscht. Robert Habeck setzte sich während seiner Reise in die Ukraine nun für die Lieferungen von Defensivwaffen zur Selbstverteidigung der Ukraine ein. Begründung:

Die Ukraine kämpft hier nicht nur für sich selbst, sie verteidigt auch die Sicherheit Europas.

Die Kritiker einer maskulinen Außenpolitik fühlten sich provoziert. Vor allem die eigene Partei reagierte erschrocken. Ex-Parteichef Jürgen Trittin, der für die grüne Fraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages sitzt, sagte:

Waffenexporte in die Ukraine würden unserem Grundsatz widersprechen, dass wir keine Waffen in Kriegsgebiete exportieren.

Jürgen Trittin © dpa

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nutzt die Gelegenheit, um gegen den Ober-Grünen zu feuern:

Die Forderung, der Ukraine sogenannte Abwehrwaffen zu liefern, ist leichtfertig und unterstreicht erneut, wie wenig regierungsfähig und wie unaufrichtig die Grünen derzeit auftreten.

Angela Merkel mischte sich in distanzierender Absicht ebenfalls ein. Sie ließ Regierungssprecher Steffen Seibert verlautbaren:

Wir verfolgen eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik und erteilen im Hinblick auf die Ukraine keine Genehmigungen für Kriegswaffen.

Damit hatte so ziemlich jeder, der in der deutschen Innenpolitik Rang und Namen besitzt, den Ober-Grünen vorsätzlich missverstanden. Auch daran erkennt man: Das Wahljahr ist eröffnet. Und die Grünen als Frontrunner werden zwar von den Medien gestreichelt, aber von der politischen Konkurrenz gejagt.

Arne Schönbohm © imago

Der Bundeswahlleiter und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) rechnen im Vorfeld der Bundestagswahl mit dem erhöhten Einsatz von Kampagnen der Desinformation. BSI-Präsident Arne Schönbohm erklärt diese Einschätzung mit der zunehmenden Digitalisierung und der andauernden Corona-Pandemie, in der die Online-Kommunikation deutlich an Bedeutung gewonnen hat.

Laut BSI-Präsident ist „Deutschland als wirtschaftlich potenteste Macht in Europa attraktiv“ für einen Cyberangriff. Signale waren bereits Hackerangriffe auf Emmanuel Macrons Wahlkampfteam und die Manipulationsversuche bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. Auch Parteien und Bundestagskandidaten können Ziel solcher Hackerangriffe werden.

Fazit: Gefahr erkannt bedeutet noch nicht Gefahr gebannt.

Wie Trade Republic & Co. Deutschland vor dem Sparbuch retten

Im Interview: Judith Dada vom VC La Famiglia in der Female Founders-Edition bei Gesa Miczaika.

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Veröffentlicht in Tech Briefing Business Class Edition von Christoph KeeseLena Waltle.

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Ölförderung © dpa

Der Öl- und Erdgaskonzern Shell hat vor einem Gericht in Den Haag eine empfindliche Niederlage erlitten: Das Unternehmen muss seine CO2-Emissionen bis 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 senken. Damit verliert der britisch-niederländische Konzern überraschend deutlich einen großen Klima-Prozess gegen mehrere Umweltorganisationen und rund 17.000 Bürger, die den Konzern wegen Verstößen gegen die globalen Klimaziele verklagt hatten.

Shell hatte vor Gericht daran erinnert, dass es sich zum Klimaschutz verpflichtet habe. Doch das Gericht befand die beschlossenen Maßnahmen des Unternehmens als „wenig konkret und voller Vorbehalte“. Um zwei Prozent pro Jahr und damit maximal um 20 Prozent bis 2030 wollte Shell die Ölförderung drosseln. In den Augen der Kläger und der Richter zu wenig.

