die Finanzmärkte tragen Trauer – und das liegt nicht an Putin und nicht an Greta Thunberg; selbst Corona ist gänzlich unschuldig. Die Investoren an den Finanzmärkten leiden, weil der Mann im Weißen Haus einen verdeckten Krieg gegen sie führt. Zumindest empfinden sie das so.
So wie Putin den Gashahn auf- und wieder zudrehen kann, so kann der amerikanische Präsident am Geldhahn spielen. Seine Munition heißt Dollar und die Notenbank ist seine Munitionsfabrik. Solange diese die internationalen Märkte mit immer neuer Liquidität versorgte, schossen die Kurse nach oben. Da die EZB mitzog, sausten auch die europäischen Finanzmärkte in Richtung Rooftop-Bar.
Nun also die Kehrtwende. Dazu muss man wissen: Die Federal Reserve Bank wurde – anders als die Europäische Zentralbank – mit einem sogenannten Doppelmandat ausgestattet. Das bedeutet, FED-Chef Jerome Powell muss sich um die Geldwertstabilität kümmern, einerseits. Und andererseits hat er die Pflicht und Schuldigkeit, die wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele der Regierung – insbesondere das Ziel der Vollbeschäftigung – zu unterstützen. Er ist damit Joe Bidens wichtigster Mann.
Und weil der US-Präsident derzeit mit einer siebenprozentigen Geldentwertung konfrontiert ist, sind die Dinge ins Rutschen geraten. Die einfachen Amerikaner leiden und das demokratische Wählerreservoir schmilzt. Und je mehr es schmilzt, desto wilder machen Biden und Powell Jagd auf die Liquidität. In ihrer Absicht, die Inflation zu verlangsamen, soll der Geldhahn nach Jahren exzessiver Geldflutung wieder zugedreht werden.
Drei bis vier Zinserhöhungen innerhalb dieses Jahres wurden in Aussicht gestellt, womit sich das Anlagegeld der Investoren verteuert.
Mindestens eine weitere Zinserhöhung wird von den großen Spielern erwartet.
Zugleich hat die Notenbank damit begonnen, ihre Anleihekäufe, die seit Jahren fester Bestandteil ihrer Geldschöpfungspolitik waren, zurückzufahren – in Richtung null.
Und als wäre das nicht schon genug, gibt es auch noch die Überlegung, die bislang gekauften Anleihen, die sich derzeit im Besitz der Notenbank befinden, wieder auf den Markt zu werfen. Nach Jahren der Geldschöpfung, von den Experten „quantitative easing“ genannt, würde also die Geldverknappung, dass „quantitative tightening”, praktiziert. Auf das Zuckerbrot folgt die Peitsche.
Die Heftigkeit mit der Biden und Powell diese Kurskorrektur herbeiführen möchten, hat die Märkte verschreckt. Wie der Melker mit den kalten Händen griffen die beiden der Kuh ans Euter, woraufhin diese ihre Milchproduktion einstellte. Die Kurse aller relevanten amerikanischen Börsen sind in den vergangenen Wochen dramatisch eingebrochen:
Die NASDAQ verlor im Januar 15 Prozent ihres Wertes und damit ein Geldvolumen von 2,9 Billionen Dollar.
Eine Infografik mit dem Titel: NASDAQ: Der Absturz
Aktienkurs des NASDAQ-Index
Einstige Stars wie Tesla gingen regelrecht in die Knie, minus 18 Prozent übersetzen sich in einen Börsenwertverlust von fast 300 Milliarden Dollar seit Jahresanfang.
Eine Infografik mit dem Titel: S&P 500: Die Talfahrt
Aktienkurs des S&P 500-Index
Fonds wie der von Cathie Wood, die auf ihre Wachstumswerte gesetzt hatte, sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Der „Innovation ETF“ – Woods Flaggschiff – verlor über 30 Prozent seit Jahresbeginn.
Der Chef der Researchabteilung des Banken unabhängigen Analysehauses DJG Kapital AG Stefan Breintner sagt:
Wir sehen eine liquiditätsbedingte Korrektur. Die Angst des Marktes gründet darauf, dass die Notenbankbilanz noch stärker verkürzt werden könnte als gedacht.
Doch an den großen Börsencrash glauben die meisten Investoren nicht. Und auch das liegt wieder an Joe Biden und dem Doppelmandat der Fed. Die Politisierung der US-Geldpolitik macht es leichter, auch wieder den Rückzug vom Rückzug anzutreten. Sobald die negativen Wirkungen der Liquiditätsverknappung auf die Wähler durchschlagen, die nicht nur unter der Inflation, sondern nun auch unter dem Absturz ihrer Vermögenswerte leiden, ist Besserung in Sicht.
