FDP wehrt sich gegen Bastardökonomie

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Guten Morgen,

es gibt Koalitionen und Bündnisse, die wurden offiziell nie geschmiedet. Sie besitzen keinen Ort, kein Manifest und kein Gesicht, das in den Sendungen von Anne Will oder Sandra Maischberger vorzeigbar wäre. Und dennoch sind sie reißfester und inniger als alles, was einen Ort, ein Manifest und ein Gesicht besitzt.

Die Rede ist von der Dreiecksbeziehung zwischen Geldhäusern, Staat und Notenbanken, die ich in einem meiner Bücher als „Bastardökonomie“ bezeichnet habe. Bastard deshalb, weil sich hier drei Organismen gepaart haben, die nach den Regeln der marktwirtschaftlichen Biologie die Artengrenzen niemals hätten überspringen dürfen.

Der Philosoph Peter Sloterdijk greift den Begriff in seinem Buch „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ auf und definiert ihn derart präzise, dass dem nichts hinzuzufügen ist:

„Bastardökonomie bezeichnet die zutiefst illegitime, von den Akteuren regelmäßig geleugnete, sachlich jedoch evidente Komplizenschaft zwischen Regierung, Notenbankgouverneuren und Hochfinanz, die kein anderes Ziel verfolgt, als den erreichten Grad an Unhaltbarkeit durch den Übergang zu einem noch höheren Grad derselben Verlegenheit zu „stabilisieren“. Der Bastard ist in diesem Fall der circulus vitiosus, der aus der pervers-intimen Beziehung eines enthemmten Staatsausgabensystems mit einem aus den Fugen geratenen Bankensystem entsprang.“

Dieser Bastard hat – und deshalb kommen wir heute Morgen auf ihn zu sprechen – nun den Schleier gelüftet und sich in der Stunde seiner gefühlten Bedrohung in die öffentliche Debatte eingemischt. Er sieht plötzlich aus wie Elliot Hentov vom Vermögensverwalter State Street und wie Martin Lück, Kapitalmarktstratege von BlackRock. Beide warnen im „Handelsblatt“ vor einer Regierungsbeteiligung der FDP, weil durch eine solide Finanzpolitik – Schwarze Null, Schuldenrückbau, keine weitere Kapitalaufnahme durch die Schuldenfonds der EU – das Blut in den Bahnen der Bastardökonomie ohne neue Maßnahmen der Geldverdünnung verklumpen würde:

Die Investoren fühlen sich sicherer, wenn mehr gemeinsame Schulden gemacht werden, weil das den Zusammenhalt der Euro-Zone stärkt.

sagt Elliot Hentov. Der Mann von BlackRock fügt hinzu:

Die FDP dürfte stark auf einen ausgeglichenen Bundeshaushalt achten, die sogenannte ‚Schwarze Null‛. Eine konservative fiskalpolitische Haltung könnte zu Spannungen innerhalb der EU führen.

Christian Lindner © dpa

Fazit: Die expansive Geldpolitik, die nach dem Zusammenbruch des Bankhauses Lehman Brothers und dem davon ausgelösten Weltfinanzbeben ihre Berechtigung besaß, ist zur Bedrohung für unseren Wohlstand geworden. Die Bastardökonomie geriet durch die immer neuen Schulden von EU und EZB nicht ins Grübeln, sondern in Ekstase. Ihr wachsen immer neue Köpfe. Einer muss jetzt den Drachentöter spielen.

Oder anders ausgedrückt: Die Warnungen der Finanzinvestoren sind für die FDP keine Warnungen, sondern ein Empfehlungsschreiben.

Christian Lindner, Annalena Baerbock, Olaf Scholz © dpa
Mark Zuckerberg © dpa

Der Versuch der US-Regierung, vor Gericht die Zerschlagung von Facebook zu erreichen, ist heute Nacht spektakulär gescheitert. Ein Richter in Washington wies die Klage der US-Handelsbehörde FTC ab.