Eine Infografik mit dem Titel: Bei Shell läuft es nicht wie geschmiert

Marktkapitalisierung von Royal Dutch Shell 2018 und 2021 im Vergleich sowie der Wertverlust des Unternehmens, in Prozent

Das Urteil dürfte eine Signalwirkung für andere Ölkonzerne und womöglich auch für andere Branchen besitzen. Der Staat bewertet den Klimaschutz erkennbar höher als das freie Spiel von Angebot und Nachfrage. Legislative, Exekutive und nun auch Judikative erzwingen die Dekarbonisierung der westlichen Volkswirtschaften.

Fazit: Die Vorstände können das beklagen, aber nicht ignorieren. Die Geschäftsmodelle der großen Firmen müssen heute nicht mehr nur den Investoren und dem Aufsichtsrat vorgelegt werden, sondern auch der Gesellschaft als Ganzes. Die unbequeme Wahrheit für die Großkonzerne ist diese: Sie sind grün oder gar nicht.

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„Reset“ des Immunsystems nach einem Jahr Corona-Pandemie

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Veröffentlicht in Der 8. Tag von Alev Doğan.

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Sean Connery als James Bond © dpa

Die Filmproduktionsfirma Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), die in ihrem Archiv Klassiker wie „James Bond“, „Ben Hur“ und „Der rosarote Panther“ führt, gehört bald Amazon. Denn der weltweit größte Onlinehändler wird MGM für 8,45 Milliarden Dollar übernehmen. Damit wächst Amazons Portfolio um rund 4000 Filme. Die Ambition ist deutlich: Amazon will im boomenden Geschäft mit dem Streaming von Filmen und Serien eine noch größere Rolle spielen.

Der Kauf des Filmstudios ist die zweitteuerste Übernahme in der Amazon-Geschichte. Nur der Erwerb der US-Lebensmittelmarktkette Whole Foods im Jahr 2017 für 13,7 Milliarden Dollar war noch kostspieliger.

Martin Richenhagen © imago

Martin Richenhagen stammt aus Köln, hat Theologie, Philosophie und Romanistik studiert und arbeitete in Nordrhein-Westfalen als Religionslehrer. Dann allerdings zog es ihn in die Wirtschaft – und in die USA. Von 2004 bis 2020 war er Vorstandsvorsitzender des amerikanischen Industrieunternehmens AGCO, dem weltweit drittgrößten Landmaschinenhersteller.

In all den Jahren hat der Manager das Land von Innen kennengelernt: seine Präsidenten, seine Gründer und die wachsende Polarisierung der Gesellschaft auch. In seiner Autobiografie „Der Amerika-Flüsterer“ beschreibt der eben erst in den Ruhestand gewechselte Manager, der trotzdem in den Südstaaten der USA wohnen bleiben wird, seine Erfahrungen. Auch die mit Donald Trump, dem namhafte deutsche Wirtschaftsgrößen „schon sehr in den Hintern gekrochen“ seien.

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Richenhagen spricht Klartext:

Trump hat von Wirtschaft eigentlich gar keine Ahnung. Er ist ein Gossenkerl aus New York. Ein reiches Bürschlein. Es wäre gut gewesen, wenn er in der Schule mal eins auf die Nase bekommen hätte.

Joe Biden dagegen traut er eine effektivere Führung der größten Volkswirtschaft der Welt zu:

Das ist ein weißer, alter Mann, der aber das Verständnis hat und die richtige Einstellung. Der ist eher dazu in der Lage, das Land zusammenzuführen.

Auch über das Silicon Valley und die deutschen Modernisierungsdefizite haben wir gesprochen. Richenhagen knöpft sich nicht nur die deutsche Bürokratie und die oft mittel-prächtigen hiesigen Universitäten vor, sondern auch die Existenzgründer selbst:

Wir sind zu vorsichtig. Wir wollen keine Risiken eingehen.

Fazit: Martin Richenhagen spricht Deutsch, Amerikanisch und Klartext. Prädikat: erfrischend.

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den Tag. Bleiben Sie mir gewogen. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
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