Eine Infografik mit dem Titel: Dow Jones: Starke Verluste
Aktienkurs des Dow Jones-Index
Fazit: An der Börse ist seit jeher alles denkbar, und damit auch das Gegenteil. Aktionäre sollten sich angesichts der politischen Achterbahnfahrt nicht gruseln, sondern entspannen. Eugene Ionesco, ein wichtiger Vertreter des absurden Theaters, wusste warum:
Wer sich an das Absurde gewöhnt hat, findet sich in unserer Zeit bestens zurecht.
Das militärische Wettdrohen in Osteuropa geht unvermindert weiter. Die Entwicklungen der letzten 24 Stunden im Einzelnen:
Die Nato verstärkt ihre Militärpräsenz in Osteuropa. Demnach wollen Bündnisstaaten wie Dänemark, Spanien und die Niederlande zusätzliche Kampfflugzeuge und Marineschiffe in die Ostsee und osteuropäische Länder wie Litauen, Rumänien und Bulgarien entsenden.
Die USA und Frankreich erwägen dies ebenfalls zu tun. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich erfreut über die Ankündigung:
Ich begrüße es, dass die Verbündeten zusätzliche Kräfte zur Nato beisteuern.
Bereits in der Nacht zum Montag hatben die USA ihre Botschaftspräsenz in Kiew verringert. Familienangehörige von Diplomaten wurden aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. Das Außenministerium der USA sprach von einer freiwilligen Ausreise nicht unmittelbar benötigter Beschäftigter.
Auch Großbritannien zieht Mitarbeiter aus seiner Botschaft in Kiew ab.
Die australische Regierung hat gleich alle Staatsbürger aufgefordert, umgehend die Ukraine zu verlassen. Die Reisewarnung für das Land wurde am Montag „wegen der Gefahr eines bewaffneten Konflikts" auf die höchste Stufe „Do not travel" heraufgesetzt.
Die Europäische Union sieht hingegen derzeit keinen Grund dafür, Botschaftspersonal und Familienangehörige von Diplomaten zur Ausreise aus der Ukraine aufzufordern. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte gestern am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel.
© ImagoIch denke nicht, dass wir dramatisieren müssen.
Die USA haben etwa 8.500 Soldaten für einen möglichen Nato-Einsatz wegen der Spannungen in Alarmbereitschaft gesetzt.
Vertreter von Russland und der Ukraine wollen sich am Mittwoch zu Gesprächen in Paris treffen. Gemeinsam mit Frankreich und Deutschland soll eine Zusammenkunft auf Beraterebene im sogenannten Normandie-Format stattfinden.
Wenn schon Kriegsspiele, dann aber richtig: Moskau hat mit einem Marinemanöver in der Irischen See begonnen, wie die Nachrichtenagentur RIA berichtet. 20 Kriegsschiffe der russischen Ostsee-Flotte seien dafür in See gestochen. Doch trotz des militärischen Getöses gilt noch immer das Diktum des Winston Churchill:
Besser einander beschimpfen als einander beschießen.
Wie aber schaut die Zivilbevölkerung der ukrainischen Hauptstadt auf das aggressive Treiben von Politikern und Militärs? Im Morning Briefing Podcast spreche ich darüber mit Denis Trubetskoy, der als freier Journalist in Kiew lebt und arbeitet. Ursprünglich stammt er aus Sewastopol, der größten Stadt auf der Krim. Diese befindet sich seit Ende Februar 2014 in russischer Hand. Die Atmosphäre dort beschreibt er so:
Die aktuelle Lage ist für die jüngeren Menschen kompliziert, weil die Halbinsel von der „normalen Welt” quasi abgeschlossen ist.
Ein Teil der Ukrainer ist russischer Abstammung, weshalb sich die Frage stellt, ob sie Russland gegenüber möglicherweise freundschaftlich gesonnen sind. Doch das bestreitet er.
Im Fall einer russischen Intervention rechnet er seitens der Zivilbevölkerung weder mit Apathie noch mit Jubel, sondern mit Gegenwehr. Die Mehrheit der Ukrainer, sagt er, würde derzeit die Mitgliedschaft in der NATO befürworten.
Auf der Berliner Bühne bahnt sich das Comeback einer politisch Totgesagten an. Die frühere SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles dürfte schon in wenigen Monaten als neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit zurückkehren. Darauf haben sich nach Informationen unseres Hauptstadt-Teams die Koalitionäre längst geeinigt. Entscheiden müssen aber Arbeitnehmervertreter und Arbeitgebervertreter. Dies scheint nun weit gediehen - es werde ein „Personalpaket“ an der BA-Spitze geschnürt, dass beide Seiten zufriedenstellt.