Die hatte Facebook in einer noch von Trump initiierten Klage unfairen Wettbewerb vorgeworfen und wollte die Abspaltung von Instagram und WhatsApp erreichen. Facebook kaufte Instagram 2012 für rund eine Milliarde Dollar und WhatsApp 2014 für rund 22 Milliarden Dollar. Damals allerdings wurden beide Deals von den Behörden genehmigt.

Facebook habe die Foto-Plattform und den Chatdienst gekauft, um seine Dominanz vor den Rivalen zu schützen, so das Argument der FTC. 40 Bundesstaaten reichen ebenfalls eine Klage ein, die mit denselben Argumenten dasselbe Ziel verfolgt.

Die Richter sahen den Nachweis für verbraucherschädigendes Verhalten nicht gegeben. Mark Zuckerberg konnte innerhalb weniger Stunden den Triumph in bares Geld verwandeln. Facebook ist seit heute Nacht mehr als eine Billion Dollar wert.

Facebook Chart  © Yahoo Finance
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Die beiden Professoren Lars Feld und Justus Haucap gehören zu den führenden Ökonomen der Bundesrepublik. Prof. Feld – bis vor kurzem Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – und Prof. Haucap, der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission, analysieren diese Woche wieder gemeinsam Themen aus Wirtschaft, Politik und Finanzen exklusiv bei ThePioneer.

In der neuen Ausgabe von Feld&Haucap – Das Ökonomie-Briefing – diskutieren die beiden unter anderem über die Bedeutung der weltweiten Impfstoff-Patente – und die Möglichkeit ihrer Freigabe. Justus Haucap, Professor für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, lobt Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihr Beharren, die ärmeren Länder direkt zu beliefern, anstatt die Patente freizugeben:

„Wie gar nicht so selten hat Frau Merkel auch hier recht. Der Vorstoß scheint mir ein sehr populistischer Akt der US-Regierung zu sein. Es sieht vordergründig so aus, als wäre es ein menschlicher Akt: Man gibt die Patente frei und ruckzuck geht es los mit der weltweiten Impfstoffproduktion. Dem ist natürlich nicht so.“

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Der Ökonom nennt dafür konkrete Gründe:

Die Produktionsprozesse gerade der mRNA-Impfstoffe sind kompliziert. Dass sie ohne die Hilfe von Moderna oder BioNTech an anderer Stelle gestartet werden können, ist eine naive Vorstellung.

BioNTech und andere haben selbst ein großes Interesse, die Impfstoffproduktion auszudehnen. Wenn man die Produzenten zum Teil enteignet, haben diese nichts davon, weitere Produktionsstätten aufzubauen.

Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, wirft der amerikanischen Initiative zur Freigabe der Patente Scheinheiligkeit vor:

Die Lizenzen liegen hauptsächlich in Europa und kaum in den USA. Da kann Joe Biden sehr gut vorpreschen und deren Freigabe fordern.

Ich finde das ehrlich gesagt ziemlich unverschämt. Auf Kosten der Wettbewerber in Europa werden Vorschläge gemacht, um sich als Gutmensch in der ganzen Welt etablieren zu wollen.

Gesprochen haben die zwei Ökonomen, die sich bereits aus der Studentenzeit kennen, außerdem über den EU-Wiederaufbaufonds, sowie die drohende Inflationsgefahr. Prädikat: erhellend.

Josy Müller © Anne Hufnagl

Journalistisch betreut und moderiert wird das Gespräch von unserer Redakteurin Josy Müller. Sie haben Kritik, Lob oder gern auch Themenvorschläge für Feld und Haucap? Dann scheuen Sie sich nicht, Josy anzuschreiben: wirtschaft@mediapioneer.com

Andreas Mundt © dpa

Das Bundeskartellamt erhebt keinen Widerspruch gegen die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen. Der Bochumer Dax-Konzern Vonovia möchte Deutsche Wohnen für 18 Milliarden Euro kaufen und somit Europas größten Immobilienkonzern mit mehr als 500.000 Wohnungen bilden. Das im Mai öffentlich gemachte Übernahmeangebot wurde von Deutsche Wohnen unterstützt.

Anfang Juni hatte Vonovia den Deal dem Kartellamt vorgelegt. Nun wurde entschieden: Trotz der Größe der fusionierenden Unternehmen ist keine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu erwarten. Grund dafür: Nur in den Städten Berlin, Dresden, Mainz, Wiesbaden und Puchheim überschreiten die gemeinsamen Marktanteile die Zehn-Prozent-Marke. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, erklärte:

„Auf den relevanten Märkten sind neben zahlreichen Privatvermietern zumeist auch kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsbaugenossenschaften sowie weitere gewerbliche Anbieter vertreten, die den Verhaltensspielraum von Vonovia weiterhin begrenzen.“

Die Gegner der Fusion bestreiten das. Der neue Konzern steht daher unter Beobachtung. Auch für ihn gilt: Eigentum verpflichtet.

Eine Infografik mit dem Titel: Deutsche Wohnen profitiert

Kursverlauf der Aktien von Vonovia und Deutsche Wohnen seit dem 3. Mai 2021, indexiert in Prozent

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So oder so: Bezahlbares Wohnen bleibt ein großes Thema für den kommenden Bundestagswahlkampf.

Am kommenden Mittwoch beschäftigt sich noch einmal das aktuelle Bundeskabinett mit dem Thema. Innenminister Horst Seehofer legt einen Bericht zum Wohnungsbau vor. Mein Kollege Rasmus Buchsteiner konnte ihn bereits vorab einsehen. Die Ergebnisse sind durchaus ermutigend – der galoppierende Anstieg der Mieten scheint gestoppt.

Dies liegt vor allem an zwei Faktoren:

  • Die Zahl der Baugenehmigungen hat sich erhöht: Sie stieg im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent gegenüber 2019.

  • Die Zahl der Fertigstellungen ist gestiegen: Die Regierung geht davon aus, dass im vergangenen Jahr rund 300.000 Wohnungen fertiggebaut wurden – auch das eine Steigerung gegenüber den Vorjahren.

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Bauen wirkt

Ist es die Trendwende? Ein Bericht belegt: Die Mieten steigen nicht mehr so stark wie zuletzt.

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Veröffentlicht in Hauptstadt – Das Briefing von Michael Bröcker Gordon Repinski .

Briefing

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Autoproduktion © dpa

Laut einem Beschäftigungsbarometer des Ifo-Instituts ist die Nachfrage nach Mitarbeitern in diesem Monat so hoch wie seit Beginn des Lockdowns im April 2020 nicht mehr. Nach diesem durch die Pandemie bedingten Einbruch kam es zu einem kontinuierlichen Anstieg – nun wurde ein Höchstwert erreicht.

Die erhöhte Nachfrage macht sich vor allem im Maschinenbau, der Elektroindustrie und im Baugewerbe bemerkbar. Seit April gibt es mehr Firmen im verarbeitenden Gewerbe die neue Mitarbeiter suchen, als solche, die Personal abbauen möchten. Politisch nutzt eine gute Konjunktur, noch dazu, wenn sie mit Beschäftigungsaufbau verbunden ist, am ehesten den Regierungsparteien. Für die Oppositionsparteien ist diese positive Entwicklung am Arbeitsmarkt der Horror.

Nikki Haley © imago

Wer geglaubt hat, dass die Republikaner nach der verlorenen Wahl 2020 nun erstmal ihre Wunden lecken würden, der hat sich getäuscht. Statt Resignation zeigen sie Kampfgeist. Bekannte Gesichter der Trump-Administration, wie Nikki Haley oder Mike Pompeo, bereiten sich auf eine Kandidatur für die Wahl 2024 vor.