Bereits am Tag nach dem Großen Zapfenstreich für Angela Merkel, zu dem Nahles eingeladen war, zurrte die SPD-Frau mit Arbeitsminister Hubertus Heil die Details fest.
Warum Nahles bei Gewerkschaften und Arbeitgebern, aber vor allem bei Kanzler Olaf Scholz auf Zustimmung stieß, haben die Kollegen im Newsletter Hauptstadt Das Briefing detailliert aufgeschrieben.
Das RKI meldete gestern 63.393 Neuinfektionen; die 7-Tage-Inzidenz stieg auf 840,3 – ein erneuter Höchstwert. Vor einem Monat lag die Inzidenz noch bei 222,7.
Bund und Länder sind beim gestrigen Corona-Gipfel „zu dem Ergebnis gekommen, dass im Kern alles für die nächsten Wochen so bleiben soll, wie es aktuell ist“, wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer im Anschluss erklärte. Olaf Scholz:
Jetzt gilt: Kurs halten
Außerdem will die Bundesregierung zur Erhöhung der Impfquote noch stärker als zuvor für den Impfschutz werben. Dazu habe man eine neue Kampagne zum Impfen und Boostern aufgelegt, die, wie der Kanzler erklärte, nun auch Aufrufe im Radio und auf Social-Media-Plattformen enthalten wird.
Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen wird die Präsenzpflicht an Berliner Schulen vorläufig ausgesetzt. Ab heute können Eltern selbst entscheiden, ob ihr Kind die Schule besucht oder zu Hause Aufgaben bearbeitet.
Eine Stagflation ist eine Mischung aus Stagnation und Inflation. Mit anderen Worten: Es herrscht eine konjunkturelle Situation, bei der die Wirtschaft nicht wächst oder sogar schrumpft und gleichzeitig die Preise steigen. Laut dem Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln, Michael Hüther, droht Europa in genau so eine Situation zu geraten. Im Interview mit der “Welt” sagt er:
Europa droht eine Stagflation, wenn die Politik nicht aufpasst.
Dafür macht er die Klimapolitik der EU verantwortlich und vergleicht die aktuelle Situation mit den 70er-Jahren:
Der steigende CO2-Preis wirkt wie der Ölpreis in den 70er-Jahren. Wenn die Politik nicht aufpasst und die Unternehmen überfordert, gleiten wir von einem goldenen Jahrzehnt in ein sehr trübes Jahrzehnt.
Die US-amerikanische Bank JP Morgan Chase & Co. fasst ihre drei Einheiten in Deutschland, Irland und Luxemburg künftig unter dem Namen JP Morgan SE in Frankfurt zusammen.
Hauptargument für das Zusammenlegen war eine Vereinfachung der rechtlichen Strukturen, als Beschleuniger diente der Brexit. Der Chef der neuen Großbank, Stefan Behr, erklärt:
Die Einheiten in Deutschland und Luxemburg sind in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen, auch durch den Brexit. Deshalb ergeben sich nun Vorteile, wenn wir die Einheiten zusammenlegen.
Die Deutsche Bank muss sich auch vor dem fusionierten Institut auf ihrem Heimatmarkt nicht fürchten: Die Bilanzsumme der Fusionsbank dürfte 2021 nach Schätzungen rund 500 Milliarden Euro betragen und damit nur circa 38 Prozent der deutschen Nummer 1. Die Deutsche Bank weist eine Bilanzsumme für 2021 von über 1,3 Billionen Euro aus.
Die politische Klasse mag es nicht, als Klasse angesprochen zu werden. Den ganzen Tag arbeitet das Spitzenpersonal der Parteien schließlich daran, dass man Unterschiede erkennt. Auch solche, die es gar nicht gibt.
Bei der Impfplicht haben die Politiker das Unterholz verlassen und im Beisein der Medien die Lichtung betreten. Und siehe da, sie wurden als Kollektiv kenntlich. Eben noch hatten die Spitzenpolitiker nahezu geschlossen eine gesetzliche Verpflichtung zum Empfang der Impfdosis abgelehnt, um sie nun in gleicher Formation zu fordern.
Hannah Arendt kommt einem in den Sinn. Die sicherste Methode, die Zukunft zu erkennen, sagte sie einst, bestünde darin, ein Versprechen abzugeben und es zu halten.
Doch diese Formatierung von Zukunft, gewissermaßen als Güteklasse A des Kommenden, ist selten geworden. Die Politiker sagen, daran sei die Wirklichkeit schuld. Sie verlange nach Wendigkeit.
Wir sollten gnädig mit der classe politique sein: Zur Selbsterkenntnis fehlt ihr das Klassenbewusstsein. Lenin:
© dpaSchlimmer als blind zu sein, ist nicht sehen wollen.
Ich wünsche Ihnen einen vitalen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste,
Ihr