Besonders im Fokus steht der Bundesstaat Iowa, wo traditionell die ersten Vorwahlen stattfinden. Eine Feuerprobe für ambitionierte Republikaner, denn wer es schafft, die Mitglieder der Partei in Iowa zu überzeugen, kann sich sehr gute Chancen auf die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten ausrechnen. Fast 50 Prozent der republikanischen Präsidentschaftskandidaten gewannen auch die Vorwahlen in Iowa. Neben Haley und Pompeo war in diesem Jahr auch der ehemalige Gouverneur von Florida und jetzige Senator Rick Scott dort, um Kriegsveteranen zu treffen, Spenden zu sammeln und schmissige Reden zu halten.

Fazit: Die Republikaner sehnen sich nach Revanche. Und sie beherzigen den Rat von Terry Branstad, der gegenüber „Politico“ sagte: „What I tell any candidate, of either party: Come early, come often, get to know the people of Iowa“. Branstad kennt die Gewohnheiten seiner Wähler: Er hat sechs Amtszeiten als Gouverneur von Iowa absolviert.

Reinhard Mohn (1957) © dpa

Heute vor hundert Jahren wurde Reinhard Mohn geboren. Er war nicht der Bertelsmann-Gründer, aber er war derjenige, der den Verlag zu einem Medienkonzern mit internationaler Bedeutung ausbaute.

Mit 26 Jahren übernahm Mohn, der ursprünglich Pilot werden wollte, die Leitung bei Bertelsmann. Zwei Jahre später, 1950, gründete er den Bertelsmann Lesering, später Buchklub, der den Abonnenten für günstiges Geld regelmäßig Bücher und eine Zeitschrift mit Leseempfehlungen zuschickte. Diese Erfindung war die Grundlage für das schnelle Wachstum des Unternehmens.

Bekannt ist unter dem Namen Bertelsmann nicht nur der Konzern, sondern auch die Stiftung, die Mohn 1977 gründete und welche sich den „Aufbau einer zukunftsfähigen Gesellschaft“ auf die Fahne geschrieben hat.

Bertelsmann setzt seit Mohn auf eine mediale Bandbreite im Unternehmensportfolio: Von TV (RTL) und Zeitschriften (Gruner + Jahr), über Musik (BMG) bis zu Dienstleistung (Arvato) und Fonds (Bertelsmann Investments) reichen heute die Unternehmensbereiche.

Der Unternehmenschef 1984 © imago

Mohn ging neue Wege in der Unternehmenskultur; er setzte früher als andere auf Dezentralität und Eigenverantwortung. Der Historiker Joachim Scholtyseck, der das Buch „Reinhard Mohn: Ein Jahrhundertunternehmer“ schrieb, sieht die Besonderheit Mohns darin, dass er „die Idee der Delegation von Verantwortung“ in eine patriarchalische Unternehmenskultur einbrachte.

Mein früherer Spiegel-Kollege, der heutige Mit-Herausgeber des „Handelsblatts“, Hans-Jürgen Jakobs, der sich ebenfalls intensiv mit Mohns Biografie beschäftigt hat, konstatiert allerdings, dass der Patriarch trotz aller propagierten Dezentralität am Ende stets die Kontrolle behielt. In seinem Buch „Augstein, Springer & Co.“ zitiert Jacobs Mohn mit folgendem Satz:

Die Hauptversammlung bin ich.

Reinhard Mohn hat denn auch kein allzu großes Geheimnis daraus gemacht, bei wem das letzte Wort lag:

Wo Bertelsmann herrscht, herrscht Familie.

Wir gratulieren aufrichtig, nicht mehr dem Verstorbenen, wohl aber der Frau und den Kindern, die das Erbe von Reinhard Mohn lebendig halten.

Liz und Christopher Mohn © dpa

Ich wünsche Ihnen einen vergnüglichen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste

Ihr

Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Herausgeber The Pioneer

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